Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_244/2016    {T 0/2}  
   
   
 
 
 
Urteil vom 21. Juni 2016  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Ursprung, Wirthlin, 
Gerichtsschreiberin Hofer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Christe, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Neuanmeldung, Nichteintreten), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 23. Februar 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Mit Verfügung vom 21. April 2010 verneinte die IV-Stelle des Kantons Zürich u.a. gestützt auf das psychiatrische Gutachten des Dr. med. B.________, Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, Chefarzt der Klinik C.________, vom 26. Mai 2009 den Anspruch der 1960 geborenen A.________ auf eine Invalidenrente. 
Am 3. Dezember 2013 meldete sich A.________ erneut bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren trat die IV-Stelle mit Verfügung vom 18. September 2014 mangels glaubhaft gemachter wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse seit der letzten Verfügung auf die Neuanmeldung nicht ein. 
 
B.   
Die Beschwerde der A.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 23. Februar 2016 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben, und es sei die IV-Stelle anzuweisen, auf ihr Leistungsbegehren einzutreten. 
Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97    Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Prozessthema bildet die Frage, ob die IV-Stelle nach Verneinung des Anspruchs auf Invalidenrente gemäss Verfügung vom 21. April 2010 zu Recht auf die Neuanmeldung vom 3. Dezember 2013 nicht eingetreten ist. 
 
2.1. Wurde eine Rente wegen eines zu geringen Invaliditätsgrades verweigert, so wird eine neue Anmeldung nur geprüft, wenn damit glaubhaft gemacht wird, dass sich der Grad der Invalidität in einer für den Anspruch erheblichen Weise geändert hat (Art. 87 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 IVV; BGE 133 V 108; 130 V 64 und 71; SVR 2014 IV Nr. 33 S. 121, 8C_746/2013 E. 2).  
Die zeitliche Vergleichsbasis für die Frage, ob eine rentenrelevante Veränderung des Sachverhalts glaubhaft ist, bildet der Zeitpunkt der letzten umfassenden materiellen Prüfung. Der Vergleichszeitraum erstreckt sich grundsätzlich bis zur Prüfung und Beurteilung des Gesuchs, d.h. bis zum Erlass der Verfügung betreffend die Neuanmeldung. Für die beschwerdeweise Überprüfung einer Nichteintretensverfügung ist somit der Sachverhalt, wie er sich der Verwaltung bot, resp. die Aktenlage bei Erlass dieser Verfügung massgeblich (BGE 130 V 64 E. 5.2.5 S. 68 f.; Urteil 9C_683/2013 vom 2. April 2014      E. 3.3). 
 
2.2. Mit dem Beweismass des Glaubhaftmachens sind herabgesetzte Anforderungen an den Beweis verbunden; die Tatsachenänderung muss nicht nach dem im Sozialversicherungsrecht sonst üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 353 E. 5b S. 360) erstellt sein. Es genügt, dass für das Vorhandensein des geltend gemachten rechtserheblichen Sachumstandes wenigstens gewisse Anhaltspunkte bestehen, auch wenn durchaus noch mit der Möglichkeit zu rechnen ist, bei eingehender Abklärung werde sich die behauptete Änderung nicht erstellen lassen (Urteile I 724/99 vom       5. Oktober 2001 E. 1c/aa, nicht publiziert in BGE 127 V 294, aber in SVR 2002 IV Nr. 10 S. 25; 8C_183/2016 vom 9. Mai 2016 E. 2.2; 8C_266/2015 vom 29. Juni 2015 E. 2.2).  
 
 
2.3. In erster Linie ist es Sache der versicherten Person, substanzielle Anhaltspunkte für eine allfällige neue Prüfung des Leistungsanspruchs darzulegen (vgl. auch bezüglich Nachfristansetzung zur Einreichung ergänzender, in der Neuanmeldung lediglich in Aussicht gestellter Beweismittel BGE 130 V 64 E. 5.2.5 S. 69). Wenn die der Neuanmeldung beigelegten ärztlichen Berichte so wenig substanziiert sind, dass sich eine neue Prüfung nur aufgrund weiterer Erkenntnisse allenfalls rechtfertigen würde, ist die IV-Stelle unter Umständen zur Nachforderung weiterer Angaben gehalten. Dies ist nur, aber immerhin dann der Fall, wenn den - für sich allein genommen nicht Glaubhaftigkeit begründenden - Arztberichten konkrete Hinweise entnommen werden können, wonach möglicherweise eine mit weiteren Erhebungen erstellbare rechtserhebliche Änderung vorliegt (zum Ganzen SZS 2009 S. 397, 9C_286/2009 E. 2.2.3; Urteil 8C_759/2015 vom   25. Februar 2016 E. 2.2).  
 
2.4. Ob eine anspruchserhebliche Änderung nach Art. 87 Abs. 3 IVV glaubhaft gemacht ist, stellt eine vom Bundesgericht nur unter dem Blickwinkel von Art. 105 Abs. 2 BGG überprüfbare Tatfrage dar. Um eine Frage rechtlicher Natur handelt es sich hingegen, wenn zu beurteilen ist, wie hohe Anforderungen an das Glaubhaftmachen im Sinne von Art. 87 Abs. 3 IVV zu stellen sind (Urteil 8C_266/2015 vom       29. Juni 2015 E. 2.3 mit Hinweis).  
 
3.  
 
3.1. Zum Gesundheitszustand, wie er sich im Zeitpunkt der renten-ablehnenden Verfügung vom 21. April 2010 darbot, hält der angefochtene Entscheid fest, gemäss dem psychiatrischen Gutachten der Klinik C.________ vom 26. Mai 2009 habe die Beschwerdeführerin an einer Anpassungsstörung mit Sorgen, Anspannungen, Zukunftsängsten und Stimmungseinbrüchen (ICD-10 F43.23) gelitten. Eine psychisch bedingte Arbeitsunfähigkeit habe der Gutachter verneint. Für die bisherige Tätigkeit als Hilfsarbeiterin in der Wäscherei attestierte Dr. med. B.________ eine volle Arbeitsfähigkeit.  
 
3.2. Die Neuanmeldung vom 3. Dezember 2013 basiert auf den Berichten des behandelnden Psychiaters Dr. med. D.________, Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 13. und 28. Januar sowie 17. April 2014. Nach den tatbeständlichen - und für das Bundesgericht folglich grundsätzlich verbindlichen - Feststellungen des kantonalen Gerichts wird damit keine relevante Verschlechterung des Gesundheitszustandes seit dem 21. April 2010 glaubhaft gemacht. Dr. med. D.________ habe auf das Ersuchen der IV-Stelle hin, objektive Befunde und eine ICD-10-codierte Diagnose zu nennen, am 17. April 2014 eine schizodepressive Störung (ICD-10 F25.1) diagnostiziert. Er habe eine invalidisierte Versicherte mit schmerzverzerrtem Gesicht, Stöhnen beim Gehen und Sitzen, angespanntem Gesichtsausdruck und ausdruckslosem Blick beschrieben, welche leise spreche, Fragen erst bei wiederholtem Nachfragen beantworte, abwesend wirke mit Depersonalisation und Dissoziation. Laut Dr. med. D.________ weise die Versicherte eine depressive und erschöpfte Grundstimmung auf, stelle keine gedanklichen Verknüpfungen oder Assoziationen her, wirke im Denken und in der Motorik erstarrt. Inhaltlich sei sie auf die Beschwerden fixiert und affektiv kaum nahbar. Gemäss den Erwägungen des angefochtenen Entscheids basieren die kurz gehaltenen Berichte des Dr. med. D.________ im Wesentlichen auf dem von der Versicherten gezeigten Verhalten sowie deren subjektiven Angaben. Objektive psychopathologische Befunde, welche den vermittelten Inhalt als nachvollziehbar erscheinen liessen, nenne der Psychiater nicht. Seiner Einschätzung zum Gesundheitszustand und dessen Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit fehle das erforderliche Begründungsfundament. In den Berichten vom 13. und 28. Januar 2014 gehe Dr. med. D.________ von einer massiven Verschlechterung seit drei bis vier Jahren aus. Zum Verlauf des Gesundheitszustandes seit der Verfügung vom 21. April 2010 äussere er sich jedoch nicht. Die vom Psychiater erwähnten Gegebenheiten (Fixierung auf kaum auszuhaltende Schmerzen am ganzen Körper mit Störung des Nachtschlafes, Rückzugsverhalten, geringes Aktivitätsniveau, Verlust der Interessen, häufiges Weinen und im Bett liegen) seien teilweise bereits von Dr. med. B.________ erwähnt worden. Psychosoziale Belastungsfaktoren (familiäre Überlastung mit gegenseitigen aggressiven Ausbrüchen, angespannte Wohnsituation, finanzielle Schwierigkeiten) seien ausser Acht zu lassen. Laut kantonalem Gericht deutet die Aufnahme einer psychiatrischen Behandlung für sich allein nicht auf eine anspruchsrelevante Verschlechterung hin. Auch die beschriebenen psychosozialen Belastungsfaktoren (familiäre Überlastung mit gegenseitigen aggressiven Ausbrüchen, angespannte Wohnsituation, finanzielle Schwierigkeiten) vermöchten eine solche nicht zu begründen.  
 
3.3. Die Beschwerdeführerin rügt eine offensichtlich unvollständige Sachverhaltsfeststellung durch die Vorinstanz. Gemäss dem von Dr. med. B.________ im Gutachten vom 26. Mai 2009 erhobenen Befund habe sie ordentlich gepflegt, bewusstseinsklar und allseits orientiert gewirkt. Während der gesamten Exploration hätten sich keine Hinweise auf Störungen der mnestischen Funktionen ergeben. Die gestellten Fragen habe sie ohne zögern, ihrem Bildungsniveau entsprechend, beantwortet. Das formale Denken sei auf die Schmerzen und Unfähigkeiten eingeengt gewesen. Inhaltlich hätten sich keine Hinweise auf Wahnideen, Halluzinationen oder Ich-Störungen ergeben. Der Affekt sei leicht bedrückt, die affektive Schwingungsfähigkeit jedoch erhalten gewesen. Ein affektiver Rapport habe sich gut herstellen lassen. Antrieb und Motorik hätten sich unauffällig gezeigt. Laut Beschwerdeführerin hätten sich die von Dr. med. D.________ erhobenen objektiven Befunde (ausdrucksloser Blick, leise Sprache, Fragenbeantwortung erst auf Nachfrage hin, Depersonalisation, Dissoziation, depressive und erschöpfte Grundstimmung, fehlende gedankliche Verknüpfungen oder Assoziationen, Erstarrung in Denken und Motorik, affektiv kaum nahbar) im Vergleich dazu massiv verschlimmert gezeigt. Damit sei eine wesentliche gesundheitliche Verschlechterung genügend glaubhaft gemacht worden, so dass die Vorinstanz den Nichteintretensentscheid der Verwaltung zu Unrecht geschützt habe.  
 
3.4. Die Vorinstanz hat die Glaubhaftmachung einer für den Anspruch erheblichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitraum seit Erlass der rechtskräftigen Ablehnungsverfügung vom 21. April 2010 und der Nichteintretensverfügung der IV-Stelle vom 18. September 2014 in Übereinstimmung mit der IV-Stelle verneint. Inwiefern sie in diesem Zusammenhang den massgebenden Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt oder die Beweise willkürlich gewürdigt habe (vgl. Art. 97 Abs. 1 und 105 Abs. 1 und 2 BGG), vermag die Beschwerdeführerin letztinstanzlich nicht darzutun. Zwar weichen die früher und heute erhobenen ärztlichen Befunde und die gestellten Diagnosen zumindest teilweise voneinander ab, was als Anhaltspunkt für Veränderungen der gesundheitlichen Verhältnisse gewertet werden und allenfalls Anlass zu weiteren Abklärungen geben könnte. Erheblich im Sinne von Art. 87 Abs. 2 IVV ist eine Sachverhaltsänderung indessen nur, wenn angenommen werden kann, ein Leistungsanspruch sei begründet, falls sich die geltend gemachten Umstände tatsächlich als gegeben erweisen sollten (8C_676/2014 vom 26. November 2014    E. 3.2).  
 
3.5. Für eine Neuanmeldung reicht es daher nicht aus, eine ausschliesslich gesundheitliche Verschlechterung glaubhaft zu machen. Insbesondere genügt eine neu gestellte Diagnose per se nicht, um eine erhebliche Veränderung des Gesundheitszustandes glaubhaft zu machen, da damit über das quantitative Element einer relevanten, die Arbeitsfähigkeit schmälernden Veränderung des Gesundheitszustandes nicht zwingend etwas ausgesagt wird (vgl. dazu BGE 141 V 9 E. 5.2 S. 12). Aus den Stellungnahmen des Dr. med. D.________ - dessen Einschätzung mit Blick auf die beweisrechtlich bedeutsame Verschiedenheit von Behandlungs-/Therapieauftrag einerseits und Begutachtungsauftrag andererseits besonders sorgfältig zu würdigen ist (BGE 125 V 351 E. 3b/cc S. 353) - ergeben sich keine Hinweise, die glaubhaft machen würden, dass sich die psychische Situation in anspruchsrelevantem Ausmass verändert hätte. Der Psychiater legt nicht substanziiert dar, inwiefern die von ihm geschilderte psychische Problematik die Arbeitsfähigkeit der Versicherten in einer leidensangepassten Tätigkeit beeinflussen würde. Er erwähnt aber gewichtige familiäre und soziale Belastungsfaktoren. Diese fallen indessen nicht unter das bei der Beschwerdegegnerin versicherte Risiko (vgl. BGE 141 V 281 E. 4.3.3 S. 303; 127 V 294 E. 5a S. 299). Das kantonale Gericht hat daher eine Verschlechterung aus invaliditätsfremden Gründen zu Recht ausser Acht gelassen (Urteil 8C_759/2015 vom 25. Februar 2016 E. 4.2).  
 
3.6. Zusammenfassend liegt weder eine bundesrechtlich zu korrigierende aktenwidrige Sachverhaltsfeststellung durch die Vorinstanz vor, noch ist eine Verletzung von massgebenden Beweisregeln erkennbar. Da die medizinischen Stellungnahmen des Dr. med. D.________ nicht ausreichen, um eine Verschlechterung der gesundheitlichen Verhältnisse auch nur glaubhaft zu machen, wurde die Nichteintretensverfügung der Beschwerdegegnerin zu Recht bestätigt. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.  
 
4.   
Nach dem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 65 Abs. 4 lit. a in Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 21. Juni 2016 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Hofer