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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6S.411/2005 /bri 
 
Urteil vom 21. März 2006 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly, Karlen, Zünd, 
Gerichtsschreiber Thommen. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Olivier Dollé, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern. 
 
Gegenstand 
SVG-Widerhandlung, 
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer, vom 9. September 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Am 31. Oktober 2003 verliess X.________ in seinem Personenwagen das Areal des Konservatoriums im Dreilindenpark in Luzern, bog in die Dreilindenstrasse ein und fuhr stadteinwärts. Dabei überschritt er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 11km/h. 
B. 
Mit Entscheid des Amtsstatthalteramts Luzern-Stadt vom 26. Januar 2004 wurde er dafür unter anderem gestützt auf Art. 27 Abs. 1, Art. 90 Ziff. 1 und Art. 100 Ziff. 1 Abs. 1 SVG mit Fr. 250.-- Busse belegt. Das Amtsgericht Luzern-Stadt und das Obergericht des Kantons Luzern bestätigten diesen Schuldspruch am 23. November 2004 und am 9. September 2005. 
C. 
Dagegen führt X.________ eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, den Entscheid des Obergerichts Luzern vom 9. September 2005 aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
In seiner Stellungnahme vom 11. November 2005 beantragt das Obergericht Luzern die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde. Vernehmlassungen wurden keine eingeholt. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Der Beschwerdeführer rügt die Mangelhaftigkeit der Signalisation. Gemäss Art. 5 der Verordnung über die Tempo-30-Zonen seien die Ein- und Ausfahrten zu solchen Zonen zu kennzeichnen und nötigenfalls weitere Massnahmen, wie etwa wechselseitige Parkfelder, zur Einhaltung der angeordneten Höchstgeschwindigkeit zu ergreifen. 
 
Nach verbindlicher vorinstanzlicher Feststellung sind Anfang und Ende der Tempo-30-Zone durch ein entsprechendes Signal markiert, ausserdem wird die Geschwindigkeitsbegrenzung im Bereich der Radarmessanlage durch Bodenmarkierungen angezeigt. Von mangelhafter Signalisierung kann keine Rede sein. Die Rüge ist abzuweisen. 
2. 
Die Signalisation sei ferner mangelhaft im Bereich der Ausfahrt aus dem Konservatoriumspark. Die Ausfahrt aus dem Park in die Dreilindenstrasse stelle einen Zonenbeginn dar und müsse entsprechend signalisiert werden. Richtigerweise sei der Ausfahrtsweg nämlich eine öffentliche Strasse, die im Sinne von Art. 1 Abs. 2 VRV nicht ausschliesslich privatem Gebrauch diene. Die Vorinstanz habe die Ausfahrt aus dem Konservatoriumspark in bundesrechtswidriger Weise als Privatstrasse bezeichnet und deshalb einen signalisationspflichtigen Zonenbeginn verneint. 
 
Die Frage der Öffentlichkeit einer Verkehrsfläche nach Art. 1 Abs. 2 VRV bestimmt sich nicht danach, ob sie in privatem oder öffentlichem Eigentum steht, sondern ob sie dem allgemeinen Verkehr dient. Letzteres trifft zu, wenn sie einem unbestimmbaren Personenkreis zur Verfügung steht, selbst wenn die Benutzung nach Art oder Zweck eingeschränkt ist (BGE 104 IV 105 E. 3, 86 IV 29 E. 2). Nach vorinstanzlicher Feststellung ist der Dreilindenpark nur mit schriftlicher Spezialbewilligung befahrbar, ansonsten gelte ein allgemeines Fahrverbot. Damit steht fest, dass der zufahrtsberechtigte Personenkreis bestimmbar ist und die Strasse deshalb zu Recht als privat eingestuft wurde. Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist unbegründet. 
3. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, dass "Tempo-30-Zonen" gemäss Art. 2a Abs. 5 SSV nur auf Nebenstrassen mit möglichst gleichartigem Charakter zulässig seien. Der von ihm befahrene Abschnitt der Dreilindenstrasse weise jedoch alle Merkmale einer Hauptdurchgangsstrasse auf. Insbesondere dort, wo die automatische Geschwindigkeitserfassung stattgefunden habe, sei die Strasse breit, schnurgerade, verfüge weitgehend über markierungstechnisch getrennte Fahrspuren und keine strassenseitigen Parkplätze. Sämtliche in die Dreilindenstrasse einmündenden Strassen seien vortrittsbelastet, sie habe mithin den Charakter einer verkehrsorientierten Durchgangsstrasse. 
 
Mit dieser Rüge bestreitet er die Rechtmässigkeit der Tempo-30-Zone an der Dreilindenstrasse. Art. 27 Abs. 1 SVG verlangt von den Strassenbenützern die Befolgung der Signale und Markierungen. Gemeint sind damit die rechtmässigen Verkehrszeichen. Denn es ist nicht der Sinn der genannten Gesetzesvorschrift, dem Verkehrsteilnehmer die Beachtung eines jeden Signals vorzuschreiben, völlig gleichgültig, ob dieses rechtmässig sei oder nicht (BGE 99 IV 164 E. 5). Allerdings richten sich die Signale und Markierungen an eine Vielzahl von Strassenbenützern. Diese müssen sich auf die Verkehrszeichen verlassen können, und eine allfällige Rechtswidrigkeit eines solchen Zeichens ist für sie meist nicht erkennbar. Im Interesse der Verkehrssicherheit verlangt die Rechtsprechung des Bundesgerichts deshalb, dass auch nicht rechtmässig aufgestellte Signale und Markierungen grundsätzlich befolgt werden müssen, sofern deren Unrechtmässigkeit nicht offensichtlich und die Signalisation somit nichtig sind. Selbst ein nicht rechtmässig aufgestelltes Signal wirkt jedenfalls verpflichtend, wenn dessen Missachtung zur konkreten Gefährdung anderer Strassenbenützer führen kann (BGE 128 IV 184 E. 4; Bundesgerichtsentscheid 6P.9/2005 vom 3. Juni 2005, E. 2). 
 
Letzteres trifft sicherlich zu. Diejenigen Benutzer der Dreilindenstrasse, welche auf eine Einhaltung der Geschwindigkeitsbeschränkung vertrauen, würden durch deren Missachtung direkt gefährdet. Eine offensichtliche Nichtigkeit der Signalisation wurde im Übrigen zu Recht verneint. Bei der Festlegung von Tempo-30-Zonen haben die kantonalen Behörden ein weites Ermessen; inwiefern dieses missbraucht oder die Zone offensichtlich rechtswidrig sein soll, wird vom Beschwerdeführer nicht dargelegt. Die von ihm angeführten Gründe, dass die Strasse breit, gerade und übersichtlich sei, mögen zwar gegen eine Tempo-30-Zone sprechen, die Nichtigkeit der Anordnung jedoch begründen sie nicht. Die Rüge geht deshalb fehl. 
4. 
Der Beschwerdeführer will sich schliesslich in einem Sachverhalts- und eventuell in einem Rechtsirrtum befunden haben hinsichtlich der Geschwindigkeitsbegrenzung. 
 
Die Vorinstanz ist auf die Rüge des Sachverhaltsirrtums nicht eingetreten. Soweit der Beschwerdeführer sinngemäss geltend machen will, dass sich die Vorinstanz zu Unrecht nicht mit seiner Rüge auseinandergesetzt habe, geht sein Vorwurf fehl. Der Sachverhaltsirrtum (Art. 19 StGB) betrifft die Fehlvorstellung in Bezug auf einen Tatumstand. Irren kann nur, wer etwas nicht weiss. Nach verbindlicher Tatsachenfeststellung war dem Beschwerdeführer die Geschwindigkeitsbeschränkung auf der fraglichen Strecke bekannt, weil er sie vor der Übertretung bereits mehrfach befahren hatte. Ein Irrtum scheidet somit aus. 
 
Der Rechtsirrtum wurde vom Beschwerdeführer in der kantonalen Kassationsbeschwerde nicht vorgebracht. Rechtsfragen, die der Beschwerdeführer vor der letzten kantonalen Instanz nicht aufgeworfen hat und welche diese nach kantonalem Recht mangels Rüge nicht prüfen durfte, können mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht vorgebracht werden, weil diesbezüglich kein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid vorliegt (BGE 102 IV 106 E. 2a). Nach § 250 der luzernischen Strafprozessordnung ist das Obergericht im Kassationsverfahren an die Anträge des Beschwerdeführers und deren Begründung gebunden, kann jedoch die Kassation wegen grober Mängel des Verfahrens oder des Urteils auch von Amtes wegen aussprechen. Derartige Mängel werden vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich, weshalb bezüglich des Rechtsirrtums der kantonale Instanzenzug nicht erschöpft ist. Auf die Rüge ist nicht einzutreten. 
5. 
Zusammenfassend gehen die Rügen fehl, und die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 278 Abs. 1 BStP). 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern und dem Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 21. März 2006 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: