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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_302/2019  
 
 
Urteil vom 22. August 2019  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Abrecht, 
Gerichtsschreiberin Betschart. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich, Zürcherstrasse 8, 8400 Winterthur, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Protekta Rechtsschutz-Versicherung AG, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung (Einstellung in der Anspruchsberechtigung, Einstellungsdauer), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 2. April 2019 (AL.2018.00015). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, geboren 1986, arbeitete seit dem 6. Februar 2017 als Leitende Medizinische Praxisassistentin bei der Praxis B.________ GmbH in C.________ in einem Pensum von 60 %. Mit Schreiben vom 20. September 2017 kündigte sie das Arbeitsverhältnis per 31. Oktober 2017. Am 9. Oktober 2017 beantragte sie Arbeitslosenentschädigung ab 1. November 2017 und meldete sich am 19. Oktober 2017 beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) Winterthur zur Arbeitsvermittlung an. Mit Verfügung vom 8. November 2017 stellte die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich A.________ wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit für 31 Tage in der Anspruchsberechtigung ein. In teilweiser Gutheissung der dagegen erhobenen Einsprache reduzierte sie die Einstellungsdauer im Entscheid vom 8. Dezember 2017 auf 26 Tage. 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 2. April 2019 teilweise gut und änderte den Einspracheentscheid vom 8. Dezember 2017 dahingehend ab, als es die Dauer der Einstellung in der Anspruchsberechtigung auf 13 Tage reduzierte. 
 
C.   
Die Arbeitslosenkasse führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei der Einspracheentscheid vom 8. Dezember 2017 zu bestätigen. 
A.________, das Sozialversicherungsgericht und das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) verzichteten auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht (Art. 95 lit. a BGG), einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens (vgl. BGE 132 V 292 E. 3.3 S. 399), sowie eine offensichtlich unrichtige oder auf einer Verletzung von Art. 95 beruhende Sachverhaltsfeststellung (Art. 97 Abs. 1 BGG) gerügt werden. Eine Angemessenheitskontrolle ist dem Bundesgericht verwehrt; es überprüft zwar frei, ob der angefochtene Akt verhältnismässig ist (BGE 134 V 153 E. 4.2 S. 157), hingegen kann es nicht sein eigenes Ermessen - im Sinne einer Überprüfung der Zweckmässigkeit (Opportunität) - an die Stelle desjenigen der zuständigen Behörden setzen (BGE 124 II 114 E. 1b S. 116 mit Hinweisen; Urteil 9C_582/2018 vom 18. Januar 2019 E. 1). 
 
2.   
Nicht mehr strittig ist vorliegend, dass ein Selbstverschulden vorliegt, indem die Versicherte kündigte, bevor ihr eine neue Anstellung zugesichert worden war, zumal nicht ausgewiesen ist, dass ihr die Weiterführung der bisherigen Tätigkeit bis zur Zusicherung einer neuen Stelle unzumutbar gewesen wäre. Streitig und zu prüfen ist hingegen, ob die Vorinstanz mit der Reduktion der im Einspracheentscheid festgesetzten Einstellungsdauer von 26 auf 13 Tage Bundesrecht verletzt hat. 
Die Arbeitslosenkasse wirft der Vorinstanz vor, sie habe ihr Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt. 
 
3.   
 
3.1. Die Dauer der Einstellung in der Anspruchsberechtigung bemisst sich nach dem Grad des Verschuldens und beträgt je Einstellungsgrund höchstens 60 Tage (Art. 30 Abs. 3 AVIG). Der Bundesrat kann eine Mindestdauer der Einstellung vorschreiben (Art. 30 Abs. 3bis AVIG). Die Einstellung dauert nach Art. 45 Abs. 3 AVIV bei leichtem Verschulden ein bis 15 Tage (lit. a), bei mittelschwerem Verschulden 16 bis 30 Tage (lit. b) und bei schwerem Verschulden 31 bis 60 Tage (lit. c).  
 
3.2. Nach Art. 45 Abs. 4 lit. a AVIV ist die Aufgabe einer zumutbaren Arbeitsstelle ohne Zusicherung einer neuen Arbeitsstelle ohne entschuldbaren Grund in der Regel als schweres Verschulden zu qualifizieren und demnach mit einer Einstellungsdauer von 31 bis 60 Tagen zu sanktionieren. Liegen besondere Umstände im Einzelfall vor, kann dieser Rahmen unterschritten werden. Vorausgesetzt ist dabei ein entschuldbarer Grund, der das Verschulden nicht als schwer, sondern lediglich als mittelschwer oder leicht, erscheinen lässt. Dieser kann die subjektive Situation der betroffenen Person oder eine objektive Gegebenheit (z.B. Befristung der Stelle) beschlagen. Auch ist das Gesamtverhalten der versicherten Person mit einzubeziehen, wozu beispielsweise eine bereits vor der Kündigung begonnene Stellensuche zählen kann (vgl. Urteil 8C_522/2018 vom 25. Juni 2019 E. 4.4). Wenn ein solcher Grund vorliegt, ist Art. 45 Abs. 4 AVIV nicht anwendbar und die Einstellungsdauer bemisst sich nach der allgemeinen Regel des Art. 30 Abs. 3 Satz 3 AVIG (BGE 130 V 125 E. 3.5 S. 131; THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 2524, Rz. 863 f.). Damit wird auch dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit Rechnung getragen (vgl. NUSSBAUMER, a.a.O., S. 2525 Rz.866; Urteile 8C_522/2018 vom 25. Juni 2019 E. 4.4; 8C_2/2012 vom 14. Juni 2012 E. 3.2).  
 
3.3.   
 
3.3.1. Die Festlegung der Einstellungsdauer beschlägt eine typische Ermessensfrage, deren Beantwortung letztinstanzlicher Korrektur nur mehr dort zugänglich ist, wo das kantonale Gericht sein Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, also bei Ermessensüberschreitung oder -unterschreitung sowie bei Ermessensmissbrauch (BGE 137 V 71 E. 5.1 S. 72 f.; Urteil 8C_528/2018 vom 18. Januar 2019 E. 4.2 mit Hinweisen). Ermessensmissbrauch ist gegeben, wenn die Behörde zwar im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens bleibt, sich aber von unsachlichen, dem Zweck der massgebenden Vorschriften fremden Erwägungen leiten lässt, oder allgemeine Rechtsprinzipien, wie das Verbot von Willkür und von rechtsungleicher Behandlung, das Gebot von Treu und Glauben sowie den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verletzt (BGE 143 V 369 E. 5.4.1 S. 379). Dagegen liegt Ermessensüberschreitung vor, wenn die Behörde Ermessen walten lässt, wo ihr das Gesetz keines einräumt, oder wo sie statt zweier zulässiger Lösungen eine dritte wählt. In diesem Zusammenhang ist auch die Ermessensunterschreitung bedeutsam, die darin besteht, dass die entscheidende Behörde sich als gebunden betrachtet, obschon sie nach Gesetz berechtigt wäre, nach Ermessen zu handeln, oder dass sie auf Ermessensausübung ganz oder teilweise von vornherein verzichtet (BGE 137 V 71 E. 5.2 S. 73; 116 V 307 E. 2 S. 310; Urteil 8C_556/2016 vom 23. November 2016 E. 4.1, in: ARV 2016 S. 308).  
 
3.3.2. Im Gegensatz zur Kognition des Bundesgerichts ist diejenige der Vorinstanz in diesem Zusammenhang nicht auf Rechtsverletzung beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf die Beurteilung der Angemessenheit der Verwaltungsverfügung (BGE 137 V 71 E. 5.2 S. 73). Bei der Angemessenheit geht es um die Frage, ob der zu überprüfende Entscheid, den die Behörde nach dem ihr zustehenden Ermessen im Einklang mit den allgemeinen Rechtsprinzipien in einem konkreten Fall getroffen hat, nicht zweckmässigerweise anders hätte ausfallen sollen. Allerdings darf das kantonale Gericht sein Ermessen nicht ohne triftigen Grund an die Stelle desjenigen der Verwaltung setzen; es muss sich somit auf Gegebenheiten abstützen können, die seine abweichende Ermessensausübung als naheliegender erscheinen lassen (BGE 137 V 71 E. 5.2 S. 73; 126 V 75 E. 6 S. 81; Urteil 8C_327/2018 vom 31. August 2018 E. 3.4).  
 
4.   
 
4.1. Zur Beurteilung des Verschuldens und der Einstellungsdauer erwog die Vorinstanz, dass die Beschwerdeführerin zu Recht die persönlichen Verhältnisse der Versicherten als Mutter zweier Kleinkinder mit medizinischen Beeinträchtigungen sowie die nicht idealen Arbeitsbedingungen an der aufgegebenen Stelle verschuldensmindernd gewertet habe. Hingegen habe die Beschwerdeführerin die Zwischenverdiensttätigkeit, die die Beschwerdegegnerin per 1. November 2017 bei der D.________ aufgenommen habe, im Rahmen des Verschuldens nicht berücksichtigt. Zwar sei der entsprechende Arbeitsvertrag erst am 13./14. November 2017 unterzeichnet worden. Als Vertrags- bzw. Arbeitsbeginn werde dort jedoch der 1. November 2017 genannt, und dieser ergebe sich auch aus der Bescheinigung über den Zwischenverdienst vom 5. Dezember 2017. Die Versicherte habe in dieser Tätigkeit ab November 2017 namhafte Zwischenverdienste erzielt und so zur Schadenminderung beigetragen, was bei der Bemessung der Einstellungsdauer zu berücksichtigen sei (Urteil C 351/05 vom 3. Juli 2006 E. 3.4; vgl. auch Urteil C 134/06 vom 19. September 2006 E. 3.2). Daher sei insgesamt von einem leichten Verschulden auszugehen (vgl. auch Urteil C 134/06 vom 19. September 2006 E. 3.2), so dass die Einstelltage von 26 auf 13 Tage zu reduzieren seien.  
 
4.2. Dass die Beschwerdegegnerin die Tätigkeit im Zwischenverdienst bereits am 1. November 2017, und damit unmittelbar anschliessend an das Ende des vorherigen Arbeitsvertrags, aufnehmen konnte, zeigt, dass sie sich noch während des laufenden Arbeitsverhältnisses um eine neue Anstellung bemüht hatte (wenn auch ihre Anstrengungen im Einzelnen nicht belegt sind). Immerhin hatte sie die Arbeitslosenkasse bereits im Fragebogen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitnehmerin (datiert vom 17. Oktober 2017, Posteingang 1. November 2017) auf den Zwischenverdienst hingewiesen. Dass die Vorinstanz das Verschulden der Versicherten vor diesem Hintergrund nurmehr als leicht bewertete, erweist sich nicht als bundesrechtswidrig. Da die Arbeitslosenkasse diese Umstände nicht berücksichtigt hatte, hatte die Vorinstanz entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin gleichzeitig einen triftigen Grund, in das Verwaltungsermessen einzugreifen. In der Herabsetzung der Einstellungsdauer von 26 auf 13 Tage liegt keine Ermessensüber- oder -unterschreitung, so dass kein Raum bleibt für eine letztinstanzliche Korrektur. Die Beschwerde ist abzuweisen.  
 
5.   
Die gemäss Art. 65 Abs. 4 lit. a BGG zu erhebenden Gerichtskosten werden dem Ausgang des Verfahrens entsprechend der Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG; BGE 133 V 637). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 22. August 2019 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Betschart