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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_1090/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 22. Februar 2017  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiber Briw. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Fürsprecher Michael Burkard, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, Postfach 6250, 3001 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Verwahrung; Vollzugslockerungen, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts 
des Kantons Bern, Strafabteilung, 1. Strafkammer, 
vom 17. August 2016. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Das Kreisgericht II Biel-Nidau verurteilte X.________ am 29. Januar 1999 wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern, mehrfacher Schändung, mehrfacher sexueller Nötigung, mehrfacher Pornographie sowie Verletzung der Fürsorge- und Unterhaltspflichten zu 9 Jahren Zuchthaus und schob den Vollzug der Strafe zugunsten einer Verwahrung auf. Es entschied am 10. Dezember 2007, sie nach neuem Recht weiterzuführen. Das Obergericht des Kantons Bern bestätigte den Entscheid. Das Bundesgericht wies seine Beschwerde ab (Urteil 6B_879/2008 vom 9. April 2009).  
Das Strafgericht des Kantons Zug verurteilte ihn am 11. April 2005 wegen Pornographie zu 30 Tagen Freiheitsstrafe. 
Ihm wurden zwischen 2005 und Mitte 2011 zahlreiche begleitete Ausgänge bewilligt. Sie verliefen klaglos. Ein Urlaubs- bzw. Ausgangsgesuch vom 6. Februar 2012 wurde von den kantonalen Behörden und die Beschwerde vom Bundesgericht am 10. September 2013 abgewiesen (Urteil 6B_655/2013 vom 10. September 2013). 
 
1.2. Das Amt für Freiheitsentzug und Betreuung des Kantons Bern (Amt FB) wies am 12. Juni 2015 ein Gesuch um Versetzung in den offenen Massnahmevollzug und auf begleitete Vollzugslockerungen bis hin zur Versetzung in ein Wohn- und Arbeitsexternat ab. Die Polizei- und Militärdirektion (POM) wies seine Beschwerde am 2. März 2016 ab. Mit rechtskräftigem Beschluss des Regionalgerichts Berner Jura-Seeland vom 18. April 2016 wurde ein Gesuch um Umwandlung der Verwahrung in eine stationäre Massnahme abgewiesen.  
Das Obergericht des Kantons Bern hiess am 17. August 2016 seine Beschwerde gegen den Entscheid der POM teilweise gut und wies die Vollzugsbehörde an, weiterhin begleitete Ausgänge zu gewähren; soweit weitergehend wies es die Beschwerde ab. 
 
1.3. X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, den vorinstanzlichen Beschluss aufzuheben, ihm stufenweise Vollzugslockerungen aus der Verwahrung heraus zu gewähren sowie die unentgeltliche Rechtspflege (und Verbeiständung) zu bewilligen.  
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer beanstandet zwei Stellen des vorinstanzlichen Beschlusses (S. 14, 21). Die Vorinstanz habe auf der Grundlage festgestellter Tatsachen (S. 22 des Beschlusses) unhaltbare Schlussfolgerungen gezogen. Nebst diesem absurden Argument vermöge sie wenig Handfestes ins Feld zu führen.  
 
2.2. Die Vorinstanz fasst auf S. 14 des Beschlusses die Ausführungen der Konkordatlichen Fachkommission zur Beurteilung der Gemeingefährlichkeit von Straftätern (KoFako) zusammen, woraus sich u.a. ergibt, dass der Beschwerdeführer, um den deliktsrelevanten Risikofaktoren zu begegnen, weiterhin ein strukturiertes und kontrolliertes Setting mit therapeutischer Begleitung, in welchem der "unbeaufsichtigte Kontakt zu Kindern verhindert" werde, benötige.  
Die Vorinstanz führt auf S. 21 des Beschlusses aus, der Therapeut habe ausgeführt, dass erneute soziale Desintegration und Isolation sowie der allgemeine "Kontakt mit Kindern oder Zugang zu diesen" Risikofaktoren darstellen. 
Die Vorinstanz hält auf S. 22 des Beschlusses fest, solange noch wesentliche Bestandteile der Therapie nicht aufgearbeitet worden seien, erhebliche Unsicherheiten in Bezug auf die polymorphe Sexualität im offenen Vollzug und die sexuelle Ansprechbarkeit [bestünden] sowie "keine intensive Auseinandersetzung mit Kontakten zu Kindern während der begleiteten Besuche stattgefunden" habe, könnten dem Beschwerdeführer keine weiteren Vollzugslockerungen gewährt werden. 
Unter Bezugnahme auf diese drei in Anführungszeichen gesetzten Satzbestandteile der vorinstanzlichen Ausführungen wirft der Beschwerdeführer der Vorinstanz vor, sie ziehe aus den festgestellten Tatsachen (nämlich den zwei Stellen S. 14 und S. 21) unhaltbare Schlussfolgerungen (nämlich die zitierte Stelle S. 22). Er habe bei den begleiteten Ausgängen den unbeaufsichtigten Kontakt zu Kindern usw. strikte zu meiden gehabt. Es sei deshalb unhaltbar, dass ihm keine weiteren Vollzugslockerungen gewährt werden können, "weil keine intensive Auseinandersetzung mit Kontakten zu Kindern während der begleiteten Besuche stattgefunden" hätten (Beschwerde Ziff. 3.2.5). 
 
2.3. Die Vorinstanz führt an anderer Stelle aus, es sei unsicher, ob die erreichten Therapiefortschritte in einem offenen Setting mittel- und langfristig auch tragfähig seien. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass eine polymorphe Sexualität zukünftig bei passender Gelegenheit nicht wieder attraktiv für den Beschwerdeführer werde. Es sei wünschenswert, diesbezüglich eine grössere Sicherheit zu erhalten. Geeignet sei eine systematische Bearbeitung der Fantasien und der Handlungsschwelle etwa im Rahmen eines Fantasietagebuchs, "therapeutisch begleiteter Ausgänge mit Bearbeitung von Kontakten mit Kindern [ (auf der Strasse, im Bus etc.)]" und Abgleich der Einschätzungen des Beschwerdeführers mit dem Therapeuten. Erst daraus könne die Handlungsschwelle und das Ausmass der sexuellen Ansprechbarkeit besser erfasst werden (Beschluss S. 19 mit Hinweis auf Akten ASMV S. 1619; i.e. forensisch-psychiatrisches Gutachten vom 30. April 2014, erstattet von Dr. Spielmann, S. 112).  
Weiter hält die Vorinstanz fest, zwar mache der Beschwerdeführer wieder Fantasiearbeit (Akten ASMV S. 1806; i.e. Therapiebericht vom 30. Juni 2015 [wo bis anhin 20 begleitete Tagesurlaube erwähnt werden]), jedoch sei nicht bekannt, "dass bei den begleiteten Ausgängen eine umfassende Bearbeitung von Kontakten mit Kindern erfolgt ist" (Beschluss S. 20). 
Die beanstandete Stelle im vorinstanzlichen Beschluss S. 22 ("keine intensive Auseinandersetzung mit Kontakten zu Kindern während der begleiteten Besuche stattgefunden") steht im unmittelbaren Kontext des deliktrelevanten Therapiekonzepts. Direkt an das vom Beschwerdeführer herbeigezogene Zitat im Beschluss S. 21 schliesst die Vorinstanz an: "Auch dieser Umgang wurde gemäss Berichten und Gutachten noch nicht hinreichend bearbeitet." 
Beim Zitat auf S. 22 des Beschlusses handelt es sich keineswegs um ein "absurdes Argument" (oben E. 2.1). Es geht um "Kontakte zu Kindern während der begleiteten Besuche" in einem strukturierten und kontrollierten Setting mit therapeutischer Begleitung. Willkür (Art. 9 BV) in der Beweiswürdigung ist zwar anzunehmen, wenn das Gericht auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen unhaltbare Schlussfolgerungen gezogen hat (BGE 140 III 264 E. 2.3). Das ist hier offenkundig nicht der Fall. Vielmehr konstruiert der Beschwerdeführer geradezu mutwillig einen falschen Kontext. 
 
2.4. Verfahrensentscheidend sind die ausführlichen Erwägungen zu den deliktrelevanten polymorphen und pädosexuellen Risikofaktoren und der damit einhergehenden ungünstigen Legalprognose, was vom Beschwerdeführer nicht thematisiert wird. Die Vorinstanz geht in Übereinstimmung mit der KoFako und der POM (oben E. 1.2) davon aus, dass der Beschwerdeführer nach wie vor gemeingefährlich bzw. rückfallgefährdet ist. Es könne nicht von einer günstigen, sondern höchstens von einer unsicheren Prognose gesprochen werden. Der Risikofaktor der Pädophilen-Subkultur sei nicht hinreichend therapiert (Beschluss S. 21). Das aktuelle Risiko erscheine zu gross, um bereits unbegleitete Vollzugslockerungen zu gewähren (Beschluss S. 22). Im Ergebnis ist aber nicht zu übersehen, dass die Vorinstanz aufgrund des dennoch positiv beurteilten Entwicklungsverlaufs tatsächlich Vollzugslockerungen anordnet.  
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit des Rechtsbegehrens abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Die herabzusetzenden Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Strafabteilung, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. Februar 2017 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Briw