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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_540/2010 
 
Urteil vom 21. Oktober 2010 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Favre, Präsident, 
Bundesrichter Mathys, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Gerichtsschreiberin Koch. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Y.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Mirjam Stanek Brändle, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Strafzumessung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 29. März 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Das Obergericht des Kantons Zürich stellte mit Urteil vom 29. März 2010 fest, dass die am 13. Mai 2009 vom Bezirksgericht Winterthur am 13. Mai 2009 ausgefällten Schuldsprüche gegen Y.________ wegen Gehilfenschaft zu mehrfacher versuchter Vergewaltigung sowie mehrfacher sexueller Handlung mit Kindern in Rechtskraft erwachsen sind. Es verurteilte Y.________ zu einer Freiheitsstrafe von 3 ½ Jahren. Den mitangeklagten Ehemann X.________ sprach das Obergericht wegen mehrfacher versuchter Vergewaltigung sowie mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern schuldig. Unter Berücksichtigung der rechtskräftigen erstinstanzlichen Schuldsprüche wegen sexueller Nötigung, mehrfacher Gefährdung des Lebens, Freiheitsberaubung, mehrfacher einfacher Körperverletzung und mehrfacher Nötigung verurteilte es X.________ zu einer Freiheitsstrafe von 8 ½ Jahren. 
 
B. 
Gegen dieses Urteil erhebt Y.________ Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, die Freiheitsstrafe von 3 ½ Jahren sei aufzuheben. Das erstinstanzliche Urteil des Bezirksgerichts Winterthur vom 13. Mai 2009 sei in Bezug auf die Freiheitsstrafe von 30 Monaten zu bestätigen. Eventualiter sei sie mit einer Freiheitsstrafe von maximal 36 Monaten zu bestrafen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Gegenpartei. Es sei ihr für das Verfahren vor Bundesgericht die amtliche Verteidigung zu bewilligen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen das von der Vorinstanz ausgesprochene Strafmass. Die Freiheitsstrafe von 3 ½ Jahren sei unangemessen hoch. Die Vorinstanz würdige das Nachtatverhalten nur ungenügend. Die gestützt darauf gestellte Legalprognose sei unvollständig und verletze Bundesrecht. Ohne ihre Aussagen wären die Vorkommnisse nie vollständig aufgedeckt worden. Zudem habe ihr die Vorinstanz zu Unrecht keine erhöhte Strafempfindlichkeit zugestanden. Sie setze sich mit ihren Taten auseinander und arbeite an der Beziehung zu ihrer Tochter, welche Opfer der Straftaten sei. Die Besuchszeiten seien auf ihren Wunsch hin ausgedehnt worden. Eine unbedingte Freiheitsstrafe hätte einen Rückschlag für die Aufarbeitung der Taten und das vom Opfer aufgebaute Vertrauen zur Folge. Überdies führe die Trennung von ihrem Sohn zu einschneidenden Konsequenzen in dessen Entwicklung. In subjektiver Hinsicht sei ihr eine positive Prognose zu stellen. Sie habe versichert, dass so etwas nie wieder vorkomme. In Bezug auf ihr Vorleben sei zu berücksichtigen, dass sie selbst Opfer sexueller Handlungen ihres Bruders geworden sei. Diesen Umstand habe die Vorinstanz nicht gewürdigt. 
 
1.2 Die Vorinstanz erwägt, die Beschwerdeführerin habe während des langen Zeitraumes von zwei Jahren zugelassen, dass sich ihr Ehemann zwei bis drei Mal monatlich an ihrer Tochter bzw. seiner Stieftochter sexuell verging. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es bei den schwersten Taten, den Vergewaltigungen, beim Versuch geblieben sei. Die Beschwerdeführerin habe ihrer Tochter Schlafmittel verabreicht, um sie widerstandsunfähig zu machen, was nicht gelungen sei. Der Versuch sei aber nur leicht strafmindernd zu berücksichtigen, denn der tatbestandsmässige Erfolg sei sehr nahe gelegen. Die Beschwerdeführerin habe nicht bloss eine untergeordnete Hilfestellung geleistet, sondern sich aktiv an den Delikten ihres Ehemannes beteiligt. Sie habe ihrer Tochter demonstriert, wie einzelne sexuelle Handlungen auszuführen seien. Als Mutter und einzige Bezugsperson habe sie das Vertrauen des Opfers ausgenutzt. Dass sie den Tatbestand der sexuellen Handlungen mit Kindern durch Unterlassung erfüllt habe, rechtfertige deshalb keine Strafminderung. Es handle sich angesichts der Dauer der Straftaten und der Stellung als Mutter um schwere Übergriffe. Die Beschwerdeführerin weise für den Tatzeitraum keine relevante psychische Störung auf. Ihre Motive für die Taten seien schwer nachzuvollziehen. Gemäss dem Gutachten der Universitätsklinik Zürich vom 2. Dezember 2008 habe im Tatzeitpunkt kein eigentliches Abhängigkeitsverhältnis zum Ehemann bestanden. Auch wenn auf der Beschwerdeführerin ein gewisser Druck gelastet habe, dass die Familie zusammenbleibe, relativiere dies ihr Verschulden nur leicht. Sie sei auf ihr eigenes Wohl bedacht gewesen, welches sie über jenes der Tochter gestellt habe. Ihr Verschulden wiege schwer und sei an der oberen Grenze des mittleren oder gar im oberen Drittel des Strafrahmens anzusetzen. Deshalb sei eine Freiheitsstrafe von 5 ½ bis 6 Jahren als Einsatzstrafe festzusetzen. Bei den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin sei der weiterhin bestehende Kontakt zu ihrem Mann sowie der wöchentliche Kontakt zu ihrer Tochter zu berücksichtigen. Ihr Sohn lebe bei ihr. Die persönlichen Verhältnisse wirkten sich neutral auf die Strafzumessung aus. Auch wenn sie für ihren Sohn im Kleinkindalter zu sorgen habe und der Vollzug einer Freiheitsstrafe ihr Verhältnis zu Sohn und Tochter beeinträchtige, stelle eine Freiheitsstrafe wie für jeden Täter mit familiären Verpflichtungen eine gewisse Härte dar. Aussergewöhnliche Umstände für eine Strafreduktion lägen keine vor. Bereits während der Taten habe sie sich Gedanken um die Beziehung zu ihrer Tochter und zu ihrem Sohn machen müssen, mit welchem sie schwanger gewesen sei. Das Geständnis, das kooperative Verhalten während des Strafverfahrens und die Reue wirkten sich strafmindernd aus und seien mit einer Reduktion von 2 Jahren auf die Einsatzstrafe zu veranschlagen. Die Vorstrafenlosigkeit sei neutral zu werten. Insgesamt erscheine eine Freiheitsstrafe von 3 ½ Jahren als Strafe angemessen. 
 
1.3 Es liegt im Ermessen des Sachrichters, in welchem Umfang er die verschiedenen Strafzumessungsfaktoren berücksichtigt. Die strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts greift auf Beschwerde in Strafsachen hin nur in die Strafzumessung ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen beziehungsweise in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet hat. Das Gericht ist nicht gehalten, in Zahlen oder Prozenten anzugeben, wie es die einzelnen Strafzumessungskriterien berücksichtigt (BGE 136 IV 55 E. 5.6 S. 61 mit Hinweisen). Alleine einer besseren Begründung wegen hebt das Bundesgericht das angefochtene Urteil nicht auf, solange die Strafzumessung im Ergebnis bundesrechtskonform erscheint (vgl. BGE 127 IV 101 E. 2c S. 105 mit Hinweisen). 
1.4 
1.4.1 Die Vorinstanz wertet das Geständnis der Beschwerdeführerin, ihr kooperatives Verhalten während des Strafverfahrens sowie die Einsicht in ihre Tat strafmindernd. Sie berücksichtigt auch den zwischenzeitlichen Kontakt mit der Tochter und reduziert die Einsatzstrafe aufgrund dieser Elemente erheblich, nämlich um 2 Jahre (angefochtenes Urteil S. 34 f.). Diese Würdigung ist angesichts des grossen vorinstanzlichen Ermessens nicht zu beanstanden. 
1.4.2 Die Verbüssung einer Freiheitsstrafe ist für jeden in ein familiäres Umfeld eingebetteten Täter mit einer gewissen Härte verbunden. Als unmittelbare gesetzmässige Folge jeder Sanktion darf diese Konsequenz daher nur bei aussergewöhnlichen Umständen erheblich strafmindernd wirken (vgl. Urteil 6B_470/2009 vom 23. November 2009 E. 2.5 mit Hinweisen). Solche Umstände sind nicht ersichtlich. Es ist nicht zu bestreiten, dass ein Strafvollzug für die Beschwerdeführerin sowie ihren Sohn, welchen sie derzeit alleine betreut, eine Belastung darstellt. Denn das Kind wird während des Strafvollzugs der Beschwerdeführerin auf eine Fremdbetreuung angewiesen sein und von seiner Mutter als Bezugsperson vorübergehend getrennt leben. Dies stellt jedoch eine unvermeidbare Konsequenz der freiheitsentziehenden Sanktion dar, welche sich die Beschwerdeführerin bereits im Zeitpunkt der Tathandlungen, als sie schwanger war, vor Augen führen musste. Dass sich eine Fremdbetreuung nicht in angemessener Weise gewährleisten liesse, bringt die Beschwerdeführerin zu Recht nicht vor. Nichts herleiten kann sie aus dem Umstand, dass ihr Kontakt zur Tochter durch den Strafvollzug massvoll limitiert wird. Denn dieser ist aufgrund ihrer Straftaten bereits jetzt erheblich eingeschränkt. Die Vorinstanz durfte bei dieser Sachlage eine über das normale Mass hinausgehende Strafempfindlichkeit der Beschwerdeführerin verneinen, ohne ihr Ermessen zu verletzen. 
1.4.3 Nicht zutreffend ist die Argumentation der Beschwerdeführerin, der Inzest mit ihrem Bruder bleibe unberücksichtigt. Die Vorinstanz verweist unter anderem auf die Erwägungen der ersten Instanz (angefochtenes Urteil S. 29), welche die Inzesterfahrung der Beschwerdeführerin im Rahmen des Vorlebens und der persönlichen Verhältnisse erwähnt (angefochtenes Urteil S. 12). Soweit die Beschwerdeführerin sinngemäss verlangt, der Inzest habe sich in grösserem Mass strafmindernd auszuwirken, ist nicht ersichtlich, inwieweit das Erlebnis einen massgeblichen Einfluss auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit der Beschwerdeführerin und damit auf die Tathandlungen gehabt hätte. Das Gutachten der Universitätsklinik Zürich attestiert ihr denn auch eine volle Zurechnungsfähigkeit. Die vorinstanzliche Strafzumessung ist diesbezüglich nicht zu beanstanden. 
1.4.4 Die Vorinstanz berücksichtigt alle weiteren massgeblichen Strafzumessungskriterien, insbesondere auch den im Vergleich zu ihrem Ehemann geringeren Tatbeitrag der Beschwerdeführerin. Die Einsatzstrafe von 5 ½ bis 6 Jahre liegt im mittleren bis oberen Bereich des ordentlichen Strafrahmens von zehn Jahren Freiheitsstrafe für eine einzelne Vergewaltigung (Art. 190 Abs. 1 StGB). Sie stimmt mit dem festgestellten schweren Verschulden überein. Zudem reduziert die Vorinstanz die Einsatzstrafe aufgrund des Geständnisses, der Einsicht und Reue um 2 Jahre erheblich. Die Strafzumessung erweist sich in Anbetracht der zurückhaltenden bundesgerichtlichen Prüfung als bundesrechtskonform. Damit erübrigen sich Ausführungen zur Legalprognose, welche die Beschwerdeführerin als günstig erachtet. Denn aufgrund der Strafhöhe ist ein bedingter Strafvollzug nach Art. 42 Abs. 1 StGB objektiv nicht möglich. 
 
2. 
Die Beschwerde ist abzuweisen. Das sinngemäss eingereichte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ("amtliche Verteidigung") ist ebenfalls abzuweisen, da die Beschwerde von vornherein aussichtslos war. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Ihrer angespannten finanziellen Situation ist bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 21. Oktober 2010 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Favre Koch