Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
1P.641/2006 /ggs
Urteil vom 20. Oktober 2006
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Eusebio,
Gerichtsschreiber Forster.
Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Leonhardt,
gegen
Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich, Molkenstrasse 15/17, Postfach 1233, 8026 Zürich,
Bezirksgericht Zürich, Haftrichterin,
Wengistrasse 28, Postfach, 8026 Zürich.
Gegenstand
Strafprozess; Haftentlassung,
Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung
des Bezirksgerichts Zürich, Haftrichterin, vom
12. September 2006.
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich führt eine Strafuntersuchung gegen X.________ und weitere Personen wegen Beteiligung an einem versuchten Tötungsdelikt. Der Angeschuldigte wurde am 14. August 2006 verhaftet und in Untersuchungshaft versetzt. Ein Haftentlassungsgesuch vom 6. September 2006 wies die Haftrichterin des Bezirksgerichtes Zürich mit Verfügung vom 12. September 2006 ab.
B.
Gegen den haftrichterlichen Entscheid vom 12. September 2006 gelangte X.________ mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 27. September 2006 an das Bundesgericht. Er beantragt neben der Aufhebung des angefochtenen Entscheides die sofortige Haftentlassung.
Die kantonale Haftrichterin hat auf eine Stellungnahme ausdrücklich verzichtet. Die Staatsanwaltschaft liess sich am 6. Oktober 2006 in abschlägigem Sinne vernehmen. Innert angesetzter Frist ging keine Replik des Beschwerdeführers ein.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer beantragt neben der Aufhebung des angefochtenen Entscheides seine Haftentlassung. Dieses Begehren ist in Abweichung vom Grundsatz der kassatorischen Natur der staatsrechtlichen Beschwerde zulässig, da im Falle einer nicht gerechtfertigten strafprozessualen Haft die von der Verfassung geforderte Lage nicht schon mit der Aufhebung des angefochtenen Entscheids sondern erst durch eine positive Anordnung hergestellt werden kann (BGE 132 I 21 E. 1 S. 22 mit Hinweisen).
2.
Nach zürcherischem Strafprozessrecht darf Untersuchungshaft nur angeordnet und aufrecht erhalten werden, wenn der Angeschuldigte eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und zudem ein besonderer Haftgrund (wie z.B. Flucht- oder Kollusionsgefahr) vorliegt (§ 58 Abs. 1 StPO/ZH). Der Beschwerdeführer bestreitet den dringenden Tatverdacht und rügt eine Verletzung der persönlichen Freiheit sowie des Willkürverbotes.
2.1 Im Gegensatz zum erkennenden Sachrichter hat das Bundesgericht bei der Überprüfung des allgemeinen Haftgrundes des dringenden Tatverdachtes keine erschöpfende Abwägung sämtlicher belastender und entlastender Beweisergebnisse vorzunehmen. Macht ein Inhaftierter geltend, er befinde sich ohne ausreichenden Tatverdacht in strafprozessualer Haft, ist jedoch zu prüfen, ob aufgrund der bisherigen Untersuchungsergebnisse genügend konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat und eine Beteiligung des Beschwerdeführers an dieser Tat vorliegen, die kantonalen Behörden somit das Bestehen eines dringenden Tatverdachts mit vertretbaren Gründen bejahen durften. Im Haftprüfungsverfahren genügt dabei der Nachweis von konkreten Verdachtsmomenten, wonach das inkriminierte Verhalten mit erheblicher Wahrscheinlichkeit die fraglichen Tatbestandsmerkmale erfüllen könnte (BGE 116 Ia 143 E. 3c S. 146). Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen lässt dabei nur wenig Raum für ausgedehnte Beweismassnahmen. Zur Frage des dringenden Tatverdachtes bzw. zur Schuldfrage hat der Haftrichter weder ein eigentliches Beweisverfahren durchzuführen, noch dem erkennenden Strafrichter vorzugreifen (BGE 124 I 208 E. 3 S. 210 mit Hinweisen).
Bei staatsrechtlichen Beschwerden, die gestützt auf das verfassungsmässige Recht der persönlichen Freiheit wegen der Ablehnung eines Haftentlassungsgesuches erhoben werden, prüft das Bundesgericht im Hinblick auf die Schwere des Eingriffes die Auslegung und Anwendung des entsprechenden kantonalen Rechtes frei. Soweit jedoch reine Sachverhaltsfragen und damit Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen sind, greift das Bundesgericht nur ein, wenn die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Instanz willkürlich sind (BGE 132 I 21 E. 3.2.3 S. 24 mit Hinweisen). Das vom Beschwerdeführer angerufene Willkürverbot hat in diesem Zusammenhang keine über das oben Dargelegte hinausgehende selbstständige Bedeutung.
2.2 Im angefochtenen Entscheid wird der Tatverdacht wie folgt begründet: Am frühen Morgen des 14. August 2006 sei das Opfer von einem Passanten im Zürcher Kreis 4 blutüberströmt und mit erheblichen Stich- und Schnittverletzungen auf der Strasse aufgefunden worden. Das Opfer habe erklärt, den Täter zu kennen, es habe sich jedoch geweigert, dessen Identität bekannt zu geben. Die Polizei habe als Tatort Kellerräumlichkeiten an der Schreinerstrasse eruiert. Dort sei später der Beschwerdeführer zusammen mit einer weiteren verdächtigen Person angetroffen worden. Auf Befragung hin habe der Beschwerdeführer erklärt, er sei von dieser zweiten verdächtigen Person, einem Freund des Beschwerdeführers, "zu Hilfe gerufen worden", als das Opfer bereits verletzt gewesen sei. Daraufhin hätten sie das blutüberströmte Opfer "auf die Strasse getragen". Anschliessend seien sie in die Wohnung des Opfers, den mutmasslichen Tatort, zurückgekehrt, um diese zu reinigen und die eigenen ebenfalls mit Blut verschmierten Kleider zu wechseln. Als die Polizei eingetroffen sei, hätten sich der Beschwerdeführer und sein Freund in der Wohnung eingeschlossen, worauf sie verhaftet worden seien. Aufgrund der bisherigen Ermittlungen erscheine die Rolle des Beschwerdeführers bei dem untersuchten Delikt unklar. Zwar bestünden gewisse entlastende Aussagen zugunsten des Beschwerdeführers. Von einem "absolut stichhaltigen Alibi" könne jedoch nicht ausgegangen werden. "Insgesamt" lägen durchaus auch "entlastende Indizien" vor. Der dringende Tatverdacht einer Beteiligung am untersuchten Delikt könne jedoch "aufgrund der in verschiedener Hinsicht noch unklaren Umstände nicht ausgeräumt" werden (angefochtener Entscheid, S. 2-4).
2.3 Der Beschwerdeführer wendet ein, es lägen zwar "gewisse Verdachtsmomente" gegen ihn vor. Diese vermöchten jedoch "keinen dringenden Tatverdacht zu begründen". Dies gelte sowohl für den Umstand, dass er von der Polizei "am Tatort angetroffen" worden sei, als auch für die nach Ansicht der kantonalen Behörden noch "unklaren Umstände" des untersuchten schweren Gewaltdeliktes. Als entlastend sei namentlich die Aussage einer Nachtklubtänzerin zu berücksichtigen, wonach er, der Beschwerdeführer, im fraglichen Tatzeitraum "bei ihr im Lokal" gewesen sei und dieses "auch nie verlassen" habe. Es handle sich dabei um ein "absolut stichhaltiges Alibi". Das Opfer belaste den Beschwerdeführer nicht, und auch aus der Tatsache, dass am Tatort "vier Messer sichergestellt" worden seien, "drei davon im Bluttest positiv", ergäben sich keine zusätzlichen Verdachtsmomente. Als Täter komme nach Ansicht des Beschwerdeführers ein dritter (ebenfalls verhafteter) Tatverdächtiger in Frage.
2.4 Diese Einwände lassen die Annahme des dringenden Tatverdachtes durch die kantonalen Justizbehörden beim jetzigen (noch sehr frühen) Stand der Untersuchung nicht als verfassungswidrig erscheinen. Der Beschwerdeführer wird insbesondere durch den unbestrittenen Umstand belastet, dass er am Tatort angetroffen und verhaftet worden ist. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm überdies vor, er habe zuvor geholfen, das Opfer vom Tatort zu entfernen und die Tatspuren zu verwischen. Als die Polizei eingetroffen sei, habe er sich zusammen mit einem Mitverdächtigen in der Wohnung verschanzt, worauf sich die Polizei gewaltsam habe Zutritt verschaffen müssen. Dass am Tatort "vier Messer sichergestellt" worden seien, wie der Beschwerdeführer einräumt, "drei davon im Bluttest positiv", lässt sodann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit jedenfalls die vorläufige Vermutung zu, dass mehrere Personen zugestochen haben könnten. Aus dem blossen Umstand, dass sich das schwer verletzte Opfer (offenbar aus Furcht vor weiteren Repressalien) zur Identität der Täterschaft bisher nicht äussern wollte, kann der Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten ableiten. Entgegen seiner Ansicht liesse auch die entlastende Aussage einer als Auskunftsperson befragten Nachtklubtänzerin, wonach der Beschwerdeführer im Tatzeitraum im Nachtklub anwesend gewesen sei, den dringenden Tatverdacht im jetzigen Verfahrensstadium nicht ohne weiteres dahinfallen. Im weiteren Verlauf der Untersuchung wird es Sache der Justizbehörden sein, die entlastenden und belastenden Beweiselemente gegeneinander abzuwägen und dabei auch die Frage der Glaubwürdigkeit und Beweiskraft der verschiedenen Aussagen zu prüfen. Das Vorbringen, gewisse vorläufige Beweisergebnisse liessen auf eine dritte (ebenfalls verhaftete) Person als Täter schliessen, ändert am Gesagten nichts. Es liegen beim gegenwärtigen Untersuchungsstand ausreichend konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschwerdeführer an der untersuchten Bluttat beteiligt gewesen sein könnte.
3.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt erscheinen (und namentlich die finanzielle Bedürftigkeit des Gesuchstellers ausreichend dargelegt wird), kann dem Ersuchen entsprochen werden (Art. 152 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt:
2.1 Es werden keine Kosten erhoben.
2.2 Rechtsanwalt Matthias Leonhardt wird als unentgeltlicher Rechtsvertreter ernannt und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit einem Honorar von Fr. 1'500.-- entschädigt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich und dem Bezirksgericht Zürich, Haftrichterin, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 20. Oktober 2006
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: