Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B_711/2024
Urteil vom 20. November 2024
I. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin,
Bundesrichter Denys, Rüedi,
Gerichtsschreiber Brugger.
Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas Dudli,
Beschwerdeführer,
gegen
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Maurerstrasse 8, 8510 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Fahren ohne Berechtigung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 17. Juli 2024 (SBR.2024.29).
Sachverhalt:
A.
A.a. Am 15. April 2021 schrieb B.A.________ dem Strassenverkehrsamt des Kantons Thurgau, sein Vater A.A.________ habe mehrfach ein Motorfahrzeug ohne Führerausweis gelenkt.
A.b. Mit Strafbefehl vom 20. März 2023 wurde A.A.________ wegen mehrfachen Fahrens ohne Berechtigung zu einer unbedingten Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu Fr. 70.-- verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hielt ihm vor, er habe an einem Tag im Frühling 2018 zwischen 12:00 Uhr und 15:00 Uhr auf der Hauptstrasse in U.________ einen Personenwagen gefahren. Denselben Personenwagen habe er am 22. November 2018 um ca. 13:45 Uhr in U.________ auf den Parkplatz eines Einkaufszentrums gelenkt und sei ungefähr eine halbe Stunde später von dort bis zur Hauptstrasse gefahren. Schliesslich habe er am 14. April 2021 zwischen 12:00 Uhr und 15:00 Uhr wiederum denselben Personenwagen in U.________ in einem Kreisverkehr gelenkt. Diese Fahrten habe er ausgeführt, obwohl er gewusst habe, dass ihm das Strassenverkehrsamt Zürich mit Verfügung vom 8. März 2006 den Führerausweis für alle Kategorien auf unbestimmte Zeit entzogen habe.
A.c. Am 29. März 2023 erhob A.A.________ Einsprache gegen diesen Strafbefehl. Die Staatsanwaltschaft Bischofszell hielt daran fest und überwies die Akten dem Bezirksgericht Kreuzlingen zur Durchführung des Hauptverfahrens.
B.
An der Hauptverhandlung verweigerte A.A.________ die Aussage zur Sache. Das Bezirksgericht verurteilte ihn am 20. Februar 2024 wegen mehrfachen Fahrens ohne Berechtigung zu einer unbedingten Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu Fr. 70.--.
C.
Die dagegen gerichtete Berufung von A.A.________ hiess das Obergericht des Kantons Thurgau mit Urteil vom 17. Juli 2024 teilweise gut (Dispositiv-Ziffer 1). Es befreite ihn vom Vorwurf des Fahrens ohne Berechtigung am 22. November 2018 um ca. 13:45 Uhr (Dispositiv-Ziffer 2). Hingegen verurteilte es ihn wegen mehrfachen Fahrens ohne Berechtigung an einem Tag im Frühling 2018 zwischen 12:00 Uhr und 15:00 Uhr und am 14. April 2021 zwischen 12:00 Uhr und 15:00 Uhr (Dispositiv-Ziffer 3a). Als Zusatz zum Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 9. August 2023 auferlegte es ihm eine Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 70.-- und eine Busse von Fr. 175.-- (Dispositiv-Ziffer 3b). Den Vollzug der Geldstrafe schob es unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren auf (Dispositiv-Ziffer 3c). Schliesslich auferlegte es ihm Verfahrenskosten von insgesamt Fr. 4'590.-- (Dispositiv-Ziffer 4a) und sprach ihm für das Berufungsverfahren eine Entschädigung von Fr. 1'000.-- zu (Dispositiv-Ziffer 4b).
D.
A.A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, die Dispositiv-Ziffern 3a, 3b, 3c und 4a des obergerichtlichen Urteils seien aufzuheben. Er sei unter Kosten- und Entschädigungsfolge in sämtlichen Anklagepunkten freizusprechen.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Beschwerde ist zu begründen, wobei anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids in gedrängter Form darzulegen ist, inwiefern dieser Recht verletzt (Art. 42 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BGG). Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten einschliesslich Willkür in der Sachverhaltsfeststellung bestehen qualifizierte Rügeanforderungen (Art. 106 Abs. 2 BGG).
1.2. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht, und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG ; BGE 147 IV 73 E. 4.1.2). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1). Dies ist der Fall, wenn der angefochtene Entscheid geradezu unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht. Erforderlich ist, dass der Entscheid nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 88 E. 1.3.1). Für die Willkürrüge gelten erhöhte Begründungsanforderungen (Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG ). Es genügt nicht, einen von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten oder die eigene Beweiswürdigung zu erläutern (BGE 148 V 366 E. 3.3; 137 II 353 E. 5.1 mit Hinweisen). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 IV 356 E. 2.1; 148 IV 205 E. 2.6; 146 IV 88 E. 1.3.1). Dem Grundsatz "in dubio pro reo" als Beweiswürdigungsregel kommt im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot hinausgehende Bedeutung zu (BGE 148 IV 409 E. 2.2; 146 IV 88 E. 1.3.1).
2.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die vorinstanzliche Beweiswürdigung.
2.1. Die Vorinstanz spricht den Beschwerdeführer vom Vorwurf des Fahrens ohne Berechtigung am 22. November 2018 um ca. 13:45 Uhr frei. Diesen Vorfall hat sein Sohn gefilmt. Der Vorinstanz zufolge darf die Videoaufnahme gestützt auf Art. 141 Abs. 2 StPO nicht verwertet werden. Da die Videoaufnahme die Aussagen des Sohns und eines Zeugen ermöglicht habe, seien gemäss Art. 141 Abs. 4 StPO auch diese aus dem Recht zu weisen. Der Zeuge habe nämlich erst nach Konsultation der Videoaufnahme sagen können, dass sich der Vorfall am 22. November 2018 um 13:47 Uhr ereignet habe. Auch die Aussagen des Sohns seien nur möglich gewesen, weil er vor seiner Einvernahme die Videoaufnahme nochmals angesehen habe. Ob diese Erwägungen zutreffen und die Vorinstanz den Beschwerdeführer zu Recht freigesprochen hat, ist nicht zu überprüfen. Denn das Bundesgericht darf nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen (Art. 107 Abs. 1 BGG). Weil nur der Beschwerdeführer Beschwerde erhoben hat, ist er vor einer reformatio in peius geschützt (JOHANNA DORMANN, in: Niggli/Uebersax/ Wiprächtiger/Kneubühler [Hrsg.], Bundesgerichtsgesetz, 3. Auflage 2018, N. 2 zu Art. 107 BGG).
2.2. Was die weiteren Fahrten im Frühling 2018 und am 14. April 2021 betrifft, bestätigt die Vorinstanz gestützt auf die Aussagen des Sohns die erstinstanzlichen Schuldsprüche.
2.2.1. Sie würdigt die Angaben des Sohns im Schreiben an das Strassenverkehrsamt vom 15. April 2021, an der polizeilichen Einvernahme vom 11. Mai 2021 und an der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 13. Dezember 2022. Die Erstinstanz habe dazu ausgeführt, die Aussagen des Sohns seien erlebnisbasiert, widerspruchsfrei und glaubhaft. Sie enthielten wichtige Realkennzeichen wie zum Beispiel eine logische Konsistenz, einen hohen Detailreichtum betreffend das Kerngeschehen sowie die Nebensächlichkeiten und Eingeständnisse von Erinnerungslücken. So habe der Sohn sich nicht mehr genau erinnern können, seit wann der Beschwerdeführer keinen Führerausweis mehr habe oder mit wessen Mobiltelefon gefilmt worden sei. Das Kerngeschehen schildere er über sämtliche Einvernahmen hinweg konstant. Rückfragen beantworte er schlüssig. Zudem verzichte er auf Mehrbelastungen. So habe er beispielsweise angegeben, der Beschwerdeführer habe den Personenwagen am 14. April 2021 nur auf 50 Metern gelenkt, worauf ein Fahrerwechsel erfolgt sei. Auch gebe er zu, nicht zu wissen, ob der Beschwerdeführer seinen Führerausweis wieder zurückerhalten habe.
2.2.2. Die Vorinstanz verwirft den Einwand des Beschwerdeführers, wonach sich sein Sohn bei ihm habe rächen wollen. Stattdessen erscheint der Vorinstanz die Sorge des Sohns um die Verkehrssicherheit seiner eigenen Kinder und der Kinder von Bekannten als glaubhaft. Sie hält fest, dass die Kinder in U.________ zur Schule und zum Schwimmunterricht gingen. Zudem lasse das grundsätzlich verhältnismässige Vorgehen des Sohns erkennen, dass es ihm nicht um Rache gehe, sonst hätte er die Videoaufnahme nicht erst Jahre später den Strafverfolgungsbehörden gezeigt.
2.2.3. Für die Vorinstanz bestehen deshalb bei objektiver Betrachtung keine unüberwindlichen Zweifel, dass der Sohn tatsächlich gesehen habe, wie der Beschwerdeführer an einem Tag im Frühling 2018 zwischen 12:00 Uhr und 15:00 Uhr und am 14. April 2021 zwischen 12:00 Uhr und 15:00 Uhr einen Personenwagen gelenkt habe.
2.3. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, verfängt nicht.
2.3.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Glaubwürdigkeit seines Sohns. Dieser hege grossen Groll, weil ihn der Beschwerdeführer seit seinem sechsten Lebensjahr schlecht behandle und schikaniere. Der Beschwerdeführer wiederholt, dass sich sein Sohn mit dem Brief an das Strassenverkehrsamt habe rächen wollen. Am 11. Juli 2019 sei in einem Tabakfachgeschäft in U.________ eine Auseinandersetzung mit dem Sohn eskaliert. Aus diesem Grund habe der Beschwerdeführer am 30. August 2019 erfolgreich um ein Kontaktverbot zu Lasten seines Sohns ersucht. Der Brief an das Strassenverkehrsamt könne unter diesen Umständen nicht als objektive Information an die Behörden gewertet werden. Deshalb könne nicht auf die Aussagen des Sohns an der polizeilichen Einvernahme vom 11. Mai 2021 und an der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 13. Dezember 2022 abgestellt werden.
2.3.2. Die Rüge ist unbegründet.
Dass der Sohn den Beschwerdeführer aus Rache falsch beschuldigt habe, verwirft die Vorinstanz schlüssig. Dabei übersieht sie nicht, dass der Sohn dem Beschwerdeführer in einem Verfahren betreffend Kontaktverbot unterlag. Sie erwägt dazu, der betreffende Gerichtsentscheid datiere vom 24. Januar 2020. Das Schreiben an das Strassenverkehrsamt habe der Sohn erst rund 1 ¼ Jahre später abgeschickt, nämlich am 15. April 2021. Was das vom Sohn angestrengte Strafverfahren betreffend einfache Körperverletzung, Tätlichkeiten, mehrfache üble Nachrede, Verleumdung und Drohung betrifft, datiere die Teileinstellungsverfügung vom 27. Januar 2022. Deshalb könne auch dieses Verfahren nicht als Rachegrund angeführt werden. Denn bis zur Einstellung habe der Sohn nicht gewusst, wie das Strafverfahren ausgehen werde. Der Beschwerdeführer zeigt keine Willkür in der Sachverhaltsfeststellung auf, wenn er ausführt, dies sei "in den Augen der Rechtsvertretung gerade gegenteilig zu interpretieren", und festhält, der Sohn habe weiter "Kohle ins Feuer" werfen wollen, da das Strafverfahren noch angedauert habe. Hier übersieht er, dass für die Annahme von Willkür nicht einmal genügen würde, wenn eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erschiene (vgl. E. 1.2 hiervor).
Ohnehin verkennt der Beschwerdeführer, dass der allgemeinen Glaubwürdigkeit im Sinne einer dauerhaften personalen Eigenschaft einer Person nach der Rechtsprechung kaum mehr relevante Bedeutung zukommt. Weitaus bedeutender für die Wahrheitsfindung ist die Glaubhaftigkeit der konkreten Aussagen (BGE 147 IV 409 E. 5.4.3 mit Hinweisen). Mit den einzelnen Aussagen des Sohns setzt sich der Beschwerdeführer aber nicht auseinander. Er zeigt nicht auf, welche Aussagen aus welchen Gründen unglaubhaft sein sollen. Vielmehr erschöpft sich sein Vorbringen in einer unzulässigen appellatorischen Kritik am angefochtenen Urteil. So bringt er etwa vor, die Vorinstanz widerspreche sich in Bezug auf die "Aussagequalität" des Sohns. Zum Beleg führt er allerdings bloss an, dass der Sohn erst auf Nachfrage eingeräumt habe, dass er vor der polizeilichen Einvernahme vom 11. Mai 2021 nochmals die Videoaufnahme vom 22. November 2018 angesehen habe. Daraus zieht der Beschwerdeführer einen falschen Schluss. Die Vorinstanz musste nicht alle Aussagen des Sohns anzweifeln, nur weil er hier eine falsche Angabe machte, zumal es dabei nicht um die konkreten Vorwürfe gegen den Beschwerdeführer ging.
2.4. Nach dem Gesagten zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, dass die Vorinstanz bei der Sachverhaltsfeststellung in Willkür verfallen wäre.
Die rechtliche Subsumtion unter den Tatbestand von Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG und die Strafzumessung beanstandet der Beschwerdeführer nicht. Damit hat es sein Bewenden.
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2.
Der Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten von Fr. 3'000.--.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 20. November 2024
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari
Der Gerichtsschreiber: Brugger