Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
4A_265/2024
Urteil vom 22. Juli 2024
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Kiss, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterinnen Hohl, May Canellas,
Gerichtsschreiber Tanner.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas Rüd,
Beschwerdeführer,
gegen
Fabio Oetterli,
Handelsgericht,
Beschwerdegegner,
Bank B.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Pascal Hachem, Massimo Chiasera und Rechtsanwältin Martina Athanas,
weitere Verfahrensbeteiligte.
Gegenstand
Ausstand,
Beschwerde gegen den Beschluss des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 28. März 2024 (HG230116-O).
Sachverhalt:
A.
A.________ (Kläger, Beschwerdeführer) klagte beim des Kantons Zürich unter anderem wegen einer Persönlichkeitsverletzung gegen die Bank B.________ AG und die Bank C.________ AG (Beklagte, weitere Verfahrensbeteiligte).
Das führte in der Folge einen ersten Schriftenwechsel durch und lud anschliessend die Parteien auf den 19. Februar 2024 zu einer Vergleichsverhandlung vor. Dort schilderte Handelsrichter Fabio Oetterli den Parteien seine vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage. Unmittelbar danach stellte der Kläger gegen Handelsrichter Oetterli ein Ausstandsgesuch. Das wies dieses Gesuch mit Beschluss vom 28. März 2024 ab.
B.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt der Beschwerdeführer dem Bundesgeric ht, den Beschluss des Handelsgerichts vom 28. März 2024 aufzuheben. Handelsrichter Oetterli sei in Gutheissung seines Gesuchs vom 19. Februar 2024 in den Ausstand zu versetzen.
Während des bundesgerichtlichen Verfahrens übernahm die Bank B.________ AG die Bank C.________ AG. Alleinige weitere Verfahrensbeteiligte ist somit nur noch die Bank B.________ AG. Das Rubrum ist entsprechend anzupassen.
Der Beschwerdegegner, die weitere Verfahrensbeteiligte und die Vorinstanz verzichteten auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein Rechtsmittel zulässig ist (vgl. Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 149 III 277 E. 3.1; 148 IV 155 E. 1.1; 145 II 168 E. 1).
1.1. Die Beschwerde betrifft eine Zivilsache (Art. 72 BGG). Sie richtet sich gegen einen Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren (Art. 92 Abs. 1 BGG) eines Handelsgerichts, das als einzige kantonale Instanz entschieden hat (Art. 75 Abs. 2 lit. b BGG). Der Beschwerdeführer ist im vorinstanzlichen Verfahren mit seinen Anträgen unterlegen (Art. 76 Abs. 1 BGG). Er hat zudem die Beschwerdefrist von Art. 100 Abs. 1 BGG eingehalten. Für Beschwerden gegen Urteile kantonaler Handelsgerichte besteht kein Streitwerterfordernis (BGE 139 III 67 E. 1.2).
Unter Vorbehalt einer ausreichenden Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG ) ist daher auf die Beschwerde einzutreten.
1.2. Mit Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Die Beschwerde ist hinreichend zu begründen, ansonsten darauf nicht eingetreten werden kann (BGE 140 III 115 E. 2; 134 II 244 E. 2.1). In der Beschwerdeschrift ist in gedrängter Form dazulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Unerlässlich ist, dass auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingegangen und im Einzelnen aufgezeigt wird, worin eine vom Bundesgericht überprüfbare Rechtsverletzung liegt. Die beschwerdeführende Partei soll in der Beschwerde an das Bundesgericht nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im vorinstanzlichen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 148 IV 205 E. 2.6; 140 III 115 E. 2, 86 E. 2).
Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht prüft eine solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Macht die beschwerdeführende Partei beispielsweise eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) geltend, genügt es nicht, wenn sie einfach behauptet, der angefochtene Entscheid sei willkürlich; sie hat vielmehr im Einzelnen zu zeigen, inwiefern der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist (BGE 141 III 564 E. 4.1; 140 III 16 E. 2.1, 167 E. 2.1).
1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die Feststellungen über den streitgegenständlichen Lebenssachverhalt als auch jene über den Ablauf des vor- und erstinstanzlichen Verfahrens, also die Feststellungen über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 148 V 366 E. 3.3; 143 IV 241 E. 2.3.1; 140 III 115 E. 2). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein können (Art. 97 Abs. 1 BGG).
2.
Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz vor, sie habe zu Unrecht sein Ausstandsgesuch gegen Handelsrichter Oetterli abgewiesen.
2.1. Die Vorinstanz erwog, der Kläger kenne seit der Vorladung zur Vergleichsverhandlung die frühere Beziehung von Handelsrichter Oetterli zur Bank D.________ AG. Das Arbeitsverhältnis mit dieser Bank sei seit mehreren Jahren beendet. Soweit der Beschwerdeführer sein Ausstandsgesuch mit dem beruflichen Werdegang von Handelsrichter Oetterli begründe, sei dieses verspätet. Ein Handelsrichter dürfe sich aufgrund der Akten, seiner Fachkenntnisse und Erfahrung eine vorläufige Meinung der Streitsache bilden und diese an einem Vergleichsgespräch auch äussern. Eine solche vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage durch einen Fachrichter begründe keine Voreingenommenheit. Vielmehr liege gerade darin eine Stärke des Handelsgerichts. Es fehlten jegliche Anhaltspunkte, dass Handelsrichter Oetterli in einem späteren Verfahrensstadium nicht mehr entscheidoffen sein werde.
2.2. Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, entgegen der Vorinstanz habe er sein Ausstandsgesuch nicht alleine wegen der vormaligen Tätigkeit von Handelsrichter Oetterli bei der Bank D.________ AG gestellt. Der Beschwerdeführer stehe seit dem 14. November 2022 auf der Liste der Specially Designated Nationals and Blocked Persons des Office of Foreign Asset Control der Vereinigten Staaten von Amerika (USA). Diese Liste sei im Zusammenhang mit den Sanktionen gegen Russland erlassen worden. Die weitere Verfahrensbeteiligte habe ihn deswegen vom inländischen Zahlungsverkehr ausgeschlossen. Als Schweizer Bürger mit Wohnsitz in der Schweiz falle er indessen gar nicht unter diese amerikanischen Sanktionen. Die weitere Verfahrensbeteiligte verletze ihn daher mit ihrem rechtswidrigen Ausschluss vom Zahlungsverkehr in seinen Persönlichkeitsrechten.
Der Beschwerdeführer führt weiter aus, Handelsrichter Oetterli sei während seiner früheren Tätigkeit für die Bank D.________ AG in den Steuerstreit mit den USA involviert gewesen. Nach seiner Darstellung habe damals die amerikanische Justiz die Schweizer Banken erpresst. Seither betrachte Handelsrichter Oetterli die USA als kriminellen Unrechtsstaat, der sich an keine Regeln halte. Aufgrund seiner starken Antipathie gegenüber diesem Land hege er zugleich eine gewichtige Sympathie für die weitere Verfahrensbeteiligte. Folglich werde er den Ausschluss des Beschwerdeführers vom Zahlungsverkehr als ein von vornherein sachgerechtes Verhalten betrachten. Bei dieser Ausgangslage sei von ihm keine objektive und neutrale Beurteilung zu erwarten.
2.3.
2.3.1. Eine Gerichtsperson tritt in einem Zivilprozess in den Ausstand, wenn einer der in Art. 47 Abs. 1 lit. a-f ZPO umschriebenen Ausstandsgründe vorliegt. Zu prüfen ist, ob Handelsrichter Oetterli "aus anderen Gründen [...] befangen sein könnte" (Art. 47 Abs. 1 lit. f ZPO). Bei der Konkretisierung dieser Generalklausel sind die aus Art. 30 Abs. 1 BV fliessenden Grundsätze zu beachten (BGE 140 III 221 E. 4.2; 139 III 433 E. 2.2).
Nach Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, Anspruch darauf, dass ihre Streitsache von einem unbefangenen, unvoreingenommenen und unparteiischen Richter beurteilt wird. Es dürfen keine sachfremden Umstände, die ausserhalb des Prozesses liegen, in sachwidriger Weise zugunsten oder zulasten einer Partei auf das gerichtliche Urteil einwirken. Art. 30 Abs. 1 BV soll zu einer Entscheidoffenheit führen, wie sie für einen korrekten und fairen Prozess nötig ist und auf diese Weise ein gerechtes Urteil ermöglichen (BGE 149 I 14 E. 5.3.2; 147 III 89 E. 4.1; 144 I 159 E. 4.3).
Die Garantie des verfassungsmässigen Richters wird bereits verletzt, wenn bei objektiver Betrachtung Umstände vorliegen, die den Anschein der Befangenheit oder die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen. Voreingenommenheit und Befangenheit in diesem Sinne werden nach der Rechtsprechung angenommen, wenn im Einzelfall anhand aller tatsächlichen und verfahrensrechtlichen Umstände Gegebenheiten aufscheinen, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu erwecken. Dabei ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit hervorrufen. Für die Ablehnung wird nicht verlangt, dass der Richter tatsächlich befangen ist (BGE 149 I 14 E. 5.3.2; 147 III 89 E. 4.1; 142 III 732 E. 4.2.2).
Gemäss Art. 124 Abs. 3 ZPO kann das Gericht jederzeit versuchen, eine Einigung zwischen den Parteien herbeizuführen. An einem solchen Vergleichsgespräch darf das Gericht den Parteien seine vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage darlegen. Dies hat allerdings unter dem Vorbehalt der förmlichen Streitentscheidung zu geschehen (BGE 146 I 30 E. 2.4).
2.3.2. Die Vorinstanz lud den Beschwerdeführer und die weitere Verfahrensbeteiligte zu einer Vergleichsverhandlung vor. Die Gerichtsdelegation wies die Parteien zu Beginn dieser Verhandlung auf den vorläufigen Charakter ihrer Beurteilung hin. Handelsrichter Oetterli würdigte in der Folge die Prozesschancen offenbar anders, als es sich der Beschwerdeführer erhofft hatte. Eine solche abweichende Einschätzung begründet für sich alleine keinen Anschein der Befangenheit.
Zu prüfen bleibt einzig, ob Handelsrichter Oetterli mit seinen angeblichen Äusserungen zu den USA einen Ausstandsgrund setzte. Der Beschwerdeführer wirft Handelsrichter Oetterli vor, eine starke Antipathie gegenüber den USA zu empfinden. Er soll dieses Land als eigentlichen Unrechtsstaat bezeichnet haben, der geradezu erpresserisch, willkürlich und kriminell handle.
Aus dem angefochtenen Entscheid geht nicht hervor, dass Handelsrichter Oetterli sich dahingehend über die USA geäussert hat. Der Beschwerdeführer vermag diesbezüglich keine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung aufzuzeigen (s. oben E. 1.3).
2.3.3. Selbst wenn Handelsrichter Oetterli tatsächlich die USA für einen kriminellen Unrechtsstaat halten würde, könnte der Beschwerdeführer daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten. Die USA sind im handelsgerichtlichen Verfahren nicht Partei. Eine Antipathie gegenüber einer unbeteiligten Drittperson eines Verfahrens begründet für sich alleine keine Ausstandspflicht.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist bloss dann denkbar, wenn die Gerichtsperson aufgrund ihrer Antipathie gegenüber einer Drittperson eine bestimmte Verfahrenspartei bevorzugen oder benachteiligen könnte. Nach Darstellung des Beschwerdeführers soll Handelsrichter Oetterli eine "gewichtige Sympathie" für die weitere Verfahrensbeteiligte hegen. Der Beschwerdeführer lässt indessen offen, weshalb dies genau der Fall sein soll.
Die behauptete Sympathie erscheint ohnehin wenig plausibel, gerade wenn man auf die Ausführungen des Beschwerdeführers abstellt: Handelsrichter Oetterli kann nicht gleichzeitig einerseits die US-Sanktionen als das Werk eines erpresserischen Unrechtsstaates ablehnen und andererseits Sympathien empfinden für die besonders rigide Umsetzung dieser Sanktionen durch die weitere Verfahrensbeteiligte. Nach Auffassung des Beschwerdeführers soll die weitere Verfahrensbeteiligte nämlich, ohne dazu verpflichtet zu sein, deutlich über die Vorgaben der USA hinausgehen, indem sie auch Inlandzahlungen unterbindet. Es liegt hier ein Widerspruch in der beschwerdeführerischen Sachdarstellung vor.
Insgesamt fehlen Anhaltspunkte für eine Befangenheit von Handelsrichter Oetterli.
3.
Die Beschwerde ist demnach abzuweisen.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der weiteren Verfahrensbeteiligten steht keine Parteientschädigung zu, da ihr im bundesgerichtlichen Verfahren kein Aufwand entstanden ist (Art. 68 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der weiteren Verfahrensbeteiligten und dem des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 22. Juli 2024
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Kiss
Der Gerichtsschreiber: Tanner