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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_126/2021  
 
 
Urteil vom 21. September 2021  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, als präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiberin Lustenberger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwälte Kenad Melunovic Marini und Mattia Fronzaroli, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1. Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Spisergasse 15, 9001 St. Gallen, 
2. B.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Annika Sonderegger, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Einstellung (ungetreue Geschäftsbesorgung, Veruntreuung etc.), Beschwerdelegitimation der Privatklägerschaft, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 9. Dezember 2020 (AK.2020.347-AK [ST.2020.6478]). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
B.________ war bis am 31. Oktober 2018 als einzelzeichnungsberechtigter Geschäftsführer bei der A.________ AG angestellt. Gleichzeitig war er Gesellschafter und Geschäftsführer der C.________ GmbH sowie Geschäftsführer der D.________ GmbH. Mit dem Arbeitsverhältnis kündigte B.________ auch den zwischen der C.________ GmbH und der A.________ AG bestehen-den Dienstleistungsvertrag. Am 28. Februar 2020 reichte die A.________ AG gegen B.________ Strafanzeige ein. Sie wirft ihm vor, in seiner früheren Funktion als Geschäftsführer ohne ihr Wissen für sie ein Konto bei der Bank E.________ eröffnet zu haben. Nach seiner Kündigung, am 8. November 2018, habe er ohne Berechtigung von diesem Konto drei Zahlungen im Gesamtbetrag von total Fr. 28'696.45 zugusten der C.________ GmbH und der D.________ GmbH ausgelöst. Diese Zahlungen stützten sich auf fingierte Rechnungen für Leistungen namentlich im Bereich Personalverleih. 
 
B.  
Mit Verfügung vom 10. August 2020 stellte das Untersuchungsamt St. Gallen die Strafuntersuchung wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung, Veruntreuung und Urkundenfälschung ein. Eine von der A.________ AG dagegen erhobene Beschwerde wies die Anklagekammer des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 9. Dezember 2020 ab, soweit sie darauf eintrat. 
 
C.  
Die A.________ AG wendet sich mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Sie beantragt, der Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 9. Dezember 2020 sei aufzuheben und diese sei anzuweisen, die Einstellungsverfügung des Untersuchungsamts St. Gallen aufzuheben sowie ihrerseits das Untersuchungsamt anzuweisen, die Untersuchungen gegen B.________ fortzuführen und Anklage wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung, Veruntreuung etc. zu erheben. Eventualiter sei der Entscheid der Anklagekammer aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Es wurden die kantonalen Akten, jedoch keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Privatklägerschaft ist zur Beschwerde in Strafsachen nur berechtigt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Als Privatklägerschaft gilt die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich als Straf- oder Zivilklägerin am Strafverfahren zu beteiligen (Art. 118 Abs. 1 StPO). Nach Art. 115 Abs. 1 StPO geschädigt ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt worden ist, wer mithin Träger des durch die verletzte Strafnorm geschützten oder zumindest mitgeschützten Rechtsguts ist (vgl. BGE 143 IV 77 E. 2.1 f. mit Hinweisen). Als Zivilansprüche im genannten Sinne gelten Ansprüche, die ihren Grund im Zivilrecht haben und deshalb ordentlicherweise vor dem Zivilgericht durchgesetzt werden müssen. Es geht dabei in erster Linie um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung gemäss Art. 41 ff. OR (BGE 146 IV 76 E. 3.1; 141 IV 1 E. 1.1).  
Gemäss Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG hat die beschwerdeführende Partei darzulegen, dass die gesetzlichen Legitimationsvoraussetzungen erfüllt sind. Richtet sich die Beschwerde gegen die Einstellung oder Nichtanhandnahme eines Verfahrens, hat die Privatklägerschaft im Strafverfahren nicht notwendigerweise bereits vor den kantonalen Behörden Zivilansprüche geltend gemacht. Die Privatklägerschaft muss im Verfahren vor Bundesgericht daher darlegen, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche Zivilforderung auswirken kann (BGE 141 IV 1 E. 1.1; Urteil 6B_608/2021 vom 14. Juli 2021 E. 1.1; je mit Hinweisen). Die Prüfung der Eintretensvoraussetzungen durch das Bundesgericht erfolgt ohne eingehende Auseinandersetzung mit der Sache. Entsprechend ist - namentlich bei komplexen Fällen, in welchen allfällige Zivilansprüche nicht offensichtlich sind - einleitend und in gedrängter Form darzulegen, inwiefern die Eintretensvoraussetzungen erfüllt sind (Urteil 6B_621/2021 vom 20. August 2021 E. 3.1 mit Hinweis). Genügt die Beschwerde diesen strengen Begründungsanforderungen nicht, kann darauf nur eingetreten werden, wenn aufgrund der Natur der untersuchten Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, um welche Zivilforderung es geht (BGE 141 IV 1 E. 1.1; Urteil 6B_608/2021 vom 14. Juli 2021 E. 1.1; je mit Hinweisen). 
 
1.2. Ungeachtet der Legitimation in der Sache kann eine Partei die Verletzung ihrer Rechte rügen, die ihr nach dem Verfahrensrecht, der Bundesverfassung oder der EMRK zustehen und deren Missachtung auf eine formelle Rechtsverweigerung hinausläuft. Zulässig sind Rügen, die formeller Natur sind und von der Prüfung der Sache getrennt werden können (sog. "Star-Praxis"; BGE 141 IV 1 E. 1.1). Nicht zu hören sind Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen. Eine in der Sache nicht legitimierte Beschwerdeführerin kann deshalb weder die Beweiswürdigung kritisieren, noch kann sie geltend machen, die Begründung sei materiell unzutreffend. Sie kann hingegen vorbringen, auf ein Rechtsmittel sei zu Unrecht nicht eingetreten worden, sie sei nicht angehört worden, habe keine Gelegenheit erhalten, Beweisanträge zu stellen oder keine Einsicht in die Akten nehmen können (Urteil 6B_621/2021 vom 20. August 2021 E. 3.3 mit Hinweis).  
 
1.3. Zur Begründung ihrer Beschwerdelegitimation führt die Beschwerdeführerin lediglich aus, am Verfahren vor der Vorinstanz als Beschwerdeführerin und Privatklägerin teilgenommen zu haben. Das Verfahren, in dem sie sich als Straf- und Zivilklägerin konstituiert habe, sei zu Unrecht eingestellt worden, weshalb sie ohne Weiteres zur Beschwerde legitimiert sei.  
Aus diesen knappen Ausführungen geht nicht hervor, inwiefern sich eine Gutheissung der Beschwerde auf welche Zivilforderung auswirken würde. Dies ergibt sich auch nicht ohne Weiteres aus der Natur der zur Anzeige gebrachten Straftaten (Veruntreuung und ungetreue Geschäftsbesorgung) oder den weiteren Ausführungen in der Beschwerdeschrift. Die Beschwerdeführerin macht geltend, der Beschwerdegegner 2 habe an sie gestellte, fingierte Rechnungen für nicht erbrachte Leistungen bezahlt, ohne dazu berechtigt gewesen zu sein. Die fraglichen Rechnungen seien von Unternehmen ausgestellt worden, die der Beschwerdegegner 2 kontrolliere. Weil sie in der Folge nicht mehr über die Gelder habe verfügen können, sei sie am Vermögen geschädigt worden. Die Beschwerdeführerin spezifiziert indes nicht weiter, um welche Rechnungen für welche Leistungen und in welchen Beträgen es sich dabei handelt und wer die ausstellenden Unternehmen sind. Aufschluss über diese Fragen gibt teilweise der angefochtene Entscheid. Demnach geht es um zwei Rechnungen vom 10. Oktober 2018 und vom 8. November 2018 für "Backoffice Personalverleih", "Kostenverrechnung" sowie "Beratung und Vermittlung Januar bis Oktober 2018". Zudem liegt die Annahme nahe, dass die Rechnungen von der C.________ GmbH und der D.________ GmbH stammen. Unklar und von der Beschwerdeführerin nicht dargetan ist aber weiterhin, inwiefern es sich bei den abgerechneten Leistungen wie von ihr behauptet um "nicht erbrachte Leistungen" handelt und inwiefern ihr deshalb ein Schaden entstanden sein soll. Dies ist umso weniger nachvollziehbar, als gemäss den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid zumindest zwischen der C.________ GmbH und der Beschwerdeführerin ein Dienstleistungsvertrag bestanden hatte. Wie die Vorinstanz weiter feststellt, hat die Beschwerdeführerin in einem parallel laufenden Zivilverfahren anerkannt, dass die C.________ GmbH per Ende Oktober 2018 noch Buchhaltungsarbeiten für sie getätgt habe. Der in diesem Zusammenhang vorgebrachte Einwand der Beschwerdeführerin, im Zivilverfahren würden andere Verfahrensmaximen gelten, ist unbehelflich, denn sie hat auch im Strafverfahren nicht ernsthaft bestritten, dass die laufenden Geschäfte Anfang November 2018 noch abgeschlossen werden mussten. Damit steht zumindest die Annahme im Raum, dass den ab ihrem Konto geleisteten Vergütungen gewisse Gegenleistungen gegenüberstanden. Dafür spricht auch, dass die Beschwerdeführerin an anderer Stelle ausführt, die streitigen Leistungen seien "nicht bzw. mangelhafterbracht worden". Am behaupteten Schaden bestehen demnach Zweifel. Diese werden auch durch die von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang genannten Umstände (Zahlungsadressaten seien Unternehmen, die dem Beschwerdegegner 2 gehören würden, die Zahlungen seien ab einem Konto, das ihr der Beschwerdegegner 2 nie zur Kenntnis gebracht habe, und zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem er bereits aus dem Handelsregister gelöscht worden sei, wobei ihm das Erlöschen von Vertretungsbefugnis und Vertretungsmacht mitgeteilt worden sei) nicht wesentlich entkräftet, schliessen doch diese das Vorliegen einer werthaltigen Gegenleistung nicht aus. Die Beschwerdeführerin äussert sich im Weiteren nicht dazu, inwiefern und gegen wen ihr als Folge der dem Beschwerdegegner 2 vorgeworfenen Handlungen eine Zivilforderung zustehen soll. Offenbar wurden die streitigen Zahlungen an die C.________ GmbH und die D.________ GmbH geleistet. Der Beschwerdegegner 2 ist Geschäftsführer dieser beiden Gesellschaften, besitzt hingegen nur Anteile der C.________ GmbH. Die jeweiligen wirtschaftlichen Berechtigungen sind nicht nachvollziehbar und die Frage, gegen wen eine allfällige - von der Beschwerdeführerin jedoch gar nicht behauptete - Zivilforderung durchzusetzen wäre, bleibt ungeklärt. Zusammenfassend ist nicht hinreichend bestimmbar, worin ein allfälliger Schaden der Beschwerdeführerin und vor allem eine im Strafverfahren adhäsionsweise geltend zu machende Zivilforderung bestehen sollten. Die Beschwerde genügt den Begründungsanforderungen gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG mithin nicht.  
 
1.4. Darüber hinaus wirft die Beschwerdeführerin der Vorinstanz vor, ihren Anspruch auf rechtliches Gehör zu verletzen, indem sie überhöhte Begründungsanforderungen an die Beschwerde stelle. Mit diesem Argument ist jedoch nichts gewonnen. Die Vorinstanz hält zwar fest, die Beschwerdeführerin lege nicht konkret dar, weshalb der Tatbestand der Veruntreuung erfüllt und ein Vermögensschaden entstanden sein sollten, weshalb darauf "nicht weiter einzutreten" sei. Sie nimmt dann aber trotzdem eine materielle Prüfung des Sachverhalts vor. Namentlich setzt sie sich einlässlich mit den subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen auseinander und kommt dabei mangels hinreichender Anhaltspunkte auf vorsätzliches Handeln zum Schluss, die Tatbestände der Veruntreuung und der ungetreuen Geschäftsbesorgung seien eindeutig nicht erfüllt. Damit zielt die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Gehörsverletzung ins Leere. Sie läuft letztlich auf eine inhaltliche Überprüfung in der Sache hinaus, für die es der Beschwerdeführerin wie ausgeführt an der Legitimation fehlt. Gleiches gilt für die weiteren von der Beschwerdeführerin geltend gemachten angeblichen Verfahrensverstösse (Verletzung der Untersuchungsmaxime, des Verfolgungszwangs sowie der Grundsätze "in dubio pro duriore" und "iura novit curia").  
 
2.  
Auf die Beschwerde ist im Verfahren gemäss Art. 109 BGG nicht einzutreten. Ausgangsgemäss hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Beschwerdegegner 2 steht keine Parteientschädigung zu, da ihm aus dem bundesgerichtlichen Verfahren kein Aufwand erwachsen ist (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 21. September 2021 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Lustenberger