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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_717/2018  
 
 
Urteil vom 22. März 2019  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Locher, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 23. August 2018 (IV.2017.00324). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, geboren 1963, war im 60 %-Pensum mit der kaufmännischen Führung des Familienbetriebes B.________ AG beschäftigt. Nachdem ihr 20-jähriger Sohn am 1. Oktober 2014 während eines Praktikums auf einer Baustelle tödlich verunglückt war, meldete sie sich am 18. Juni 2015 unter Hinweis auf eine vollständige Arbeitsunfähigkeit bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich zog die Akten des Krankentaggeldversicherers bei und holte die Berichte der behandelnden Psychologin vom 20. Juli und vom 29. September 2015 sowie ein Gutachten des Dr. med. C.________, leitender Arzt der Psychiatrie D.________ vom 11. Mai 2016 ein. Mit Verfügung vom 13. Februar 2017 lehnte sie den Anspruch auf eine Invalidenrente ab. 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 23. August 2018 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihr eine ganze Invalidenrente zuzusprechen, eventualiter sei die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie nach Einholung eines Gutachtens neu entscheide. 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Eine - für den Ausgang des Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) - vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann das Bundesgericht nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob die vorinstanzlich bestätigte Rentenablehnung vor Bundesrecht standhält. Zur Frage steht dabei, ob zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung eine psychisch bedingte Arbeitsunfähigkeit ausgewiesen beziehungsweise bis dahin eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten sei. 
 
3.   
Das kantonale Gericht hat die für die Beurteilung des Rentenanspruchs nach Art. 28 Abs. 1 IVG massgeblichen Bestimmungen, insbesondere zur Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) und zur Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG), namentlich auch bei psychischen Leiden (BGE 143 V 409 E. 4.2.1 S. 413), zutreffend dargelegt. 
Hervorzuheben ist, dass es zur Annahme einer Invalidität ein medizinisches Substrat braucht, das fachärztlicherseits schlüssig festgestellt wird. Psychosoziale und soziokulturelle Faktoren sind nur mittelbar invaliditätsbegründend, wenn und soweit sie den Wirkungsgrad der unabhängig von den invaliditätsfremden Elementen bestehenden Folgen des Gesundheitsschadens beeinflussen. Wo der Gutachter im Wesentlichen nur Befunde erhebt, die in den psychosozialen und soziokulturellen Umständen ihre hinreichende Erklärung finden, ist kein invalidisierender psychischer Gesundheitsschaden gegeben. Soweit soziale Belastungen direkt negative funktionelle Folgen zeitigen, bleiben sie bei der Beurteilung der Gesundheitsbeeinträchtigung ausgeklammert (BGE 141 V 281 E. 4.3.3 S. 303; 127 V 294 E. 5a S. 299; SVR 2012 IV Nr. 32 S. 127, 9C_776/2010 E. 2.3.3; SVR 2012 IV Nr. 52 S. 188, 9C_537/2011 E. 3.2; SVR 2008 IV Nr. 15 S. 43, I 514/06 E. 2.2.2.2; Urteile 9C_680/2017 vom 22. Juni 2018 E. 5.2; 9C_648/2017 vom 20. November 2017 E. 2.3). Die rechtsanwendenden Behörden haben zu prüfen, ob die ärztliche Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit auch invaliditätsfremde Gesichtspunkte, insbesondere psychosoziale und soziokulturelle Belastungsfaktoren, mitberücksichtigt, die vom invaliditätsrechtlichen Standpunkt aus unbeachtlich sind; gegebenenfalls haben sie der ärztlichen Einschätzung der Arbeitsfähigkeit keine rechtliche Bedeutung beizumessen (BGE 144 V 50 E. 4.3 S. 53 f.; Urteile 8C_635/2018 vom 21. Dezember 2018 E. 6.1; 9C_32/2018 vom 26. März 2018 E. 2.3; 9C_648/2017 vom 20. November 2017 E. 2.3.2). 
 
4.   
Nach Würdigung der medizinischen Aktenlage stellte die Vorinstanz fest, dass das Gutachten der Psychiatrie D.________ grundsätzlich voll beweiskräftig sei. Der Gutachter führe, in Übereinstimmung mit der behandelnden Psychologin, aber auch mit der Einschätzung der Beschwerdeführerin selber, sämtliche Befunde und Einschränkungen unmittelbar auf den Tod des Sohnes und das juristische Nachspiel zurück. Die vom Gutachter attestierte Arbeitsunfähigkeit vermochte ihrer Auffassung nach jedoch keine invalidenversicherungsrechtlich relevante Einschränkung zu begründen. Eine verselbstständigte psychische Störung und damit eine versicherte Gesundheitsbeeinträchtigung sei nicht ausgewiesen. 
 
5.   
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass eine Invalidität im Rechtssinne zum Zeitpunkt der Begutachtung noch nicht eingetreten sei. Sie macht indessen geltend, dass Verwaltung und Vorinstanz unter Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes darauf verzichtet hätten zu prüfen, ob bei Verfügungserlass zehn Monate später die vom Gutachter als möglich erachtete Chronifizierung eingetreten sei, was zu einer Bejahung einer Arbeitsunfähigkeit hätte führen müssen. 
Das kantonale Gericht hat das Leistungsvermögen in psychischer Hinsicht praxisgemäss zulässigerweise eigenständig nach den normativen Vorgaben gemäss BGE 141 V 281 beurteilt. Nach der Vorinstanz wurde die geltend gemachte Beeinträchtigung wie bereits erwähnt ausschliesslich durch den Tod des Sohnes verursacht. Sie hielt fest, dass wöchentliche Konsultationen bei der Psychologin stattfänden, aber keine pharmakologische Behandlung erfolge. Es bestünden weder körperliche noch psychische Begleiterkrankungen und auch keine Hinweise auf eine Persönlichkeitsstörung. Sie zog auch die Ressourcen in Betracht, auf die die Beschwerdeführerin zurückgreifen könne (Familien- und Freundeskreis, Fitnesstraining mehrmals pro Woche, gelegentliche Ferien, Besuch einer Selbsthilfegruppe) und dank derer sie in ihrem Alltag wieder weitgehend funktioniere. Inwiefern diese Feststellungen offensichtlich unrichtig wären, ist nicht erkennbar. Die Schlussfolgerung, dass die gegebenen psychosozialen Umstände als alleinige Ursache der geltend gemachten Arbeitsunfähigkeit bei deren normativer Beurteilung ausser Acht bleiben müssten, ist nicht bundesrechtswidrig. Daran ändert nichts, dass der Gutachter eine andauernde depressive Episode, initial schwer, aktuell mittel- bis schwergradig, diagnostizierte (ICD-10 F32.2). Dass sich im weiteren Verlauf eine Verselbstständigung des Gesundheitsschadens eingestellt hätte, ist nach Lage der Akten nicht erkennbar. Es wird beschwerdeweise nicht dargetan, dass zwischenzeitlich Befunde erhoben worden seien, die nicht in den gegebenen psychosozialen Umständen ihre hinreichende Erklärung fänden. Dass das kantonale Gericht eine Verschlechterung bis zur rentenablehnenden Verfügung zehn Monate nach der Begutachtung zu Unrecht unberücksichtigt gelassen oder zu Unrecht von weiteren Sachverhaltsabklärungen abgesehen hätte, ist nicht zu ersehen. 
 
6.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 22. März 2019 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo