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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_722/2018,  
 
6B_723/2018  
 
 
Urteil vom 20. November 2018  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ und B.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Obwalden, Postfach 1561, 6060 Sarnen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Nichtanhandnahmeverfügungen (Freiheitsberaubung usw.), 
 
Beschwerden gegen die Beschlüsse des Obergerichts des Kantons Obwalden vom 13. Juni 2018 
(BS 18/010/SKE und BS 18/011/SKE). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerdeführer erhoben am 12. Juli 2017 Strafanzeige sowohl gegen eine Polizeibeamtin als auch gegen einen Staatsanwalt wegen Freiheitsberaubung, Androhung von Folter und räuberischer Erpressung. 
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Obwalden erliess am 4. August 2017 zwei Nichtanhandnahmeverfügungen mit der Begründung, es würden keine Hinweise auf ein deliktisches Verhalten seitens der Polizei und der Staatsanwaltschaft bestehen. Die inkriminierten Handlungen hätten im Rahmen der verhältnismässigen Ausübung der Amtstätigkeit stattgefunden. Eine missbräuchliche Amtsführung könne ausgeschlossen werden. Die freiheitsbeschränkenden Massnahmen und die damit einhergehenden Unannehmlichkeiten der Anzeigesteller stünden im Einklang mit den statuierten Pflichten. 
Auf die dagegen eingereichten Beschwerden trat das Obergericht des Kantons Obwalden am 13. Juni 2018 in zwei separaten Beschlüssen nicht ein. Gemäss Aktenlage hätten sich weder der Beschwerdeführer noch dessen Ehefrau als Privatkläger konstituiert. Sie gälten damit als bloss anzeigende Personen, weswegen sie die Nichtanhandnahmeverfügungen nicht anfechten könnten. 
Die Beschwerdeführer wenden sich mit zwei separaten Beschwerden an das Bundesgericht. Sie wehren sich dagegen, dass ihnen die Parteistellung abgesprochen und auf ihre Beschwerden gegen die Nichtanhandnahmeverfügungen nicht eingetreten wurde. 
 
2.   
Die beiden Beschwerdeverfahren 6B_722/2018 und 6B_723/2018 sind zu vereinigen und gemeinsam zu erledigen (vgl. Art. 71 BGG i.V.m. Art. 24 Abs. 2 lit. b BZP; BGE 133 IV 215 E. 1 S. 217; 126 V 283 E. 1 S. 285; 113 Ia 390 E. 1 S. 394). 
 
3.   
Die Beschwerdeführer sind durch die vorinstanzlichen Nichteintretensbeschlüsse formell beschwert und zur Beschwerde an das Bundesgericht ohne weiteres befugt, soweit sie sinngemäss rügen, es sei ihnen zu Unrecht die Parteistellung bzw. die Legitimation zur Anfechtung der Nichtanhandeverfügungen abgesprochen worden. Die Beschwerden erweisen sich als zulässig. Darauf ist einzutreten. 
 
4.  
 
4.1. Streitgegenstand ist die strafprozessuale Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführer vor der Vorinstanz.  
 
4.2. Art. 382 Abs. 1 StPO knüpft die Berechtigung zur Ergreifung eines Rechtsmittels an die Parteistellung. Die Privatklägerschaft ist im Strafverfahren eine Partei im Sinne der StPO (Art. 104 StPO). Bei ihr handelt es sich um die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin zu beteiligen (Art. 118 Abs. 1 StPO). Geschädigt ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt worden ist (Art. 115 Abs. 1 StPO), d.h. wer Träger des durch die verletzte Strafnorm geschützten oder zumindest mitgeschützten Rechtsgutes ist (Urteil 1B_320/2015 vom 3. Januar 2017 E. 2.2). Strafkläger ist, wer die Verfolgung und Bestrafung der für die Straftat verantwortlichen Person verlangt (Art. 119 Abs. 2 lit. a StPO), Zivilkläger, wer adhäsionsweise privatrechtliche Ansprüche geltend macht, die aus der Straftat abgeleitet werden (Art. 119 Abs. 2 lit. b StPO).  
Die Beschwerdeführer haben Strafanzeige gegen eine Polizeibeamtin und einen Staatsanwalt wegen Freiheitsberaubung, Nötigung, Androhung von Folter und räuberischer Erpressung erstattet. Die als verletzt gerügten Straftatbestände schützen Individualrechtsgüter wie Leib und Leben, Freiheit und Vermögen. Die Beschwerdeführer sind Träger dieser Rechtsgüter. Sie wurden durch das in den angezeigten Straftatbeständen inkriminierte Verhalten nach ihrer Darlegung in ihren Rechten unmittelbar verletzt (z.Bsp. durch Anlegen von Handschellen, Verhaftung, Durchsuchung, Abnahme eines Asthma-Sprays und Abnahme/Benutzung der Kreditkarte mit Kontenbelastung in der Höhe von Fr. 2'000.-- gegen den Willen der Kreditkarteninhaberin) und erscheinen demnach als geschädigt im Sinne des Gesetzes (Art. 115 Abs. 1 StPO). Ob angesichts dessen nicht davon auszugehen (gewesen) wäre, in der Strafanzeige der Beschwerdeführer sei ein Strafantrag auf Verfolgung und Bestrafung der Beanzeigten mit enthalten mit der Folge, dass jenen ohne weiteres Parteistellung zukommen würde, ist zumindest fraglich, kann aber dahingestellt bleiben, weil die angefochtenen Beschlüsse aus einem andern Grund aufzuheben sind. 
 
4.3. Die Konstituierung als Privatkläger ist bis zum Abschluss des Vorverfahrens möglich (Art. 118 Abs. 4 StPO). Geschädigte, die sich nicht als Privatkläger konstituiert haben, können eine Nichtanhandnahme- oder Einstellungsverfügung mangels Parteistellung grundsätzlich nicht anfechten. Diese Einschränkung gilt dann nicht, wenn die geschädigte Person noch gar keine Gelegenheit hatte, sich zur Frage der Konstituierung zu äussern. Dies ist der Fall, wenn eine Nichtanhandnahmeverfügung ganz zu Beginn des Vorverfahrens ergeht bzw. es im Zeitpunkt ihres Erlasses noch gar nicht zu einem Vorverfahren gekommen ist (vgl. Art. 300 Abs. 1 i.V.m. Art. 309 Abs. 4 StPO). In diesen Fällen sind der geschädigten Person dennoch Parteirechte und insbesondere das Recht zur Ergreifung von Rechtsmitteln einzuräumen (Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dezember 2015, S. 1308 Fn 427; SCHMID/JOSITSCH, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, Art. 115 N. 4 und Art. 382 N. 5; MAZZUCCHELLI/POSTIZZI, Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, Art. 118 N. 11; FRANZ RIKLIN, StPO Kommentar, 2. Aufl. 2014, Art. 382 N. 2; PATRICK GUIDON, Die Beschwerde gemäss Schweizerischer Strafprozessordnung, Diss. 2011, S. 115 Rz 280), dies jedenfalls dann, wenn die geschädigte Person von der Strafverfolgungsbehörde nicht auf die Möglichkeit der Konstituierung im Sinne von Art. 118 Abs. 4 StPO hingewiesen wurde (vgl. BGE 141 IV 380 E. 2.2 mit Hinweis).  
Die Staatsanwaltschaft hat die Nichtanhandnahmeverfügungen vom 4. August 2017 im Anschluss an die am 12. Juli 2017 bei ihr eingereichte Strafanzeige erlassen, so dass die Beschwerdeführer keine Gelegenheit hatten, sich als Privatkläger zu konstituieren. Es kann ihnen daher auch nicht vorgeworfen werden, sie hätten sich im Hinblick auf eine Konstituierung als Privatkläger von sich aus bei der Staatsanwaltschaft nach dem Verfahrensstand bzw. nach dem voraussichtlichen Zeitpunkt sowie der in Betracht fallenden Art der Verfahrenserledigung erkundigen müssen. Dass sie von der Staatsanwaltschaft auf die Möglichkeit einer Konstituierung als Privatkläger hingewiesen worden wären, lässt sich den Akten zudem nicht entnehmen. Den Beschwerdeführern kann deshalb im Lichte der obigen Erwägung die Beschwerdelegitimation im kantonalen Beschwerdeverfahren nicht mit der Begründung abgesprochen werden, sie hätten sich gemäss Aktenlage nicht als Privatkläger konstituiert. Die angefochtenen Nichteintretensbeschlüsse verletzen Bundesrecht und sind aufzuheben. 
 
5.   
Da es sich um einen prozessrechtlichen Entscheid handelt, der die Beurteilung in der Sache nicht präjudiziert, sowie unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgebots (Art. 29 Abs. 1 BV), ist auf eine Vernehmlassung zu verzichten (vgl. BGE 143 IV 380 nicht publizierte E. 2.2). 
 
6.   
Die Beschwerden sind im Verfahren nach Art. 109 BGG gutzuheissen. Bei diesem Ausgang der Verfahren sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Den nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführern ist keine Parteientschädigung zuzusprechen, da sie keine besonderen Verhältnisse oder Auslagen geltend machen, die eine solche rechtfertigen könnten (vgl. BGE 127 V 205 E. 4b S. 207; 125 II 518 E. 5b S. 519 f.). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Verfahren 6B_722/2018 und 6B_723/2018 werden vereinigt. 
 
2.   
Die Beschwerden werden gutgeheissen, die Beschlüsse des Obergerichts des Kantons Obwalden vom 13. Juni 2018 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zur neuen Entscheidung zurückgewiesen. 
 
3.   
Es werden keine Kosten erhoben und keine Entschädigungen ausgerichtet. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Obwalden schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 20. November 2018 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill