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[AZA 3] 
1P.163/2000/sch 
 
I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG 
********************************** 
 
21. Juni 2000 
 
Es wirken mit: Bundesrichter Aemisegger, Präsident der 
I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter Nay, 
Ersatzrichter Seiler und Gerichtsschreiber Haag. 
 
--------- 
 
In Sachen 
Einwohnergemeinde Biel-Benken, Beschwerdeführerin, vertreten durch den Gemeinderat, dieser vertreten durch Advokat Dr. Fritz Zweifel, Nadelberg 7, Postfach 2160, Basel, 
 
gegen 
 
1. Willi und Andrea N u s s b a u m e r - Havasi, Bruckackerstrasse 
61, Biel-Benken, 
2. Rolf und Jacqueline K l e i b e r - Nussbaumer, Bruckackerstrasse 
63, Biel-Benken, Beschwerdegegner, beide vertreten durch Advokat Dr. Fredy Veit, Tiergartenstrasse 14, Postfach 63, Liestal, Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft, Verwaltungsgericht des Kantons B a s e l -L a n d s c h a f t, 
 
betreffend 
Abbruchverfügung (Gemeindeautonomie), hat sich ergeben: 
 
A.- Am 6. Januar 1997 reichten Rolf und Jacqueline Kleiber-Nussbaumer sowie Willi und Andrea Nussbaumer-Havasi beim Bauinspektorat des Kantons Basel-Landschaft ein Gesuch ein, mit welchem die nachträgliche Bewilligung für den Bau je einer Garage auf den Parzellen Nr. 2999 und 3258 in Biel-Benken erwirkt werden sollte, nachdem mit den Bauarbeiten bereits im November 1996 begonnen worden war. Am 14. Januar 1997 erhob der Gemeinderat Biel-Benken Einsprache gegen das Baugesuch, da die geplanten Anlagen nicht dem kommunalen Zonenreglement Siedlung (ZRS) entsprechen würden. Das Bauinspektorat des Kantons Basel-Landschaft wies das Baugesuch am 15. September 1997 ab und verfügte den Abbruch der beiden bereits erstellten Garagen. J. und R. Kleiber-Nussbaumer sowie A. und W. Nussbaumer-Havasi erhoben dagegen zunächst erfolglos Beschwerde an die Baurekurskommission und anschliessend an den Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft. 
Dieser wies die Beschwerde mit Entscheid vom 25. August 1998 ab und verfügte den Abbruch der Garagen bis zum 31. Dezember 1998. 
 
B.- J. und R. Kleiber-Nussbaumer sowie A. und W. Nussbaumer-Havasi erhoben dagegen Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft. Dieses erwog mit Urteil vom 9. Februar 2000, die strittigen Garagen seien materiell gesetzwidrig und könnten daher auch nachträglich nicht bewilligt werden. Die Abbruchverfügung sei jedoch unverhältnismässig; zwar sei die Bauherrschaft nicht gutgläubig gewesen, doch lägen unter den gegebenen besonderen Umständen keine schwerwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen vor, die für die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes sprächen. Demgemäss hiess das Verwaltungsgericht die Beschwerde in dem Sinne teilweise gut, dass der Entscheid des Regierungsrates im Umfang der Abbruchverfügung aufgehoben wurde (Ziff. 1 Abs. 1 des Urteils). 
Bezüglich der Bewilligung des Baugesuchs wurde die Beschwerde abgewiesen. 
 
C.- Die Einwohnergemeinde Biel-Benken erhebt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Begehren, Ziff. 1 Abs. 1 des verwaltungsgerichtlichen Urteils aufzuheben. Sie rügt eine Verletzung ihrer Autonomie. 
 
D.- J. und R. Kleiber-Nussbaumer sowie A. und W. Nussbaumer-Havasi beantragen, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen. Der Regierungsrat unterstützt die Beschwerde der Gemeinde. Das Verwaltungsgericht äusserte sich zu einzelnen Punkten der Beschwerde, ohne einen konkreten Antrag zu stellen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Entscheid als Trägerin hoheitlicher Gewalt betroffen. Siekann sich daher auf ihre Autonomie berufen. Ob ihr im betreffenden Bereich Autonomie zusteht, ist gemäss bundesgerichtlicher Praxis nicht eine Frage des Eintretens, sondern der materiellrechtlichen Beurteilung (BGE 124 I 223 E. 1b S. 226; 118 Ib 446 E. 3a, je mit Hinweisen). Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist einzutreten. 
2.- a) Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet (Art. 50 Abs. 1 BV). Ob eine Gemeinde autonom ist, beurteilt sich daher nach dem einschlägigen kantonalen Recht. Eine Gemeinde ist in einem Sachbereich autonom, wenn das kantonale Recht diesen nicht abschliessend ordnet, sondern ihn ganz oder teilweise der Gemeinde zur Regelung überlässt und ihr dabei eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit einräumt (BGE 124 I 223 E. 2b S. 226 f. mit Hinweisen). Der geschützte Autonomiebereich kann sich auf die Befugnis zum Erlass oder Vollzug eigener kommunaler Vorschriften beziehen oder einen entsprechenden Spielraum bei der Anwendung des kantonalen oder eidgenössischen Rechts betreffen. Der Schutz der Gemeindeautonomie setzt eine solche nicht in einem ganzen Aufgabengebiet, sondern lediglich im streitigen Bereich voraus. Es ist von Fall zu Fall zu prüfen, ob die Gemeinde im Rahmen der Streitfrage selbst über Gestaltungsfreiheit verfügt (BGE 124 I 223 E. 2b S. 227; 122 I 279 E. 8b S. 290; 119 Ia 285 E. 4b S. 294 f., je mit Hinweisen). Autonomie im Vollzug von kantonalem Recht kann bestehen, wenn die Gemeinde für den (erstinstanzlichen) Vollzug zuständig ist und die zu beurteilende Materie für ein Selbstbestimmungsrecht der einzelnen Gemeinden Raum lässt (BGE 119 Ia 214 E. 3b/c S. 219 f.). Auch kann sich eine Gemeinde auf ihre Autonomie berufen, wenn die Kompetenz zur Erteilung von Baubewilligungen einer kantonalen Behörde zusteht und die Auslegung und Anwendung kommunaler Vorschriften umstritten ist (BGE 116 Ia 52 E. 2a S. 55). 
 
b) Umstritten ist vorliegend der Abbruch von Bauten, für die nach den kommunalen Zonenvorschriften keine Baubewilligung erteilt werden kann. Die Beschwerdeführerin beruft sich auf bisherige Urteile des Bundesgerichts, in denen die Autonomie der basel-landschaftlichen Gemeinden in Bau- und Planungssachen festgestellt wurde (BGE 114 Ia 371 E. 2b S. 372 f.; 110 Ia 167 E. 7a/aa S. 170; 108 Ia 33 E. 3a S. 36, je mit Hinweisen). 
Die Verweigerung der Baubewilligung und die Anordnung eines Abbruchs sind baupolizeiliche Massnahmen. Gemäss § 113 des hier noch anwendbaren (vgl. § 139 Abs. 2 des Raumplanungs- und Baugesetzes vom 8. Januar 1998, RBG) kantonalen Baugesetzes vom 15. Juni 1967 (BauG) ist die Organisation des Baupolizeiwesens Sache des Kantons. Baubewilligungsbehörde ist, von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen, die kantonale Baudirektion (§ 117 Abs. 1 BauG). 
Sie erlässt Verfügungen über die Einstellung von Bauarbeiten und die Beseitigung widerrechtlicher Bauten (§ 137 und 138 BauG). Dieselbe Regelung gilt auch nach dem neuen Recht (§ 118 Abs. 1, 137 und 138 RBG). 
 
Erstinstanzliche Baubewilligungsbehörde für die fraglichen Bauten war somit das kantonale Bauinspektorat. 
Dieses hat auch die erstinstanzliche, vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid aufgehobene Abbruchverfügung erlassen. 
Die Gemeinde erlässt die Zonenvorschriften (§§ 3 und 13 ff. BauG bzw. §§ 2 und 18 RBG) und kann gegen Bauvorhaben Einsprache und Beschwerde erheben (§ 127 Abs. 3 und § 133 Abs. 1 RBG bzw. § 123 Abs. 2 und 127 Abs. 1 BauG). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung können sich die Gemeinden bei der Anwendung der von ihnen erlassenen Vorschriften im Baubewilligungsverfahren auf die Gemeindeautonomie berufen, selbst wenn eine kantonale Behörde zur erstinstanzlichen Bewilligungserteilung zuständig ist (BGE 116 Ia 52 E. 2a S. 55). Indessen ist vorliegend unbestritten, dass die Garagen der privaten Beschwerdegegner den kommunalen Zonenvorschriften widersprechen. Das Verwaltungsgericht hat denn auch im angefochtenen Entscheid bestätigt, dass die Bauten nicht bewilligt werden können. 
 
c) Umstritten ist einzig, ob das Verwaltungsgericht aus Gründen der Verhältnismässigkeit auf die Anordnung des Abbruchs der Garagen verzichten durfte. Dies ist nicht mehr eine Frage der Anwendung kommunaler Zonenvorschriften, sondern betrifft die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands, welche im kantonalen Recht geregelt ist (§ 138 Abs. 1 BauG bzw. § 138 Abs. 1 RBG). Die Auslegung und Anwendung dieser kantonalen Bestimmungen hat keinen Einfluss auf die Entscheidungsbefugnisse und Entscheidungsfreiheit der Gemeinde. 
 
Zwar macht der Regierungsrat geltend, mit dem angefochtenen Entscheid werde eine widerrechtliche Überschreitung der von der Gemeinde festgesetzten Bebauungsziffer um rund 33 % sanktioniert, und die Gemeinde Biel-Benken befürchtet, dass das kommunale Zonenreglement durch die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Ausdehnung des Verhältnismässigkeitsprinzips praktisch aufgehoben werde, weil in Zukunft jeder Bauherr bewusst und bösgläubig den Bauvorschriften widersprechende Bauten errichten könne, ohne ernsthafte Folgen befürchten zu müssen. 
 
Das wären höchstens indirekte, keineswegs zwingende Folgen der verwaltungsgerichtlichen Praxis. Es ist zu beachten, dass der Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Verwaltung dem Rechtsgleichheitsprinzip in der Regel vorgeht. Hat eine Behörde in einem Fall eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Entscheidung getroffen, so gibt dies dem Bürger, der sich in der gleichen Lage befindet, grundsätzlich keinen Anspruch darauf, ebenfalls abweichend von der Norm behandelt zu werden (BGE 122 II 446 E. 4a S. 451; 117 Ib 226 E. 3f S. 270, 414 E. 8c S. 425; 116 Ib 228 E. 4 S. 234 f.). Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall zwar eine Abweichung vom rechtmässigen Zustand aus Gründen der Verhältnismässigkeit zugelassen, doch hat es nicht generell den Abbruch reglementswidriger Bauten als unverhältnismässig erachtet, sondern eingeschränkt auf die im angefochtenen Entscheid genannten besonderen Umstände eine Interessenabwägung vorgenommen. Diese Beurteilung der konkreten Situation tangiert die Autonomie der Gemeinde bei der Schaffung ihrer Zonenordnung nicht. Die Beurteilung von Fragen der Beseitigung widerrechtlicher Zustände obliegt nach der basel-landschaftlichen Zuständigkeitsregelung allein den kantonalen Behörden, die eine angemessene Praxis zur Anwendung des einschlägigen kantonalen Rechts zu bilden haben. 
Unter diesen Umständen ist die Gemeindeautonomie beim Entscheid der zuständigen kantonalen Behörden über die Beseitigung des vorschriftswidrigen Zustands nicht betroffen. 
 
d) Besteht mithin in Bezug auf die Frage der Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands keine Gemeindeautonomie, so kann das Bundesgericht nicht überprüfen, ob das Verwaltungsgericht den Grundsatz der Verhältnismässigkeit richtig angewendet hat. 
 
3.- Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich damit als unbegründet. Der unterliegenden Beschwerdeführerin werden keine Gerichtskosten auferlegt (Art. 156 Abs. 2 OG). Sie hat indessen den obsiegenden privaten Beschwerdegegnern eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.- Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.- Die Einwohnergemeinde Biel-Benken hat die privaten Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit insgesamt Fr. 4'000.-- zu entschädigen. 
4.- Dieses Urteil wird den Parteien sowie dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft schriftlich mitgeteilt. 
 
______________ 
Lausanne, 21. Juni 2000 
 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: 
 
Der Gerichtsschreiber: