Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 214/05 
 
Urteil vom 22. August 2005 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung; Gerichtsschreiber Hadorn 
 
Parteien 
L.________, 1946, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Barbara Wyler, Zürcherstrasse 191, 8500 Frauenfeld, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Thurgau, St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, Weinfelden 
 
(Entscheid vom 24. Januar 2005) 
 
Sachverhalt: 
A. 
L.________ (geb. 1946) meldete sich im März 1999 zum Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung an. Mit Verfügungen vom 20. Juni 2000 lehnte die IV-Stelle für Versicherte im Ausland sowohl die Zusprache von beruflichen Massnahmen wie einer Rente ab. 
B. 
Die dagegen erhobenen Beschwerden hiess die Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen mit Entscheid vom 29. Juli 2002 gut und wies die Sache zu näheren Abklärungen im Sinne der Erwägungen an die Verwaltung zurück. 
C. 
Mit Verfügung vom 25. August 2004 erhielt L.________ von der IV-Stelle für Versicherte im Ausland gestützt auf einen Beschluss der IV-Stelle des Kantons Thurgau eine halbe IV-Rente ab 1. Juni 1999 zugesprochen. Hiegegen erhob er Einsprache und beantragte die Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung für das Einspracheverfahren. Mit Einspracheentscheid vom 13. Oktober 2004 hiess die IV-Stelle des Kantons Thurgau die Einsprache gut, lehnte aber mit Verfügung vom 14. Oktober 2004 die Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung ab. 
D. 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 24. Januar 2005 ab. Sie verweigerte L.________ überdies die unentgeltliche Verbeiständung auch für den kantonalen Prozess. 
E. 
L.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es sei ihm die unentgeltliche Verbeiständung für das Einspracheverfahren zu erteilen. Dasselbe Begehren stellt er auch für das kantonale Verfahren und den Prozess vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht. 
 
Die IV-Stelle des Kantons Thurgau und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die strittige Verfügung hat nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen zum Gegenstand. Das Eidgenössische Versicherungsgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
2. 
Die kantonale Rekurskommission hat die gesetzlichen Bestimmungen zur unentgeltlichen Verbeiständung, insbesondere im Verwaltungsverfahren (Art. 37 Abs. 1 und 4 ATSG) und die dazu ergangene Rechtsprechung (BGE 125 V 34 Erw. 2) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
3. 
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch des Versicherten auf unentgeltliche Verbeiständung im Einsprache- und im kantonalen Verfahren. 
3.1 Der verfassungsmässige Anspruch auf unentgeltliche anwaltliche Verbeiständung besteht nicht voraussetzungslos. Verlangt ist in jedem Falle die Bedürftigkeit des Rechtsuchenden und die Nichtaussichtslosigkeit des verfolgten Verfahrensziels. Entscheidend ist darüber hinaus die sachliche Gebotenheit der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung im konkreten Fall (BGE 125 V 35 Erw. 4b mit Hinweisen). Es sind die Umstände des Einzelfalls, die Eigenheiten der anwendbaren Verfahrensvorschriften sowie die Besonderheiten des jeweiligen Verfahrens zu berücksichtigen. Dabei fallen neben der Komplexität der Rechtsfragen und der Unübersichtlichkeit des Sachverhalts auch in der Person des Betroffenen liegende Gründe in Betracht, wie etwa seine Fähigkeit, sich im Verfahren zurechtzufinden (Schwander, Anmerkung zu BGE 122 I 8, in: AJP 1996 S. 495). Falls ein besonders starker Eingriff in die Rechtsstellung des Bedürftigen droht, ist die Verbeiständung grundsätzlich geboten, andernfalls bloss, wenn zur relativen Schwere des Falls besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten hinzukommen, denen der Gesuchsteller alleine nicht gewachsen ist (BGE 125 V 36 Erw. 4b mit Hinweisen). Die sachliche Notwendigkeit wird nicht allein dadurch ausgeschlossen, dass das in Frage stehende Verfahren von der Offizialmaxime oder dem Untersuchungsgrundsatz beherrscht wird, die Behörde also gehalten ist, an der Ermittlung des rechtserheblichen Sachverhaltes mitzuwirken (BGE 125 V 36 Erw. 4b mit Hinweisen). Die Offizialmaxime rechtfertigt es jedoch, an die Voraussetzungen, unter denen eine Verbeiständung durch einen Rechtsanwalt sachlich geboten ist, einen strengen Massstab anzulegen (BGE 125 V 36 Erw. 4b in fine mit Hinweisen). 
3.2 Gemäss Protokoll vom 2. September 2004 hat der Versicherte die IV-Stelle des Kantons Thurgau persönlich aufgesucht und mündlich Einsprache erhoben. Am 4. Oktober 2004 reichte seine Rechtsvetreterin eine begründete Einspracheschrift nach, worin sie eine ganze IV-Rente verlangte. Darin machte die Anwältin geltend, die Verwaltung habe dem Rückweisungsentscheid der Eidgenössischen Rekurskommission vom 29. Juli 2002 nicht Folge geleistet. Einerseits sei die Frage, ob der Versicherte Anspruch auf berufliche Massnahmen habe, in der Verfügung vom 25. August 2004 gar nicht beantwortet worden. Anderseits sei die Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit nicht genügend abgeklärt worden. Zudem verstehe der Beschwerdeführer die deutsche Sprache nicht sehr gut. Daher sei er auf eine anwaltliche Vertretung angewiesen. 
3.3 In der Verfügung vom 14. Oktober 2004 erwog die IV-Stelle des Kantons Thurgau zur Ablehnung der unentgeltlichen Verbeiständung, aus den Akten ergebe sich, dass der Versicherte der deutschen Sprache ausreichend mächtig sei. Er habe selbstständig eine mündliche Einsprache erheben und sie auch begründen können. Dies sei vollkommen ausreichend, um eine Überprüfung seines Falles durch die Verwaltung zu erwirken. Ausserdem hätte der Beschwerdeführer statt seiner Anwältin eine unentgeltlich arbeitende Beratungsstelle konsultieren können. 
3.4 Vorliegend fällt ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer bereits im Prozess vor der Eidgenössischen Rekurskommission durch seine Anwältin (unentgeltlich) verbeiständet war. Die Vertreterin war daher mit seinem Fall bestens vertraut, weshalb es nicht ohne weiteres einzuleuchten vermag, dass sich der Versicherte nach Erhalt der Rentenverfügung nunmehr an eine Drittstelle hätte wenden sollen. Hinzu kommt, dass er zwar selbst mündlich Einsprache erhoben, diese aber nur sehr rudimentär begründet hat. Dabei ist zu beachten, dass es nicht bloss um eine Rente, sondern zusätzlich um berufliche Massnahmen ging. Diesen letzteren Punkt hat der Versicherte in der mündlichen Einsprache nicht erwähnt. Es ist durchaus denkbar, dass er sich dessen nicht bewusst war. Zudem trifft der Einwand der Rechtsvertreterin zu, dass die IV-Stelle des Kantons Thurgau in der Rentenverfügung den Anspruch auf berufliche Massnahmen entgegen den Anweisungen im Entscheid der Eidgenössischen Rekurskommission überhaupt nicht abgehandelt hat. Sodann äusserte sich die Verfügung vom 25. August 2004 wohl ausführlich zum Erwerbsvergleich, jedoch kaum zu den medizinischen Akten. Es war jedoch nicht leicht nachvollziehbar, weshalb die IV-Stelle eine Restarbeitsfähigkeit von 60 % in einer angepassten Tätigkeit angenommen hat. Diese Einschätzung findet sich im Gutachten von Dr. med. F.________, Facharzt für Orthopädische Chirurgie FMH, vom 16. Juni 2003 nämlich nicht. Sie beruht vielmehr auf einer verwaltungsintern getroffenen Annahme des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) vom 14. Juni 2004. Unter solchen Umständen kann nicht gesagt werden, dass das nunmehr seit Jahren pendente Verfahren einem Laien wie dem Versicherten keine besonderen Schwierigkeiten geboten hätte. In Würdigung der gesamten Aspekte des vorliegenden Falles hat die IV-Stelle daher Bundesrecht verletzt, als sie eine anwaltliche Verbeiständung im Einspracheverfahren als nicht erforderlich erachtete. 
3.5 Von den übrigen Voraussetzungen für die unentgeltliche Verbeiständung (Bedürftigkeit, Einsprache nicht von vornherein aussichtslos; vgl. BGE 125 V 202 Erw. 4a) ist die Bedürftigkeit bisher nicht geprüft worden, während sich die Frage der Nichtaussichtslosigkeit nach der Gutheissung der Einsprache vom 13. Oktober 2004 von selbst beantwortet hat. Die IV-Stelle wird die Bedürftigkeit prüfen und dem Versicherten bejahendenfalls die unentgeltliche Verbeiständung für das Einspracheverfahren gewähren. 
4. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Verbeiständung für das kantonale Verfahren gegenstandslos. Da er im letztinstanzlichen Prozess obsiegt, wird ihm die Vorinstanz eine entsprechende Parteientschädigung zu Lasten der IV-Stelle zuzusprechen haben. 
5. 
Streitigkeiten im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Verbeiständung sind grundsätzlich kostenfrei (SVR 2002 AlV Nr. 3 S. 7 Erw. 5). Da der Beschwerdeführer obsiegt, ist sodann auch sein Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung für das vorliegende Verfahren gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau vom 24. Januar 2005 und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Thurgau vom 14. Oktober 2004 aufgehoben, und es wird die Sache an die IV-Stelle des Kantons Thurgau zurückgewiesen, damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die IV-Stelle des Kantons Thurgau hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Entschädigung von Fr. 2000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau wird über eine Entschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, der Ausgleichskasse des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 22. August 2005 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: 
i.V.