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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2C_175/2010 
 
Urteil vom 21. Juli 2010 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, Präsident, 
Bundesrichter Merkli, Karlen, 
Gerichtsschreiber Winiger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.X._______, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Walter A. Stöckli, 
 
gegen 
 
Kantonale Steuerkommission Uri. 
 
Gegenstand 
Busse wegen Verletzung der Verfahrenspflichten 
(Art. 6 EMRK
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri, Verwaltungsrechtliche Abteilung, 
vom 22. Januar 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Im Rahmen des Veranlagungsverfahrens der Steuerpflichtigen A.X._______ und B.X._______, Schattdorf/UR, für die Steuerperiode 2004, stellte das Amt für Steuern des Kantons Uri eine ungewöhnliche Vermögensentwicklung fest. In der Folge rechnete die Steuerbehörde diverse Einkünfte und Vermögenswerte als Einkommen auf und leitete - nach Eintritt der Rechtskraft des Einspracheentscheids betreffend Einkommensaufrechnungen - ein Nachsteuer- und ein Steuerhinterziehungsverfahren gegen die Steuerpflichtigen ein. Im Rahmen des Nachsteuerverfahrens verlangte das Amt für Steuern verschiedene Unterlagen ein. Nach erfolgloser Mahnung wurde A.X._______ und B.X._______ mit Verfügung des Amtes für Steuern vom 25. Februar 2008 eine Ordnungsbusse von Fr. 500.-- wegen Verletzung der Verfahrenspflichten auferlegt. Die hiergegen erhobene Einsprache hiess die kantonale Steuerkommission am 26. September 2008 in dem Sinne gut, als die Ordnungsbusse gemäss den individuellen Steuerfaktoren auf die beiden Steuerpflichtigen aufgeteilt wurde (A.X._______: Fr. 480.-- bzw. B.X._______: Fr. 20.--); materiell wurden die Einsprachen abgewiesen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Uri, Verwaltungsrechtliche Abteilung, wies mit Entscheid vom 22. Januar 2010 die von A.X._______ gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. 
 
B. 
Mit Eingabe vom 24. Februar 2010 erhebt A.X._______ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Er beantragt, der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 22. Januar 2010 sowie der Einspracheentscheid der Steuerkommission vom 26. September 2009 seien aufzuheben und die Einsprache vom 25. März 2008 sei gutzuheissen; eventualiter sei die Sache an die erste Instanz zurückzuweisen. Gerügt wird die Verletzung von Völkerrecht (Art. 6 EMRK). 
 
C. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Uri verzichtet auf eine Stellungnahme zur Beschwerde und verweist auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid. Die Kantonale Steuerkommission Uri sowie die Eidgenössische Steuerverwaltung schliessen auf Abweisung der Beschwerde. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen letztinstanzlichen kantonalen Endentscheid in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts, die unter keinen Ausschlussgrund gemäss Art. 83 BGG fällt und daher mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht weitergezogen werden kann (Art. 82 ff. BGG in Verbindung mit Art. 73 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG; SR 642.14]). Der Beschwerdeführer ist gestützt auf Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten legitimiert. Auf das frist- und formgerecht eingereichte Rechtsmittel ist grundsätzlich einzutreten. 
 
Soweit der Beschwerdeführer die Aufhebung des Einspracheentscheides der kantonalen Steuerkommission beantragt, erweist sich sein Begehren jedoch als unzulässig und kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. Der Entscheid der Rekurskommission ist durch das Urteil des Verwaltungsgerichts ersetzt worden (sog. Devolutiveffekt); er gilt immerhin als inhaltlich mitangefochten (vgl. BGE 134 II 142 E. 1.4 S. 144 mit Hinweis). 
 
1.2 Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und 96 BGG geltend gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen, und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Das Bundesgericht legt sodann seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser werde in rechtsgenüglicher Form beanstandet (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. E. 1.3 hiernach) und sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 bzw. Art. 97 Abs. 1 BGG). 
 
1.3 Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG hat die Rechtsschrift die Begehren und deren Begründung zu enthalten. Im Rahmen der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Die Vorbringen müssen sachbezogen sein, damit aus der Beschwerdeschrift ersichtlich ist, in welchen Punkten und weshalb der angefochtene Entscheid beanstandet wird. Dies setzt voraus, dass sich der Beschwerdeführer wenigstens kurz mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheides auseinandersetzt (BGE 134 II 244 E. 2.1 S. 245 f.). Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht prüft eine solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254). 
 
2. 
2.1 Der Beschwerdeführer führt aus, die vom Amt für Steuern am 25. Februar 2008 gestützt auf Art. 209 des Gesetzes vom 17. Mai 1992 über die direkten Steuern im Kanton Uri (StG/UR; RB 3.2211) wegen Verletzung der Verfahrenspflichten verfügte Ordnungsbusse verstosse gegen Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Das Recht zu schweigen und das Recht, nicht zu seiner eigenen Verurteilung beitragen zu müssen, gehörten zu den allgemein anerkannten internationalen Normen und zum Kern des fairen Verfahrens im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Sobald die Steuerbehörden gegen einen Steuerpflichtigen ein Nachsteuerverfahren führten, welches gleichzeitig zu einer Strafsteuer führen könnte, dürften nach Ansicht des Beschwerdeführers die Steuerbehörden vom Steuerpflichtigen nicht mehr verlangen, dass er ihnen Auskünfte erteile, mit denen er sich zusätzlich belasten würde. Vorliegend sei das Steuerhinterziehungsverfahren als Strafverfahren offensichtlich nur sistiert worden, um Art. 6 EMRK zu umgehen. 
 
2.2 Als allgemeiner, aus Art. 32 BV abgeleiteter Grundsatz des Strafprozessrechts ist anerkannt, dass niemand gehalten ist, zu seiner Belastung beizutragen. Der in einem Strafverfahren Beschuldigte ist demnach nicht zur Aussage verpflichtet. Vielmehr ist er aufgrund seines Aussageverweigerungsrechts berechtigt zu schweigen, ohne dass ihm daraus Nachteile erwachsen dürfen. Ferner leiten Lehre und Rechtsprechung das Recht des Beschuldigten, zu schweigen und sich nicht selbst belasten zu müssen auch aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK ab (BGE 130 I 126 E. 2.1 S. 128 mit Hinweisen; JÖRG PAUL MÜLLER/MARKUS SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 984 f.). 
 
2.3 Das - im Übrigen durch Art. 14 Ziff. 3 lit. g UNO-Pakt II (SR 0.103.2) ausdrücklich garantierte - Verbot des Zwangs zur Selbstbezichtigung gilt für Verfahren, in denen über eine Hinter-ziehungsbusse entschieden wird, nicht jedoch für die Nachsteuer, da diese keine Strafsanktion darstellt. Das Nachsteuerverfahren bezweckt einzig die Nachforderung der zu wenig veranlagten Steuer (BGE 121 II 273 E. 3b S. 282 f., 257 E. 4b S. 265; je mit Hinweisen; vgl. auch BGE 119 Ib 311 E. 2f S. 317). Es stellt daher ein rein fiskalrechtliches Verfahren dar, auf welches Art. 6 EMRK keine Anwendung findet. Aus dem Urteil [des EGMR] J.B. gegen Schweiz vom 3. Mai 2001, Recueil CourEDH 2001-III S. 455, auch in: VPB 2001 Nr. 128 S. 1336, ergibt sich nichts anderes (Urteil 2A.480/2005 vom 23. Februar 2006 E. 2.2, in: StR 61/2006 S. 372). 
 
2.4 Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass im Fall einer Mitwirkung des Beschwerdeführers im Nachsteuerverfahren Sachverhaltselemente zu Tage treten könnten, die sich im Rahmen eines allenfalls zu einem späteren Zeitpunkt gegen ihn angehobenen Strafverfahrens wegen Steuerhinterziehung belastend auszuwirken vermöchten. Dieser Umstand vermag jedoch an der Mitwirkungspflicht in einem - getrennt vom Strafverfahren geführten - Nachsteuerverfahren nichts zu ändern. Für solche Informationen besteht im Strafverfahren ein Beweisverwertungsverbot, damit die genannten verfassungs- und völkerrechtlichen Garantien nicht unterlaufen werden können (vgl. Urteil 2C_70/2008 vom 27. Mai 2008 E. 2.2). 
 
Diese Sichtweise hat auch Eingang in die Bundesgesetzgebung gefunden. Für den Bereich der direkten Bundessteuer sieht Art. 183 Abs. 1bis des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) vor, dass Beweismittel aus einem Nachsteuerverfahren in einem Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung nur dann verwendet werden, wenn sie weder unter Androhung einer Veranlagung nach pflichtgemässem Ermessen (Art. 130 Abs. 2 DBG) mit Umkehr der Beweislast nach Art. 132 Abs. 3 DBG noch unter Androhung einer Busse wegen Verletzung von Verfahrenspflichten beschafft wurden. Dasselbe gilt aufgrund von Art. 57a Abs. 2 in Verbindung mit Art. 72g des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14) für den Bereich der Staats- und Gemeindesteuern (vgl. Bundesgesetz vom 20. Dezember 2006 über Änderungen des Nachsteuerverfahrens und des Strafverfahrens wegen Steuerhinterziehung auf dem Gebiet der direkten Steuern, AS 2007 2975). Aus diesen Bestimmungen, die am 1. Januar 2008 in Kraft traten, ergibt sich klar, dass nach Auffassung des Bundesgesetzgebers aus dem Verbot des Zwangs zur Selbstbezichtigung kein Dahinfallen der Mitwirkungspflichten im Nachsteuerverfahren oder eine Pflicht zur Sistierung dieses Verfahrens abgeleitet werden kann (Urteil 2C_70/2008 vom 27. Mai 2008 E. 2.3). 
 
2.5 Im vorliegenden Fall haben gemäss den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (vgl. E. 1.2 hiervor) die Behörden das Nachsteuerverfahren und das Steuerhinterziehungsverfahren zusammen eröffnet, nachträglich aber korrekterweise getrennt. In einem solchen Fall finden aber die Garantien von Art. 6 EMRK keine Anwendung: Zufolge der (nachträglichen) Trennung der zwei hängigen Verfahren können sich die strafprozessualen Grundsätze - wie dargelegt - nicht auf das Nachsteuerverfahren auswirken. Die diesbezügliche Rüge zielt daher ins Leere (Urteil 2A.480/2005 vom 23. Februar 2006 E. 2.4.1, in: StR 61/2006 S. 372). Inwiefern in der Sistierung des Steuerhinterziehungsverfahrens eine "Umgehung" von Art. 6 EMRK zu erblicken sei, wie der Beschwerdeführer geltend zu machen versucht, ist im Übrigen weder ersichtlich noch rechtsgenüglich dargelegt. 
 
3. 
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ergebnis besteht auch kein Anlass, dem Eventualantrag (Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung) stattzugeben. 
 
Bei diesem Ausgang sind die Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Kantonalen Steuerkommission Uri, dem Obergericht des Kantons Uri, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 21. Juli 2010 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Zünd Winiger