Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2A.651/2005/fco
Urteil vom 21. November 2006
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Wurzburger, Müller, Bundesrichterin Yersin,
Gerichtsschreiber Merz.
Parteien
Eidgenössische Steuerverwaltung,
3003 Bern, Beschwerdeführerin,
gegen
X.________,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Adrian Gmür, Stadelmann & Mäder,
Eidgenössische Steuerrekurskommission, avenue Tissot 8, 1006 Lausanne.
Gegenstand
Mehrwertsteuer: Ermessensveranlagung / Akteneinsicht,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Zwischenverfügung der Eidgenössischen Steuerrekurskommission vom 18. Oktober 2005.
Sachverhalt:
A.
X.________ führt einen Coiffeurbetrieb. Mit Einspracheentscheid vom 8. Februar 2005 stellte die Eidgenössische Steuerverwaltung (EStV) fest, dass sie ab dem 1. Januar 2001 steuerpflichtig sei und für die Steuerperioden 1. Quartal 2001 bis 2. Quartal 2003 noch Fr. 20'856.50 Mehrwertsteuer zu bezahlen habe. Wegen angeblicher Buchführungsmängel schätzte die EStV die Umsätze des Coiffeurbetriebes. Vom ermittelten Materialaufwand ausgehend berechnete sie die Umsätze. Dabei stützte sie sich auf Vergleichswerte, die sie aus Erkenntnissen bezüglich anderer Steuerpflichtiger aus dem gleichen Betriebssektor gewonnen hatte. Die geforderte Mehrwertsteuer bezifferte sie sodann auf der Grundlage der derart kalkulierten Umsätze.
Dagegen gelangte X.________ mit Beschwerde vom 11. März 2005 an die Eidgenössische Steuerrekurskommission (im Folgenden: Rekurskommission). Die EStV fügte ihrer dortigen Vernehmlassung vom 7. Juni 2005 eine als "vertrauliches Spezialdossier" bezeichnete Beilage bei. Sie erklärte der Rekurskommission, die darin enthaltenen Unterlagen dürften X.________ und ihrem Vertreter weder in der vorliegenden noch in anonymisierter Form zugänglich gemacht werden; die Unterlagen enthielten nämlich Angaben aus Geschäftsbetrieben Dritter, die gemäss Art. 55 des Bundesgesetzes vom 2. September 1999 über die Mehrwertsteuer (MWSTG; SR 641.20) im dort umschriebenen Kreis der Berechtigten bleiben müssten.
Mit Zwischenverfügung vom 18. Oktober 2005 erklärte die Rekurskommission, dass das "vertrauliche" Dossier in einer anonymisierten Form (Ausblenden je der Kolonnen "MWST-N°", "Ort", "Bemerkungen") dem Rechtsvertreter von X.________ zur Kenntnis- und Stellungnahme zugestellt werde.
B.
Die EStV hat mit Postaufgabe vom 31. Oktober 2005 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit den Anträgen:
"1. Die Zwischenverfügung der Eidgenössischen Steuerrekurskommission vom 18. Oktober 2005 sei aufzuheben.
2. Es sei festzustellen, dass die von der ESTV eingereichten 'Erfahrungszahlen aus Vergleichsbetrieben' (Ziffern 2 und 3 des vertraulichen Spezialdossiers vom 7. Juni 2005) der Beschwerdegegnerin [X.________] nicht offen zu legen sind.
3. Es sei festzustellen, dass die von der ESTV im Rahmen des vertraulichen Spezialdossiers eingereichte, als 'Interne Bemerkungen' bezeichnete Anlage des Kontrollberichtes (Ziffer 1 des Spezialdossiers) der Beschwerdegegnerin nur bei Abdeckung der Anmerkungen der ESTV zu dem mit 'Ergänzungen' überschriebenen Fragenkatalog zur Kenntnis gebracht werden darf."
C. Die Rekurskommission hat ausdrücklich auf eine Vernehmlassung verzichtet. X.________ beantragt, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde "unter der Bedingung gutzuheissen, dass das Bundesgericht die Vorinstanz anweist, das streitgegenständliche 'Spezialdossier' aus dem Recht zu weisen, dieses als unbeachtlich zu betrachten und als Beweismittel in keiner Form zu berücksichtigen". Eventualiter sei die Beschwerde in Bestätigung der angefochtenen Zwischenverfügung vollumfänglich abzuweisen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Eine Zwischenverfügung über die Akteneinsicht ist dann selbständig mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 97 OG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2, Art. 45 Abs. 1 und 2 lit. e VwVG ). Das ist vorliegend zweifellos der Fall, da auch bei Gutheissung einer Beschwerde gegen den Endentscheid die einmal gewährte Akteneinsicht nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte. Die EStV ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt (Art. 103 lit. b OG, Art. 66 Abs. 2 MWSTG; BGE 125 II 326 E. 2c S. 329 mit Hinweis). Da die zehntägige Frist für die Anfechtung von Zwischenverfügungen (Art. 106 Abs. 1 OG) eingehalten wurde, ist auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten.
1.2 Die Beschwerdegegnerin des bundesgerichtlichen Verfahrens begehrt in ihrem Hauptantrag, dass die Beschwerde der EStV unter den in lit. C hiervor genannten Bedingungen gutgeheissen wird. Damit will sie letztlich erreichen, dass das Bundesgericht zusätzlich erklärt, das interessierende "Spezialdossier" dürfe nicht beigezogen werden. Dies stellt ein selbständiges Rechtsbegehren dar. Es geht über den Streitgegenstand hinaus, den die EStV dem Bundesgericht zur Beurteilung unterbreitet hat (Gewährung der Akteneinsicht), und kommt damit einer Anschlussbeschwerde gleich. Im Bereich der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sieht das Bundesrechtspflegegesetz jedoch keine Möglichkeit vor, Anschlussbeschwerde zu führen. Im vorliegenden Zusammenhang gelangt auch keine abweichende Sondernorm zur Anwendung (vgl. BGE 123 V 156 E. 3c S. 157; 117 Ib 20 E. 3d S. 24 f.; 110 Ib 29 E. 2 S. 31; 107 Ib 167 E. 1a S. 168; 99 Ib 94 E. 1b S. 98 f.; Urteil 2A.121/2004 vom 16. März 2005, E. 4, publ. in: RDAF 2005 II S. 335).
Die Eingabe der Beschwerdegegnerin kann ebenso wenig als selbständige Beschwerde behandelt werden. Sie wurde nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist eingereicht. Auch wären für den betreffenden Antrag die Voraussetzungen des Art. 45 VwVG nicht erfüllt, da insoweit kein nicht wieder gutzumachender Nachteil zu befürchten ist. Somit ist auf den Hauptantrag der Beschwerdegegnerin nicht einzutreten. Ihre diesbezüglichen Vorbringen können allenfalls im Rahmen von Art. 114 Abs. 1 OG mit berücksichtigt werden. Darüber hinaus ist ihr Eventualantrag, die Beschwerde vollumfänglich abzuweisen, zulässig.
1.3 Das Bundesgericht wendet das Bundesrecht bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde von Amtes wegen an, ohne an die Begründung der Parteibegehren gebunden zu sein (Art. 114 Abs. 1 OG in fine). Es kann die Beschwerde daher auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder den Entscheid mit einer Begründung bestätigen, die von jener der Vorinstanz abweicht (BGE 131 II 361 E. 2 S. 366; 130 I 312 E. 1.2 S. 318).
2.
Umstritten ist, ob der Beschwerdegegnerin - als Beschwerdeführerin im vorinstanzlichen Verfahren - die Einsicht in einzelne durch die EStV der Rekurskommission vorgelegte Unterlagen verweigert werden darf.
2.1 Der verfassungsrechtlich garantierte Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) umfasst als Teilgehalt auch das Recht, Einsicht in alle Akten zu nehmen, die geeignet sind, Grundlage des späteren Entscheids zu bilden (BGE 119 Ib 12 E. 6b S. 20 mit Hinweisen; Urteil 2A.444/1995 vom 13. August 1996, E. 2). Demzufolge hat eine Partei grundsätzlich das Recht, in alles, was dem Gericht bzw. der Rekurskommission als Beweismittel eingereicht wird, Einsicht zu nehmen.
Die Verfahren vor der EStV und der Eidgenössischen Steuerrekurskommission richten sich (grundsätzlich) nach dem Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren (vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. a, Art. 2 Abs. 1 und Art. 71a Abs. 2 VwVG ). In Art. 26-28 VwVG wird das Akteneinsichtsrecht geregelt. Gemäss Art. 26 Abs. 1 VwVG hat die Partei Anspruch darauf, in ihrer Sache Eingaben von Parteien und Vernehmlassungen von Behörden (lit. a), alle als Beweismittel dienenden Aktenstücke (lit. b) sowie Niederschriften eröffneter Verfügungen einzusehen (lit. c). Nach Art. 27 Abs. 1 VwVG darf die Behörde die Einsichtnahme in Aktenstücke (vgl. dazu Art. 27 Abs. 2 VwVG) nur verweigern, wenn wesentliche öffentliche Interessen des Bundes oder der Kantone, insbesondere die innere oder äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft (lit. a), oder wesentliche private Interessen, insbesondere von Gegenparteien (lit. b), die Geheimhaltung erfordern oder wenn das Interesse einer noch nicht abgeschlossenen amtlichen Untersuchung es erfordert (lit. c). Wird einer Partei die Einsichtnahme in ein Aktenstück gemäss Art. 27 VwVG verweigert, so darf auf dieses zum Nachteil der Partei nur abgestellt werden, wenn ihr die Behörde von seinem für die Sache wesentlichen Inhalt Kenntnis und ihr ausserdem Gelegenheit gegeben hat, sich zu äussern und Gegenbeweismittel zu bezeichnen (Art. 28 VwVG; vgl. auch BGE 105 Ib 181 E. 4b am Ende S. 185).
2.2 Die EStV will nicht, dass der Beschwerdegegnerin ein Dossier zur Einsichtnahme überlassen wird, aus dem sich die Ermittlung der von ihr für die Ermessenseinschätzung als Erfahrungszahlen zugrundegelegten Werte (in casu: Materialaufwand von 15 % des Gesamtumsatzes) ergeben. Sie beruft sich unter anderem auf den in Art. 55 MWSTG statuierten Geheimnisschutz.
Nach Art. 55 Abs. 1 MWSTG hat derjenige, der mit dem Vollzug des Mehrwertsteuergesetzes betraut ist oder dazu beigezogen wird, gegenüber anderen Amtsstellen und Privaten über die in Ausübung seines Amts gemachten Wahrnehmungen Stillschweigen zu bewahren und den Einblick in amtliche Akten zu verweigern. Es fragt sich, inwiefern aufgrund von Art. 55 MWSTG die Akteneinsicht nach Art. 26 VwVG und Art. 29 Abs. 2 BV zu verweigern ist.
2.3 Im interessierenden Dossier sind 19 Coiffeurbetriebe aus ländlichen Gemeinden der ganzen Schweiz in einer Tabelle aufgelistet mit Angaben zur MWST-Nummer, dem Betriebsort, der Kontrollperiode, dem durchschnittlichen Umsatz und produktiven Meisterlohn, den Umsatzanteilen in Prozenten für Materialaufwand, Lohn und Bruttogewinn sowie mit ungefähren Angaben zu den Beschäftigtenzahlen. In der letzten Tabellenrubrik mit dem Titel "Bemerkungen" werden unter anderem in einzelnen Betrieben praktizierte Preise genannt. Die Rekurskommission will der Beschwerdegegnerin die Einsicht in diese Unterlagen bei Anonymisierung (in casu vollständige Abdeckung) der MWST-Nummer, des Betriebsortes und der Rubrik "Bemerkungen" ermöglichen.
2.4 Die Literatur äussert sich unter den Stichworten "Erfahrungszahlen" und "Drittvergleich" nicht immer eindeutig und schon gar nicht einheitlich zur Gewährung der Akteneinsicht:
Teils wird ohne weitere Präzisierungen ausgeführt, "Unterlagen, welche Drittpersonen betreffen", seien von der Akteneinsichtnahme auszunehmen bzw. nicht einsehbar (Markus Leibundgut/Hans-Peter Hochreutener, in Zweifel/Athanas/Bauer-Balmelli [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. II/2, 2005, N. 14 zu Art. 37 VStG; Klaus Reinhardt, Das rechtliche Gehör in Verwaltungssachen, Diss. Zürich 1968, S. 191; Rudolf Wespi, Die Steuerrechtspflege im Kanton Zürich, Diss. Zürich 1951, S. 364; ähnlich Alois Camenzind/Niklaus Honauer/Klaus A. Vallender, Handbuch zum Mehrwertsteuergesetz, 2000, S. 434, Rz. 1263; Marianne Weber, Berufsgeheimnis im Steuerrecht und Steuergeheimnis, Diss. Zürich 1981/1982, S. 203; ohne ausdrückliche Erwähnung des Drittvergleichs in Bezug auf "pièces qui proviennent du dossier d'un contribuable non impliqué": Jean-Marc Rivier, Droit fiscal suisse, L'imposition du revenu et de la fortune, 2. Aufl. 1998, S. 143). Teils wird unter Berufung auf ein Kreisschreiben der EStV vom 7. Oktober 1952 betreffend die Einsichtnahme des Steuerpflichtigen in seine Steuerakten (abgedruckt in ASA 21 S. 141 und bei Heinz Masshardt, Kommentar zur direkten Bundessteuer, 2. Aufl. 1985, N. 10 zu Art. 71, S. 390 f.) festgehalten, schutzwürdige und damit der Einsichtsgewährung entgegenstehende Interessen Dritter lägen vor, wenn Akten zu Vergleichszwecken "Angaben über Geschäfts- oder Einkommensverhältnisse bestimmter Drittpersonen" enthalten (Peter Agner/Beat Jung/Gotthard Steinmann, Kommentar zum Gesetz über die direkte Bundessteuer, 1995, N. 4 zu Art. 114; Martin Zweifel, in Zweifel/Athanas [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 2002, N. 9b zu Art. 41 StHG, und Bd. I/2b, N. 28 zu Art. 114 DBG; ähnlich Werner Braunschweiger/Gilli Caflisch/ Beat Jung, Die neuen Vorschriften für das Verwaltungsverfahren und die Verwaltungsrechtspflege im Bund und ihre Auswirkungen auf die von der Eidgenössischen Steuerverwaltung betreuten Abgaben, ASA 39 S. 368).
Andere Autoren erklären, dass dem Steuerpflichtigen das statistische Material zugänglich zu machen sei, während die "dem zugrundeliegenden Originalbuchhaltungen etc." nicht bekannt zu geben seien (Felix Richner/Walter Frei/Stefan Kaufmann, Handkommentar zum DBG, 2003, N. 38 zu Art. 114; dieselben, Kommentar zum harmonisierten Zürcher Steuergesetz, 2. Aufl. 2006, N. 37 zu § 124). Die Einsichtsgewährung in Erfahrungszahlen und Berechnungsgrundlagen sei unbedenklich, soweit aus diesem Material keinerlei Rückschlüsse auf Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Vergleichspersonen und -betriebe möglich seien (Willy Huber, Das Recht des Bürgers auf Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren, Diss. St. Gallen 1980, S. 106 f.). Würden die Akten bzw. Daten eines Steuerpflichtigen in die Prozessakten ganz anderer Parteien gelangen und dadurch diesen zugänglich werden, müsse generell gefordert werden, dass die Identität solcher unbeteiligter Drittparteien unkenntlich gemacht und auch keine indirekten Rückschlüsse auf sie möglich werden (Stephan Neidhardt, in: Diego Clavadetscher/Pierre-Marie Glauser/Gerhard Schafroth [Hrsg.], mwst.com, 2000, N. 5 zu Art. 55). Damit verneint diese Literaturmeinung nicht das Recht auf Einsicht in derartige Akten, verlangt aber eine hinreichende Anonymisierung.
Gemäss Ernst Känzig/Urs Behnisch (Die Direkte Bundessteuer, III. Teil, 2. Aufl. 1992, N. 7 zu Art. 71, S. 20) hat die Veranlagungsbehörde dem Steuerpflichtigen Einsicht zu gewähren in "Informationsberichte" von anderen Ämtern und "andere dem Dossier beigefügte Beweismittel (z.B. Erfahrungszahlen)", die einen rechtlich erheblichen Punkt beeinflussen können und von deren Existenz oder Bedeutung der Steuerpflichtige nichts weiss oder wissen könne.
2.5 Das Bundesgericht hat in einem Urteil (noch zum Bundesratsbeschluss vom 9. Dezember 1940 über die Erhebung einer Wehrsteuer, WStB) im Zusammenhang mit einer Ermessenstaxation festgehalten, dass Steuerbehörden Erfahrungszahlen nur durch Prüfung von Büchern anderer Steuerpflichtiger gewinnen können, denen gegenüber sie zur Geheimhaltung verpflichtet sind. Daher sei eine Einsichtnahme in die Originalbuchhaltungen, die den Erfahrungszahlen zugrunde liegen, nicht zulässig. Die zur Einsicht gestellten Auszüge müssten so gestaltet werden, dass es dem Steuerpflichtigen nicht möglich sei, zu erkennen, auf welche Betriebe sie sich beziehen (Urteil vom 17. Oktober 1969 in ASA 39 S. 192 E. 4a). In einem späteren Urteil (zum Bundesratsbeschluss vom 29. Juli 1941 über die Warenumsatzsteuer; WUStB) erklärte das Bundesgericht, der Steuerpflichtige könne Einsicht in die zwecks Veranlagung angewendeten Methoden und gewonnenen Ergebnisse der Steuerbehörden nehmen (Urteil vom 30. Juni 1977 in ASA 46 S. 453 E. 1 am Ende).
Verschiedentlich schützte das Bundesgericht die Verweigerung der Einsicht in konkrete Zahlen aus anderen Betrieben. Dabei führte es entweder das Interesse Dritter an der Geheimhaltung bestimmter Tatsachen oder die daraus abgeleitete Schweigepflicht der Steuerbehörden an. Demnach waren etwa gemäss einem Urteil vom 11. Dezember 1964 die Höhe des Warenaufwandes und des Umsatzes in ähnlichen Betrieben geheim zu halten; andernfalls hätte der Steuerpflichtige auch bei Anonymisierung mit Leichtigkeit die betreffenden Firmen identifizieren und damit unbefugterweise in den Besitz von Geschäftsgeheimnissen der Konkurrenz gelangen können, weil es sich um wenige Unternehmen (in casu Kürschnereibetriebe) handelte (Urteil in ASA 33 S. 500 E. 3; entsprechend in: BGE 105 Ib 181 E. 4b S. 185 bezüglich Grossisten im Optikerfachhandel: "L'obligation de renseigner de l'AFC trouve sa limite dans celle qu'elle a de sauvegarder l'intérêt légitime des tiers; or même une communication des renseignements avec suppression des noms de personnes et de lieux comporte le risque que le recourant puisse identifier les commerçants pris comme référence et qu'il obtienne ainsi des secrets d'affaires sur des concurrents."; vgl. auch Urteile A.370/1980 vom 13. März 1984, E. 2c; A.90/1982 vom 16. Mai 1984, E. 4a, publ. in: ASA 55 S. 570; 2A.46/1988 vom 1. Juni 1990, E. 4b; 2A.444/1995 vom 13. August 1996, E. 2b/aa).
Daraus hat die Rekurskommission - im Umkehrschluss - angenommen, dass die Herausgabe von Zahlen zulässig sei, wenn die Identifikation der Vergleichsbetriebe nicht gelinge.
2.6
2.6.1 Nach Ansicht der EStV ist die Einsichtnahme in die Zahlen anderer Betriebe unabhängig von der Erkennbarkeit konkurrierender Anbieter zu verweigern. Die Offenlegung von Daten solle nicht Gegenstand von Einzelfallentscheidungen über die Frage sein, ob andere Unternehmen identifizierbar seien oder nicht. Das sei im Voraus nicht leicht zu beurteilen. Einem besonders Eingeweihten werde es unter Umständen möglich sein, Vergleichsunternehmen trotz Anonymisierung zu identifizieren. Gegen derartige Einzelfallbeurteilungen würden die Rechtssicherheit und die Rechtsgleichheit sprechen.
2.6.2 Diese Einwände überzeugen indes nicht: Die Bedenken der EStV sind zwar verständlich. Der Verwaltung mag es auf den ersten Blick einfacher erscheinen, die Einsichtnahme in Daten anderer Unternehmen generell zu verbieten, als jeweils darüber befinden zu müssen, welche Daten weitergegeben werden dürfen und inwieweit diese zu anonymisieren sind. Das kann jedoch nicht ausschlaggebend sein (vgl. BGE 113 Ia 1 E. 4c/bb S. 8 f.; Michele Albertini, Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren des modernen Staates, Diss. Bern 2000, S. 241; Alexander Dubach, Das Recht auf Akteneinsicht, Diss. Bern 1990, S. 108; Rolf Tinner, Das rechtliche Gehör, ZSR 83/1964 II S. 388). In Art. 27 Abs. 1 und 2 VwVG wird davon ausgegangen, dass die Verweigerung der Akteneinsicht eine Einzelfallbeurteilung erfordert und sich nur auf die Aktenstücke erstrecken darf, für die Geheimhaltungsgründe tatsächlich bestehen. Wenn und soweit in einem Fall aus Geheimhaltungsgründen die Akteneinsicht zu verweigern ist, so kann das nicht bedeuten, dass in anderen Verfahren, in denen keine solchen Gründe bestehen, ebenfalls keine Akteneinsicht in die entsprechenden Unterlagen gewährt werden darf. Demzufolge stösst auch der diesbezügliche Hinweis der EStV auf die Rechtsgleichheit ins Leere.
2.7
2.7.1 Die EStV wendet weiter ein, die Steuerbehörden würden durch die bei mehreren Unternehmen erhobenen und aufbereiteten betriebswirtschaftlichen Daten zu "Kenn- bzw. Erfahrungszahlen" gelangen. Anhand dieser könnten sie Deklarationen der Steuerpflichtigen systematisch und computerunterstützt auf ihre Plausibilität hin kontrollieren. Durch Bekanntgabe der Daten würde die Wirksamkeit dieser Kontrolle und damit die Aufdeckung von Sachverhalten bewusster Steuerumgehung und -hinterziehung verunmöglicht. Im öffentlichen Interesse sei daher zwingend die Geheimhaltung der erwähnten Daten geboten.
2.7.2 In der Tat können der Gewährung von Akteneinsicht öffentliche Interessen entgegenstehen (vgl. Art. 27 Abs. 1 lit. a VwVG).
Werden die den Steuerbehörden zur Verfügung stehenden Erfahrungszahlen und statistischen Materialien im Sinne einer Plausibilitätskontrolle eingesetzt, der Steuerpflichtige dann aber lediglich gestützt auf seine Buchhaltungsergebnisse und nicht gestützt auf die internen Erfahrungszahlen veranlagt, so dürfen diese bloss zu Kontrollzwecken verwendeten Unterlagen vom Einsichtsanspruch ausgenommen werden (Willy Huber, a.a.O., S. 107; vgl. allgemein zum Einsatz von Erfahrungszahlen: Heinz Masshardt, a.a.O., N. 13-19 zu Art. 92, S. 433 ff.; Pascal Mollard, TVA et taxation par estimation, ASA 69 S. 544 f.; Francis Cagianut, Die Erfahrungszahlen und ihre Bedeutung für die Veranlagung, ZBl 62/1961 S. 518 f.; Denis Berdoz/Marc Bugnon, Les procédures de taxation, in: Ordre romand des experts fiscaux diplômés, OREF [Hrsg.], Les procédures en droit fiscal, 2. Aufl. 2005, S. 663 f.; vgl. auch BGE 78 I 72 E. 1 S. 77).
Vorliegend wurde die Steuerpflichtige jedoch nicht allein nach ihren Buchhaltungsergebnissen, sondern auf der Basis von Erfahrungszahlen der EStV nach Ermessen veranlagt (Art. 60 MWSTG). Dabei hat die EStV ihr die Erfahrungszahlen für den Materialanteil am Umsatz mitgeteilt, die sie ihren Kontrollen offenbar auch zugrunde legt. Was die Steuerpflichtige durch die Einsichtnahme in die einschlägigen Unterlagen für zusätzliche Informationen erlangen würde, die in der Folge die Wirksamkeit von Kontrollen beeinträchtigen könnten, ist somit weder ersichtlich noch von der EStV dargelegt worden. Insbesondere ist keine den V-Personen vergleichbare Situation gegeben, wonach durch Vorenthaltung der Akten bestimmte Personen über die bereits geplante Anonymisierung hinaus zu schützen wären (vgl. hierzu BGE 125 I 127 E. 8 S. 145 ff.). Das diesbezügliche Vorbringen der EStV ist darauf beschränkt, dass die Bekanntgabe der Erfahrungszahlen die Wirksamkeit ihrer Plausibilitätskontrollen beeinträchtigen würde. Dass insoweit kein öffentliches Interesse an der Geheimhaltung nach Art. 27 Abs. 1 lit. a VwVG (mehr) besteht, da der Beschwerdegegnerin die Erfahrungszahlen im Grunde bereits mit der Ermessenseinschätzung offen gelegt worden sind, leuchtet ein.
2.8 Die EStV argumentiert schliesslich, es handle sich um ihre internen Statistiken. Als "Auswertungen an sich feststehender Tatsachen" seien sie von der Vorlagepflicht ausgeschlossen. Die Rekurskommission könne die für die Ermessenseinschätzung herangezogenen "Verhältniszahlen" durch eigene Erhebungen verifizieren.
Ohne dass auf die in der Literatur verschiedentlich aufgeworfene Kritik zur Unterscheidung zwischen internen und externen Akten eingegangen werden müsste (vgl. etwa Willy Huber, a.a.O., S. 84 ff.; Alexander Dubach, a.a.O., S. 10 ff.; Michele Albertini, a.a.O., S. 229 f., je mit Hinweisen), überzeugen diese Einwände nicht. Die EStV hat die als Spezialdossier eingereichten Unterlagen der Rekurskommission gerade zur Bekräftigung ihres Standpunktes unterbreitet. Demzufolge betrachtet die Rekurskommission dieses Spezialdossier denn auch als entscheidwesentlich. Dass die Rekurskommission eigene Erhebungen anstellen kann, bedeutet nicht, das von der EStV selbst vorgelegte Zahlenmaterial sei deshalb von der Akteneinsicht ausgeschlossen. Die EStV muss sich zudem bewusst sein, dass wenn sie der Rekurskommission dieses Zahlenmaterial nicht vorgelegt hätte, sie das erhöhte Risiko liefe, dass Letztere bei Zuhilfenahme von Erfahrungswerten einen für die Steuerpflichtigen grosszügigeren Massstab ansetzt.
2.9 Mithin geht es noch darum, inwiefern private Interessen im vorliegenden konkreten Fall gegen die Gewährung der Akteneinsicht sprechen.
2.9.1 Zu beurteilen ist nicht die Einsichtnahme in die Steuerakten anderer Steuerpflichtiger. Vielmehr hat die EStV gewisse Daten aus verschiedenen Steuerakten mehrerer Steuerpflichtiger in einem Spezialdossier zusammengetragen, um auf deren Basis Vergleichs- bzw. Erfahrungswerte zu erlangen und zu belegen. Dem Gesuchsteller darf mit Blick auf Art. 55 MWSTG nur soweit Einsicht in die zum Vergleich herangezogenen Daten und Zahlen gewährt werden, als diese anschliessend nicht bestimmten identifizierbaren Steuerpflichtigen zugeordnet werden können (vgl. erwähntes Urteil in ASA 39 S. 192 E. 4a; BGE 105 Ib 181 E. 4b S. 185). Ausserdem dürfen durch die Gewährung der Akteneinsicht keine Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse anderer Steuerpflichtiger, auch nicht in anonymisierter Form, offenbart werden (vgl. Michele Albertini, a.a.O., S. 233).
2.9.2 Vorliegend sind nach der von der Rekurskommission vorgesehenen Anonymisierung vor allem mit Blick auf die erhebliche Anzahl gleichartiger Betriebe in der ganzen Schweiz die einzelnen Unternehmen durch die verbliebenen Angaben im Spezialdossier nicht mehr identifizierbar. Auch werden der Steuerpflichtigen durch die Einsichtsgewährung keine Betriebsgeheimnisse von Konkurrenten offenbart. Die Rekurskommission hat zudem einleuchtend festgehalten, dass die Akteneinsicht in die (anonymisierten) Daten aus anderen Unternehmen die Steuerpflichtige gegenüber Konkurrenzbetrieben nicht bevorteilen kann.
2.9.3 Inwiefern der Steuerpflichtigen die Angaben im besagten Dossier für die Anfechtung der Ermessenstaxation hilfreich sein werden, ist nicht entscheidend (vgl. erwähntes Urteil 2A.444/1995, E. 2b/bb). Wie schon ausgeführt (E. 2.1 hiervor), ist wesentlich, dass das von der EStV vorgelegte Spezialdossier Grundlage des späteren Entscheids bilden kann, was hier nicht ausgeschlossen ist. Somit geht der Einwand der EStV fehl, ein etwaiger Vorwurf, die von ihr herangezogenen Erfahrungszahlen seien "fingiert" oder nicht repräsentativ, lasse sich aus der Kenntnis der streitigen Daten nicht "be- oder entkräften". Entgegen der Ansicht der EStV ist ebenso unerheblich, ob sie die Steuerpflichtige über die Grundlagen ihrer Nachbelastung informierte und umfassend aufzeigte, welche Aspekte bei der Umsatzaufrechnung einbezogen und wie die gesammelten Vergleichswerte angewandt wurden.
2.9.4 Nach dem Gesagten überwiegt demnach das Recht auf Akteneinsicht das hier bestehende Interesse Dritter an der Geheimhaltung. Somit steht die Schweigepflicht nach Art. 55 MWSTG der Gewährung der Akteneinsicht im vorliegenden Fall nicht entgegen.
3.
Demnach ist der Steuerpflichtigen die beantragte Akteneinsicht in dem von der Rekurskommission vorgesehenen Umfang zu gewähren. Bei diesem Ausgang kann offen gelassen werden, ob für den vorliegenden Beschwerdeantrag Ziffer 2 überhaupt ein Feststellungsinteresse bestünde. Ist der Beschwerdegegnerin Akteneinsicht in die von der EStV eingereichten "Erfahrungszahlen aus Vergleichsbetrieben" zu gewähren, so sind ihr diese Zahlen offen zu legen.
Soweit sich die Beschwerde der EStV auf die im Rahmen des vertraulichen Spezialdossiers eingereichte, als "Interne Bemerkungen" bezeichnete Anlage des Kontrollberichtes (Ziffer 1 des Spezialdossiers) bezieht (vgl. Ziff. 3 des Beschwerdeantrags der EStV), ergibt sich folgendes: Die EStV ist zur Herausgabe dieses Aktenstücks bereit, sofern ihre Anmerkungen zu dem mit "Ergänzungen" überschriebenen Fragenkatalog abgedeckt werden. Die Steuerpflichtige, die bereits über eine Kopie des insoweit abgedeckten Teils des Spezialdossiers verfügt, hat diesbezüglich keine umfassendere Akteneinsicht verlangt (vgl. S. 5 der Vernehmlassung der Beschwerdegegnerin im bundesgerichtlichen Verfahren). Somit erübrigt sich, hier darüber zu befinden. Die Rekurskommission, die sich zu diesem Bereich nicht weiter geäussert hat, wird allerdings dafür zu sorgen haben, dass der Steuerpflichtigen bzw. ihrem Vertreter insoweit nur im vorbeschriebenen Umfang (Abdeckung der Anmerkungen der EStV zum Fragenkatalog) Akteneinsicht in das Spezialdossier gewährt wird.
4.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde der EStV als unbegründet. Die EStV als Beschwerdeführerin hat bei diesem Ausgang die Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht zu tragen ( Art. 153, 153a und 156 OG ). Auch wenn hier im Rahmen einer Zwischenverfügung lediglich eine Verfahrensfrage behandelt wird, geht es in der Hauptsache um Vermögensinteressen der EStV im Sinne von Art. 156 Abs. 2 OG. Sie hat der Beschwerdegegnerin zudem eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 159 Abs. 2 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführerin hat der Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- auszurichten.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und der Eidgenössischen Steuerrekurskommission schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 21. November 2006
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: