Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_789/2023, 7B_790/2023  
 
 
Urteil vom 22. Juli 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Kölz, 
Gerichtsschreiberin Kern. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
7B_789/2023 
1. Beatrice Kolvodouris Janett, Staatsanwältin, p.A. Staatsanwaltschaft, 2. Abteilung, Schmiedgasse 21, Postfach 1201, 6431 Schwyz, 
2. Lukas Burlet, Präsident, 
p.A. Bezirksgericht Höfe, Postfach 136, 8832 Wollerau, 
Beschwerdegegner, 
 
und 
 
7B_790/2023 
1. Beatrice Kolvodouris Janett, Staatsanwältin, p.A. Staatsanwaltschaft, 2. Abteilung, Schmiedgasse 21, Postfach 1201, 6431 Schwyz, 
2. Urs Tschümperlin, ehemaliger Präsident, 
p.A. Kantonsgericht Schwyz, 
Kollegiumsstrasse 28, Postfach 2265, 6431 Schwyz, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Ausstand, 
 
Beschwerden gegen die Beschlüsse des Kantonsgerichts Schwyz, Kantonsgerichtsvizepräsident, vom 14. September 2023 (BEK 2022 160 und 161). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 22. bzw. 26. Februar 2021 erstattete A.________ Strafanzeige gegen Lukas Burlet, Präsident des Bezirksgerichts Höfe, und Urs Tschümperlin, ehemaliger Präsident des Kantonsgerichts Schwyz, wegen diverser Amtsdelikte im Zusammenhang mit einem vorangegangenen Zivilverfahren. Am 26. Juli 2021 forderte A.________ den Ausstand von Staatsanwältin Beatrice Kolvodouris Janett, die damals die beiden Strafverfahren gegen Lukas Burlet und Urs Tschümperlin leitete. A.________ leitete den Anschein ihrer Befangenheit insbesondere aus zwei angeblich grob fehlerhaften Beweisverfügungen vom 14. Juli 2021 ab. 
Das Kantonsgericht Schwyz trat in beiden Strafverfahren mit Verfügungen vom 4. Oktober 2021 nicht auf das Ausstandsgesuch ein, mit der Begründung, A.________ habe seinen Anspruch auf Ablehnung der Staatsanwältin verwirkt. Das Bundesgericht hiess die von A.________ dagegen erhobenen Beschwerden mit Urteil 1B_597/2021, 1B_598/2021 vom 27. Oktober 2022 teilweise gut, hob die Verfügungen vom 4. Oktober 2021 auf und wies die Sache an das Kantonsgericht zu neuer Entscheidung zurück. 
 
B.  
In der Folge schrieb das Kantonsgericht die beiden Ausstandsverfahren mit zwei Beschlüssen vom 14. September 2023 jeweils als gegenstandslos ab (Dispositiv-Ziffer 1), da Beatrice Kolvodouris Janett die Staatsanwaltschaft schon per 31. August 2021 verlassen habe. Es liess die Frage, ob Beatrice Kolvodouris Janett gewisse Verfahrensakten selbst hätte edieren sollen, anstatt sie von A.________ einzufordern, offen. Es prüfte hingegen, ob die von Beatrice Kolvodouris Janett erlassenen Beweisverfügungen vom 14. Juli 2021 wegen Befangenheit in Anwendung von Art. 60 Abs. 1 StPO aufzuheben seien, was es jeweils verneinte (Dispositiv-Ziffer 2). Ferner erlegte es A.________ in beiden Verfahren die Kosten von jeweils Fr. 750.- auf (Dispositiv-Ziffer 3) und wies sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege in beiden Verfahren ab (Dispositiv-Ziffer 4). 
 
C.  
A.________ erhebt vor Bundesgericht sowohl im Strafverfahren gegen Lukas Burlet (7B_789/2023) als auch im Strafverfahren gegen Urs Tschümperlin (7B_790/2023) Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, die Beschlüsse vom 14. September 2023 seien aufzuheben und das Ausstandsgesuch gegen Beatrice Kolvodouris Janett sei "mit allen Rechtsfolgen ex tunc" in beiden Verfahren gutzuheissen. Die Beweisverfügungen vom 14. Juli 2021 seien aufzuheben und gemäss Art. 60 StPO "neu zu beurteilen". Die von ihm übergebenen Verfahrensakten seien in beiden Verfahren als Beweismittel anzunehmen und rechtlich zu würdigen. Zudem sei er "als Opfer von Straftaten einzuvernehmen". In verfahrensrechtlicher Hinsicht beantragt er unter anderem, die beiden Verfahren zu vereinigen und ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. 
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der Beschwerdeführer hat im Strafverfahren gegen Lukas Burlet (7B_789/2023) und im Strafverfahren gegen Urs Tschümperlin (7B_790/2023) dieselben Ausstandsgründe gegen die Beschwerdegegnerin geltend gemacht. Die Vorinstanz schreibt beide Gesuche mit im Wesentlichen identischer Begründung als gegenstandslos ab. Der Beschwerdeführer hat sodann nur eine Beschwerdeschrift eingereicht, um damit beide Beschlüsse vom 14. September 2023 anzufechten. Aufgrund dieses engen Sachzusammenhangs sind die bundesgerichtlichen Verfahren 7B_789/2023 und 7B_790/2023 zu vereinigen (vgl. Art. 71 BGG in Verbindung mit Art. 24 Abs. 2 lit. b BZP [SR 273]; BGE 133 IV 215 E. 1). 
 
2.  
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob auf eine Beschwerde eingetreten werden kann (Art. 29 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 148 IV 275 E. 1.1; 148 I 160 E. 1; je mit Hinweis). Die Sachurteilsvoraussetzungen sind in der Beschwerdeschrift ausreichend zu substanziieren, soweit sie nicht offensichtlich erfüllt erscheinen (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; vgl. BGE 148 IV 155 E. 1.1; 141 IV 289 E. 1.3; je mit Hinweisen). 
 
3.  
 
3.1. Angefochten sind zwei selbstständig eröffnete kantonal letztinstanzliche Entscheide in einer strafrechtlichen Angelegenheit, in der die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 78 ff. BGG grundsätzlich offensteht. Es handelt sich um Zwischenentscheide, die das Strafverfahren gegen Lukas Burlet und Urs Tschümperlin nicht abschliessen.  
 
3.2. Vor- und Zwischenentscheide sind nur unter den Voraussetzungen von Art. 92 und 93 BGG anfechtbar. Die selbstständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden bildet eine Ausnahme vom Grundsatz, dass sich das Bundesgericht mit jeder Angelegenheit nur einmal befassen und diese hierbei insgesamt beurteilen soll. Sie ist nach der Rechtsprechung restriktiv zu handhaben (BGE 140 V 321 E. 3.6; Urteil 7B_470/2024 vom 15. Mai 2024 E. 1.3). Gemäss Art. 92 BGG ist die Beschwerde gegen selbstständig eröffnete Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren zulässig (Abs. 1). Diese Entscheide können später nicht mehr angefochten werden (Abs. 2). Gegen andere selbstständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde insbesondere zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Beim drohenden nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne dieser Bestimmung muss es sich um einen solchen rechtlicher Natur handeln. Ein lediglich tatsächlicher Nachteil wie die Verteuerung oder Verlängerung des Verfahrens genügt nicht. Nicht wieder gutzumachend bedeutet, dass er auch mit einem für die beschwerdeführende Person günstigen Endentscheid nicht oder nicht vollständig behoben werden kann (BGE 148 IV 155 E. 1.1; 144 IV 321 E. 2.3; je mit Hinweisen).  
Wird mit einem Zwischenentscheid nicht über ein Ausstandsbegehren entschieden, sondern nur über die Frage, ob infolge eines Ausstands Amtshandlungen, an denen die vom Ausstandsgesuch betroffene Person mitgewirkt hat, in Anwendung von Art. 60 Abs. 1 StPO aufgehoben und wiederholt werden müssen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts für das Eintreten nicht Art. 92 BGG, sondern Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG massgebend (BGE 144 IV 90 E. 1.1.1; Urteil 1B_29/2016, 1B_33/2016, 1B_35/2016, 1B_37/2016 vom 23. Mai 2016 E. 2.2; je mit Hinweisen). 
 
3.3. Der Beschwerdeführer setzt sich in seiner Beschwerdeschrift nicht mit der Frage der Zulässigkeit seiner Beschwerden gegen die beiden angefochtenen Zwischenentscheide auseinander und kommt somit seiner Begründungsobliegenheit nicht nach. Dass die Voraussetzungen von Art. 92 f. BGG erfüllt wären, ist aber auch nicht ersichtlich:  
Die Vorinstanz entscheidet formell nicht über den Ausstand von Staatsanwältin Kolvodouris Janett, sondern nur darüber, ob Amtshandlungen, an denen sie als Staatsanwältin mitgewirkt hat, nach Art. 60 Abs. 1 StPO aufgehoben und wiederholt werden müssen. Der Beschwerdeführer beantragt im Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht zwar weiterhin den Ausstand von Staatsanwältin Kolvodouris Janett, nimmt jedoch auf den Entscheid der Vorinstanz, das Ausstandsgesuch als gegenstandslos abzuschreiben, keinen Bezug. Bei dieser Sachlage gelangt Art. 92 Abs. 1 BGG nach der zitierten Rechtsprechung nicht zur Anwendung. 
Damit bleibt die Frage, ob dem Beschwerdeführer durch die angefochtenen Entscheide ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a droht. Dies ist zu verneinen, denn dass die von Staatsanwältin Kolvodouris Janett erhobenen Beweismittel, deren Verwertbarkeit vom Beschwerdeführer bestritten wird, in den Akten verbleiben, begründet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts, jedenfalls für sich allein, noch keinen Nachteil rechtlicher Natur (vgl. BGE 141 IV 284 E. 2.2; 289 E. 1.2; je mit Hinweisen). Die beiden Beschwerden an das Bundesgericht sind somit nicht zulässig. 
 
4.  
Auf die Beschwerden ist nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, da sich die Beschwerde als offensichtlich aussichtslos erweist (Art. 64 BGG). Den finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers wird bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung getragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die bundesgerichtlichen Verfahren 7B_789/2023 und 7B_790/2023 werden vereinigt. 
 
2.  
Auf die Beschwerden wird nicht eingetreten. 
 
3.  
Die Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege werden abgewiesen. 
 
4.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Schwyz, Kantonsgerichtsvizepräsident, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. Juli 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Die Gerichtsschreiberin: Kern