Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1C_652/2024
Urteil vom 20. November 2024
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
Bundesrichter Müller, Merz,
Gerichtsschreiberin Gerber.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokat Dr. Yves Waldmann,
gegen
Bundesamt für Justiz, Fachbereich Auslieferung, Bundesrain 20, 3003 Bern.
Gegenstand
Auslieferung an Italien,
Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesstrafgerichts, Beschwerdekammer,
vom 24. Oktober 2024 (RR.2024.87).
Sachverhalt:
A.
Gestützt auf einen Haftbefehl des Untersuchungsrichters beim Gericht von Mailand vom 3. Mai 2024 ersuchte Italien am 17. Mai 2024 um Verhaftung des türkischen Staatsangehörigen A.________. Das Bundesamt für Justiz (BJ) ordnete gleichentags Haft an und erliess am 23. Mai 2024 den Auslieferungshaftbefehl gegen A.________.
B.
Am 28. Mai 2024 ersuchte Italien die Schweiz um Auslieferung von A.________. Dieser wird verdächtigt, Mitglied einer kriminellen Organisation zu sein, welcher die Begehung von Straftaten im Zusammenhang mit Waffen, Beihilfe zu illegaler Einwanderung, Morde und Drogenhandel vorgeworfen wird. Chef der Organisation soll B.________ sein. Dieser wird u.a. verdächtigt, in der Nacht vom 26. auf den 27. Februar 2024 einen Anschlag auf einen Istanbuler Juwelier organisiert zu haben; ein weiterer Anschlag in der Türkei habe dank Abhörmassnahmen in Italien verhindert werden könnten. B.________ wird zudem verdächtigt, Auftraggeber eines am 10. März 2024 in Berlin begangenen Mordes gewesen zu sein. A.________ soll die Organisation logistisch unterstützt haben, namentlich durch die Zurverfügungstellung von Fahrzeugen und Waffen.
Das BJ bewilligte die Auslieferung mit Entscheid vom 1. Juli 2024.
Dagegen gelangte A.________ am 30. Juli 2024 an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts. Diese wies die Beschwerde am 24. Oktober 2024 ab.
C.
Dagegen hat A.________ am 7. November 2024 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht erhoben. Er beantragt, der Entscheid der Beschwerdekammer sowie der Auslieferungsentscheid des BJ seien aufzuheben und seine Auslieferung nach Italien sei zu verweigern.
Es wurden die Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist nur zulässig, wenn diese u.a. eine Auslieferung betrifft und es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (Art. 84 Abs. 1 BGG). Ein besonders bedeutender Fall liegt "insbesondere" vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist (Art. 84 Abs. 2 BGG). Das Gesetz enthält eine nicht abschliessende, nur beispielhafte Aufzählung von möglichen besonders bedeutenden Fällen. Darunter fallen nicht nur Beschwerden, die Rechtsfragen von grundsätzlicher Tragweite aufwerfen, sondern auch solche, die aus anderen Gründen besonders bedeutsam sind (BGE 145 IV 99 E. 1.1 mit Hinweisen). Nach der Praxis des Bundesgerichts kann auch die Verletzung elementarer Verfahrensgrundsätze im schweizerischen Rechtshilfeverfahren (und nicht nur im ausländischen Verfahren) einen besonders bedeutenden Fall begründen (BGE 145 IV 99 E. 1.3). Indessen genügt das pauschale Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, die Behörden hätten ihr rechtliches Gehör oder andere elementare Verfahrensgrundsätze verletzt, nicht, um einen Rechtshilfefall als besonders bedeutend erscheinen zu lassen. Vielmehr müssen dafür ernsthafte Anhaltspunkte objektiv vorliegen (BGE 145 IV 99 E. 1.4 mit Hinweisen; MARC FORSTER, in: Basler Kommentar zum BGG, 3. Aufl., 2018, Art. 84 N. 31).
Art. 84 BGG bezweckt die wirksame Begrenzung des Zugangs zum Bundesgericht im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein besonders bedeutender Fall gegeben ist, steht dem Bundesgericht ein weiter Ermessensspielraum zu. Die besondere Bedeutung des Falles ist in der Beschwerdeschrift darzulegen; hierfür gilt eine qualifizierte Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 Satz 2 BGG; FORSTER, a.a.O., Art. 84 N. 33).
2.
Der Beschwerdeführer macht einerseits geltend, es stelle sich die grundsätzliche rechtliche Frage, ob es sich bei der angeblich von B.________ geleiteten Gruppierung um eine kriminelle Organisation nach Schweizer Recht handle. Diese sei bisher nie als terroristische oder kriminelle Vereinigung aufgeführt oder verboten worden. Die Frage sei auch deshalb bedeutsam, weil die italienischen Behörden Ermittlungen gegen 19 Personen führten, darunter insgesamt 4 Personen mit Wohnsitz in der Schweiz. In diesem Zusammenhang wirft der Beschwerdeführer dem Bundesstrafgericht eine Verletzung der Begründungspflicht und damit seines Anspruchs auf rechtliches Gehör vor, weil es sich mit seinen Rügen zum Vorliegen einer kriminellen Organisation nicht auseinandergesetzt habe. Dies stelle eine Verletzung elementarer Verfahrensgrundsätze dar.
2.1. Streitig sind vorliegend nicht die rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme einer kriminellen Organisation i.S.v. Art. 260ter StGB; diese werden - auch nach Auffassung des Beschwerdeführers - im angefochtenen Entscheid zutreffend dargelegt. Streitig ist allein die Frage, ob die konkrete, im Rechtshilfeersuchen beschriebene Gruppierung diese Voraussetzungen erfüllt bzw. das Rechtshilfeersuchen dazu hinreichende Informationen enthält. Dies stellt keine Frage von besonderer Bedeutung dar.
Der vorliegende Fall ist nicht zu vergleichen mit BGE 146 IV 338, wo sich rechtliche Grundsatzfragen im Zusammenhang mit der Qualifikation der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und der mit ihr in Zusammenhang stehenden Volksverteidigungskräften (HPG) als kriminelle Organisation stellten (vgl. nicht publizierte E. 2.2). Diese betrafen vor allem die juristisch besonders heikle Abgrenzung zwischen legitimem Widerstandskampf und terroristischer Kriminalität (vgl. BGE 146 IV 338 E. 4.4.2 S. 334 mit Hinweisen). Vorliegend wird vom Beschwerdeführer selbst kein Zusammenhang zwischen den im Rechtshilfegesuch umschriebenen Delikten und bürgerkriegsähnlichen oder separatistischen Auseinandersetzungen geltend gemacht. Die Gruppierung um B.________ ist auch von ihrer Grösse und Bedeutung her in keiner Weise mit der PKK vergleichbar.
2.2. Es liegen sodann keine ernsthaften Anhaltspunkte für die Verletzung elementarer Verfahrensgrundsätze im Verfahren vor Bundesstrafgericht vor. Dabei kann offenbleiben, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen eine Verletzung der Begründungspflicht schwer genug wiegt, um einen besonders bedeutenden Fall zu begründen.
Die Vorinstanz prüfte auf insgesamt fünf Seiten, ob der Sachverhalt des Auslieferungsersuchens es erlaube, die beidseitige Strafbarkeit unter dem Blickwinkel von Art. 260ter StGB zu bejahen. Sie nahm dabei die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Rügen zur Kenntnis (vgl. E. 5.1.1 und E. 5.3.1), hielt diesen aber entgegen, dass im Rechtshilfeverfahren lediglich eine Prima-facie-Prüfung vorzunehmen sei, ob die im Auslieferungsersuchen geschilderten Ermittungen und Ermittlungsergebnisse ein auch in der Schweiz strafbares Delikt betreffen, und legte dar, weshalb dies zu bejahen sei (E. 5.6).
Damit hat sie ihren Entscheid begründet; ob die Begründung in allen Punkten zutrifft, ist keine Frage des rechtlichen Gehörs. Dass bei Ersuchen gestützt auf das Europäische Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 (EAUe; SR 0.353.1) lediglich eine Prima-facie-Prüfung der Strafbarkeit nach schweizerischem Recht vorzunehmen ist, entspricht der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BGE 146 IV 338 E. 4.3 mit Hinweis).
3.
Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde im Verfahren gemäss Art. 109 Abs. 1 BGG nicht einzutreten.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig und hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung ( Art. 66 und 68 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bundesamt für Justiz, Fachbereich Auslieferung, und dem Bundesstrafgericht, Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 20. November 2024
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Kneubühler
Die Gerichtsschreiberin: Gerber