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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.119/2002 /mks 
 
Urteil vom 22. Mai 2002 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident, 
Bundesrichter Aeschlimann, Catenazzi, 
Gerichtsschreiber Steinmann. 
 
P.X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Jean-Rodolphe Spahr, Walchestrasse 27, Postfach 564, 8035 Zürich, 
 
gegen 
 
Strassengenossenschaft Hochwald, p.A. Josef Albisser, Wassermoos, 6103 Schwarzenberg LU, 
Beschwerdegegner, 
Staat Luzern, Staatsforstbetrieb, p.A. Jost von Moos, Bundesplatz 14, 6002 Luzern, 
Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern, 
Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, Postfach, 6002 Luzern. 
 
Art. 9 BV (Strafverfahren) 
 
(Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer, vom 8. Mai 2001) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Das Obergericht des Kantons Luzern als Appellationsinstanz verurteilte am 8. Mai 2001 P.X.________ zu einer Gefängnisstrafe von 4 Monaten und zwei Wochen, teilweise als Zusatzstrafe zu einem früheren Urteil. Das Gericht befand P.X.________ schuldig des Diebstahls und des Bruchs amtlicher Beschlagnahme sowie der Widerhandlungen gegen das (eidgenössische und kantonale) Waldgesetz, gegen das Umweltschutzgesetz und gegen das (kantonale) Wasserbaugesetz. Es sprach ihn in verschiedenen Punkten frei vom Vorwurf des Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen und der Widerhandlung gegen das Gewässerschutzgesetz und das Umweltschutzgesetz und stellte in verschiedener Hinsicht den Eintritt der Verjährung fest. Schliesslich zog es zahlreiche Gegenstände ein. 
 
Zum Hintergrund dieser Verurteilung: P.X.________ ist Eigentümer einer in der Gemeinde Schwarzenberg gelegenen, an das Tobel des Giessbaches grenzenden Liegenschaft. An der steilen Böschung des Tobels kommt es durch Erosion seit Jahren zu Rutschungen, welche das Kulturland von P.X.________ in Mitleidenschaft ziehen. Dieser begann vor Jahren, Bäume, die grösstenteils in fremdem Eigentum stehen, zu fällen und damit den Giessbach zu verbauen sowie den Bachlauf umzuleiten, was zum vorliegenden und einem früheren Strafverfahren führte. Unabhängig vom Strafverfahren hat der Kanton Luzern ein Projekt zur Verbauung des Giessbaches ausgearbeitet, welches indessen von P.X.________ angefochten wurde. 
B. 
Gegen das Urteil des Obergerichts vom 8. Mai 2001 hat P.X.________ am 28. Februar 2002 beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Er macht im Wesentlichen eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend. Auf die Beschwerdegründe ist, soweit erforderlich, in den Erwägungen einzugehen. 
 
Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft beantragen in ihren Erwägungen, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. Die Strassengenossenschaft Hochwald und der Staatsforstbetrieb haben sich nicht vernehmen lassen. 
 
Am 15. Mai 2002 reichte der Beschwerdeführer dem Bundesgericht ohne Aufforderung weitere Bemerkungen mit einer Richtigstellung der eingegangenen Vernehmlassungen bzw. dem Antrag um mündliche Verhandlung im Sinne von Art. 91 Abs. 2 OG ein. 
C. 
Mit Verfügung vom 4. April 2002 ist der staatsrechtlichen Beschwerde aufschiebende Wirkung beigelegt worden. 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
1.1 Der Beschwerdeführer erhebt einzig staatsrechtliche Beschwerde. Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte im Sinne von Art. 84 ff. OG ist gegen das Urteil des Obergerichts zulässig. Ob sie den Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügt, wird im entsprechenden Sachzusammenhang zu prüfen sein. 
1.2 Ein zweiter Schriftenwechsel wird nach Art. 93 Abs. 2 OG nur ausnahmsweise angeordnet, soweit die Entscheidgründe erst in der Vernehmlassung enthalten sind. Im vorliegenden Fall ergeben sich aus den Vernehmlassungen des Obergerichts und der Staatsanwaltschaft keine relevanten Bemerkungen zur staatsrechtlichen Beschwerde und zur Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs, die einer Richtigstellung bedürften. Zudem kann der Beschwerdeführer in einer Replik keine neuen Beschwerdegründe und keine neuen Anträge vorbringen, für welche die Beschwerdefrist nach Art. 89 OG nicht eingehalten ist. Es braucht daher auf die unaufgefordert eingereichten Bemerkungen des Beschwerdeführers vom 15. Mai 2002 nicht näher eingegangen zu werden. 
1.3 Über die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs hinaus macht der Beschwerdeführer geltend, der Schuldvorwurf der Verletzung des Umweltschutzgesetzes und des Wasserbaugesetzes seien willkürlich bzw. unter Verletzung des rechtlichen Gehörs ergangen. 
 
Gemäss Ziff. 1 des Dispositivs des angefochtenen Urteils wurde der Beschwerdeführer u.a. der Widerhandlung gegen Art. 61 Abs. 1 lit. g in Verbindung mit Art. 30e Abs. 1 USG für schuldig befunden. Soweit die richtige Anwendung dieses Bundesrechts in Frage steht, ist nicht die staatsrechtliche Beschwerde gegeben (Art. 84 Abs. 2 OG), sondern vielmehr eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde zu erheben. Inwiefern der Schuldvorwurf auf einer willkürlichen Sachverhaltsermittlung oder Beweiswürdigung beruhen soll, wird in der vorliegenden Beschwerde nicht in einer den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügenden Weise gerügt. In diesem Punkte kann daher auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. 
 
Ferner rügt der Beschwerdeführer eine unrichtige Anwendung von Art. 4 Abs. 2 lit. a und c des Bundesgesetzes über den Wasserbau (Wasserbaugesetz, SR 721.100). Aus dem angefochtenen Entscheid in Verbindung mit dem erstinstanzlichen Urteil des Kriminalgerichts vom 20. Oktober 2000 ergibt sich indessen, dass dem Beschwerdeführer ein Verstoss gegen das kantonale Wasserbaugesetz vorgeworfen wird. Da der Beschwerdeführer nicht vorbringt, es hätte anstelle des kantonalen das eidgenössische Wasserbaurecht angewendet werden müssen - was ebenfalls mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde vorzubringen wäre -, kann auch in diesem Punkte auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. Inwiefern dem Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang das rechtliche Gehör verletzt und das kantonale Wasserbaugesetz willkürlich angewendet worden sein sollen, legt er in keiner Weise dar und genügt damit den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht. 
2. 
Der Beschwerdeführer rügt zur Hauptsache eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Diese erblickt er darin, dass zum einen von der Durchführung eines Augenscheins abgesehen worden und ihm zum andern anlässlich der Hauptverhandlung das Wort entzogen worden war. Für diese Rüge bezieht er sich einzig auf das Bundesverfassungsrecht, ohne geltend zu machen, das kantonale Verfahrensrecht sei willkürlich angewendet worden. 
2.1 Der Beschwerdeführer ersuchte in seiner selbst verfassten Eingabe vom 9. Dezember 2000 an das Obergericht, es sei ein Augenschein vor Ort im Giessbach durchzuführen und es seien Leute mit der nötigen Fachkenntnis beizuziehen. Das Obergericht verzichtete indessen auf einen Augenschein, da ein solcher für die zu beurteilenden Fragen nicht von Relevanz sei bzw. davon keine neuen Erkenntnisse zu erwarten seien, nachdem das Obergericht schon in einem früheren Verfahren eine Begehung des Geländes vorgenommen hatte. Zudem lägen zahlreiche Stellungnahmen verschiedener Fachpersonen in den Akten. 
 
Der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV räumt dem Betroffenen u.a. das Recht ein, Beweisanträge zu stellen. Dem entspricht die Pflicht der Behörden, die ihr rechtzeitig und formrichtig angebotenen Beweismittel abzunehmen, es sei denn, diese beträfen eine nicht erhebliche Tatsache oder seien offensichtlich untauglich, über die streitige Tatsache Beweis zu erbringen. Der Richter kann das Beweisverfahren schliessen, wenn er aufgrund bereits abgenommener Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, dass seine Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (BGE 124 I 208 E. 4a S. 211, 124 I 241 E. 2 S. 242, mit Hinweisen). 
 
Der Beschwerdeführer macht geltend, das Obergericht habe das Beweisbegehren in unzulässiger antizipierter Beweiswürdigung abgewiesen. Denn der frühere Augenschein habe bereits im Jahre 1993 ohne Beizug von Sachverständigen stattgefunden; seither stelle sich die Sachlage wesentlich anders dar. Er legt indessen nicht dar, inwiefern sich die tatsächlichen Verhältnisse seit den vorgenommenen Beweiserhebungen verändert haben sollen. Der Vorwurf der Willkür gegenüber dem Obergericht kann nicht allein damit begründet werden, "es liege auf der Hand", dass sich die tatsächlichen Verhältnisse verändert hätten. Darüber hinaus zeigt er nicht auf, was im Einzelnen mit einem neuen Augenschein durch das Obergericht hätte nachgewiesen werden und inwiefern die zu beweisenden Tatsachen für die Beurteilung der Strafsache relevant sein sollen. Er übersieht, dass im vorliegenden Verfahren der strafrechtliche Schuldvorwurf in Frage steht und nicht das allgemeine Problem, wie der Giessbach wirksam verbaut werden kann. Der Beschwerdeführer legt auch nicht dar, was Fachpersonen für die Beurteilung der Strafsache beitragen könnten. Aus der Beschwerdeschrift geht nicht hervor, inwiefern es sich bei den angehörten Experten nicht um Fachpersonen handeln sollte. Schliesslich wird nicht dargetan, inwiefern die Qualität der Bäume und die am Wurzelstock angeblich erkennbare Fällrichtung für die strafrechtliche Qualifizierung des vorliegenden Falles ausschlaggebend sein sollen. 
 
Diese Erwägungen zeigen, dass die vorgebrachten Verfassungsrügen teilweise den Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht genügen und dass sie im Übrigen unbegründet sind. Es kann dem Obergericht daher gesamthaft gesehen wegen der Abweisung des Antrags um Durchführung eines Augenscheins keine Willkür und keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorgeworfen werden. Insofern erweist sich die Beschwerde als unbegründet. 
2.2 Zum andern macht der Beschwerdeführer geltend, anlässlich der obergerichtlichen Verhandlung sei ihm in Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör das Wort entzogen worden. Er habe daher nicht zu allen gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung nehmen können, was umso gravierender sei, als er mit dem Vorgehen seines amtlichen Verteidigers und den von diesem anerkannten Schuldvorwürfen nicht einverstanden war. 
 
Dem Protokoll der obergerichtlichen Verhandlung kann entnommen werden, dass diese am 8. Mai 2001 um 08.30 Uhr begonnen hatte. Am Anfang kam der Beschwerdeführer ausführlich zu Wort. Hernach folgten die Plädoyers des Verteidigers, des Rechtsvertreters des beigeladenen Sohnes, W.X.________, und der Staatsanwaltschaft. Darauf hin replizierte der Verteidiger. Der Rechtsvertreter von W.X.________ und die Staatsanwaltschaft verzichteten auf ihr Replik- und Duplikrecht. Schliesslich erhielt der Beschwerdeführer um 09.50 Uhr Gelegenheit zu einem Schlusswort, mit dem er zu langen Ausführungen ausholte. Als er zu allgemeinen Beschuldigungen gegenüber seinem amtlichen Verteidiger ansetzte, entzog ihm der Präsident das Wort. Dem Protokoll ist zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer bereits um 10.20 Uhr mitgeteilt worden war, es stünden ihm noch zwanzig Minuten für den Abschluss seines Schlusswortes zu. Nach dem Wortentzug schloss der Vorsitzende die Verhandlung um 10.55 Uhr. 
 
Dieser Verhandlungslauf zeigt mit aller Deutlichkeit, dass der Beschwerdeführer in reichlichem Masse Gelegenheit erhielt, seinen Standpunkt darzulegen, und er von dieser Gelegenheit auch ausführlich Gebrauch machte. Gesamthaft gesehen, nahmen seine Ausführungen einen beträchtlichen Teil der ganzen Verhandlung ein. Insbesondere konnte er über die Ausführung seines Verteidigers hinaus seinen eigenen Standpunkt darlegen, sodass dem Gericht die Differenzen zwischen ihm und der Verteidigung bewusst gemacht werden konnten. In Anbetracht des breiten Raumes, der dem Beschwerdeführer zur Verfügung stand, kann dem Vorsitzenden keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorgeworfen werden, wenn er dem Beschwerdeführer anlässlich seiner für die Beurteilung der Strafsache nicht relevanten Ausführungen zur Mandatsführung seines Rechtsvertreters schliesslich das Wort entzog. Im Übrigen legt der Beschwerdeführer in seiner staatsrechtlichen Beschwerde nicht dar, zu welchen Punkten er sich noch hätte äussern wollen und inwiefern diese für den Ausgang des Verfahrens von Bedeutung hätten sein können. 
 
Bei dieser Sachlage erweist sich die Beschwerde auch in diesem Punkte unbegründet. 
3. 
Demnach ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Staatsforstbetrieb Luzern sowie der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht, II. Kammer, des Kantons Luzern schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 22. Mai 2002 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: