Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B_920/2023
Urteil vom 22. August 2024
I. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin,
Bundesrichter Muschietti,
nebenamtliche Bundesrichterin Wasser-Keller,
Gerichtsschreiberin Frey Krieger.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Max Imfeld,
Beschwerdeführerin,
gegen
1. Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell I.Rh., Unteres Ziel 20, 9050 Appenzell,
2. B.________,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Mehrfacher Betrug; Anspruch auf Konfrontation; Willkür,
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Appenzell Innerrhoden, Präsidium, vom 18. Januar 2023 (KE 10-2022).
Sachverhalt:
A.
Der Präsident des Bezirksgerichts Appenzell Innerrhoden verurteilte A.________ auf Einsprache gegen den zur Anklage erhobenen Strafbefehl am 27. Januar 2022 wegen mehrfachen Betrugs zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je Fr. 10.-- bei einer Probezeit von drei Jahren und auferlegte ihr die Verfahrenskosten.
B.
Die dagegen von A.________ erhobene Berufung und die Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft Appenzell Innerrhoden wies das Präsidium des Kantonsgerichts Appenzell Innerrhoden mit Urteil vom 18. Januar 2023 ab und bestätigte das erstinstanzliche Urteil.
C.
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Appenzell Innerrhoden sei aufzuheben und sie sei freizusprechen. Ferner ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung.
D.
Weder das Kantonsgericht, noch die Staatsanwaltschaft noch B.________ lassen sich vernehmen.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerdeführerin rügt die Verletzung des Anspruchs auf Konfrontation und eine willkürliche Feststellung des Sachverhalts.
Sie macht geltend, das angebliche Opfer, der Beschwerdegegner, sei nur einmal, mithin anlässlich der Anzeigeerstattung am 25. Mai 2016 durch die Kantonspolizei befragt worden. Sie habe keine Vorladung erhalten und sei über die Einvernahme nicht informiert worden. Eine staatsanwaltschaftliche Einvernahme des Beschwerdegegners sei nie erfolgt. Zwar habe sie den Antrag auf Konfrontationseinvernahme erst im Berufungsverfahren, zufolge der vollen Kognition der Berufungsinstanz aber nicht verspätet gestellt, zumal sie im Untersuchungsverfahren nicht verteidigt gewesen sei. Damit seien die vom Beschwerdegegner anlässlich der polizeilichen Befragung gemachten Aussagen nicht verwertbar. Die ganze Untersuchung und insbesondere die ihr anlässlich der Einvernahmen und dabei namentlich anlässlich der Berufungsverhandlung gemachten Vorhalte bezögen sich auf eben diese Aussagen des Beschwerdegegners, womit die gesamte Untersuchung kontaminiert sei.
2.
2.1.
2.1.1. Gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO haben die Parteien das Recht, bei Beweiserhebungen durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte anwesend zu sein und einvernommenen Personen Fragen zu stellen. Dieses spezifische Teilnahme- und Mitwirkungsrecht fliesst aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 107 Abs. 1 lit. b StPO). Es darf nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen eingeschränkt werden (Art. 101 Abs. 1, Art. 108, Art. 146 Abs. 4 und Art. 149 Abs. 2 lit. b StPO ; BGE 143 IV 397 E. 3.3.1; 141 IV 220 E. 4.4; 139 IV 25 E. 4.2 mit Hinweis). Nach Art. 147 Abs. 4 StPO dürfen Beweise, die in Verletzung der Bestimmungen von Art. 147 StPO erhoben worden sind, nicht zulasten der Partei verwendet werden, die nicht anwesend war (BGE 143 IV 397 E. 3.3.1, 143 IV 457 E. 1.6.1; 139 IV 25 E. 4.2 und 5.4.1; Urteil 6B_92/2022 vom 5. Juni 2024 E. 1.6.3 [zur Publikation bestimmt]; Urteile 6B_224/2023 vom 26. Oktober 2023 E. 3.4.2; 6B_172/2023 vom 24. Mai 2023 E. 2.3; je mit Hinweisen).
2.1.2. Der in Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK garantierte Anspruch der beschuldigten Person, den Belastungszeugen Fragen zu stellen, ist ein besonderer Aspekt des Rechts auf ein faires Verfahren. Er wird als Konkretisierung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) auch durch Art. 32 Abs. 2 BV gewährleistet. Eine belastende Zeugenaussage ist grundsätzlich nur verwertbar, wenn die beschuldigte Person wenigstens einmal während des Verfahrens angemessene und hinreichende Gelegenheit hatte, das Zeugnis in Zweifel zu ziehen und Fragen an den Belastungszeugen zu stellen (BGE 140 IV 172 E. 1.3; 133 I 33 E. 3.1; 131 I 476 E. 2.2; je mit Hinweisen). Dies gilt auch für die Einvernahme von Auskunftspersonen (Urteil 6B_92/2022 vom 5. Juni 2024 E. 1.6.3.2 [zur Publikation bestimmt]; Urteile 6B_426/2023 vom 16. August 2023 E. 2.1.2; 6B_1092/2022 vom 9. Januar 2023 E. 2.3.3; 6B_14/2021 vom 28. Juli 2021 E. 1.3.4; je mit Hinweisen). Damit die Verteidigungsrechte gewahrt sind, muss die beschuldigte Person namentlich in der Lage sein, die Glaubhaftigkeit einer Aussage prüfen und den Beweiswert in kontradiktorischer Weise auf die Probe und infrage stellen zu können (BGE 133 I 33 E. 3.1; 131 I 476 E. 2.2; 129 I 151 E. 4.2; je mit Hinweisen). Dies setzt in aller Regel voraus, dass sich der Einvernommene in Anwesenheit der beschuldigten Person (nochmals) zur Sache äussert (Urteil 6B_92/2022 vom 5. Juni 2024 E. 1.6.3.2 [zur Publikation bestimmt]; Urteile 6B_426/2023 vom 16. August 2023 E. 2.1.2; 6B_999/2022 vom 15. Mai 2023 E. 3.1.1.; 6B_1092/2022 vom 9. Januar 2023 E. 2.3.3; 6B_415/2021 vom 11. Oktober 2021 E. 2.3.5; 6B_14/2021 vom 28. Juli 2021 E. 1.3.4; 6B_1003/2020 vom 21. April 2021 E. 2.2; je mit Hinweisen).
Dem Anspruch gemäss Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK kommt grundsätzlich absoluter Charakter zu (BGE 140 IV 172 E. 1.3 und 1.5; 133 I 33 E. 3.1; 131 I 476 E. 2.2; je mit Hinweisen). Die Fragen an den Belastungszeugen dürfen auch nicht im Rahmen einer antizipierten Beweiswürdigung für entbehrlich erklärt werden (BGE 129 I 151 E. 4.3; Urteile 6B_1424/2021 vom 5. Oktober 2023 E. 2.3; 6B_1137/2020 vom 17. April 2023 E. 1.4.2.1; 6B_1454/2022 vom 20. März 2023 E. 2.3.4; 6B_517/2022 vom 7. Dezember 2022 E. 2.1.1). Von einer direkten Konfrontation der beschuldigten Person mit dem Belastungszeugen oder auf dessen ergänzende Befragung kann nur abgesehen werden, wenn besondere Umstände vorliegen, mithin wenn eine persönliche Konfrontation nicht (mehr) möglich oder eine Beschränkung des Konfrontationsrechts dringend notwendig ist (Urteile 6B_999/2022 vom 15. Mai 2023 E. 3.1.1. mit Hinweis auf 6B_517/2022 vom 7. Dezember 2022 E. 2.1.1; 6B_699/2018 vom 7. Februar 2019 E. 1.3). Die Verwertbarkeit der ursprünglichen Aussage erfordert dann allerdings, dass der Beschuldigte zum streitigen Zeugnis hinreichend Stellung nehmen konnte, die Aussagen sorgfältig geprüft werden und ein Schuldspruch sich nicht allein darauf abstützt, d.h. der belastenden Aussage nicht ausschlaggebende Bedeutung zukommt bzw. sie nicht den einzigen oder einen wesentlichen Beweis darstellt. Ausserdem darf der Umstand, dass der Angeschuldigte seine Rechte nicht (rechtzeitig) wahrnehmen konnte, nicht in der Verantwortung der Behörde liegen (BGE 131 I 476 E. 2.2 und 2.3.4). Ausnahmsweise kann ein streitiges Zeugnis von ausschlaggebender Bedeutung ohne Konfrontation mit Belastungszeugen verwertbar sein (vgl. Urteil 6B_92/2022 vom 5. Juni 2024 E. 1.6.3.2 [zur Publikation bestimmt]: Urteil 6B_1137/2020 vom 17. April 2023 E. 1.4.2.1 ff.; zum Ganzen: BGE 148 I 295 E. 2 mit Hinweisen).
2.1.3. Die mit dem Teilnahmerecht (Art. 147 StPO) und dem Konfrontationsanspruch (Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK) gewährten Garantien sind nicht deckungsgleich und zu unterscheiden. Daraus ergibt sich, dass die Wiederholung einer Einvernahme mit erstmaliger Einräumung des Konfrontationsrechts im Sinne des Mindeststandards der EMRK dazu dient, sämtliche vorhandenen, früheren Aussagen einer Verwertbarkeit zuzuführen, während es bei der Wiederholung einer in Missachtung des Teilnahmerechts von Art. 147 Abs. 1 StPO abgehaltenen Einvernahme unter erstmaliger Wahrung des Teilnahmerechts darum geht, überhaupt erst verwertbare Aussagen zu schaffen (vgl. zum Ganzen Urteil 6B_92/2022 vom 5. Juni 2024 E. 1.6.7.1-1.6.7.3 [zur Publikation bestimmt]).
2.1.4.
2.1.4.1. Soweit die Polizei nach Eröffnung der Untersuchung Einvernahmen im Auftrag der Staatsanwaltschaft durchführt, stehen den Verfahrensbeteiligten die Verfahrensrechte zu, die ihnen bei Einvernahmen durch die Staatsanwaltschaft zukommen (Art. 312 Abs. 2 StPO). Daraus folgt, dass die Parteien das Recht haben, bei Einvernahmen, welche die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft während deren Untersuchung durchführt, anwesend zu sein und Fragen zu stellen (BGE 143 IV 397 E. 3.3.2; Urteil 6B_92/2022 vom 5. Juni 2024 E. 1.6.3.1 [zur Publikation bestimmt]; Urteile 6B_426/2023 vom 16. August 2023 E. 2.1.1; 6B_1092/2022 vom 9. Januar 2023 E. 2.3.2; 6B_14/2021 vom 28. Juli 2021 E. 1.3.3; 6B_1080/2020 vom 10. Juni 2021 E. 5.5; je mit Hinweisen).
2.1.4.2. Vor Eröffnung einer Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft besteht der Anspruch auf Parteiöffentlichkeit nicht. Bei Beweiserhebungen durch die Polizei, etwa bei polizeilichen Einvernahmen von Auskunftspersonen gestützt auf Art. 306 Abs. 2 lit. b StPO, sind die Parteien mit anderen Worten nicht zur Teilnahme berechtigt (Art. 147 Abs. 1 StPO e contrario; BGE 143 IV 397 E. 3.3.2; 139 IV 25 E. 5.4.3; Urteile 6B_426/2023 vom 16. August 2023 E. 2.1.1; 6B_1078/2020 vom 26. Oktober 2022 E. 2.4.2; 6B_14/2021 vom 28. Juli 2021 E. 1.3.2).
2.1.5. Auf das Teilnahme- und Konfrontationsrecht kann vorgängig oder auch im Nachhinein ausdrücklich oder stillschweigend verzichtet werden, wobei der Verzicht des Beschuldigten auch von seinem Verteidiger ausgehen kann. Die beschuldigte Person kann den Behörden grundsätzlich nicht vorwerfen, gewisse Zeugen zwecks Konfrontation nicht vorgeladen zu haben, wenn sie es unterlässt, rechtzeitig (d.h. spätestens im Berufungsverfahren) und formgerecht entsprechende Anträge zu stellen (BGE 143 IV 397 E. 3.3.1; Urteile 6B_1110/2023 vom 23. Mai 2024 E. 3.3.5; 7B_253/2022 vom 8. Februar 2024 E. 2.3.5; 6B_70/2023 vom 31. Juli 2023 E. 2.6; 6B_999/2022 vom 15. Mai 2023 E. 3.1.1.1; 6B_1265/2021 vom 29. Dezember 2022 E. 2.2.2; 6B_1395/2021 vom 9. Dezember 2022 E. 11.2.4; 6B_315/2020 vom 18. Mai 2022 E. 3.4; 6B_1208/2020 vom 26. November 2021 E. 6.1.2; je mit Hinweisen).
2.1.6. Gemäss Art. 389 Abs. 1 StPO beruht das Rechtsmittelverfahren auf den im Vorverfahren und im erstinstanzlichen Hauptverfahren erhobenen Beweisen. Dieser Grundsatz gelangt indes nur zur Anwendung, soweit die Beweise, auf welche die Rechtsmittelinstanz ihren Entscheid stützen will, prozessrechtskonform erhoben worden sind (vgl. BGE 147 IV 127 E. 2.1; 143 IV 408 E. 6.2.1, 288 E. 1.4.1). Erweisen sich Beweiserhebungen indes als rechtsfehlerhaft (lit. a), unvollständig (lit. b) oder unzuverlässig (lit. c) im Sinne von Art. 389 Abs. 2 StPO, sind sie von der Rechtsmittelinstanz erneut vorzunehmen. Beweise sind notwendig, wenn sie den Ausgang des Verfahrens beeinflussen könnten (vgl. Urteile 6B_415/2021 vom 11. Oktober 2021 E. 2.3.6; 6B_1352/2019 vom 14. Dezember 2020 E. 2.4.2; 6B_83/2020 vom 18. Juni 2020 E. 1.3.1; 6B_1189/2018 vom 12. September 2019 E. 2.1.2; je mit Hinweisen). Nach Art. 389 Abs. 3 StPO erhebt die Rechtsmittelinstanz die erforderlichen zusätzlichen Beweise von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei. Sie ist mithin verpflichtet, auch von Amtes wegen für eine rechtskonforme Beweiserhebung und damit aus eigener Initiative für die nötigen Ergänzungen besorgt zu sein (BGE 147 IV 409 E. 5.3.2; 143 IV 288 E. 1.4.2; Urteile 6B_387/2023 vom 21. Juni 2023 E. 2.3.2; 6B_798/2021 vom 2. August 2022 E. 2.1; je mit Hinweisen). Die Rechtsmittelinstanz kann gestützt auf diese Bestimmung andere Tatbeteiligte unter Wahrung des Teilnahme- und Konfrontationsanspruchs der beschuldigten Person einvernehmen (vgl. Urteil 6B_92/2022 vom 5. Juni 2024 E. 1.6.7.1 [zur Publikation bestimmt] mit Hinweis auf Urteil 6B_224/2023 vom 26. Oktober 2023 E. 3.4.3; Urteile 6B_415/2021 vom 11. Oktober 2021 E. 2.3.6; 6B_135/2018 vom 22. März 2019 E. 2.5). Zudem gilt auch im Rechtsmittelverfahren der Wahrheits- und Untersuchungsgrundsatz (zum Ganzen: BGE 140 IV 196 E. 4.4.1 mit Hinweisen auf die Lehre; Urteile 6B_388/2021 vom 7. Juni 2023 E. 2.1.2.2; 6B_639/2021 vom 27. September 2022 E. 2.2.2; 6B_931/2021 vom 15. August 2022 E. 3.2; 6B_798/2021 vom 2. August 2022 E. 2.2; je mit Hinweisen).
2.2. Gemäss der für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhaltsfeststellung (Art. 105 Abs. 1 BGG) erfolgte die einzige Einvernahme des Beschwerdegegners durch die Kantonspolizei Appenzell Innerrhoden und zwar anlässlich von dessen Anzeigeerstattung am 25. Mai 2016. Es handelte sich mithin um eine Einvernahme vor Eröffnung einer Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft im Sinne der Erwägung 2.1.4.2 hiervor, an welcher die Beschwerdeführerin nicht zugegen war. An der delegierten Einvernahme der Beschwerdeführerin durch die Kantonspolizei Appenzell und der erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsverhandlung nahm der Beschwerdegegner nicht teil. Die Beschwerdeführerin hatte folglich im ganzen Verfahren noch keine Gelegenheit, dem Beschwerdegegner Ergänzungsfragen zu stellen und den Beweiswert seiner Aussagen kontradiktorisch infrage zu stellen. In einer solchen Konstellation dient die (nochmalige) Einvernahme des Beschwerdegegners mit erstmaliger Einräumung des Konfrontationsrechts zugunsten der Beschwerdeführerin im Sinne des Mindeststandards der EMRK dazu, die vorhandenen, vor Eröffnung der Untersuchung gemachten Aussagen der Verwertbarkeit zuzuführen (vgl. oben E. 2.1.3).
2.3. Die Vorinstanz verneint eine Verletzung des Konfrontationsanspruches. Dies einerseits mit der Begründung, die Beschwerdeführerin habe im erstinstanzlichen Verfahren nie eine Verletzung des Teilnahme- bzw. Konfrontationsrechts moniert. Zwar habe der Verteidiger im Berufungsverfahren mit zwei Schreiben den Antrag gestellt, der Beschwerdegegner sei nochmals einzuvernehmen, dies aber lediglich im Hinblick auf eine Ergänzung der Befragung. Eine Verletzung des Teilnahme- bzw. Konfrontationsrechts und die Nichtverwertbarkeit der polizeilichen Einvernahme des Beschwerdegegners sei erstmals vorfrageweise "an Schranken" geltend gemacht worden. Vor diesem Hintergrund sei der Antrag auf eine erneute Befragung des Beschwerdegegners verspätet. Unabhängig davon werde nicht auf dessen Aussagen abgestellt. Das strafbare Verhalten der Beschwerdeführerin ergebe sich bereits aus ihren eigenen Aussagen und insbesondere aufgrund der in den Akten vorhandenen Chat-Verläufe (angefochtenes Urteil S. 13 E. 3.3).
2.4.
2.4.1. Der Beurteilung der Vorinstanz kann nicht gefolgt werden. Es trifft zu, dass die Beschwerdeführerin weder anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung noch mit ihrer Berufungserklärung Beweisanträge gestellt hatte. Mit der Vorinstanz ist aber davon auszugehen, dass sie dies im Hinblick auf die Berufungsverhandlung getan hat (vgl. angefochtenes Urteil S. 13). Konkret beantragte sie mit ihren schriftlichen Eingaben vom 12. September 2022 und vom 14. Dezember 2022, "es sei der Privatkläger B.________ zu befragen" (vorinstanzliche Akten [VI] act. 12 und 25). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz ergibt sich aus der Begründung dieses Beweisantrages nicht, dass es sich bei der beantragten Befragung des Beschwerdegegners lediglich um eine "Ergänzung" handeln soll. Stattdessen wurde dessen Befragung sowohl mit Blick auf seine Kenntnis des Verwendungszwecks des hingegebenen Geldes, aber auch zu seinem damaligen Wissen über die finanzielle Situation der Beschwerdeführerin und deren von Anfang an fehlenden Rückzahlungsmöglichkeiten verlangt. Anlässlich der Berufungsverhandlung und dort im Rahmen der Vorfragen stellte die Beschwerdeführerin den Beweisantrag erneut, namentlich unter Hinweis auf die bisherige Verweigerung ihres Konfrontationsrechts und die Unverwertbarkeit ihrer Aussagen, die sie auf Vorhalt von Angaben des Beschwerdegegners gemacht hatte (Protokoll der Berufungsverhandlung S. 3). Damit hat die Beschwerdeführerin ihren Beweisantrag nicht verspätet gestellt. Die beschuldigte Person verwirkt ihr Recht auf Ergänzungsfragen nicht dadurch, dass sie es erst im Rahmen der Berufung geltend macht (Urteile 6B_1394/2020 vom 13. Dezember 2021 E. 1.2.2; 6B_187/2020 vom 21. Oktober 2020 E. 4.2; 6B_1023/2016 vom 30. März 2017 E. 1.2.3; 6B_529/2014 vom 10. Dezember 2014 E. 5.2, nicht publ. in BGE 140 IV 196; je mit Hinweisen). Die Vorinstanz verletzt folglich Bundesrecht, wenn sie den frist- und formgerecht gestellten Beweisantrag der Beschwerdeführerin als verspätet erachtet.
2.4.2. Dem vorinstanzlichen Urteil lassen sich alsdann keine dahingehenden Feststellungen entnehmen, welche auf Umstände schliessen liessen, die eine erneute Einvernahme des Beschwerdegegners verunmöglicht hätten. Namentlich sein Aufenthaltsort war den Strafbehörden nachweislich bekannt, konnten ihm die gerichtlichen Vorladungen und Sendungen doch zuverlässig zugestellt werden. Es liegt damit soweit ersichtlich keine Konstellation vor, in welcher eine Konfrontation aus objektiven Gründen nicht mehr möglich wäre. Folglich gilt es auch nicht zu beurteilen, ob die Beschwerdeführerin zu den belastenden Erklärungen hinreichend Stellung nehmen konnte, diese sorgfältig geprüft wurden und der belastenden Aussage nicht ausschlaggebende Bedeutung zukommt bzw. sie nicht den einzigen oder einen wesentlichen Beweis darstellt und diese (trotzdem) verwertbar ist. Insoweit die Vorinstanz erwägt, dass sie bei ihrer Entscheidfindung nicht auf die bisherigen Aussagen des Beschwerdegegners abstellt, sondern sich das strafbare Verhalten der Beschwerdeführerin "bereits aufgrund ihrer eigenen Aussagen und insbesondere aufgrund der in den Akten liegenden Chat-Verläufe" ergebe, übersieht sie, dass es der Beschwerdegegner war, der den zur Anklage erhobenen Sachverhalt zur Anzeige gebracht hat. Damit beruht der Vorwurf respektive dessen Fundament ausschliesslich auf seinen Angaben, womit er als Belastungszeuge zu gelten hat (vgl. Urteil 6B_1424/2021 vom 5. Oktober 2023 E. 2.4). Die Beschwerdeführerin hat damit das (grundsätzlich absolute) Recht, mit dem Anzeigeerstatter konfrontiert zu werden. Mit ihrem Verweis auf in den Akten vorhandene Chat-Verläufe und die Angaben der Beschwerdeführerin erklärt die Vorinstanz die Fragen an den Belastungszeugen überdies als entbehrlich, was eine unzulässige antizipierte Beweiswürdigung darstellt (vgl. oben E. 2.1.2 2. Absatz).
2.5. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Vorinstanz den Beschwerdegegner in Nachachtung von Art. 343 Abs. 2 und Art. 389 Abs. 2 lit. a StPO als Auskunftsperson zur Berufungsverhandlung hätte vorladen müssen, um den verfassungsmässigen Anspruch der Beschwerdeführerin auf wenigstens eine einmalige Konfrontation zu erfüllen. Die Beschwerde erweist sich insoweit als begründet. Das angefochtene Urteil ist dementsprechend aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird den Beschwerdegegner parteiöffentlich zu befragen und unter Berücksichtigung dieser Einvernahme einen neuen Entscheid zu fällen haben. In Anbetracht dieses Verfahrensausgangs braucht auf die weiteren Rügen der Beschwerdeführerin nicht eingegangen zu werden.
3.
Die Beschwerde ist gutzuheissen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Appenzell Innerrhoden vom 18. Januar 2023 ist aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Appenzell Innerrhoden hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen ( Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG ). Da diese um unentgeltliche Rechtspflege ersucht, ist die Parteientschädigung praxisgemäss ihrem Rechtsvertreter auszurichten. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gegenstandslos. Der Beschwerdegegner stellt im Verfahren vor Bundesgericht keine Anträge, weshalb er nicht kostenpflichtig wird und keinen Anspruch auf Entschädigung hat.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Das Urteil des Kantonsgerichts Appenzell Innerrhoden vom 18. Januar 2023 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Der Kanton Appenzell Innerrhoden hat den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, Rechtsanwalt Max Imfeld, für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Appenzell Innerrhoden, Präsidium, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 22. August 2024
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari
Die Gerichtsschreiberin: Frey Krieger