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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_179/2018  
 
 
Urteil vom 22. Mai 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, 
Gerichtsschreiberin Elmiger-Necipoglu. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Kaspar Gehring, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung 
(Invalidenrente; Invalideneinkommen), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 18. Januar 2018 (IV.2016.00771). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1966 geborene A.________ arbeitete ab Mai 1987 auf dem Landwirtschaftsbetrieb ihres Ehemannes und ab Januar 1996 teilzeitig als selbstständigerwerbende Reitlehrerin. Ab Februar 2005 war sie mit einem Arbeitspensum von 50 % in ihrem erlernten Beruf als Medizinische Praxisassistentin tätig, zuletzt ab Februar 2006 mit einem reduzierten Pensum von ungefähr 30 %. Im Mai 2008 meldete sie sich unter anderem wegen Rückenproblemen bei der IV-Stelle des Kantons Zürich zum Leistungsbezug an. Nach Abklärung der medizinischen und beruflichen Verhältnisse verneinte die IV-Stelle bei einem Invaliditätsgrad von 30 % einen Anspruch auf eine Invalidenrente, was letztinstanzlich mit Urteil 8C_206/2012 vom 12. April 2012 bestätigt wurde. Im März 2011 und Juni 2012 meldete sich die Versicherte infolge eines gastrointestinalen Stromatumors (GIST) erneut zum Leistungsbezug an. Gegen die ablehnende Verfügung erhob A.________ Beschwerde. Mit Entscheid des Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich vom 30. Juni 2014 wurde die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit diese ergänzende Abklärungen treffe und hiernach über den Rentenanspruch neu verfüge. Gestützt auf das polydisziplinäre Gutachten der Medexperts AG vom 2. Juli 2015 und nach weiteren Abklärungen sprach die IV-Stelle der Versicherten mit Verfügungen vom 8. und 17. Juni 2016 ab 1. Oktober 2011 bei einem Invaliditätsgrad von 47 % eine Viertelsrente der Invalidenversicherung zu. 
 
B.   
Mit Entscheid vom 18. Januar 2018 hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die hiergegen erhobene Beschwerde von A.________ gut, hob die angefochtenen Verfügungen auf und stellte fest, dass die Versicherte ab 1. Oktober 2011 Anspruch auf eine halbe Invalidenente hat. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die IV-Stelle, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die Verfügungen vom 8. und 17. Juni 2016 seien zu bestätigen. 
 
D.   
Mit Verfügung vom 16. April 2018 hat der Instruktionsrichter der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).  
 
1.2. Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).  
 
2.   
Es ist unbestritten, dass die Beschwerdegegnerin ab 1. Oktober 2011 Anspruch auf eine Invalidenrente der IV hat. Streitig und zu prüfen ist demgegenüber, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, als sie diese auf eine halbe Rente erhöhte. 
 
3.  
 
3.1. Der Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung setzt unter anderem voraus, dass die versicherte Person invalid oder von Invalidität unmittelbar bedroht ist. Invalidität ist gemäss Art. 8 Abs. 1 ATSG die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit.  
 
3.2. Zur Bestimmung des Invaliditätsgrades wird gemäss Art. 16 ATSG das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der unfallbedingten Invalidität und nach Durchführung allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (sog. Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (sog. Valideneinkommen).  
 
3.3. Für die Festsetzung des Invalideneinkommens können nach der Rechtsprechung unter anderem Tabellenlöhne gemäss den vom Bundesamt für Statistik periodisch herausgegebenen Lohnstrukturerhebungen (LSE) herangezogen werden (BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S. 475 mit Hinweisen). Kann eine versicherte Person ihre gesundheitsbedingt eingeschränkte Arbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mutmasslich nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichen Erfolg verwerten, so ist von den Tabellenlöhnen der LSE gegebenenfalls ein Abzug vorzunehmen. Die Frage, ob und in welchem Ausmass Tabellenlöhne herabzusetzen sind, hängt von sämtlichen persönlichen und beruflichen Umständen des konkreten Einzelfalles ab (leidensbedingte Einschränkung, Alter, Dienstjahre, Nationalität/Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad). Der Einfluss sämtlicher Merkmale auf das Invalideneinkommen ist nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen, wobei der Abzug auf insgesamt höchstens 25 % zu begrenzen ist (BGE 129 V 472 E. 4.2.3 S. 481; 126 V 75 E. 5b/bb S. 80).  
Ob ein (behinderungsbedingt oder anderweitig begründeter) Abzug vom Tabellenlohn vorzunehmen ist, stellt eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage dar (BGE 137 V 71 E. 5.1 S. 72 f. mit Hinweis, Urteil 8C_652/2008 vom 8. Mai 2009 E. 4 in fine, nicht publiziert in BGE 135 V 297). Dagegen ist die Höhe des (im konkreten Fall grundsätzlich angezeigten) Abzuges eine Ermessensfrage und daher letztinstanzlich nur bei Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder -unterschreitung korrigierbar (BGE 137 V 71 E. 5.1 S. 72 f. mit Hinweis, 132 V 393 E. 3.3 S. 39; Urteil 9C_481/2011 vom 30. September 2011 E. 3.2). 
 
4.  
 
4.1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Beschwerdegegnerin sowohl in ihrer bisherigen Tätigkeit als Medizinische Praxisassistentin wie auch in einer angepassten Tätigkeit zu 50 % arbeitsfähig ist. Unstreitig ist zudem die Ermittlung des hypothetischen Invalideneinkommens gestützt auf die Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (LSE 2010, Tabelle TA3, Zentralwert Privater und öffentlicher Sektor, Wirtschaftszweig 86 "Gesundheitswesen" mit Anforderungsniveau 3), woraus nach Berücksichtigung des massgeblichen Arbeitspensums, einer betriebsüblichen wöchentlichen Arbeitszeit nach Wirtschaftsabteilungen und Anpassung an die Nominallohnentwicklung ein Jahreseinkommen von Fr. 36'244.90 resultiert. Die Beschwerdeführerin rügt indessen, dass die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, als sie der Beschwerdegegnerin einen Abzug von 10 % vom Tabellenlohn für die schmerzbedingt wiederholten Arbeitsausfälle gewährte, zumal dies rechtsprechungsgemäss kein eigenständiges Abzugskriterium darstelle.  
 
4.2. Der Beschwerdeführerin ist insofern beizupflichten, als nach der Rechtsprechung regelmässig wiederkehrende krankheitsbedingte Absenzen vom Arbeitsplatz grundsätzlich bei der Festlegung des zeitlich zumutbaren Umfangs der Arbeitsfähigkeit zu berücksichtigen sind (Urteile 8C_631/2017 vom 23. Januar 2018 E. 4.4.1, 9C_462/2007 vom 25. Januar 2008 E. 3.2.2). Diese Regel gilt indessen nicht ausnahmslos. Nicht vorhersehbare und schwer kalkulierbare Absenzen, wie sie durch Krankheitsschübe verursacht werden, können einen Tabellenlohnabzug rechtfertigen (Urteile 9C_414/2017 vom 21. September 2017 E. 4.3 und 9C_728/2009 vom 21. September 2010 E. 4.3.1).  
Gemäss dem polydisziplinären Gutachten der Medexperts AG vom 2. Juli 2015 bzw. den ergänzenden Angaben vom 4. und 27. September 2015 leidet die Versicherte seit der Whipple-Operation im Jahr 2011 unter rezidivierenden, intermittierenden Bauchbeschwerden. Aus gastroenterologischer Sicht bestehe eine nachgewiesene Pankreasinsuffizienz, trotz einer therapeutischen Substitutionstherapie mit Creon, welche eine gewisse Besserung sowohl der Bauchschmerzen als auch der Stuhlkonsistenz und -frequenz bewirkte. Nichtsdestotrotz komme es immer wieder zu abdominalen Beschwerden. Aufgrund der rezidivierenden abdominalen Beschwerden sei auch weiterhin mit wiederholten, krankheitsbedingten Ausfällen zu rechnen. Demnach handelt es sich vorliegend um Beschwerden, die naturgemäss unregelmässig auftreten und dadurch zu nicht vorhersehbaren und schwer kalkulierbaren Absenzen führen. Diesen wird gemäss der nicht offensichtlich unrichtigen Tatsachenfeststellung im angefochtenen Gerichtsentscheid bei der 50%igen Arbeitsfähigkeit noch nicht Rechnung getragen. Unter diesen Umständen gilt eine entsprechende Berücksichtigung als Abzug vom Tabellenlohn nicht als bundesrechtswidrig. 
 
5.   
Zusammenfassend hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, als sie beim Invalideneinkommen einen Abzug des Tabellenlohns berücksichtigte. In Bezug auf die Höhe des Abzugs hat sie ihr Ermessen auch nicht rechtsfehlerhaft ausgeübt, weshalb das Bundesgericht nicht korrigierend einzugreifen hat (vgl. 132 V 393 E. 3.3 S. 399, Urteil 9C_830/2017 vom 16. März 2018 E. 5). Im Übrigen wird die Invaliditätsberechnung von der Beschwerdeführerin nicht beanstandet, weshalb es damit sein Bewenden hat. Demzufolge ist die Beschwerde der IV-Stelle abzuweisen. 
 
6.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die unterliegende Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG) und der anwaltlich vertretenen Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 22. Mai 2018 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Elmiger-Necipoglu