Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_1357/2021, 6B_312/2022, 6B_313/2022  
 
 
Urteil vom 21. Februar 2023  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, als präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiberin Meier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Kenad Melunovic Marini, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
6B_1357/2021 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegnerin, 
 
6B_312/2022 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
2. B.________, 
Beschwerdegegner, 
 
6B_313/2022 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
2. C.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Nichtanhandnahme (ungetreue Geschäftsbesorgung etc.); Nichteintreten, 
 
Beschwerden gegen die Entscheide des 
Obergerichts des Kantons Aargau, 
Beschwerdekammer in Strafsachen, 
vom 3. November 2021 und 18. Januar 2022 
(SBK.2021.293, SBK.2021.294, SBK.2021.295). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ erstattete am 16. Juli 2021 bei der Kantonalen Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen D.________, B.________ und C.________ wegen des Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung, evtl. der Veruntreuung und der Urkundenfälschung. 
 
B.  
 
B.a. Mit Verfügung vom 6. August 2021 übernahm die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau die Verfahren auf Ersuchen hin von der Kantonalen Staatsanwaltschaft.  
 
B.b. Mit Verfügung vom 9. September 2021 nahm die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau die jeweilige Strafsache gegen D.________, B.________ und C.________ nicht an die Hand. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau genehmigte diese Nichtanhandnahmeverfügungen am 10. September 2021.  
 
B.c. Auf die gegen die Nichtanhandnahmeverfügungen vom 9. September 2021 der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau erhobenen Beschwerden trat das Obergericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 3. November 2021 und 18. Januar 2022 nicht ein.  
 
C.  
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, die Entscheide des Obergerichts des Kantons Aargau vom 3. November 2021 sowie vom 18. Januar 2022 seien aufzuheben und die Sache sei zur materiellen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht vereinigt mehrere Verfahren, wenn sie in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen, namentlich, wenn sie auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhen und wenn sie gleiche Parteien sowie ähnliche oder gleiche Rechtsfragen betreffen (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 24 Abs. 2 lit. b BZP [SR 273]; BGE 133 IV 215 E. 1 mit Hinweisen). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Es rechtfertigt sich daher, die Verfahren 6B_1357/2021, 6B_312/2022 und 6B_313/2022 zu vereinigen und die Beschwerden in einem einzigen Entscheid zu behandeln. 
 
2.  
 
2.1.  
 
2.1.1. Gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b). Die Privatklägerschaft ist zur Beschwerde in Strafsachen indes nur berechtigt, wenn sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG).  
Die Privatklägerschaft muss im Verfahren vor Bundesgericht darlegen, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche Zivilforderung auswirken kann. Das Bundesgericht stellt an die Begründung der Legitimation strenge Anforderungen. Genügt die Beschwerde diesen nicht, kann darauf nur eingetreten werden, wenn aufgrund der Natur der untersuchten Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, um welche Zivilforderung es geht (BGE 141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen). 
 
2.1.2. Ungeachtet der Legitimation in der Sache kann die Privatklägerschaft mit Beschwerde in Strafsachen eine Verletzung ihrer Parteirechte rügen, die ihr nach dem Verfahrensrecht, der Bundesverfassung oder der EMRK zustehen und deren Missachtung auf eine formelle Rechtsverweigerung hinausläuft. Zulässig sind Rügen, die formeller Natur sind und von der Prüfung der Sache getrennt werden können. Das geforderte rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen. Nicht zulässig sind dagegen Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen (sog. "Star-Praxis"; BGE 146 IV 76 E. 2; 141 IV 1 E. 1.1; 138 IV 78 E. 1.3; je mit Hinweisen).  
 
2.1.3. Die Beschwerdelegitimation im kantonalen Verfahren ist in Art. 382 Abs. 1 StPO normiert. Gemäss dieser Bestimmung kann jede Partei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines Entscheids hat, ein Rechtsmittel ergreifen. Partei ist namentlich die Privatklägerschaft (Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO).  
Als Privatklägerschaft gilt die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin zu beteiligen (Art. 118 Abs. 1 StPO). Geschädigt ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt worden ist (Art. 115 Abs. 1 StPO). Durch eine Straftat unmittelbar verletzt und damit Geschädigter im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO ist nach ständiger Rechtsprechung, wer Träger des durch die verletzte Strafnorm geschützten oder zumindest mitgeschützten Rechtsgutes ist (BGE 147 IV 269 E. 3.1; 145 IV 491 E. 2.3; 143 IV 77 E. 2.2; je mit Hinweisen). Bei Strafnormen, die nicht primär Individualrechtsgüter schützen, gelten praxisgemäss nur diejenigen Personen als Geschädigte, die durch die darin umschriebenen Tatbestände in ihren Rechten beeinträchtigt werden, sofern diese Beeinträchtigung unmittelbare Folge der tatbestandsmässigen Handlung ist (BGE 148 IV 170 E. 3.2; 140 IV 155 E. 3.2; 139 IV 78 E. 3.3.3; BGE 138 IV 258 E. 2.2 f.; je mit Hinweisen). Im Allgemeinen genügt es, wenn das von der geschädigten Person angerufene Individualrechtsgut durch den verletzten Straftatbestand auch nur nachrangig oder als Nebenzweck geschützt wird, selbst wenn der Tatbestand in erster Linie dem Schutz von kollektiven Rechtsgütern dient. Werden indes durch Delikte, die (nur) öffentliche Interessen verletzen, private Interessen bloss mittelbar beeinträchtigt, ist der Betroffene nicht Geschädigter im Sinne des Strafprozessrechts (BGE 148 IV 170 E. 3.2; 141 IV 454 E. 2.3.1; 140 IV 155 E. 3.2; je mit Hinweisen). Bei Straftaten gegen das Vermögen gilt der Inhaber des geschädigten Vermögens als geschädigte Person. Bei Vermögensdelikten zum Nachteil einer Aktiengesellschaft sind weder die Aktionäre noch die Gesellschaftsgläubiger unmittelbar verletzt (BGE 148 IV 170 E. 3.3.1; 141 IV 380 E. 2.3.3; 140 IV 155 E. 3.3.1; je mit Hinweisen). 
 
2.2. Die Frage der Beschwerdelegitimation im bundesgerichtlichen Verfahren in der Sache kann vorliegend offen bleiben. Gegenstand der Beschwerden bilden in sämtlichen drei Verfahren Nichteintretensentscheide der Vorinstanz. Zu behandeln sind deshalb nur formelle Rügen der Beschwerdeführerin, zu welchen sie unbesehen der Legitimation in der Sache befugt ist (sog. "Star-Praxis"; vgl. oben E. 2.1.2).  
 
2.3.  
 
2.3.1. Die Beschwerdeführerin macht im Verfahren 6B_1357/2021 geltend, die Vorinstanz hätte den Parteien vorgängig zu ihrem Entscheid Gelegenheit geben müssen, sich zum falschen Geburtsdatum im Rubrum der Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau vom 9. September 2021 und den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen zu äussern. Zugleich führt die Beschwerdeführerin aus, aus den Erwägungen dieser Nichtanhandnahmeverfügung gehe klar hervor, dass diese den lebenden Verwaltungsrat D.________, und nicht den verstorbenen Vater, betreffe.  
 
2.3.2. Der Beschwerdeführerin ist beizupflichten, dass die Vorinstanz ihr Nichteintreten im Verfahren 6B_1357/2021 nicht damit begründen durfte, die Nichtanhandnahmeverfügung bezeichne als beschuldigte Person "D.________, geb. 1921" und beziehe sich damit auf einen Verstorbenen, weshalb ein unüberwindbares Prozesshindernis vorliege. Die Begründung der Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau vom 9. September 2021 bezieht sich auf den lebenden Verwaltungsrat D.________, sodass die fehlerhafte Angabe im Rubrum der Verfügung als offensichtliches Kanzleiversehen zu qualifizieren ist. Die vorinstanzliche Begründung des Nichteintretensentscheids verletzt zudem den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 B V. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur und seine Verletzung führt daher ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst grundsätzlich zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids (BGE 137 I 195 E. 2.2 mit Hinweis). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist jedoch kein Selbstzweck. Ist nicht ersichtlich, inwiefern die Verletzung des rechtlichen Gehörs einen Einfluss auf das Verfahren haben könnte, besteht kein Interesse an der Aufhebung des Entscheids (Urteile 6B_385/2022 vom 13. Juni 2022 E. 5; 4A_148/2020 vom 20. Mai E. 3.2; je mit Hinweisen). Im Ergebnis ist der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid mit anderer Begründung zu schützen (zur Zulässigkeit der Begründungssubstitution vgl. BGE 133 III 545 E. 2.2; 132 II 257 E. 2.5; Urteil 6B_303/2017 vom 16. November 2017 E. 5.3), und zwar mit der gleichen Begründung, mit welcher die beiden vorinstanzlichen Nichteintretensentscheide in den Verfahren 6B_312/2022 und 6B_313/2022 zu schützen sind. Die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides im Verfahren 6B_1357/2021 wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör würde zum reinen Selbstzweck verkommen.  
Gegenstand der Strafanzeige der Beschwerdeführerin gegen die drei Beschuldigten bilden Vermögens- und Urkundendelikte zum Nachteil der E.________ AG. Die Beschwerdeführerin ist Aktionärin der E.________ AG. Hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin erhobenen Vorwürfe der ungetreuen Geschäftsbesorgung, Veruntreuung und Urkundenfälschung unmittelbar geschädigt im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO wäre im vorliegenden Fall ausschliesslich die E.________ AG. Die Beschwerdeführerin als Aktionärin erleidet keinen direkten Schaden, sondern allenfalls einen mittelbaren in Form des Wertverlusts ihrer Aktien. Ein solcher qualifiziert indessen nicht als direkter Schaden im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO. Mangels unmittelbarer Verletzung in ihrer Rechten kann sich die Beschwerdeführerin nicht als Privatklägerin konstituieren und auch keine Zivilansprüche im Strafverfahren geltend machen. Entsprechend ist ihr die Beschwerdelegitimation im kantonalen Verfahren (i.S.v. Art. 382 Abs. 1 i.V.m Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO; vgl. oben E. 2.1.3) abzusprechen. Die Beschwerdelegitimation lässt sich auch nicht aus dem Kreisschreiben 28 der Schweizerischen Steuerkonferenz, Wegleitung zur Bewertung von Wertpapieren ohne Kurswert für die Vermögenssteuer vom 28. August 2008, Ziff. 52 Abs. 1, sowie aus dem Urteil des Bundesgerichts 2C_1057/2018 vom 7. April 2020 E. 4.2 ableiten. Inwiefern die Beschwerdeführerin in der Funktion als Verwaltungsratsmitglied (mit Kollektivunterschrift zu Zweien) der E.________ AG legitimiert sein sollte, legt sie weder dar noch ist dies ersichtlich. 
 
3.  
Die Beschwerden sind abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Verfahren 6B_1357/2021, 6B_312/2022 und 6B_313/2022 werden vereinigt. 
 
2.  
Die Beschwerden werden abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 21. Februar 2023 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Meier