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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_107/2021  
 
 
Urteil vom 22. März 2021  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Haag, Merz, 
Gerichtsschreiber Härri. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Balmer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach 1348, 4001 Basel. 
 
Gegenstand 
Sicherheitshaft, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid 
des Appellationsgerichtspräsidenten 
des Kantons Basel-Stadt vom 29. Januar 2021 (HB.2021.2). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Am 11. Januar 2021 verurteilte das Strafgericht Basel-Stadt den portugiesischen Staatsangehörigen A.________ wegen Vergewaltigung zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 3 Jahren. Den unbedingt vollziehbaren Teil setzte es auf ein Jahr fest. Ausserdem verwies es A.________ für 8 Jahre des Landes. 
Er meldete Berufung an. 
 
B.   
A.________ befindet sich seit dem 9. Juli 2020 in Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft. Mit separatem Beschluss vom 11. Januar 2021 verlängerte das Strafgericht die Sicherheitshaft für die vorläufige Dauer von 12 Wochen, d.h. bis zum 5. April 2021. 
Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies der Präsident des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt am 29. Januar 2021 ab. Dieser bejahte den dringenden Tatverdacht sowie Fluchtgefahr und beurteilte die Haft als verhältnismässig. 
 
C.   
A.________ führt am 2. März 2021 Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, den Entscheid des Appellationsgerichtspräsidenten aufzuheben und die umgehende Haftentlassung anzuordnen. 
 
D.   
Der Appellationsgerichtspräsident hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Er beantragt unter Hinweis auf seinen Entscheid die Abweisung der Beschwerde. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt hat sich vernehmen lassen mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. A.________ hat eine Replik eingereicht. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben. Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist somit nach Art. 80 BGG zulässig. Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. Der angefochtene Entscheid stellt einen Zwischenentscheid dar, der dem Beschwerdeführer einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG verursachen kann. Die Beschwerde ist daher auch insoweit zulässig. Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass.  
 
1.2. Der Beschwerdeführer hat die Replik einen Tag nach der vom Bundesgericht dafür angesetzten Frist und damit verspätet eingereicht. Er ersucht um Wiederherstellung der Frist nach Art. 50 Abs. 1 BGG. Ob dem Gesuch entsprochen werden kann, kann dahingestellt bleiben. Wäre die Replik zu berücksichtigen, änderte sich am Ergebnis nichts.  
 
2.   
 
2.1. Gemäss Art. 231 Abs. 1 StPO entscheidet das erstinstanzliche Gericht mit dem Urteil, ob eine verurteilte Person in Sicherheitshaft zu setzen oder zu behalten ist (a) zur Sicherung des Straf- oder Massnahmenvollzugs oder (b) im Hinblick auf das Berufungsverfahren. Nach Art. 221 Abs. 1 lit. a StPO ist Sicherheitshaft zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie sich durch Flucht dem Strafverfahren oder der zu erwartenden Sanktion entzieht.  
Der Beschwerdeführer bestreitet den dringenden Tatverdacht nicht. Er macht geltend, es fehle an der Fluchtgefahr. 
 
2.2. Ob Fluchtgefahr besteht, ist nach der Rechtsprechung aufgrund einer Gesamtwürdigung aller wesentlichen Umstände zu beurteilen. Zu berücksichtigen sind insbesondere der Charakter des Beschuldigten, seine moralische Integrität, seine finanziellen Mittel, seine Verbindungen zur Schweiz, seine Beziehungen zum Ausland und die Höhe der ihm drohenden Strafe. Die Umstände müssen die Flucht nicht nur als möglich, sondern als wahrscheinlich erscheinen lassen (BGE 145 IV 503 E. 2.2 mit Hinweisen).  
 
2.3. Liegt bereits ein Gerichtsurteil über das Strafmass vor, stellt es ein wichtiges Indiz für die mutmassliche Dauer der zu verbüssenden Strafe dar (BGE 145 IV 179 E. 3.4 mit Hinweis).  
Das Strafgericht hat den unbedingten Teil der dem Beschwerdeführer auferlegten Freiheitsstrafe auf ein Jahr festgesetzt. Im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Entscheids hatte er annähernd 7 Monate Untersuchungs- und Sicherheitshaft erstanden. Es drohte ihm somit unter Anrechnung der Haft ein verbleibender Freiheitsentzug von gut 5 Monaten. Dies stellt keinen geringen Fluchtanreiz dar. Der Beschwerdeführer ist 41 Jahre alt. Er wurde in Basel geboren. Dort lebte er bis zum 9. Altersjahr, danach in Portugal und teilweise auf den Kapverden, die geschichtlich und sprachlich mit Portugal eng verbunden sind. Im 33. Altersjahr kehrte er nach Basel zurück. Den überwiegenden Teil seines Lebens verbrachte er somit im Ausland, insbesondere in seinem Heimatland. In Portugal leben sein Sohn, seine Eltern und seine Schwester. Seine Ehefrau wohnt auf den Kapverden. Er verfügt somit nach wie vor über eine enge Bindung zu seinem Heimatland und zu den Kapverden. In der Schweiz lebt niemand aus seinem engsten Familienkreis. Eine gefestigte Existenz baute er sich hier nicht auf. Vielmehr häufte er Schulden an und bezog Arbeitslosengeld. Da das Strafgericht eine Landesverweisung von 8 Jahren aussprach, muss er überdies damit rechnen, die Schweiz für lange Zeit verlassen zu müssen. In seinem Heimatland wäre er zudem vor einer Überstellung an die Schweiz sicher, da Portugal keine eigenen Staatsangehörigen hierher ausliefert (Erklärung Portugals vom 12. Februar 1990 zu Art. 6 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957; SR 0.353.1). 
Würdigt man dies gesamthaft, bestehen erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass sich der Beschwerdeführer bei einer Haftentlassung dem drohenden Strafvollzug entziehen würde. Wenn die Vorinstanz Fluchtgefahr bejaht hat, verletzt das daher kein Bundesrecht. 
 
3.   
 
3.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, die Dauer der Sicherheitshaft sei nicht mehr verhältnismässig.  
 
3.2. Gemäss Art. 31 Abs. 3 BV und Art. 5 Ziff. 3 EMRK hat eine in strafprozessualer Haft gehaltene Person Anspruch darauf, innerhalb einer angemessenen Frist richterlich abgeurteilt oder während des Strafverfahrens aus der Haft entlassen zu werden. Eine übermässige Haftdauer stellt eine unverhältnismässige Beschränkung dieses Grundrechts dar. Nach Art. 212 Abs. 3 StPO dürfen deshalb Untersuchungs- und Sicherheitshaft nicht länger dauern als die zu erwartende Freiheitsstrafe, wobei nach ständiger Praxis bereits zu vermeiden ist, dass die Haftdauer in grosse Nähe zur zu erwartenden Freiheitsstrafe rückt (BGE 145 IV 179 E. 3.1 mit Hinweisen).  
Nach der Rechtsprechung ist bei der Prüfung der zulässigen Haftdauer die Möglichkeit des bedingten oder teilbedingten Vollzugs grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (BGE 145 IV 179 E. 3.4 mit Hinweisen). 
 
3.3. Aufgrund des strafgerichtlichen Urteils muss der Beschwerdeführer mit einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren rechnen. Im Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids hatte er annähernd 7 Monate Haft erstanden, am 5. April 2021 werden es knapp 9 Monate sein. Die Haft ist damit noch nicht in grosse zeitliche Nähe der dem Beschwerdeführer drohenden Freiheitsstrafe gerückt. Sie ist deshalb in zeitlicher Hinsicht verhältnismässig. Dies wäre selbst dann noch der Fall, wenn man ausnahmsweise lediglich auf den unbedingten Teil der dem Beschwerdeführer drohenden Freiheitsstrafe abstellen wollte, zumal insoweit gemäss Art. 43 Abs. 3 Satz 2 StGB keine Möglichkeit der bedingten Entlassung besteht und das Appellationsgericht aufgrund der Anschlussberufung, welche die Staatsanwaltschaft nach ihren Darlegungen in der Vernehmlassung gemäss Art. 400 Abs. 3 lit. b StPO erheben wird, den unbedingten Teil der Freiheitsstrafe erhöhen könnte.  
 
4.   
Dass die Fluchtgefahr mit milderen Ersatzmassnahmen anstelle der Sicherheitshaft (Art. 237 StPO) hinreichend gebannt werden könnte, macht der Beschwerdeführer nicht geltend und ist nicht ersichtlich. 
 
5.   
Der Beschwerdeführer bringt vor, er könnte sich gegebenenfalls veranlasst sehen, seine Berufung zurückzuziehen, damit er am 8. Juli 2021 freikommt und nicht infolge der Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft unter Umständen einen längeren Freiheitsentzug erdulden muss (Art. 401 Abs. 3 StPO). Weshalb dies die Rechtmässigkeit der Sicherheitshaft, um die es hier einzig geht, infrage stellen sollte, legt der Beschwerdeführer nicht substanziiert dar und ist nicht auszumachen. Die gesetzlichen Voraussetzungen der Sicherheitshaft sind erfüllt. Prozesstaktische Überlegungen des Beschwerdeführers ändern daran nichts. 
 
6.   
Die Beschwerde ist daher abzuweisen. 
Da sie aussichtslos war, kann die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nach Art. 64 BGG nicht bewilligt werden. In Anbetracht der finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers rechtfertigt es sich jedoch, auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Staatsanwaltschaft und dem Präsidenten des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. März 2021 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Härri