Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
5A_635/2022
Urteil vom 20. September 2022
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Herrmann, Präsident,
Bundesrichter von Werdt, Bovey,
Gerichtsschreiber Möckli.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Atakan Özçelebi,
Beschwerdeführerin,
gegen
B.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Regula Steiner,
Beschwerdegegner,
C.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Christophe A. Herzig.
Gegenstand
Internationale Kindsentführung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Zivilkammer, vom 23. Juni 2022 (ZK 22 129).
Sachverhalt:
A.
Die rubrizierten Parteien sind türkische Staatsangehörige und wohnten in der Türkei. Sie heirateten im Jahr 2002 und haben die Söhne C.________ (geb. August 2011) und D.________ (geb. Juli 2015). C.________ leidet an Epilepsie und Krampfanfällen; die entsprechenden Medikamente verursachen starke Nebenwirkungen.
Beide Parteien arbeiteten in der Türkei bei der Polizei und verloren nach dem dortigen Putschversuch im Jahr 2016 ihre Stelle. Im Juli 2017 wurde der Vater wegen angeblichen Verbindungen zur Gülen-Bewegung für acht Monate inhaftiert, dann aber mangels Beweisen aus der Haft entlassen. Im Februar 2019 wurde er zu einer Haftstrafe von mehr als sechs Jahren verurteilt; die Berufung wurde im Februar 2021 abgewiesen und momentan ist die Beschwerde beim türkischen Kassationsgericht hängig.
B.
Die Parteien trennten sich im Dezember 2020 und die Mutter zog mit beiden Kindern von Ankara in ihre Heimatstadt U.________. Im Mai 2021 reiste C.________ in Begleitung seines Onkels von dort nach Ankara. Die Mutter sagte aus, dies sei wegen eines medizinischen Termines im Krankenhaus in Ankara gewesen; anlässlich der dortigen Kontrolle im Juni 2021 sei ein Termin für eine Hirnstrommessung (EEG) im August 2021 abgemacht worden und C.________ deshalb bei der Familie des Onkels in Ankara geblieben. Demgegenüber brachte der Vater vor, es sei nicht in erster Linie um die Wahrnehmung medizinischer Termine gegangen, sondern die Mutter sei mit C.________ überfordert gewesen und man habe deshalb vereinbart, dass dieser bei ihm lebe; sie hätten die medizinische Erforderlichkeit der Reise nur angegeben, weil dies aufgrund der Corona-Pandemie einer der einzigen Reisegründe gewesen sei.
Am 8. Juli 2021 wies das Familiengericht in Ankara die Scheidungsklage des Vaters ab, verpflichtete ihn aber zu Unterhalt für den weiterhin bei der Mutter lebenden D.________. Am 10. August 2021 verlangte die Mutter beim Familiengericht U.________ die sofortige Übertragung des Sorgerechts für beide Kinder auf sie. Nach Einsichtnahme in die Akten entsprach das Familiengericht diesem Antrag und übertrug der Mutter am 16. August 2021 vorsorglich das Sorgerecht für beide Kinder und setzte auf den 10. November 2021 eine Verhandlung an. Zwischenzeitlich hat es mit Urteil vom 23. März 2022 das Sorgerecht über die Kinder definitiv der Mutter übertragen.
Am 27. August 2021 reiste der Vater mit C.________ nach Griechenland. Seit Oktober 2021 hält er sich mit ihm in der Schweiz auf, wo er ein Asylgesuch stellte.
C.
Am 23. September 2021 gelangte die Mutter an das Aussenministerium in Ankara und an die Oberstaatsanwaltschaft von U.________ und verlangte von der griechischen Regierung die Rückgabe von C.________.
Am 21. März 2022 reichte sie beim Obergericht des Kantons Bern ein Rückführungsgesuch ein, mit welchem sie die umgehende Rückführung von C.________ in ihre Obhut verlangte. Das Obergericht ordnete am 22. März 2022 die Vertretung des Kindes an und edierte beim SEM diejenigen Akten des Asylverfahrens, welche sich auf die Umstände der Flucht in die Schweiz und die Beziehung zwischen den Eltern beziehen. Am 2. Mai 2022 hörte es unter Beizug von Dr. med. E.________ das Kind an. Am 22. Juni 2022 fand die Gerichtsverhandlung statt, bei welcher auch die Parteien angehört wurden.
Mit Entscheid vom 23. Juni 2022 wies das Obergericht das Rückführungsgesuch ab.
D.
Gegen diesen Entscheid hat die Mutter am 24. August 2022 beim Bundesgericht eine Beschwerde in Zivilsachen eingereicht, mit welcher sie dessen Aufhebung und die Rückführung von C.________ in die Türkei, eventualiter die Rückweisung der Sache an das Obergericht zur ergänzenden Sachverhaltsfeststellung und Neubeurteilung verlangt; ferner ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege. Mit Vernehmlassungen vom 6. bzw. 8 September 2022 verlangen der Kindesvertreter und der Vater übereinstimmend die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei; ferner ersuchen auch sie je um unentgeltliche Rechtspflege.
Erwägungen:
1.
Die Türkei ist wie die Schweiz Vertragsstaat sowohl des Haager Kindesentführungsübereinkommens (HKÜ, SR 0.211.230.02) als auch des Haager Kindesschutzübereinkommens (HKsÜ, SR 0.211.231.011).
Bei Rückführungsentscheiden nach dem HKÜ geht es um die Regelung der Rechtshilfe zwischen den Vertragsstaaten (BGE 120 II 222 E. 2b), die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Respektierung und Durchsetzung ausländischen Zivilrechts steht (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 1 BGG; BGE 133 III 584).
Gegen den Entscheid des Obergerichts, welches als einzige kantonale Instanz entschieden hat (Art. 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes über internationale Kindesentführung und die Haager Übereinkommen zum Schutz von Kindern und Erwachsenen, BG-KKE, SR 211.222.32), steht die Beschwerde in Zivilsachen offen.
Mit der Beschwerde kann in erster Linie die Verletzung von Bundesrecht (Art. 95 lit. a BGG) und von Völkerrecht (Art. 95 lit. b BGG) gerügt werden, wozu als Staatsvertrag auch das Entführungsübereinkommen gehört.
Der kantonal festgestellte Sachverhalt ist für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann höchstens eine offensichtlich unrichtige, d.h. willkürliche Sachverhaltsfeststellung gerügt werden, wobei das strenge Rügeprinzip gilt (Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG ).
2.
Vorliegend wurden C.________ und D.________ nach der elterlichen Trennung durch die Mutter betreut. Im Mai 2021 ging C.________ in Begleitung seines Onkels für medizinische Untersuchungen nach Ankara (Untersuchung im Juni und sodann Termin im August 2021). Der Vater machte allerdings geltend, dies sei in erster Linie wegen der Überforderung der Mutter geschehen, was diese bestritt. Für die Frage des widerrechtlichen Verbringens relevant ist indes, dass im Zeitpunkt der Ausreise aus der Türkei und der späteren Einreise in die Schweiz die Eltern noch verheiratet waren und ihnen das Sorgerecht gemeinsam zustand (Art. 336 Abs. 1 ZGB/TK) bzw. die Mutter aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung im Sinn von Art. 336 Abs. 2 ZGB/TK sogar über das alleinige Sorgerecht verfügte. Dass demnach das Verbringen von C.________ in die Schweiz widerrechtlich im Sinn von Art. 3 Abs. 1 HKÜ war und somit die Voraussetzungen für seine sofortige Rückführung in die Türkei gemäss Art. 12 Abs. 1 HKÜ gegeben sind, stellte der Vater vor Bundesgericht denn auch nicht mehr in Frage. Vielmehr beruft er sich vernehmlassungsweise auf den vom Obergericht bejahten Ausschlussgrund von Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ (dazu E. 4).
3.
Wie sich in E. 4 noch zeigen wird, kommt das Bundesgericht hinsichtlich des Ausschlussgrundes von Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ zu einem anderen Resultat als das Obergericht. Deshalb drängt es sich auf, vorab kurz den Ausschlussgrund von Art. 13 Abs. 2 HKÜ zu thematisieren, welchen das Obergericht verneint hat; für die Parteien bestand kein Anlass, sich diesbezüglich zu äussern.
3.1. Das Gericht kann es ablehnen, die Rückführung des Kindes anzuordnen, wenn festgestellt wird, dass sich dieses der Rückgabe widersetzt und dass es ein Alter und eine Reife erreicht hat, angesichts deren es angebracht erscheint, seine Meinung zu berücksichtigen (Art. 13 Abs. 2 HKÜ). Die Rechtsprechung zu diesem Ausschlussgrund wurde namentlich in den Urteilen 5A_229/2015 vom 30. April 2015 E. 5.1, 5A_666/2017 vom 27. September 2017 E. 5 und 5A_475/2018 vom 9. Juli 2018 E. 4.2 zusammengestellt. Sie lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Die erforderliche Reife im Sinn von Art. 13 Abs. 2 HKÜ ist erreicht, wenn das Kind zu autonomer Willensbildung fähig ist, d.h. wenn es seine eigene Situation zu erkennen und trotz der äusseren Einflüsse eine eigene Meinung zu bilden vermag (BGE 131 III 334 E. 5.1) und wenn es den Sinn und die Problematik des anstehenden Rückführungsentscheides verstehen kann; dies heisst, dass es insbesondere erkennen können muss, dass es nicht um die Sorgerechtsregelung, sondern um die Wiederherstellung des aufenthaltsrechtlichen status quo ante geht und im Herkunftsstaat über die materiellen Fragen entschieden wird (BGE 133 III 146 E. 2.4). Gestützt auf die einschlägige kinderpsychologische Literatur geht die bundesgerichtliche Rechtsprechung davon aus, dass die erwähnten Voraussetzungen in der Regel ab ungefähr elf bis zwölf Jahren gegeben sind (BGE 133 III 146 E. 2.4).
Die Willensbildung erfolgt nie völlig losgelöst von äusserer Beeinflussung (BGE 131 III 334 E. 5.1). Sie darf aber nicht auf einer Manipulation oder Indoktrination beruhen, denn es lässt sich dort nicht mehr von einem dem Kind zurechenbaren autonomen Willen sprechen, wo es bloss die Ansicht seiner momentanen Bezugsperson transportiert. Vor diesem Hintergrund ist die Rechtsprechung zu verstehen, wonach das Widersetzen des Kindes im Sinn von Art. 13 Abs. 2 HKÜ mit einem gewissen Nachdruck und mit nachvollziehbaren Gründen vertreten werden muss (vgl. BGE 133 III 88 E. 4; nicht beanstandet im Urteil Nr. 3592/08 des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 22. Juli 2014).
3.2. Gemäss den obergerichtlichen Feststellungen erklärte C.________ bei der Anhörung, dass er in der Schweiz leben möchte und hier mit seinem Vater glücklich sei. Die Schweiz sei sehr schön, alles sei grün und es gebe viele Sachen, die gratis seien, wie Schwimmbäder; die Schulen seien auch gut. Wenn sein Vater zurück in die Türkei gehe und dort ins Gefängnis komme, mache er auch etwas Blödes, damit er ins Gefängnis komme. Wenn seine Mutter mit seinem Bruder in die Schweiz käme, würde er sich mit ihr versöhnen, wenn sie keine Probleme mehr mache; wenn sie weiter Probleme mache, nehme er ihr den Bruder weg. Auf die Frage mit dem Zauberstab antwortete er, dass er mit seinem Vater und seinem Bruder in der Schweiz leben möchte, wobei die Onkel, Tanten und Grosseltern mütterlicherseits auch alle in die Schweiz kommen sollten.
Das Obergericht hat daraus geschlossen, dass sich C.________ gegen eine Rückführung in die Türkei ausspreche, jedoch der Ausschlussgrund Art. 13 Abs. 2 HKÜ zu verneinen sei, weil keine genügende Reife für eine autonomer Willensbildung vorliege. Gemäss Arztbericht von Dr. med. F.________ bestehe der Verdacht auf eine Entwicklungsstörung und eine niedrige Intelligenz und anlässlich der Kindesanhörung habe auch Dr. med. E.________ festgehalten, dass C.________ in seiner kognitiven Entwicklung eher rückständig wirke und seine Entwicklung in etwa einem neunjährigen Kind entspreche. Er leide an einer Aufmerksamkeitsstörung und habe Probleme mit der Impulskontrolle, was das Obergericht aufgrund eigener Wahrnehmung bestätigen könne. C.________ habe anlässlich der Anhörung grosse Mühe bekundet, auf die ihm gestellten Fragen zu antworten und stattdessen vorbeiredend auf der Schlechtigkeit der Mutter und seinem Willen, nicht in die Türkei zurückzukehren, beharrt. Er habe mit einem kindlichen Grössenwahn imponiert und es sei ihm sichtlich schwer gefallen, während der Anhörung konzentriert zu bleiben.
3.3. Ausgehend von diesen Feststellungen scheint die Verneinung des Ausschlussgrundes konventionskonform und eine dahingehende Motivsubstitution steht ausser Frage. Kern des vorliegenden Urteils bildet mithin die Diskussion des vom Obergericht bejahten und von der Mutter als Konventionsverletzung gerügten Ausschlussgrundes von Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ.
4.
Von der Rückführung eines Kindes kann abgesehen weden, wenn die Rückgabe mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist oder das Kind auf andere Weise in eine unzumutbare Lage bringt (Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ).
4.1. Nach allgemeiner Rechtsprechung ist der Begriff der schwerwiegenden Gefahr restriktiv auszulegen; sie ist beispielsweise gegeben bei einer Rückführung in ein Kriegs- oder Seuchengebiet oder wenn zu befürchten ist, dass das Kind nach der Rückgabe misshandelt oder missbraucht wird, ohne dass die Behörden rechtzeitig einschreiten würden (vgl. insb. Urteil 5A_229/2015 vom 30. April 2015 E. 6.1 m.w.H. auf die in- und ausländische Rechtsprechung; letztmals Urteil 5A_952/2021 vom 6. Januar 2022 E. 4.1).
Keine schwerwiegende Gefahr seelischer Schädigung begründen hingegen anfängliche Sprach- und Reintegrationsschwierigkeiten, wie sie sich bei Kindern ab einem gewissen Alter mehr oder weniger zwangsläufig ergeben (BGE 130 III 530 E. 3). Sodann bedeutet nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Trennung zwischen der Hauptbezugsperson und dem Kind für sich allein noch keine schwerwiegende Gefahr, wobei (in Bezug auf die Mutter) ein generalisierender Vorbehalt für Säuglinge und Kleinkinder gilt (vgl. Urteil 5A_799/2013 vom 2. Dezember 2013 E. 5.6 m.w.H.).
Schliesslich ist zu beachten, dass es im Rückführungsverfahren nicht um materiell-rechtliche Fragen geht, wie sie für die Zuteilung des Sorgerechts massgebend sind, namentlich bei welchem Elternteil oder in welchem Land das Kind besser aufgehoben oder welcher Elternteil zur Erziehung und Betreuung des Kindes besser geeignet wäre (BGE 131 III 334 E. 5.3; 133 III 146 E. 2.4); der Entscheid darüber ist nach dem Haager System dem Sachrichter des Herkunftsstaates vorbehalten (vgl. Art. 16 und 19 HKÜ; Art. 5 und 7 HKsÜ ).
4.2. Das Obergericht hat zunächst festgehalten, dass die medizinische Versorgung in der Türkei gemäss der Stellungnahme des SEM grundsätzlich westeuropäischen Standards entspricht und dass die Epilepsie sowie die Krampfanfälle des Kindes auch dort behandelt werden können.
Sodann hat es die vom Vater behaupteten Gewaltvorfälle seitens der Mutter und die ebenfalls dahingehenden Aussagen von C.________ bei der Anhörung - sie habe mehrmals versucht, ihn zu würgen, ihn geschlagen, ihn fast mit dem Messer verletzt, ihn unters Bett gestossen, wo er sich fast an einem Nagel ein Auge ausgestochen habe, und versucht, ihn aus dem 4. Stock zu werfen; die Mutter verneinte hingegen bei ihrer Anhörung, je Gewalt angewandt zu haben - als übertrieben und nicht glaubhaft erachtet. Gemäss den Beobachtungen von Dr. med. E.________ habe die Darstellung der Gewaltvorkommnisse nicht mit dem affektiven Ausdruck von C.________ zusammengepasst, was auch dem Obergericht aufgefallen ist. Es bestünden in diesem Zusammenhang gewichtigen Anhaltspunkte, wonach die Äusserungen von C.________ auf väterlicher Manipulation beruhten.
Im Zusammenhang mit der vorgebrachten Traumatisierung des Kindes bei einer Trennung vom Vater hat das Obergericht festgehalten, dass gemäss Arztbericht von Dr. med. F.________ bei C.________ der Verdacht auf eine generalisierte Angststörung bestehe; diese Diagnose sei zum ersten Mal am 13. Juli 2018 in der Türkei gestellt worden. Ausserdem bestünden multiple psychosoziale Belastungsfaktoren. Gemäss den Beobachtungen von Dr. med. E.________ bei der Anhörung habe sich gezeigt, dass C.________ im Rahmen der Vorgeschichte traumatisiert worden sei. Er habe aber sicher auch traumatische Erfahrungen im Zusammenhang mit seiner Epilepsie gemacht. Aufgrund der Aussagen des Kindes sei jedoch davon auszugehen, dass die Haupttraumatisierung durch die Verhaftung des Vaters erfolgt sei. Deshalb habe er enorme Angst, ihn zu verlieren. Dies zeige sich namentlich in seiner Aussage bei der Anhörung, wenn sein Vater zurück in die Türkei gehe und dort ins Gefängnis müsse, werde er auch etwas Blödes anstellen, damit er ins Gefängnis komme.
Gemäss Dr. med. E.________ wäre eine Trennung vom Vater für C.________ sehr schwierig; er hätte Angst, was mit seinem Vater passieren würde. Es sei C.________ wichtig, dass es dem Vater gut gehe, was sich bei der Anhörung in verschiedenen Aussagen gezeigt habe. Er scheine ein "Papa-Kind" zu sein. Die Zusammenführung mit der Mutter wäre nicht das Problem, sondern die Trennung vom Vater; eine Begegnung mit der Mutter wäre für C.________ nicht traumatisierend. Das Obergericht fügte dieser Einschätzung durch Dr. med. E.________ an, dass es die Beobachtungen teile. Es habe ebenfalls den Eindruck, dass C.________ psychisch vorbelastet sei und sehr an seinem Vater hänge. Von September 2017 bis Juli 2018 habe er mehrere Termine beim Psychiater gehabt. Es sei davon auszugehen, dass er während der Haft seines Vaters, welche von Juli 2017 bis Februar 2018 gedauert habe, traumatisiert worden sei.
Das Obergericht hat weiter befunden, dass der Vater seit Mai 2021 die engste Bezugsperson von C.________ sei. Sodann stehe für den Vater ein positiver Asylentscheid in Aussicht. Eine gemeinsame Rückkehr von Vater und Sohn in die Türkei sei nicht möglich; dort sei ein Verfahren gegen den Vater hängig und ausserdem sei er illegal aus der Türkei ausgereist. Bei einer Rückführung des Kindes würde der Kontakt zum Vater jäh abreissen und dies würde sich abträglich auf das Kindeswohl auswirken. Es bestehe die Gefahr, dass dies zu einer (Re-) Traumatisierung von C.________ führen könnte, zumal er psychisch vorbelastet sei und durch die Verhaftung des Vaters eine Traumatisierung erfahren habe; diese alten Wunden könnten bei einer Rückführung aufgerissen werden.
4.3. Die Mutter erblickt in diesen Ausführungen eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ. Sie macht geltend, die Haupttraumatisierung von C.________ sei durch die Verhaftung des Vaters entstanden und er habe Angst, was mit diesem passieren würde bzw. dass diesem etwas zustossen könnte; das Zusammenbringen mit ihr als Mutter sei nach der Einschätzung von Dr. med. E.________ nicht das Problem. Vor diesem Hintergrund sei nicht nachvollziehbar, inwiefern die Gefahr einer (Re-) Traumatisierung durch die Rückführung bestehen sollte. Es werde nicht bestritten, dass eine Rückführung für C.________ schwierig sein könnte. Der Vater habe aber in der Schweiz keine Repressalien zu befürchten und C.________ könnte sich im Rahmen von Gesprächen mit dem Vater auch davon überzeugen, dass es diesem in der Schweiz weiterhin gut gehe und er nicht im Gefängnis sei. Schliesslich könne die Tatsache, dass der Vater momentan die engste Bezugsperson für C.________ sei, entgegen der obergerichtlichen Ansicht für sich allein keinen Versagensgrund für die Rückführung bilden; ebenso wenig habe das Obergericht die vorher gelebte Situation berücksichtigt.
4.4. Der Vater bringt vernehmlassungsweise vor, die Beschwerdeführerin mache erstmals vor Bundesgericht geltend, dass die Traumatisierung von C.________ im Zusammenhang mit der Inhaftierung stehe. Gemäss Dr. med. E.________ sei er aber durch die Vorgeschichte insgesamt traumatisiert worden. Nicht primär die Inhaftierung, sondern vielmehr die dadurch bewirkte abrupte Trennung müsse für den damals sechsjährigen C.________ traumatisierend gewesen sein. Es sei vorinstanzlich festgestellt worden, dass dieser sehr an ihm (Vater) hänge. Ein jähes Abreissen der Beziehung zu ihm als engster Bezugsperson begründe die Gefahr einer (Re-) Traumatisierung, zumal C.________ vorbelastet sei. Im Übrigen könne er selbst nicht unbehelligt in die Türkei zurückreisen und die Trennung wäre deshalb nicht nur vorübergehend, sondern zumindest in einem gewissen Mass definitiv, weil einerseits das Geld für Besuche fehle und andererseits bei regelmässigen Kontakten für C.________ die Gefahr einer Reflexverfolgung bestehe. Gespräche via Skype würden den physischen Kontakt nicht ersetzen. Dass C.________ aufgrund von solchen Kontakten und von Telefonaten wüsste, dass es ihm (Vater) in der Schweiz gut gehe, ändere nichts an der Tatsache, dass die Rückführung eine abrupte Trennung bedeuten würde. Auch die früher in der Türkei gelebte Situation ändere nichts an dieser Tatsache und an der sich daraus ergebenden Gefahr einer (Re-) Traumatisierung von C.________.
4.5. Der Kindesvertreter macht primär geltend, die Beschwerde sei zu wenig gut begründet bzw. die Ausführungen würden den Begründungsanforderungen nicht genügen. Ferner wird abstrakt, d.h. ohne konkreten Ausführungen behauptet, dass bei einer Rückführung von C.________ eine Reflexverfolgungsgefahr bestünde und dieser deshalb einen eigenen Asylgrund hätte.
4.6. Die obergerichtlichen Tatsachenfeststellungen können dahingehend zusammengefasst werden, dass C.________ aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Epilepsie und Krampfanfälle) und der psychischen Vorbelastung, welche in erster Linie auf die traumatisierenden Erfahrungen im Zusammenhang mit der Inhaftierung des Vaters in der Türkei zurückzuführen ist, ein vulnerables Kind ist. Sodann gehen die Feststellungen dahin, dass C.________ eher ein "Papa-Kind" ist, wobei sich diese Aussage vorab auf die momentane Situation in der Schweiz zu beziehen scheint. Von daher scheint eine gewisse Vorsicht angebracht: In Entführungsfällen zeigt sich meistens eine starke Solidarisierung des Kindes mit dem Elternteil, mit welchem es seit langer Zeit zusammen ist, mit welchem es eine (vorliegend gewiss abenteuerliche: der Vater legt der Beschwerde eine Foto einer Schlauchbootüberfahrt bei) Reise bzw. Flucht hinter sich hat und von welchem es im Zufluchtsstaat vollständig abhängig ist, gerade in der vorliegenden Asylkonstellation, was naturgemäss eine sehr enge Schicksalsgemeinschaft entstehen lässt, welche umso stärker ist, wenn während der ganzen Zeit kein Kontakt zum anderen Elternteil besteht oder zugelassen wird. In einer solchen Situation lösen Kinder ihren Loyalitätskonflikt, welchen sie ursprünglich fast immer auszuhalten hatten, in aller Regel durch eine starke Parteinahme für die aktuelle Hauptbezugsperson und für deren explizite oder unausgesprochene Erwartungen auf. Wie Vollzugsberichte über Rückführungen verschiedentlich gezeigt haben, kann es zu einem eigentlichen "Fahnenwechsel" kommen, sobald dem Kind klar wird, dass es nunmehr wieder mit dem anderen Elternteil zusammen sein wird.
Ein solches Verhalten ist vorliegend zwar nicht unbedingt zu erwarten, da nach den Sachverhaltsfeststellungen eine echte und starke Vaterbindung vorhanden zu sein scheint, welche nicht oder jedenfalls nicht ausschliesslich im Zusammenhang mit der faktisch bestehenden Schicksalsgemeinschaft zu sehen ist. Die Mutter hält in der Beschwerde denn auch selbst fest, dass die Rückführung von C.________ für diesen schwierig sein dürfte; dies zeigt im Übrigen, dass sie die Situation realistisch einschätzt und ihr bewusst ist, dass sie aufgrund des Verbringens und der langen Trennung allenfalls nicht das Kind zurückerhält, das und wie sie es bis Mai 2021 gekannt hat.
Aufgrund der im angefochtenen Entscheid festgestellten, namentlich auf dem Arztbericht von Dr. med. F.________ sowie der Beobachtungen von Dr. med. E.________ und des Obergerichtes bei der Kindesanhörung beruhenden Tatsachen erscheint es jedoch nicht als wahrscheinlich, dass C.________ sich nicht im Haushalt der Mutter wieder einleben würde. Dieser ist ihm vertraut, ebenso das dortige Umfeld (C.________ wünschte sich bei der Anhörung, dass die ganze mütterliche Verwandtschaft in die Schweiz käme), und Türkisch ist auch nach wie vor seine Hauptsprache (Notwendigkeit eines Dolmetschers bei der Anhörung; Aussage bei der Anhörung, wonach er einen Schulfreund habe, der auch türkisch spreche, und wonach er sich mit einem italienischsprachigen Freund auf Deutsch unterhalte und sie mit Gesten sprechen würden, wenn sie sich nicht verstünden). Sodann würde er dort wieder mit seinem Bruder zusammenleben, den er sehr schätzt und mit welchem er nach seinen Aussagen bei der Anhörung offenbar regelmässig telefonischen Kontakt hat.
Was sodann die befürchtete (Re-) Traumatisierung anbelangt - die Zusammenführung mit der Mutter wäre nach den Aussagen von Dr. med. E.________ nicht das Problem, sondern die Trennung vom Vater - gehen die kantonalen Sachverhaltsfeststellungen dahin, dass in erster Linie im Zusammenhang mit der Inhaftierung des Vaters eine Traumatisierung von C.________ erfolgte. Dies ist mehr als verständlich, zumal auch die Mutter ihre Anstellung als Polizistin verloren hatte und davon auszugehen ist, dass die Familie während der langen Inhaftierungsdauer unmittelbar um das Wohl des Vaters fürchten musste und über dessen weiteres Schicksal im Ungewissen war. All das kann an einem Kind nicht spurlos vorbeigehen und C.________ war denn auch auf psychiatrische Unterstützung in der Türkei angewiesen. Nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid zieht sich als Nachwirkung wie ein roter Faden durch die Aussagen von C.________, dass er um das Wohlergehen seines Vaters sehr besorgt ist und dessen erneute Inhaftierung in der Türkei befürchtet, in welchem Fall er selbst auch ins Gefängnis gehen möchte.
Nun verhält es sich aber in objektiver Hinsicht so, dass der Vater in der Schweiz einen positiven Asylentscheid in Aussicht hat und ihm hier keinerlei Verfolgung droht, sondern er sich nach Abschluss des Asylverfahrens schrittweise ein neues Leben in Freiheit und Sicherheit wird aufbauen können. C.________ scheint im kognitiven Bereich zwar erhebliche Einschränkungen zu haben und in der Entwicklung retardiert zu sein. Auch wenn er dadurch nicht die Reife eines Elfjährigen hat, hat er doch etliche Monate in der Schweiz verbracht und dabei die hiesige Realität erfahren können. Er wohnt mit seinem Vater in einem Asylzentrum und muss wahrgenommen haben, dass der Vater hier sicher untergebracht ist. Sodann könnte er sich auch nach einer Rückkehr in die Türkei über verschiedene Kommunikationskanäle weiterhin rege mit seinem Vater in Ton und Bild austauschen und sich dabei laufend versichern, dass es diesem in der Schweiz weiterhin gut geht und ihm keinerlei Verfolgung droht. Insofern scheint eine (Re-) Traumatisierung durch die Rückkehr in den mütterlichen Haushalt nicht wahrscheinlich.
In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass die Befürchtung einer (Re-) Traumatisierung entgegen des vom Vater vernehmlassungsweise geltend Gemachten keine obergerichtliche Sachverhaltsfeststellung ist, sondern eine aufgrund der getroffenen und vorstehend wiedergegebenen Feststellungen gezogene Schlussfolgerung. Die Behauptung des Vaters, angesichts der festgestellten (Re-) Traumatisierung könnte C.________ die Rückkehr nicht verarbeiten und ein Trauma würde sich auf sämtliche Lebensbereiche auswirken, geht deshalb von einer falschen Basis aus und es wird eine spekulative Schlussfolgerung gezogen. Wie C.________ auf die Rückführung reagieren und wie sich das Wiedereinleben in der Türkei gestalten würde, ist eine in der Zukunft liegende Ungewissheit; ausgehend von den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ist die zu erwartende Entwicklung einzuschätzen und es ist abzuwägen, ob eine schwerwiegende Gefahr im Sinn von Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ vorliegt.
4.7. Eine schwerwiegende Gefahr eines psychischen Schadens im Sinn von Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ würde nach dem Gesagten nicht durch die Rückführung in den mütterlichen Haushalt, sondern wenn schon von anderer Seite drohen, nämlich durch die Trennung vom Vater, welcher vorliegend die Besonderheit innewohnt, dass dieser nicht in die Türkei zurückreisen kann, weshalb selbst im Rahmen eines Besuchsrechts keine physisch gelebte Vater-Sohn-Beziehung mehr möglich wäre (oder nur dann, wenn C.________ regelmässig auf Besuch in die Schweiz kommen könnte). Es stellt sich somit die Frage, ob davon ausgegangen werden muss, dass C.________ vor diesem Hintergrund nicht nur den zu erwartenden heftigen Trennungsschmerz, sondern darüber hinaus einen dauerhaften psychischen Schaden zu gewärtigen haben könnte; diesfalls wäre der Ausschlussgrund zu bejahen.
Das Bundesgericht hat stets festgehalten, dass die Trennung von der aktuellen Hauptbezugsperson, welche im Entführungsfällen fast immer identisch mit dem entführenden Elternteil ist, für sich genommen kein Ausschlussgrund im Sinn von Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ darstellen kann, soweit es nicht um ein Mutter-Säuglings-Verhältnis geht (vgl. E. 4.1). In der Regel ist ein Kind denn auch in der Lage, einen solchen Aufenthaltswechsel, den es in der Regel bereits aufgrund der Entführung einmal durchgemacht hat, zu verkraften, jedenfalls wenn die Beziehung zum Elternteil, bei welchem es nach der Rückführung lebt, tragfähig ist.
Entgegen dem genannten Grundsatz entschieden hat das Bundesgericht neulich in einem Fall, in welchem es - ausgehend von einer vormals in den USA bestandenen alternierenden Obhut - um die Rückführung eines fünfjährigen Mädchens in einen väterlichen Gewalthaushalt ging und die Mutter für die USA mit einer zehnjährigen Einreisesperre belegt war; das Bundesgericht hat für diese Konstellation erwogen, dass die dauerhafte Trennung von der Mutter, welche zufolge der Einreisesperre und angesichts des Alters des Kindes nichts von väterlichen Gewaltvorfällen mitbekommen und entsprechend auch nicht bei den dortigen Behörden intervenieren könnte, für ein erst fünfjähriges Mädchen eine schwerwiegende Gefahr im Sinn von Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ begründet (Urteil 5A_437/2021 vom 8. September 2021 E. 4).
Die vorliegende Situation ist indes anders. Das Obergericht hat eine Beweiswürdigung dahingehend getroffen, dass Gewalt im mütterlichen Haushalt nicht glaubhaft erscheint. Abgesehen davon handelt es sich bei C.________ um einen elfjährigen Jungen, welcher der Mutter körperlich nicht (mehr) unterlegen sein dürfte und welcher auch mit seinem Bruder zusammenspannen könnte, mit dem er sich gut versteht, und welcher in ein schulisches Umfeld mit Lehrkräften etc. eingebunden sein wird, wo er auf allfällige Probleme aufmerksam machen und sich notfalls Hilfe holen könnte.
Es verbleibt das Problem - welches beim Urteil 5A_437/2021 nicht für sich allein genommen zur Bejahung des Ausschlussgrundes führte -, dass die physische Trennung vom Vater nicht bloss vorübergehend wäre, da es wenig wahrscheinlich ist, schon nur aus finanziellen Gründen, dass C.________ den Vater regelmässig in der Schweiz besuchen könnte. Dem steht indes gegenüber, dass er auf der anderen Seite seit Mai 2021 auch seine Mutter nicht mehr gesehen hat (einzig anlässlich der obergerichtlichen Verhandlung, für welche die Mutter auf Kosten der Gerichtskasse in die Schweiz flog). Das heisst: Was den physischen Kontakt mit seinen Eltern anbelangt, wird C.________ in den nächsten Jahren so oder anders ein "Ein-Eltern-Kind" sein.
Dies läuft auf die materielle Fragestellung hinaus, bei welchem Elternteil aufzuwachsen für C.________ letztlich besser wäre. Die Beantwortung eben dieser Frage fällt nach dem Haager System aber ausschliesslich in die Kompetenz des Sachrichters im Herkunftsstaat. Im vorliegenden Fall besteht in dieser Hinsicht die Situation, dass dieser über das Sorgerecht mittlerweile bereits entschieden hat, wobei diesbezüglich offenbar noch ein Rechtsmittelverfahren hängig ist. Es wäre absolut unzulässig, im Rahmen des Rückführungsentscheides vom Ergebnis her eine materielle Obhutsumteilung vorzunehmen, nachdem aufgrund des Gesagten eine schwerwiegende Gefahr im Sinn von Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ nicht genügend greifbar ist.
4.8. Was schliesslich die vom Obergericht angesprochene, aber offengelassene Reflexverfolgungsgefahr angelangt, ist Folgendes festzuhalten: Gemäss den Feststellungen des Obergerichtes wurde eine solche Gefahr durch das SEM verneint. Vor dem Hintergrund, dass die Mutter in der Türkei mit dem Bruder von C.________ unbehelligt lebt, dass sie für das gerichtliche Verfahren problemlos in die Schweiz und wieder in die Türkei zurückreisen konnte und dass C.________ als damals erst zehnjähriges Kind gegen den Willen der Mutter vom Vater ins Ausland verbracht wurde, ist denn auch nicht ersichtlich, inwiefern C.________ bei einer Rückführung in die Türkei einer dortigen Verfolgungsgefahr ausgesetzt sein könnte. Die Annahme einer von dieser Seite her bestehenden schwerwiegenden Gefahr für C.________ kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.
4.9. Insogesamt ergibt sich Folgendes: Es ist nachvollziehbar, dass sich C.________ ein Leben mit seinem Vater an seinem aktuellen Aufenthaltsort wünscht, wo er sich nunmehr seit rund einem Jahr befindet und gut aufgehoben ist. Indes ist eine schwerwiegende Gefahr in physischer, insbesondere in medizinischer Hinsicht nicht ansatzweise zu sehen und eine schwerwiegende Gefahr ist auch in psychischer Hinsicht zu verneinen, da nach dem Gesagten davon auszugehen ist, dass eine Trennung vom Vater und eine Rückkehr in die Türkei für C.________ nicht einfach wäre, er sich aber im angestammten Haushalt bei seiner Mutter und seinem Bruder wieder einleben dürfte. Nach der Rückführung wird im Übrigen die materielle Lage bestehen, wie sie vom zuständigen Gericht in der Türkei (Art. 16 und 19 HKÜ; Art. 5 und 7 HKsÜ ) bereits geregelt worden ist.
5.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen und die Rückführung von C.________ anzuordnen. Diesfalls ist der Rückführungsentscheid mit Vollstreckungsmassnahmen zu verbinden (Art. 11 Abs. 1 BG-KKE). Weil das Bundesgericht reformatorisch entscheidet (Art. 107 Abs. 1 BGG), kann es dies selbst tun, was dann opportun scheint, wenn im Zusammenhang mit den sich stellenden Vollstreckungsfragen alle Sachverhaltselemente erstellt sind, wie dies vorliegend der Fall ist.
Normalerweise wird dem entführenden Elternteil eine Frist zur freiwilligen Rückführung des Kindes angesetzt. Diese Option fällt vorliegend ausser Betracht, weil es dem Vater unmöglich ist, selbst in die Türkei zurückzureisen.
Die Rückführung hat deshalb unter Mitwirkung der Vollstreckungsbehörde zu erfolgen, wobei eine Übergabe des Kindes an die Mutter in der Schweiz und eine gemeinsame Rückreise von Mutter und Kind in die Türkei im Vordergrund steht. Gemäss entsprechender Abklärung ist die Anreise der Mutter ohne Weiteres möglich.
Der Vollzug ist dahingehend zu regeln, dass die Vollstreckungsbehörde unter Beizug eines Dolmetschers mit den Elternteilen Kontakt aufnimmt, dass sie die Mutter soweit nötig bei der Beschaffung des Visums für die Schweiz und für die Beschaffung eines (offenbar nicht vorhandenen, vgl. kantonale Akten, p. 55) Reisepapieres für das Kind unterstützt, wobei diesbezüglich auch das Bundesamt für Justiz, Zentralbehörde für Kindesentführung, um allfällige Unterstützung gebeten wird, und dass sie die Flüge für Mutter und Kind sowie eine geeignete Unterkunft für die Mutter während ihres Aufenthaltes in der Schweiz organisiert. Dabei ist ein mehrtägiger Aufenthalt anzustreben, um einen vertrauensbildenden Kontaktaufbau zwischen der Mutter und C.________ zu ermöglichen. Soweit sich dies als nötig erweisen sollte, ist für C.________ auch eine begleitende psychologische Unterstützung vorzusehen. Ein Sicherheitskonzept scheint nicht erforderlich; der Vater befindet sich im Asylverfahren und es bestehen keine Anhaltspunkte für eine mangelnde Kooperationsbereitschaft. Im Sinn eines Fallback wird die Vollstreckungsbehörde jedoch ermächtigt, notfalls polizeiliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und im äussersten Notfall das Kind auch vorübergehend in geeigneter Weise zu platzieren.
6.
Zumal beide Parteien ohnehin mittellos sind, sind unbekümmert um den Vorbehalt der Türkei im Sinn von Art. 26 Abs. 3 und Art. 42 Abs. 1 HKÜ keine Gerichtskosten zu erheben und die Rechtsvertreter aller Beteiligten aus der Bundesgerichtskasse zu entschädigen (Art. 26 Abs. 2 HKÜ). Insofern sind die allseits gestellten Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos.
Hingegen hat das Obergericht Gerichts- und Parteikosten gesprochen und die Parteivertreter aufgrund der erteilten unentgeltlichen Rechtspflege entschädigt. Dies ist angesichts des bereits erwähnten Vorbehalts der Türkei zulässig, weil die Schweiz diesfalls gestützt auf Art. 21 Abs. 1 lit. b des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (SR 0.111) Gegenrecht halten kann, mithin die Kosten nur unter dem Vorbehalt der unentgeltlichen Rechtspflege übernehmen muss. Indes ist die Kostenverteilung nunmehr entsprechend dem neuen Ausgang des Verfahrens vorzunehmen; angesichts der kantonalen Spezifika im Zusammenhang mit der Kostenbestimmung (bloss teilweise Entschädigung der Anwälte aus der Gerichtskasse, Nachforderungsrechte für die Anwälte, Rückforderungsrechte des Kantons) wird das Obergericht mit der neuen Kostenverlegung betraut.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
In Gutheissung der Beschwerde und Aufhebung des Urteils des Obergerichtes des Kantons Bern vom 23. Juni 2022 wird die sofortige Rückführung von C.________, geb. August 2011, in die Türkei angeordnet.
2.
Das Jugendamt des Kantons Bern als Vollstreckungsbehörde wird beauftragt, die Rückführung von C.________ in die Türkei zu vollziehen.
Das Jugendamt wird hierfür vorab mit den Eltern Kontakt aufnehmen, mit der Mutter die Anreise in die Schweiz organisieren, die Flüge für Mutter und Kind buchen und der Mutter in Bern oder Umgebung eine Unterkunft besorgen. Nach Ankunft der Mutter wird sie den Kontakt zwischen ihr und dem Kind aufbauen bzw. begleiten. Schliesslich wird sie C.________ in die Obhut der Mutter übergeben und die beiden zum Flughafen begleiten.
Führt das vorstehend skizzierte Vorgehen nicht zum Ziel, wird das Jugendamt ausdrücklich ermächtigt, eine davon abweichende Rückführung zu organisieren und/oder polizeiliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und C.________ notfalls auch vorübergehend in geeigneter Weise unterzubringen.
Das Jugendamt und das Bundesamt für Justiz, Zentralbehörde für Kindesentführung, werden ersucht und ermächtigt, die Mutter bei der Beschaffung von Reisepapieren für das Kind zu unterstützen.
3.
Die Rechtsvertreter der Parteien, Rechtsanwalt Atakan Özçelebi und Rechtsanwältin Regula Elisabeth Steiner, sowie der Kindesvertreter, Rechtsanwalt Christophe Herzig, werden für das bundesgerichtliche Verfahren mit je Fr. 3'000.-- entschädigt.
4.
Die Regelung der kantonalen Kosten entsprechend dem neuen Verfahrensausgang wird dem Obergericht übermacht.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kindesvertreter, dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Zivilkammer, dem Jugendamt des Kantons Bern als Vollzugsbehörde und dem Bundesamt für Justiz als Zentralbehörde für Kindesentführungen mitgeteilt.
Lausanne, 20. September 2022
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Herrmann
Der Gerichtsschreiber: Möckli