Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
4A_421/2024
Urteil vom 21. November 2024
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Kiss, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterinnen Hohl, May Canellas,
Gerichtsschreiber Leemann.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Nicolas Herzog und Dr. Tobias Aggteleky,
Beschwerdeführer,
gegen
1. B.________,
2. C.________,
beide vertreten durch
Rechtsanwältin Dr. Stefanie Pfisterer,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit; Befangenheit,
Beschwerde gegen den Erläuterungsentscheid des Rabbinischen Schiedsgerichts mit Sitz in Zürich
vom 20. Juni 2024.
Sachverhalt:
A.
A.________ (Beklagter, Beschwerdeführer) einerseits und B.________ und C.________ (Kläger, Beschwerdegegner) andererseits standen sich vor einem Rabbinischen Schiedsgericht mit Sitz in Zürich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit gegenüber, dies gestützt auf folgende Schiedsklausel (in der freien, nicht bestrittenen Übersetzung des Beschwerdeführers vom Hebräischen ins Deutsche) :
"Wir, die Parteien [...] haben einen Händel mit Geldforderung bezüglich D.________ und haben unter uns beschlossen, dass zwischen uns gerichtet werde über alle diese Forderungen durch die folgenden (Schieds) Richter: [...] Und wir verpflichten uns und (unter Verpfändung) unser (es) Vermögen (s) zur Einhaltung all dessen was sie entscheiden (werden), sei dies als (hartes) Urteil oder sei dies als Kompromiss (welcher sich aber an einem harten Urteil anlehnt) und selbst bei einem Irrtum. Wir haben kein Recht, dieses Urteil anzufechten, weder bei (anderen) jüdischen Gerichten noch bei weltlichen Gerichten. All dies geschieht aus freiem Willen (und unter den hiefür nach jüdischem Gesetz geregelten Prozeduren), und unter Berücksichtigung der jüdischen und weltlichen Gesetze."
Am 12. Januar 2023 fällte das Schiedsgericht sein Urteil. Dagegen erhob der Beklagte Beschwerde an das Bundesgericht. Dieses wies die Beschwerde mit Urteil vom 12. Mai 2023 ab, soweit es darauf eintrat (Verfahren 4A_41/2023; BGE 149 III 338). Es konnte den Rügen des Beschwerdeführers von vornherein nicht stattgeben, weil der angefochtene Schiedsentscheid nicht (schriftlich) begründet war und die entsprechenden tatsächlichen Feststellungen zur Streitsache und zum Verfahrensablauf fehlten.
Auf die vom Beklagten gegen das in diesem Zusammenhang ergangene Schreiben des Rabbiners E.________ vom 5. Mai 2023 trat das Bundesgericht am 28. Juni 2023 im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 Abs. 1 lit. a BGG mangels tauglichem Anfechtungsobjekt nicht ein (Verfahren 4A_305/2023).
B.
B.a. Am 27. November 2023 erliess das Rabbinische Schiedsgericht mit Sitz in Zürich einen Erläuterungsentscheid, dies "nach Einblick in das Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 29. September 2023 sowie dem [sic] Gesuch des klägerischen Vertreters vom 12. Oktober 2023 um Erläuterung".
Eine dagegen vom Beklagten erhobene Beschwerde hiess das Bundesgericht wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG) gut, weil das Schiedsgericht vor Fällung des Erläuterungsentscheids dem Beklagten das Erläuterungsgesuch der Kläger nicht zugestellt und ihm keine Gelegenheit gegeben hatte, dazu Stellung zu nehmen (Verfahren 4A_603/2023; BGE 150 III 238 E. 4).
B.b. Daraufhin stellten die Kläger am 6. Mai 2024 wiederum ein Erläuterungsgesuch. Dieses wurde dem Beklagten zugestellt. Er nahm mit Schreiben vom 30. Mai 2024 dazu Stellung und machte gleichzeitig geltend, der vorsitzende Schiedsrichter, Rabbi E.________, habe wegen Befangenheit in den Ausstand zu treten. Nach eingehender Würdigung der Eingaben fällte das Schiedsgericht am 20. Juni 2024 erneut einen Entscheid, mit dem es den ursprünglichen Entscheid vom 12. Januar 2023 erläuterte. Das Ausstandsgesuch lehnte es ab.
C.
Der Beschwerdeführer beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in Zivilsachen, den Entscheid des Schiedsgerichts vom 20. Juni 2024 vollumfänglich aufzuheben. Es sei anzuordnen, dass der vorsitzende Schiedsrichter, Rabbi E.________, in den Ausstand zu treten habe. Er macht eine Verletzung des verfahrensrechtlichen Ordre public geltend (Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG), weil keine blosse Erläuterung vorliege (
res iudicata). Sodann moniert er eine Entscheidung
ultra petita (Art. 190 Abs. 2 lit. c IPRG), weil die "von der Vorinstanz erlassenen Neuformulierungen des Dispositivs vom 12. Januar 2023 von den Beschwerdegegnern nicht einmal ansatzweise beantragt worden" seien. Durch den "lediglich allgemein gehaltenen" Antrag der Beschwerdegegner sei ihm verwehrt worden, sich materiell zu konkret beantragten Änderungen des Dispositivs zu äussern. Eine "volle und effektive" Wahrnehmung des Gehörsanspruchs habe daher nicht stattfinden können, worin er eine Verletzung seines Gehörsanspruchs erblickt (Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG). Schliesslich beharrt er wegen mehrerer Gründe auf dem objektiven Anschein der Befangenheit bzw. Parteilichkeit des vorsitzenden Schiedsrichters (Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG).
Die Beschwerdegegner beantragen, die Beschwerde vollumfänglich abzuweisen. Das Schiedsgericht reichte die Akten ein, liess sich aber nicht vernehmen.
Die Parteien replizierten bzw. duplizierten.
D.
Mit Präsidialverfügung vom 19. August 2024 wurde das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen.
Erwägungen:
1.
Die Befangenheitsrüge (Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG) ist unbegründet:
1.1. Die vom Beschwerdeführer ins Feld geführten wiederholten, schwerwiegenden Verfahrensfehler messen sich an einer Verfahrensordnung, welche die Schiedsparteien nicht vereinbart haben. Dem Beschwerdeführer gerät ausser Blickfeld, dass er sich mit der Anwendung des jüdischen Verfahrensrechts einverstanden erklärt hat. Inwiefern dem vorsitzenden Schiedsrichter diesbezüglich wiederholte, schwerwiegende Verfahrensfehler unterlaufen sein sollen, ist nicht dargetan. Bleibt die Gehörsverletzung, wegen derer das Bundesgericht den ersten Erläuterungsentscheid aufgehoben hat. Eine Gehörsverletzung begründet noch keinen objektiven Anschein der Befangenheit, ansonsten nach einer entsprechenden Rückweisung stets neue Gerichtsmitglieder den Fall aufnehmen müssten. Warum dies im vorliegenden Fall anders sein sollte, ist nicht aufgezeigt.
1.2. Der Vorwurf, der Vorsitzende habe ein "eigenes Interesse am Ausgang des Vollstreckungsverfahrens", erscheint gesucht und entbehrt der Grundlage. Aus dem Umstand, dass er bzw. das Schiedsgericht eine Erläuterung im Sinne der Beschwerdegegner und entgegen der Stellungnahme des Beschwerdeführers vornahm, kann nicht ein "eigenes Interesse" abgeleitet werden. Im angefochtenen Entscheid wird nachvollziehbar ausgeführt, wie jedes Gericht habe das Schiedsgericht ein fachliches Interesse, dass ein durchsetzbares Urteil ergehe, das umgesetzt werden könne. Eine persönliche Implikation des Vorsitzenden in eigenen Interessen ist nicht ersichtlich.
1.3. Der vom Beschwerdeführer zur weiteren Begründung seiner Befangenheitsrüge angeführte Umstand, dass er aus der jüdischen Gemeinschaft Zürich ausgeschlossen wurde, stellt die im jüdischen Recht
allgemein vorgesehene Konsequenz dar, die von sich aus eintritt, sobald eine Partei das Urteil eines Rabbinischen Schiedsgerichts nicht anerkennt und es an staatliche Gerichte weiterzieht, wie dies im angefochtenen Entscheid dargelegt wird. Dieser Umstand bildet somit nicht Ausdruck persönlicher Voreingenommenheit des Vorsitzenden gegen den Beschwerdeführer. Der weitere Vorwurf, der Vorsitzende habe gegenüber Dritten aktiv auf die Ächtung und Stigmatisierung des Beschwerdeführers hingewirkt und diese gefördert, stützt sich auf unzulässige neue Tatsachenbehauptungen (Art. 99 Abs. 1 BGG), die im verbindlich festgestellten Sachverhalt des Schiedsgerichts keine Stütze finden; sie müssen ausser Betracht bleiben (Art. 105 Abs. 1 BGG).
1.4. Der Beschwerdeführer hat keine Umstände dargetan, die den objektiven Anschein der Befangenheit des Vorsitzenden, Rabbi E.________, zu begründen vermögen. Das Ausstandsbegehren wurde vom Schiedsgericht zu Recht abgewiesen.
2.
Im Übrigen kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. Der Beschwerdeführer ruft zwar formell zulässige Beschwerdegründe nach Art. 190 Abs. 2 lit. c, d und e IPRG an, präsentiert aber zu deren Begründung richtig besehen unzulässige inhaltliche Kritik am angefochtenen Erlä uterungsentscheid bzw. - durchgreifend - am ursprünglichen Entscheid, insbesondere soweit er im Vergleich der beiden Dispositive eine Missachtung des Grundsatzes der
res iudicata geltend macht. Darauf kann das Bundesgericht nicht eingehen (vgl. schon BGE 149 III 338 E. 3). Was die gerügten Verfahrensfehler und den Vorwurf, das Schiedsgericht habe die Grenzen der Erläuterung überschritten, anbelangt, verkennt der Beschwerdeführer einmal mehr, dass er die Schiedsklausel freiwillig abgeschlossen und sich der Rabbinischen Schiedsgerichtsbarkeit einschliesslich der jüdischen Verfahrensordnung unterworfen hat. Letztere räumt dem Schiedsgericht eine weitgehende Freiheit ein, deren Wahrnehmung sich der bundesgerichtlichen Überprüfung entzieht. Entsprechendes gilt für die Anwendung des jüdischen Verfahrensrechts schlechthin mit Einschluss der Handhabung der in der Parteidisposition stehenden Regeln betreffend die Erläuterung (BGE 150 III 238 E. 3.1-3.3; vgl. auch BGE 129 III 445 E. 4.2.1).
3.
Auf die Beschwerde kann grösstenteils nicht eingetreten werden. Betreffend die Befangenheitsrüge ist sie abzuweisen. Damit wird der Beschwerdeführer kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 6'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit insgesamt Fr. 7'500.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Schiedsgericht mit Sitz in Zürich schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 21. November 2024
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Kiss
Der Gerichtsschreiber: Leemann