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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_372/2023  
 
 
Urteil vom 21. August 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiberin Lustenberger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.________, 
2. B.________, 
beide vertreten durch Rechtsanwältin Esther Dubach, 
Beschwerdeführende, 
 
gegen  
 
C.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Stephan Schlegel, 
Beschwerdegegner, 
 
Staatsanwaltschaft See/Oberland, 
Postfach, 8610 Uster. 
 
Gegenstand 
Entschädigung nach Einstellung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 26. Juni 2023 (UE220297-O/U/HEI). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit mehreren Eingaben erstattete C.________ bei der Staatsanwaltschaft See/Oberland Strafanzeige gegen A.________ sowie B.________ und warf ihnen falsche Anschuldigung und Prozessbetrug vor. Hintergrund der Strafanzeige war eine mietrechtliche Streitigkeit, bei der C.________ als Vermieter und die beiden Beschuldigten als Mieter auftraten. Mit Verfügung vom 29. September 2022 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. 
 
B.  
C.________ erhob Beschwerde gegen die Verfahrenseinstellung, welche das Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 26. Juni 2023 abwies (Dispositivziffer 1). Entschädigungen sprach es keine zu (Dispositivziffer 5). 
 
C.  
A.________ und B.________ erheben Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht. Sie verlangen, der Beschluss des Obergerichts sei teilweise aufzuheben und C.________ sei zu verpflichten, ihnen für das kantonale Beschwerdeverfahren eine Entschädigung von Fr. 2'725.35 zu bezahlen. Eventualiter sei der Kanton Zürich zu verpflichten, ihnen eine Entschädigung in der genannten Höhe zu bezahlen. Subeventualiter sei die Sache zur Festsetzung einer Entschädigung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die vorinstanzlichen Akten wurden antragsgemäss beigezogen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid (Art. 80 und Art. 90 BGG) über die Entschädigungsfolgen eines Strafverfahrens. Dagegen steht die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 78 BGG grundsätzlich offen. Die Beschwerdeführenden haben als beschuldigte Personen am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids, mit dem ihnen die Ausrichtung einer Entschädigung verweigert wurde (Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 1 BGG). Sie sind folglich zur Beschwerde legitimiert (vgl. BGE 135 IV 43 E. 1.1.1). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten. 
 
2.  
Die Beschwerdeführenden machen geltend, die Vorinstanz verweigere ihnen in Verletzung von Art. 429 Abs. 2 StPO eine Parteientschädigung. 
 
2.1. Laut den vorinstanzlichen Erwägungen hätten die obsiegenden Beschwerdeführenden an sich einen Anspruch auf eine Entschädigung. Sie würden sodann die Abweisung der Beschwerde "unter Kosten- und Entschädigungsfolgen" zu Lasten von C.________ (Beschwerdegegner 2) beantragen, dazu aber nichts weiter ausführen. Der Antrag sei somit weder begründet noch die Entschädigungsforderung beziffert worden. Auf den Entschädigungsantrag sei deshalb nicht einzutreten.  
 
2.2. Die Vorinstanz stützt sich bei ihren Ausführungen auf Art. 436 Abs. 1 i.V.m. Art. 433 Abs. 2 StPO. Wie es scheint, behandelt sie die Beschwerdeführenden bei ihrem Entschädigungsentscheid fälschlicherweise wie Privatklägerinnen und Privatkläger anstatt wie beschuldigte Personen. Der Entschädigungsanspruch der beschuldigten Person richtet sich im Rechtsmittelverfahren nach Art. 436 Abs. 1 i.V.m. Art. 429 StPO.  
Wird die beschuldigte Person ganz oder teilweise freigesprochen oder wird das Verfahren gegen sie eingestellt, so hat sie gemäss Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO unter anderem Anspruch auf eine nach dem Anwaltstarif festgelegte Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte. Darunter fallen insbesondere die Kosten der Wahlverteidigung, sofern der Beizug eines Anwalts angesichts der tatsächlichen oder rechtlichen Komplexität des Falls geboten war (BGE 146 IV 332 E. 1.3; 144 IV 207 E. 1.3.1). 
Nach Abs. 2 Satz 1 desselben Artikels prüft die Strafbehörde den Entschädigungsanspruch von Amtes wegen. Dies bedeutet indessen nicht, dass sie im Sinne des Untersuchungsgrundsatzes von Art. 6 StPO alle für die Beurteilung des Entschädigungsanspruchs bedeutsamen Tatsachen von Amtes wegen abzuklären hat. Sie hat aber die beschuldigte Person zur Frage mindestens anzuhören und gegebenenfalls gemäss Art. 429 Abs. 2 Satz 2 StPO aufzufordern, ihre Ansprüche zu beziffern und zu belegen (BGE 146 IV 332 E. 1.3; 144 IV 207 E. 1.3.1; 142 IV 237 E. 1.3.1; je mit Hinweisen). 
 
2.3.  
 
2.3.1. Aus dem angefochtenen Beschluss, namentlich aus der Darstellung des Prozesssachverhalts, lässt sich schliessen, dass die Vorinstanz die Beschwerdeführenden nicht aufgefordert hat, allfällige Forderungen zu beziffern und zu belegen. Dies bestätigen denn auch die prozessleitenden Verfügungen in den Akten. Vielmehr führt die Vorinstanz im Rahmen des Entschädigungsentscheids aus, dass die Rechtsvertreterin von ihren Substanziierungsobliegenheiten hätte wissen müssen und diesen nicht nachgekommen ist. Dem kann aber bereits deshalb nicht gefolgt werden, weil der effektive Aufwand der anwaltlichen Vertretung erst am Ende des Beschwerdeverfahrens bekannt ist, dieser aber von der richterlichen Verfahrensinstruktion abhängt. Vor Erlass ihres Entscheids hätte die Vorinstanz den beschuldigten Beschwerdeführenden nach Art. 429 Abs. 2 StPO deshalb Gelegenheit geben müssen, ihre Entschädigungsforderung zu substanziieren. Indem sie dies unterlässt, verletzt sie den Anspruch der Beschwerdeführenden auf rechtliches Gehör.  
 
2.3.2. Die Vorinstanz wird die Gehörsgewährung im Sinne von Art. 429 Abs. 2 StPO nachholen und über die Parteientschädigung neu entscheiden müssen. Ein reformatorischer Entscheid seitens des Bundesgerichts ist entgegen dem Hauptantrag der Beschwerdeführenden nicht möglich, da es nicht Sache des Bundesgerichts ist, erstmals über die Frage einer Entschädigung gemäss Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO zu befinden (Urteil 6B_34/2018 vom 13. Mai 2024 E. 3.2).  
 
3.  
Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen, der angefochtene Beschluss, soweit die Entschädigungsfrage betreffend, aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. Im Übrigen, das heisst soweit die direkte Verpflichtung des Beschwerdegegners 2 respektive des Kantons Zürich zur Bezahlung einer Entschädigung von Fr. 2'725.35 verlangt wird, ist die Beschwerde abzuweisen. 
Da ein rein formeller Mangel zur Gutheissung der Beschwerde führt und vorliegend kein Entscheid in der Sache geht, kann auf die Einholung von Vernehmlassungen verzichtet werden (Urteil 6B_242/2023 vom 22. Mai 2023 E. 2 mit Hinweisen). 
Die Rückweisung zu erneutem Entscheid mit offenem Ausgang gilt hinsichtlich der Kosten- und Entschädigungsfolgen im bundesgerichtlichen Verfahren als vollständiges Obsiegen der Beschwerdeführenden (Urteil 7B_6/2021 vom 5. März 2024 E. 9 mit Hinweisen). Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Der Kanton Zürich hat die gemeinsam vertretenen Beschwerdeführenden für das Verfahren vor Bundesgericht entsprechend der Honorarnote ihrer Rechtsvertreterin vom 26. Juli 2023 mit Fr. 2'291.85 zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Dispositivziffer 5 des Beschlusses des Obergerichts des Kantons Zürich vom 26. Juni 2023 wird aufgehoben und die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Zürich hat den Beschwerdeführenden für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 2'291.85 auszurichten. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft See/Oberland und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 21. August 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Die Gerichtsschreiberin: Lustenberger