Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5P.202/2002 /zga 
 
Sitzung vom 21. November 2002 
II. Zivilabteilung 
 
Bundesrichter Bianchi, Präsident, 
Bundesrichter Raselli, Bundesrichterin Nordmann, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
A.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Ruedi Bollag, Im Lindenhof, Postfach 41, 9320 Arbon, 
 
gegen 
 
Obergericht des Kantons Thurgau, Promenadenstrasse 12, 8500 Frauenfeld. 
 
Art. 9 BV etc. (Offizialanwaltsentschädigung), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 8. April 2002. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Im Rahmen des zwischen B.________ und C.________ hängigen Scheidungsverfahrens regelte das Vizegerichtspräsidium Arbon mit Verfügung vom 4. März 2002 die Kinderbelange (Ziff. 1-4) und sprach dem Offizialanwalt von B.________, Rechtsanwalt A.________, zu Lasten des Staates ein Honorar von Fr. 2'152.-- zu (Ziff. 5). 
 
In Bezug auf die Kinderalimente rekurrierte B.________ an das Obergericht des Kantons Thurgau, welches den Rekurs mit Entscheid vom 8. April 2002 teilweise guthiess (Ziff. 1 und 2). Des Weiteren setzte es die Entschädigung des Offizialanwaltes A.________ für das erstinstanzliche Verfahren auf Fr. 1'400.-- (Ziff. 3a) und für das Rekursverfahren auf Fr. 980.-- fest (Ziff. 3b), je zuzüglich Mehrwertsteuer. Das Obergericht erwog diesbezüglich, das von der Vorinstanz für das erstinstanzliche Verfahren zugesprochene Anwaltshonorar von Fr. 2'152.-- erscheine als zu hoch. Auf der Basis eines Stundenansatzes von Fr. 160.-- sei von den geltend gemachten sieben Stunden (aufgerundet) und Fr. 281.80 Barauslagen auszugehen, was Fr. 1'400.-- zuzüglich Mehrwertsteuer ergebe. 
B. 
Gegen Ziff. 3a dieses Entscheides erhebt A.________ staatsrechtliche Beschwerde. Mit Vernehmlassung vom 31. Juli 2002 schliesst das Obergericht des Kantons Thurgau auf deren Abweisung. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Entsprechend § 82 Abs. 2 und 3 ZPO/TG ist das Honorar dem Beschwerdeführer im angefochtenen Entscheid persönlich zugesprochen worden. Indem das Obergericht ein tieferes Honorar festgesetzt hat als die erste Instanz, ist der Beschwerdeführer in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen und daher nach Art. 88 OG zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert. 
2. 
2.1 Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, er habe einzig gegen Ziff. 4 des erstinstanzlichen Entscheides (Kinderunterhalt) rekurriert. Gemäss § 237 ZPO/TG hemme der Rekurs "Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des angefochtenen Entscheides im Umfang der Rekursanträge", und die Rekursinstanz habe nach § 241 ZPO/TG "Verfahren und Entscheid der ersten Instanz im Rahmen der Rekursanträge" zu prüfen. Es sei nicht ersichtlich, woher das Obergericht seine Kompetenz nehme, von Amtes wegen über nicht angefochtene Punkte zu entscheiden; weder aus dem Anwaltstarif noch aus der Zivilprozessordnung ergebe sich diese Möglichkeit. Die Kürzung des Honorars für das erstinstanzliche Verfahren bedeute eine willkürliche Anwendung des kantonalen Zivilprozessrechts und verletzte damit Art. 9 BV
2.2 Das Obergericht hat in seiner Vernehmlassung ausgeführt, als Auftraggeber des Offizialanwalts sei der Staat berechtigt und verpflichtet, die Angemessenheit des Honorars zu überprüfen. Dies sei das Gegenstück dazu, dass keine Partei legitimiert sei, das Honorar anzufechten, und diene mit Rücksicht auf das Rückgriffsrecht des Staates vorab dem Schutz der vertretenen Partei. Das Honorar sei von derjenigen Instanz festzusetzen, die das Verfahren rechtskräftig erledige. Aus diesem Grund spreche das Obergericht häufig auch eine einzige Entschädigung für das Verfahren vor beiden Instanzen. 
2.3 Es trifft zu, dass von Amtes wegen über die Kosten zu befinden ist und dass insbesondere auch das Verfahren um Erteilung der unentgeltlichen Prozessführung der Offizialmaxime unterliegt. Indes bedeutet dies nicht, dass die Rechtsmittelbehörde von Amtes wegen alle Punkte des erstinstanzlichen Verfahrens überprüfen kann; vielmehr ergeben sich die Schranken aus den einschlägigen Bestimmungen der kantonalen Zivilprozessordnung. Für den Kanton Thurgau sieht diese vor, dass die obere Instanz die Streitsache einzig im Rahmen der Rekursanträge überprüfen darf (§ 241 ZPO/TG), während die nicht angefochtenen Ziffern des Dispositivs in Rechtskraft erwachsen sind (§ 237 ZPO/TG). 
 
Die Herabsetzung des Honorars bedeutet für den amtlichen Anwalt eine Reformatio in peius. Die thurgauische Zivilprozessordnung enthält keine gesetzliche Grundlage für eine von keiner Seite beantragte, sondern von Amtes wegen vorgenommene Honorarkürzung. Insbesondere liesse sich dies nicht auf § 83 Abs. 2 ZPO/TG stützen, der die obere Instanz befugt, für die Fortsetzung des Verfahrens die Voraussetzungen für die Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung von Amtes wegen zu überprüfen. Da es sich beim Verbot der Reformatio in peius um einen klaren und unumstrittenen Rechtsgrundsatz handelt, begründet dessen Missachtung Willkür (BGE 110 II 113 E. 3c S. 115). 
 
Der Argumentation des Obergerichts ist Folgendes entgegenzuhalten: Es mag zutreffen, dass die Herabsetzung des Honorars für das erstinstanzliche Verfahren im Interesse des die Prozesskosten vorschiessenden Staates, aber auch in demjenigen der rückforderungsbelasteten Partei liegen kann. Indes ist nicht ausgeschlossen, dass die letztlich kostenbelastete Partei gegen eine überhöhte Entschädigung ihres amtlichen Anwaltes opponiert, während sich die finanziellen Interessen des Staates durch ein Rekursrecht des zuständigen Departementes oder der Staatskasse gegen überhöhte Entschädigungen wahren lassen (vgl. etwa Art. 19 Abs. 1 des Berner Dekretes über die Anwaltsgebühren [BSG 168.81]; Art. 34 des Freiburger Gesetzes über die unentgeltliche Rechtspflege [SGF 136.1]). Im Übrigen bringt eine (drohende) Honorarkürzung den amtlichen Anwalt insofern in einen Konflikt, als die Interessen des Mandanten seinen eigenen zuwiderlaufen können. 
3. 
Die staatsrechtliche Beschwerde ist nach dem Gesagten gutzuheissen. Damit erübrigen sich Ausführungen zur weiteren Rüge des Beschwerdeführers, sein Anspruch auf Entscheidbegründung sei verletzt. Ebenso kann offen gelassen werden, ob sein rechtliches Gehör dadurch verletzt worden ist, dass ihm das Obergericht hinsichtlich der beabsichtigten Honorarkürzung keine Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat. 
4. 
Zufolge Gutheissung der Beschwerde wird der Kanton Thurgau, dessen Vermögensinteressen vorliegend betroffen sind, kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und 2 sowie Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und Ziff. 3a des Entscheides des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 8. April 2002 in Sachen B.________ gegen C.________ wird aufgehoben, soweit den Beschwerdeführer betreffend. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 500.-- wird dem Kanton Thurgau auferlegt. 
3. 
Der Kanton Thurgau hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 700.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 21. November 2002 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: