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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_805/2018  
 
 
Urteil vom 21. Februar 2019  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Parrino, 
Gerichtsschreiber R. Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Ursula Sintzel, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 5. Oktober 2018 (IV.2017.00609). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1954 geborene A.________ war als Tramführerin tätig, als sie 1992 bei einer Notbremsung eine Kontusion und Distorsion des Handgelenks erlitt. Nachdem die IV-Stelle des Kantons Zürich das Gesuch um Zusprechung einer Invalidenrente zunächst am 4. April 1996 verfügungsweise abgelehnt hatte, sprach das hierauf angerufene Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich A.________ mit Entscheid vom 17. August 1999 eine vom 1. November 1993 bis 31. Oktober 1995 befristete ganze Rente zu. Die hiegegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde hiess das Eidgenössische Versicherungsgericht mit Urteil I 581/99 vom 19. April 2001 in dem Sinne gut, als es den angefochtenen Entscheid, soweit Versicherungsleistungen ab 1. November 1995 betreffend, und die Verfügung vom 4. April 1996 aufhob und die Sache an die Verwaltung zurückwies, damit sie nach erfolgter Abklärung neu darüber verfüge. Nach Aktenergänzungen sprach die IV-Stelle der Versicherten zusätzlich zur befristeten ganzen Rente (vom 1. November 1993 bis 31. Oktober 1995) ab 1. November 1995 auf der Grundlage eines Invaliditätsgrades von 58 % eine halbe Invalidenrente zu. 
Am 28. Mai 2014 gelangte A.________ mit einem Revisionsgesuch an die Invalidenversicherung. Sie machte geltend, eine chronisch obstruktive Lungenkrankheit (COPD) und ein Lungenemphysem hätten zu einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes geführt. Nach verschiedenen Abklärungen, insbesondere dem Beizug eines Gutachtens des Medizinischen Zentrums Römerhof (MZR) vom      27. Juli 2016, ergänzt am 27. Oktober 2016, lehnte die IV-Stelle mit Verfügung vom 26. Januar 2017 eine Erhöhung der Invalidenrente ab. 
 
B.   
In teilweiser Gutheissung der hiegegen eingereichten Beschwerde änderte das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die angefochtene Verfügung vom 26. Januar 2017 dahin ab, als es feststellte, dass A.________ ab 1. Mai 2014 Anspruch auf eine Dreiviertelsinvalidenrente habe. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab. 
 
 
C.   
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und die Verfügung vom 26. Januar 2017 zu bestätigen. Ferner ersucht sie um Gewährung der aufschiebenden Wirkung. 
Während A.________ auf Abweisung der Beschwerde schliessen lässt und um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege ersucht, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit Bezug auf die Auswirkungen des Gesundheitsschadens auf die Leistungsfähigkeit steht gemäss Gutachten des MZR vom 27. Juli/   27. Oktober 2016 fest, dass die Versicherte seit Mitte Juni 2014 für eine leichte, im Sitzen auszuübende Tätigkeit zu 80 % arbeitsfähig ist. Streitig ist hingegen, ob sie anstelle der ihr von der Vorinstanz zugesprochenen Dreiviertelsrente lediglich eine halbe Invalidenrente beanspruchen kann, wie die IV-Stelle beschwerdeweise beantragt. Dies hängt im Rahmen des Einkommensvergleichs einzig davon ab, ob entsprechend dem angefochtenen Entscheid ein leidensbedingter Abzug von 20 % vom Tabellenlohn, der als Invalideneinkommen herangezogen wurde, vorzunehmen ist, oder davon abzusehen ist, wie die IV-Stelle einwendet. Dies ist bezüglich des Grundsatzes, ob ein Abzug zu gewähren ist oder nicht, als Frage des Bundesrechts (Art. 95 lit. a BGG) frei zu prüfen, die Höhe des Abzugs hingegen gegebenenfalls nur auf rechtsfehlerhafte Formen der Ermessensausübung, also Willkür (BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399). 
 
2.   
Wird das für den Einkommensvergleich nach Art. 16. ATSG massgebende Invalideneinkommen auf der Grundlage statistischer Durchschnittswerte ermittelt, ist der entsprechende Ausgangswert (Tabellenlohn) allenfalls zu kürzen. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass persönliche und berufliche Merkmale, wie Art und Ausmass der Behinderung, Lebensalter, Dienstjahre, Nationalität oder Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad Auswirkungen auf die Lohnhöhe haben können (BGE 124 V 321 E. 3b/aa S. 323). Der Abzug ist unter Würdigung der Umstände im Einzelfall nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen und darf 25 % nicht übersteigen (BGE 134 V 322 E. 5.2 S. 327, 126 V 75 E. 5b/bb-cc S. 80). Die Rechtsprechung gewährt insbesondere dann einen Abzug auf dem Invalideneinkommen, wenn eine versicherte Person selbst im Rahmen körperlich leichter Hilfsarbeitertätigkeit in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist (BGE 126 V 75 E. 5a/bb S. 78; SVR 2016 IV Nr. 21      S. 62 E. 3, 9C_805/2015). 
 
3.  
3.1 Wie die Beschwerdeführerin richtig vorbringt, hat die Vorinstanz den von ihr vorgenommenen leidensbedingten Abzug von 20 % lediglich mit dem Hinweis auf die Gesamtumstände begründet, nachdem sie einige für die Versicherte trotz ihrer Behinderung in Betracht fallende Erwerbsmöglichkeiten wie Büroarbeiten und ganz allgemein Hilfstätigkeiten erwähnt hat. Ob das kantonale Gericht mit der pauschalen Berufung auf die Gesamtumstände mangels hinreichender Begründungsdichte den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat, wie die IV-Stelle vorbringt, kann offen bleiben. Denn wie die folgenden Erwägungen zeigen, ist die Rüge der Beschwerdeführerin in materieller Hinsicht offensichtlich unbegründet, so dass eine Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Gewährung des rechtlichen Gehörs und neuer Begründung als formalistischer Leerlauf zu betrachten wäre, wie die Beschwerdegegnerin zu Recht einwendet. 
3.2 Das Sozialversicherungsgericht hat für die Belange des Einkommensvergleichs vom Tabellenlohn für leichte Hilfsarbeiten (LSE 2014, Tabelle TA1, Total, Kompetenzniveau 1, Frauen) von monatlich       Fr. 4'300.- entsprechend der im Gutachten des MZR attestierten Arbeitsfähigkeit von 80 % eine Reduktion um 20 % und zusätzlich den von der IV-Stelle angefochtenen leidensbedingten Abzug von 20 % vorgenommen, womit sich ein Invalideneinkommen von Fr. 34'428.- im Jahr ergab. Dieser leidensbedingte Abzug ist auch ohne einlässliche Begründung gerechtfertigt. Insbesondere vollendete die Beschwerdegegnerin im März 2014 bereits ihr 60. Altersjahr. Da die Pneumopathie (COPD und Lungenemphysem), eine Anstrengungsdyspnoe verursacht und dadurch die Leistungsfähigkeit an sich schon erheblich einschränkt, so dass nur noch im Sitzen verrichtete Erwerbstätigkeiten möglich sind, ist die Versicherte im Sinne der Rechtsprechung selbst im Rahmen körperlich leichter Hilfsarbeitertätigkeiten in ihrer Leistungsfähigkeit erheblich eingeschränkt (E. 2 hievor), weshalb sich ein leidensbedingter Abzug vom Tabellenlohn aufdrängt. Mit dem Abzug von 20 % hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, wogegen eine Angemessenheitskontrolle nach der Rechtsprechung ausser Betracht fällt. Im Übrigen würde sich auch mit einem verminderten leidensbedingten Abzug von lediglich 15 % nichts am Ergebnis ändern. Diesfalls würde sich die jährliche Erwerbseinbusse nach Umrechnung auf eine Wochenarbeitszeit von 41.7 Stunden auf Fr. 56'980.-          (Fr. 93'559.- / 36'579.- [Fr. 4'300.- : 40 x 41.7 x 12 x 0.8 x 0.85]) belaufen, was einem Invaliditätsgrad von 60,9 % entspräche          (Fr. 56'980.- x 100 : Fr. 93'559.-). Damit wäre der Anspruch auf eine Dreiviertelsrente ebenfalls ausgewiesen. 
 
4.   
Mit dem Entscheid in der Hauptsache wird das Gesuch der Beschwerdeführerin um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
 
5.   
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden IV-Stelle aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Diese hat der Beschwerdegegnerin überdies eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'400.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 21. Februar 2019 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer