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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_290/2010 
 
Urteil vom 21. September 2010 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille, 
Gerichtsschreiberin Schüpfer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG, Litigation Hauptbranchen, Postfach, 8085 Zürich Versicherung, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
1. S.________, vertreten durch Fürsprecherin Daniela Mathys, 
2. Visana Versicherungen AG, Weltpoststrasse 19, 3015 Bern, 
3. AXA Versicherungen AG, General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur, vertreten durch lic. iur. Kavan Samarasinghe, 
Beschwerdegegnerinnen. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 23. März 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
A.a Die 1950 geborene S.________ war in verschiedenen Positionen, bis hin zur Geschäftsstellenleiterin, bei der Filiale der Bank X.________ tätig. Im Dezember 1993 zog sie sich bei einem Skiunfall ein Schleudertrauma der basalen Halswirbelsäule zu. Die Zürich Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Zürich), bei welcher sie gegen die Folgen von Unfällen versichert war, erbrachte Heilbehandlung und Taggeldleistungen. Nach einem Sturz in einem Badezimmer am 11. Mai 1996 kam es zu einer vorübergehenden Verschlimmerung der Beschwerden. Wie bereits nach dem ersten Unfall erlangte die Versicherte jedoch bald wieder eine volle Arbeitsfähigkeit. Gestützt auf ein Gutachten des Dr. med. F.________, Facharzt für Neurologie FMH, richtete die Unfallversicherung S.________ mit Verfügung vom 6. August 1998 eine Integritätsentschädigung entsprechend einer Einbusse von 10% aus und sicherte ihr zusätzlich zur Aufrechterhaltung der vollen Arbeitsfähigkeit die Übernahme der weiteren Heilbehandlung zu. Eine Rente werde nicht ausgerichtet, da keine Erwerbsunfähigkeit vorliege. 
A.b Am 8. März 2001 und am 23. Januar 2004 erlitt S.________ zwei weitere Unfälle mit Schädigungen im Bereiche der Halswirbelsäule und des Kopfes. In jenem Zeitraum war sie bei der Winterthur Versicherungsgesellschaft (nunmehr AXA Versicherungen AG: kurz AXA) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert. Nach dem ersten der beiden Unfälle war sie ab 13. März 2003 wieder zu 50% arbeitsfähig; nach dem letzten Unfall nahm sie ihre Tätigkeit nicht mehr auf. S.________ wurde im Auftrag der beiden Unfallversicherer sowie der Invalidenversicherung von verschiedenen Instituten polydisziplinär begutachtet. 
 
Die Zürich eröffnete der Versicherten mit Verfügung vom 2. Juni 2008, sie ziehe ihre Verfügung vom 6. August 1998 in Wiedererwägung und hebe diese auf. Sie stelle ihre Leistungen rückwirkend auf den 6. August 1998 ein, da ab diesem Zeitpunkt zwischen den Beschwerden und den versicherten Unfällen kein adäquater Kausalzusammenhang mehr bestehe. Für den nach diesem Datum gemeldeten Rückfall erbringe sie keine Leistungen. Die von der Versicherten und von deren Krankenkasse, der Visana Versicherungen AG (nachfolgend: Visana) je separat erhobenen Einsprachen wies die Zürich mit Entscheid vom 22. April 2009 ab. 
 
B. 
S.________, die Visana und die AXA erhoben gegen den Einspracheentscheid Beschwerden, welche vom Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 23. März 2010 vereinigt und in dem Sinne gutgeheissen wurden, als der Einspracheentscheid aufgehoben, die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung der Verfügung vom 6. August 1998 verneint und die Sache zu Abklärungen und zum Entscheid über eine weitere Leistungspflicht an die Zürich zurückgewiesen wurde. 
 
C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ersucht die Zürich um Aufhebung des kantonalen Entscheides und um Bestätigung des Einspracheentscheides vom 22. April 2009. In prozessualer Hinsicht ersucht sie um Erteilung der aufschiebenden Wirkung. 
 
Die Versicherte und die Visana lassen auf Abweisung der Beschwerde schliessen, die AXA stellt den Antrag die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Das Bundesgericht prüft die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 135 V 98 E. 1 S. 99 mit Hinweisen). 
 
1.1 Die Beschwerde an das Bundesgericht ist zulässig gegen Endentscheide, das heisst gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen (Art. 90 BGG), und gegen Teilentscheide, die nur einen Teil der gestellten Begehren behandeln, wenn diese unabhängig von den anderen beurteilt werden können, oder die das Verfahren nur für einen Teil der Streitgenossen und Streitgenossinnen abschliessen (Art. 91 BGG). Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist hingegen die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Zuständigkeit oder den Ausstand betreffen (Art. 92 BGG), einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). Rückweisungsentscheide, mit denen eine Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, sind Zwischenentscheide, die nur unter den genannten Voraussetzungen beim Bundesgericht angefochten werden können. Anders verhält es sich nur dann, wenn der unteren Instanz, an welche zurückgewiesen wird, kein Entscheidungsspielraum mehr verbleibt und die Rückweisung nur noch der Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient (BGE 135 V 141 E. 1.1 S. 143 mit Hinweisen). 
 
1.2 Ein Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG liegt dann vor, wenn der Rückweisungsentscheid materielle Vorgaben enthält, welche die Verwaltung zwingen würden, eine ihres Erachtens rechtswidrige neue Verfügung zu erlassen (BGE 133 V 477 E. 5.2.4 S. 484 f.; nicht publ. E. 1.2.1 des Urteils BGE 134 V 392, publ. in SVR 2008 UV Nr. 31 S. 115 [8C_682/2007]; Urteil 9C_491/2008 vom 21. April 2009 E. 1.2). Der Rückweisungsentscheid, mit dem die Sache zu neuer medizinischer Abklärung und Entscheidung an die Verwaltung zurückgewiesen wird, bewirkt keinen solchen Nachteil, führt er doch bloss zu einer dieses Kriterium nicht erfüllenden Verfahrensverlängerung (nicht publ. E. 1.2 des Urteils BGE 133 V 504, publ. in SVR 2008 IV Nr. 31 S. 100 [I 126/07]; Urteil 8C_482/2007 vom 25. Februar 2008 E. 3). 
 
1.3 Der angefochtene Entscheid ist unbestrittenermassen ein Rückweisungsentscheid. Er enthält indessen auch materielle Vorgaben (Voraussetzungen der Wiedererwägung nach Art. 53 Abs. 1 und 2 ATSG), sodass die Zürich eine ihres Erachtens rechtswidrige Verfügung erlassen müsste, falls die zu tätigenden Abklärungen eine weitere Leistungspflicht der Unfallversicherung ergeben würden. Auf die Beschwerde wird daher eingetreten. 
 
2. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG). 
 
3. 
Streitig und zu prüfen ist einzig, ob die Beschwerde führende Unfallversicherung ihre Verfügung vom 6. August 1998, womit sie der Versicherten eine Integritätsentschädigung zugesprochen und die Übernahme weiterer Heilbehandlung zugesichert hatte, in Wiedererwägung ziehen darf. 
Nach Art. 53 Abs. 2 ATSG kann der Versicherungsträger auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Zweifellose Unrichtigkeit im Sinne von Art. 53 Abs. 2 ATSG ist regelmässig gegeben, wenn eine gesetzwidrige Leistungszusprechung auf Grund falscher oder unzutreffender Rechtsregeln erlassen wurde oder wenn massgebliche Bestimmungen nicht oder unrichtig angewandt wurden (BGE 126 V 399 E. 2b/bb S. 401 mit Hinweisen). Das Gleiche kann nicht gesagt werden, wenn der Wiedererwägungsgrund - wie vorliegend - im Bereich materieller Anspruchsvoraussetzungen (beispielsweise des Kausalzusammenhangs nach Art. 6 Abs. 2 UVG) liegt, deren Beurteilung in Bezug auf gewisse Schritte und Elemente (z.B. Beweiswürdigung) notwendigerweise Ermessenszüge aufweist. Erscheint die Beurteilung solcher Anspruchsvoraussetzungen vor dem Hintergrund der Sach- und Rechtslage, wie sie sich im Zeitpunkt der rechtskräftigen Leistungszusprechung darbot (BGE 125 V 383 E. 3 S. 389 f. mit Hinweisen), als vertretbar, scheidet die Annahme zweifelloser Unrichtigkeit grundsätzlich aus (SVR 2006 UV Nr. 17 S. 60 E. 5.3 [U 378/05]). Ein Verwaltungsakt ist zweifellos unrichtig, wenn kein vernünftiger Zweifel an der Unrichtigkeit möglich ist. Es darf nur ein einziger Schluss - derjenige auf die Unrichtigkeit der Verfügung oder des Einspracheentscheids oder der faktischen Leistung - möglich sein (vgl. BGE 125 V 383 E. 6a S. 392 f.; SVR 2005 ALV Nr. 8 S. 25 E. 3.1.1 [C 214/03]; Urteile 8C_512/2008 vom 14. Januar 2009, E. 6.1, 8C_483/2007 vom 7. August 2008, E. 2.2, und U 51/07 vom 10. August 2007, E. 2.1). 
 
4. 
4.1 Die Zürich begründet ihre Beschwerde im Wesentlichen damit, dass beim Erlass der ursprünglichen Verfügung vom 6. August 1998 richtigerweise die Adäquanzfrage hätte geprüft und verneint werden müssen. Alleine die Tatsache, dass damals eine Integritätsentschädigung zugesprochen wurde, ohne dass der Kausalzusammenhang zwischen Gesundheitsschaden und versichertem Ereignis vorgängig umfassend geprüft worden sei, führe zur zweifellosen Unrichtigkeit der Verfügung. 
 
4.2 Dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Die Vorinstanz hat einlässlich und richtig dargelegt, dass die Voraussetzungen für die hier streitige Wiedererwägung mangels zweifelloser Unrichtigkeit der damaligen Verfügung nicht gegeben waren. Diese erfolgte auf der Grundlage des Gutachtens des Neurologen Dr. med. F.________ vom 23. März 1998, welcher von einer körperlichen Ursache der damaligen Beschwerden ausging. Damit hatte die Beschwerdeführerin damals zu Recht auf eine separate Prüfung der Adäquanz verzichtet. Daran kann auch nichts ändern, dass in den Gutachten vom 10. Januar 2006 (Spital Y.________) und vom 6. Juli 2007 (Spital Z.________) nunmehr davon ausgegangen wird, die Beschwerden der Versicherten seien als somatoforme Schmerzstörung zu qualifizieren. Dass die Beschwerdeführerin beim Erlass der in Wiedererwägung gezogenen Verfügung auf die Angaben des damaligen Gutachters abstellte und davon ausging, die Beschwerden der Versicherten seien organischer Genese, hatte naturgemäss einen gewissen Ermessenscharakter und stellte keinen Rechtsfehler dar. Die Wiedererwägung wegen zweifelloser Unrichtigkeit ist damit ausgeschlossen. 
 
5. 
Das kantonale Gericht hat die Sache zu weiteren Abklärung hinsichtlich der Dauer und des Ausmasses der Leistungspflicht der Beschwerdeführerin für die Heilbehandlung an diese zurückgewiesen, da in der Verfügung vom 6. August 1998 nur über jene für somatische Unfallfolgen entscheiden worden sei. Ebenso hat die Zürich über den Anspruch der Versicherten für die inzwischen aufgetretene Arbeitsunfähigkeit zu entscheiden. Was diese in der Beschwerde dagegen vorbringt - insbesondere, dass nicht sie sondern die AXA für die geltend gemachte Arbeitsunfähigkeit leistungspflichtig sei - vermag nicht zu überzeugen. Die Rückweisung dient ja gerade der Antwort auf die Frage, ob eine Leistungspflicht besteht. Darüber wurde noch nicht entschieden. Der angefochtene Entscheid enthält keine materiellen Vorgaben, sodass die Beschwerdeführerin diesbezüglich auch nicht beschwert ist (vgl. Erwägung 1). Insoweit kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. 
 
6. 
Die Zürich stellt schliesslich den Antrag, es sei ihrer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Der Antrag bleibt indessen unbegründet, weshalb darauf nicht eingetreten werden kann (Art. 42.2 BGG). 
 
7. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 62 BGG). Die Gerichtskosten werden der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der obsiegenden und anwaltlich vertretenen Beschwerdegegnerin 1 hat sie eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerinnen für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 21. September 2010 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Ursprung Schüpfer