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[AZA] 
B 40/99 Vr 
 
III. Kammer  
 
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer; 
Gerichtsschreiber Maillard 
 
Urteil vom 21. Januar 2000  
 
in Sachen 
 
Pensionskasse für Spital-, Heim- und Pflegepersonal SHP, 
Gladbachstrasse 117, Zürich, Beschwerdeführerin, vertreten 
durch Rechtsanwalt Dr. K.________, 
 
gegen 
 
O.________, 1945, Beschwerdegegnerin, vertreten durch den 
Rechtsdienst X.________, 
und 
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
    A.- Die 1945 geborene O.________, die seit Geburt 
beidseitig an schwerer Myopie leidet, ist seit April 1970 
bei der Pensionskasse für Spital-, Heim- und Pflegepersonal 
SHP (nachfolgend SHP) vorsorgeversichert. Nachdem die Ver- 
sicherte von der Invalidenversicherung erfolgreich zur 
kaufmännischen Angestellten/Telefonistin umgeschult worden 
war, erhöhte die SHP am 24. Mai 1985 den versicherten Ver- 
dienst auf Fr. 31'200.- und orientierte sie über die daraus 
resultierenden Beitragszahlungen sowie Altersrenten. Bezüg- 
lich der Invalidenrente brachte die SHP den Vorbehalt an, 
wenn aufgrund der heutigen Krankheit eine solche zur Aus- 
zahlung kommen müsse, würde nur die Jahresrente aus den 
bisherigen Abschlüssen (Fr. 9724.-) zur Ausrichtung kommen. 
Bei der ab 1. November 1993 an O.________ ausgerichteten 
Zweidrittels-Invalidenrente von Fr. 6492.- wandte die SHP 
diesen Vorbehalt an, da der Hauptgrund der Invalidität in 
der eingeschränkten Sehfähigkeit liege. 
 
    B.- Am 18. Mai 1994 liess O.________ beim Versiche- 
rungsgericht des Kantons Zürich Klage einreichen mit dem 
Begehren, ihr sei rückwirkend ab Januar 1992 eine Invali- 
denrente nach BVG und ab November 1993 eine jährliche Inva- 
lidenrente von Fr. 10'560.- auszurichten. 
    Das nunmehr zuständige Sozialversicherungsgericht des 
Kantons Zürich hiess die Klage mit Entscheid vom 11. Mai 
1999 gut und verpflichtete die SHP, der Versicherten ab 
1. Oktober 1991 eine ohne Vorbehalt berechnete Invaliden- 
rente auszurichten. 
 
    C.- Die SHP lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen 
und beantragen, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuhe- 
ben und die Klage abzuweisen. 
    O.________ sowie das Bundesamt für Sozialversicherung 
schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Ent- 
scheid die massgeblichen gesetzlichen und statutarischen 
Bestimmungen zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen 
werden. 
 
    2.- Im Rahmen der Rechtsanwendung von Amtes wegen hat 
das Sozialversicherungsgericht auf den festgestellten Sach- 
verhalt jenen Rechtssatz anzuwenden, den es als den zutref- 
fenden ansieht, und ihm auch die Auslegung zu geben, von 
der es überzeugt ist (BGE 110 V 20 Erw. 1, 52 f. Erw. 4a; 
vgl. BGE 116 V 26 f. Erw. 3c; ZAK 1988 S. 615 Erw. 2a). Das 
Gericht hat sich nicht darauf zu beschränken, den Streitge- 
genstand bloss im Hinblick auf die von den Parteien aufge- 
worfenen Rechtsfragen zu überprüfen (Gygi, Bundesverwal- 
tungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 212). Es kann eine Be- 
schwerde gutheissen oder abweisen aus anderen Gründen als 
den vom Beschwerdeführer vorgetragenen oder von der Vorin- 
stanz erwogenen (Art. 114 Abs. 1 am Ende in Verbindung mit 
Art. 132 OG; BGE 122 V 36 Erw. 2b, 119 V 28 Erw. 1b mit 
Hinweisen, 442 Erw. 1a). 
 
    3.- Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet ein- 
zig die Frage, ob der Versicherungsvorbehalt vom 24. Mai 
1985 bei der der Beschwerdegegnerin unbestrittenermassen 
zustehenden Zweidrittelsrente zum Tragen kommt. Die Vorin- 
stanz verneint dies im Wesentlichen mit der Begründung, der 
angebrachte Versicherungsvorbehalt sei zwar rechtmässig zu- 
stande gekommen und genüge auch hinsichtlich der inhaltli- 
chen Bezeichnung den Anforderungen; hingegen sei die Be- 
schwerdegegnerin wegen anderer gesundheitlicher Beschwerden 
(Rückenschaden) als denjenigen, für welche der Vorbehalt 
Gültigkeit besitze (Augenleiden), teilweise arbeitsunfähig 
geworden. Während die Beschwerdeführerin in Bezug auf die 
Rechtmässigkeit des Vorbehaltes die Ansicht der Vorinstanz 
teilt, erachtet sie das Augenleiden als alleinige Ursache 
der teilweisen Erwerbsunfähigkeit. Die Versicherte bestrei- 
tet demgegenüber - zu Recht - bereits die Rechtsgültigkeit 
des Vorbehaltes. 
 
    a) Die massgebenden, am 1. Januar 1982 in Kraft getre- 
tenen Statuten sahen die Möglichkeit, einen Vorbehalt anzu- 
bringen, überhaupt nicht vor. Es kann auch nicht aus dem 
Grundsatz, wonach das Kleinere im Grösseren enthalten ist 
(a maiore minus), geschlossen werden, aus der in 
Ziff. 1.2.4 der Statuten enthaltenen Befugnis des Vorstan- 
des der Beschwerdeführerin, die Aufnahme eines Mitgliedes 
von einer ärztlichen Untersuchung abhängig zu machen und 
die Aufnahme zu verweigern, ergebe sich, dass während lau- 
fender Versicherungszeit die Anbringung eines Vorbehaltes 
zulässig sei. Eine solche Massnahme kann sich für eine 
versicherte Person noch empfindlicher auswirken als die 
Nichtaufnahme in den überobligatorischen Bereich einer um- 
hüllenden Kasse, weil es eine Person treffen kann, die 
anlässlich des Eintritts noch gesund war und deshalb in die 
Vollversicherung aufgenommen wurde. 
 
    b) Entgegen der Ansicht der Vorinstanz ist der Vorbe- 
halt auch nicht durch eine Änderung des Vorsorgevertrages 
gültig angebracht worden. 
 
    aa) Im Bereich der vorliegend betroffenen freiwilligen 
beruflichen Vorsorge wird das Rechtsverhältnis zwischen ei- 
ner Vorsorgeeinrichtung und dem Vorsorgenehmer durch den 
Vorsorgevertrag begründet, der den Innominatsverträgen (ei- 
gener Art) zuzuordnen ist. Als solcher untersteht er in 
erster Linie den allgemeinen Bestimmungen des Obligationen- 
rechts. Das Reglement stellt den vorformulierten Inhalt des 
Vorsorgevertrages bzw. dessen Allgemeine Bedingungen (AGB) 
dar, denen sich der Versicherte ausdrücklich oder durch 
konkludentes Verhalten unterzieht (BGE 118 V 232 Erw. 4b, 
116 V 221 Erw. 2 mit Hinweisen; vgl. ferner BGE 119 V 144 
Erw. 5b). Dies schliesst nicht aus, dass im Einzelfall auch 
vom Reglement abweichende Abreden getroffen werden können 
(Riemer, Vorsorge-, Fürsorge- und Sparverträge der berufli- 
chen Vorsorge, in: Innominatsverträge, Festgabe zum 60. Ge- 
burtstag von Walter R. Schluep, S. 237). Allerdings bedarf 
es hiefür einer entsprechenden Vereinbarung zwischen der 
Vorsorgeeinrichtung und dem versicherten Arbeitnehmer (BGE 
122 V 145 Erw. 4b, 118 V 232 Erw. 4b je mit Hinweisen). 
 
    bb) Wird das Schreiben der Vorsorgeeinrichtung an die 
Versicherte vom 24. Mai 1985 näher betrachtet, so erhellt, 
dass es sich bei diesem um eine Neufestsetzung des Jahres- 
beitrages von bisher Fr. 2310.- auf Fr. 3744.- gestützt auf 
ein höheres Einkommen handelte. Daraus errechnete sich eine 
höhere Jahresrente. Das Schreiben diente gleichzeitig als 
Versicherungsausweis. Auf der Rückseite war der in Frage 
stehende Vorbehalt mit vier Schreibmaschinenzeilen ange- 
bracht. Unterzeichnet auf der Vorderseite war das Schreiben 
durch den Geschäftsführer der Vorsorgeeinrichtung. Daraus, 
dass die Versicherte im Anschluss an dieses Schreiben nicht 
reagierte, kann nun nicht geschlossen werden, dass der Vor- 
sorgevertrag zwischen der Vorsorgeeinrichtung und der Ver- 
sicherten, der durch die Statuten vorformuliert ist, abwei- 
chend geregelt worden sei (BGE 118 V 232 Erw. 4b, 122 V 145 
Erw. 4b). Ein Ausbleiben einer Reaktion der Versicherten 
bedeutet insbesondere nicht deren Zustimmung zu einer für 
sie inhaltsschweren Änderung des Vorsorgevertrages. 
 
    c) Steht nach dem Gesagten fest, dass der Versiche- 
rungsvorbehalt vom 24. Mai 1985 mangels rechtsgenüglicher 
Vereinbarung zwischen den Parteien keine Gültigkeit hat, 
erübrigt sich die Prüfung der von der Beschwerdeführerin in 
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzig aufgeworfenen Fra- 
ge, auf welches Leiden die Invalidität der Beschwerdegegne- 
rin letztlich zurückzuführen ist. Der angefochtene Ent- 
scheid ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden (vgl. 
Erw. 2). 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III.Die Pensionskasse für Spital-, Heim- und Pflegeperso- 
    nal SHP hat der Beschwerdegegnerin für das Verfahren 
    vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Par- 
    teientschädigung von Fr. 2000.- (einschliesslich Mehr- 
    wertsteuer) zu bezahlen. 
 
IV.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche- 
    rungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für 
    Sozialversicherung zugestellt. 
 
 
Luzern, 21. Januar 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: