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[AZA 7] 
U 43/01 Gi 
 
II. Kammer 
 
Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung; Gerichtsschreiber Flückiger 
 
Urteil vom 22. Februar 2002 
 
in Sachen 
 
"Winterthur" Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft, General Guisan-Strasse 40, Winterthur, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Reto Zanotelli, Weinbergstrasse 43, 8006 Zürich, 
 
gegen 
 
1.S.________, 1937, vertreten durch Rechtsanwalt Eric 
Schuler, Frankenstrasse 3, 6003 Luzern, 
2.Visana Krankenkasse, Weltpoststrasse 17-21, 3000 Bern, Beschwerdegegnerinnen, 
 
und 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern 
 
A.- Die 1937 geborene S.________ war seit 1984 bei den M.________ angestellt und bei der "Winterthur" Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Winterthur) obligatorisch gegen die Folgen von Unfall und Berufskrankheit versichert. Am Abend des 21. November 1995 wurde ihr die Handtasche entrissen, wobei sie stürzte und sich gemäss Unfallmeldung vom 23. November 1995 am Kopf sowie am rechten Arm und Bein verletzte. Die Winterthur holte Auskünfte und Stellungnahmen des Dr. med. R.________, Innere Medizin FMH, vom 4. Dezember 1995, 21. Februar, 30. April und 29. August 1996, des Dr. med. K.________, vom 14. Januar 1996, des Dr. med. X.________, Radiologie FMH, vom 7. und 23. Februar 1996, des Dr. med. W.________, Neurologie FMH, vom 25. September 1996 und des Dr. D.________, Chiropraktor, vom 28. Januar 1997 ein. Zudem gab sie bei Dr. med. T.________, Orthopädische Chirurgie FMH, ein Gutachten in Auftrag, welches am 6. Juni 1997 erstattet wurde. In der Folge holte die Versicherung weitere Berichte des Dr. med. B.________, Innere Medizin FMH, vom 22. November 1997 und 16. Januar 1998, Zeugnisse dieses Arztes (betreffend Arbeitsunfähigkeit) vom 22. Januar, 26. Januar, 5. Februar, 12. Februar und 19. Juni 1998, Auskünfte des Dr. med. T.________ vom 2. Februar 1998 und der Rheuma- und Rehabilitationsklinik vom 31. März 1998 sowie ein Gutachten des Dr. med. Y.________, Neurologie FMH, vom 18. August 1998 ein. Anschliessend stellte sie mit Verfügung vom 19. November 1998 rückwirkend per 31. Oktober 1998 ihre Leistungen ein. Daran hielt die Winterthur - nach Einholung von Stellungnahmen des Dr. med. H.________, Beratender Arzt, vom 2. Juni 1999 und des Dr. med. C.________, Beratender Psychiater, vom 30. Juni 1999 - mit Einspracheentscheid vom 20. September 1999 fest. 
 
B.- Die dagegen von der Versicherten und der Visana Krankenkasse (nachfolgend: Visana) erhobenen Beschwerden vereinigte das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern und hiess sie in dem Sinne gut, dass es den Einspracheentscheid aufhob und die Sache an die Winterthur zurückwies, damit diese, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, neu verfüge (Entscheid vom 20. Dezember 2000). Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens hatten die Winterthur zusätzliche Stellungnahmen des Dr. med. H.________ vom 24. Februar und 26. September 2000 und die Visana Beurteilungen ihres Vertrauensarztes Dr. med. Z.________ vom 15. März 1999, 3. November 1999 und 17. Oktober 2000 eingereicht. Das kantonale Gericht hatte seinerseits Berichte der Klinik vom 10. Juni 1999 und eine Auskunft des Dr. med. A.________, Innere Medizin FMH, vom 20. September 2000 (mit beigelegten Schreiben des Dr. med. B.________ vom 5. Juli 1999 und des Dr. med. A.________ vom 18. August 1999) beigezogen. 
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt die Winterthur das Rechtsbegehren stellen, es sei der kantonale Entscheid aufzuheben und zu erkennen, dass die Beschwerdeführerin keine Unfallversicherungsleistungen zu erbringen habe. 
Die Vorinstanz und die Visana schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. S.________ lässt denselben Antrag stellen und zudem um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ersuchen. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Das kantonale Gericht hat die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang im Allgemeinen (BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen) und bei Schleudertraumen der HWS oder äquivalenten Verletzungsmechanismen im Besonderen (BGE 119 V 337; RKUV 2000 Nr. U 359 S. 29 ff.) zutreffend dargelegt. Entsprechendes gilt für die von der Judikatur entwickelten Grundsätze zum Erfordernis des adäquaten Kausalzusammenhanges im Allgemeinen (BGE 125 V 461 Erw. 5a mit Hinweisen) sowie insbesondere bei den Folgen eines Unfalles mit Schleudertrauma der HWS oder äquivalenten Verletzungen ohne organisch nachweisbare Funktionsausfälle (BGE 117 V 359 ff.; SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67 Erw. 2), mit Einschluss als leicht zu qualifizierender Ereignisse (RKUV 1998 Nr. U 297 S. 243 ff.), soweit nicht eine ausgeprägte psychische Problematik vorliegt (BGE 123 V 99 Erw. 2a). Darauf wird verwiesen. 
 
2.- Streitig und zu prüfen ist der natürliche und adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis vom 21. November 1995 und den über den 31. Oktober 1998 hinaus bestehenden Beschwerden. 
3.- Das kantonale Gericht hat gestützt auf die medizinischen Akten, welche mehrere ausführliche fachärztliche Stellungnahmen enthalten, festgestellt, die Versicherte habe anlässlich des Unfalls vom 21. November 1995 eine einem Schleudertrauma der HWS äquivalente Verletzung in Form einer HWS-Distorsion erlitten und leide an einem posttraumatischen zervicocephalen Syndrom. Die Vorinstanz gelangte sodann zum Ergebnis, fünf der von der Rechtsprechung (BGE 117 V 367 Erw. 6a) entwickelten unfallbezogenen Kriterien seien erfüllt. Die Adäquanz des Kausalzusammenhangs sei deshalb selbst dann zu bejahen, wenn das Unfallereignis vom 21. November 1995 den leichten Unfällen zugeordnet werde. 
 
4.- Die dagegen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebrachten Argumente sind nicht stichhaltig: 
 
a) Aus dem Arztzeugnis des Dr. med. K.________ vom 14. Januar 1996 über die Erstbehandlung vom 21. November 1995 lässt sich nicht ableiten, es hätten keine Schmerzen an der HWS vorgelegen, standen doch damals offensichtlich die Prellungen am rechten Oberarm und Bein im Vordergrund. Dr. med. R.________, der die Versicherte erstmals am Tag nach dem Unfall behandelte, erwähnt im Arztzeugnis vom 4. Dezember 1997 ausdrücklich "Schmerzen in der HWS". Die letztinstanzlich erstmals erhobene Behauptung, diese Beschwerden seien erst nach Ablauf der von der Rechtsprechung als massgebend bezeichneten Latenzzeit (RKUV 2000 Nr. U 359 S. 29 ff., Nr. U 392 S. 307 f.) aufgetreten, ist unbegründet. 
 
b) Gemäss der übereinstimmenden Diagnose mehrerer Ärzte hat die Versicherte ein HWS-Distorsionstrauma erlitten (Arztzeugnis UVG des Dr. med. R.________ vom 4. Dezember 1995 und weitere Stellungnahmen dieses Arztes; Gutachten des Dr. med. T.________ vom 6. Juni 1997; Bericht der Rheuma- und Rehabilitationsklinik vom 31. März 1998; Gutachten des Dr. med. Y.________ vom 18. August 1998). Der entsprechende Nachweis ist daher mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 360 Erw. 5b, 125 V 195 Erw. 2, je mit Hinweisen) erbracht. Ob ein entsprechendes pathologisch-anatomisches Korrelat vorliegt, ist unter diesen Umständen unerheblich. Ebenso ist hinreichend dokumentiert, dass die Versicherte an einem posttraumatischen zervikocephalen Syndrom leidet (Gutachten des Dr. med. T.________ vom 6. Juni 1997; Bestätigung des Dr. med. B.________ vom 22. November 1997; Bericht der Rheuma- und Rehabilitationsklinik vom 31. März 1998; Gutachten des Dr. med. Y.________ vom 18. August 1998; Stellungnahme des Dr. med. Z.________ vom 15. März 1999; Bericht der Klinik vom 10. Juni 1999; Schreiben des Dr. med. B.________ vom 5. Juli 1999; Schreiben des Dr. med. A.________ vom 20. September 2000). 
 
c) Es spricht nicht gegen das Vorliegen einer Verletzung der HWS, dass sich der Zustand der Beschwerdegegnerin 1 rund zweieinhalb Jahre nach dem Unfall verschlechtert hat. In diesem Zusammenhang könnte höchstens interessieren, ob für die Verschlechterung unfallfremde Faktoren in Frage kommen. Die Versicherte war jedoch vor und nach einer offenbar am 24. März 1998 eingetretenen Grippe, welche zu einer Arbeitsunfähigkeit von 100 % bis 5. April 1998 führte (Aktennotizen des Schadeninspektors der Beschwerdeführerin vom 30. März und 7. April 1998), ab dem 26. Januar 1998 unfallbedingt zu 100 % arbeitsunfähig (Arztzeugnis des Dr. med. B.________ vom 19. Juni 1998). Für andere unfallfremde Ursachen der Beschwerden bestehen keine Anhaltspunkte. 
 
d) Nach Lage der Akten steht beim aktuellen Beschwerdebild nicht eine psychische Problematik, sondern ein zervikocephales Syndrom im Vordergrund (vgl. die unter Erw. 4b hievor angeführten ärztlichen Berichte). Die Voraussetzungen, unter welchen die Adäquanz des Kausalzusammenhangs trotz des Vorliegens eines Schleudertraumas der HWS oder einer einem solchen äquivalenten Verletzung nach den für psychische Fehlentwicklungen geltenden Regeln (BGE 115 V 133) zu beurteilen wäre (BGE 123 V 99 Erw. 2a), sind daher nicht erfüllt. Die Vorinstanz hat diese Beurteilung zu Recht auf Grund der Praxis zu den Schleudertraumen der HWS und äquivalenten Verletzungen (BGE 117 V 359) vorgenommen. 
 
e) Die vorinstanzliche Feststellung, die von der Rechtsprechung entwickelten unfallbezogenen Kriterien (BGE 117 V 367) seien in gehäufter Weise erfüllt, ist nicht zu beanstanden: Die erlittene HWS-Distorsion hat unter den gegebenen Umständen als Verletzung besonderer Art zu gelten. Körperliche Dauerbeschwerden in Form von Kopfschmerzen sind durch ärztliche Aussagen, insbesondere den Bericht der Klinik vom 10. Juni 1999, hinreichend dokumentiert. Gleiches gilt für das Kriterium der langen Dauer der ärztlichen Behandlung, war eine solche doch jedenfalls bis in das Jahr 1999 hinein notwendig, und des schwierigen Heilungsverlaufs. Die erforderliche Häufung erfüllter Kriterien ist damit gegeben, auch wenn, abweichend von der Vorinstanz, davon ausgegangen wird, es liege keine ärztliche Fehlbehandlung vor, welche die Unfallfolgen erheblich verschlimmert habe. Das kantonale Gericht hat daher die Adäquanz des Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis vom 21. November 1995 und den über den 31. Oktober 1998 hinaus fortbestehenden Beschwerden zu Recht bejaht. 
5.- a) Streitigkeiten zwischen Versicherungsträgern über Leistungen aus Unfallfolgen für gemeinsame Versicherte sind kostenpflichtig (BGE 126 V 192 Erw. 6 mit Hinweisen). Die Winterthur hat deshalb als unterliegende Partei die Gerichtskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). 
 
b) Dem Prozessausgang entsprechend hat die Beschwerdegegnerin 1 Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 135 in Verbindung mit Art. 159 Abs. 2 OG). Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung erweist sich damit als gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II.Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 3000.- werden der 
Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem geleisteten 
Kostenvorschuss verrechnet. 
 
III.Die "Winterthur" Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft 
hat der Beschwerdegegnerin 1 für das Verfahren 
vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung 
von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) 
zu bezahlen. 
 
IV.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht 
des Kantons Luzern und dem Bundesamt für Sozialversicherung 
zugestellt. 
 
Luzern, 22. Februar 2002 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: