Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
8C_677/2023
Urteil vom 22. August 2024
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Maillard, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterinnen Heine, Viscione,
Gerichtsschreiberin Huber.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch B.________,
Beschwerdeführerin,
gegen
IV-Stelle Basel-Stadt,
Aeschengraben 9, 4051 Basel,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 14. Juni 2023 (IV.2023.26).
Sachverhalt:
A.
A.a. Die 1974 geborene A.________ meldete sich erstmals am 7. Mai 2002 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 23. März 2005 sprach ihr die IV-Stelle Basel-Stadt im Wesentlichen gestützt auf das psychiatrische Gutachten des Dr. med. C.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 21. Mai 2004 rückwirkend eine vom 1. August 2001 bis 30. Juni 2003 befristete halbe Invalidenrente zu.
Am 16. Februar 2017 meldete sich A.________ erneut zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle veranlasste wiederum eine psychiatrische Begutachtung bei Dr. med. C.________ (Expertise vom 25. Mai 2018) und wies das Leistungsbegehren mit Verfügung vom 23. Mai 2019 ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Urteil vom 15. Oktober 2019 ab, soweit es darauf eintrat.
A.b. Am 24. September 2021 meldete sich A.________ ein drittes Mal bei der IV-Stelle zum Leistungsbezug an. Diese verfügte am 11. Januar 2023 ein Nichteintreten, da keine wesentliche Veränderung des Gesundheitszustands glaubhaft gemacht worden sei.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Urteil vom 14. Juni 2023 ab.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________ die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils sowie die Rückweisung der Sache zur weiteren Abklärung an das kantonale Gericht. Ausserdem ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten.
Nach Beizug der Akten der Vorinstanz verzichtet das Bundesgericht auf einen Schriftenwechsel.
Erwägungen:
1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG ; BGE 145 V 57 E. 4).
2.
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz das Nichteintreten der IV-Stelle auf die Neuanmeldung der Beschwerdeführerin vom 24. September 2021 zu Recht bestätigt hat. Prozessthema bildet die Frage, ob diese im Verfahren der Neuanmeldung der ihr obliegenden Beweisführungslast nachgekommen war, eine anspruchserhebliche Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse seit der am 23. Mai 2019 verfügten Abweisung des Leistungsbegehrens bis zum Zeitpunkt der Verfügung vom 11. Januar 2023 glaubhaft zu machen.
2.2. Am 1. Januar 2022 traten im Zuge der Weiterentwicklung der IV die revidierten Bestimmungen des IVG sowie des ATSG in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19. Juni 2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535), dies mitsamt entsprechendem Verordnungsrecht. Die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Verfügung erging nach dem 1. Januar 2022.
Da die massgebenden Bestimmungen betreffend Voraussetzung des Glaubhaftmachens einer Änderung des Gesundheitszustands (Art. 87 Abs. 2 f. IVV) unverändert geblieben sind, stellen sich diesbezüglich im Gefolge des ab 1. Januar 2022 geltenden Rechts im Bereich der IV keine intertemporalrechtlichen Fragen (vgl. Urteil 8C_238/2023 vom 22. November 2023 E. 3.1).
2.3.
2.3.1. Das kantonale Gericht hat die rechtlichen Grundlagen für das Eintreten auf eine Neuanmeldung, insbesondere unter dem Aspekt des Glaubhaftmachens (Art. 87 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 IVV; BGE 133 V 108 E. 5; 130 V 71; 130 V 64 E. 5.2.5), zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
2.3.2. Ob eine anspruchserhebliche Änderung nach Art. 87 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 IVV glaubhaft gemacht ist, stellt eine vom Bundesgericht nur unter dem Blickwinkel von Art. 105 Abs. 2 BGG überprüfbare Tatfrage dar. Um eine Frage rechtlicher Natur handelt es sich hingegen, wenn zu beurteilen ist, wie hohe Anforderungen an das Glaubhaftmachen zu stellen sind (statt vieler vgl. Urteil 9C_238/2023 vom 24. Mai 2023 E. 3.3).
3.
3.1. Die Vorinstanz hat erkannt, dass die Beschwerdeführerin mit der Stellungnahme ihres behandelnden Psychiaters sowie mit den Austrittsberichten der Klinik D.________ eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands im hier relevanten Vergleichszeitraum nicht glaubhaft dargelegt habe.
3.2. Die Beschwerdeführerin wendet dagegen insbesondere ein, dass das kantonale Gericht mit Blick auf die Diagnose, die Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit sowie die Angaben zur Medikation mehrfach den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt habe.
4.
4.1. Der behandelnde Arzt der Beschwerdeführerin, Dr. med. E.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, berichtete am 18. November 2021, dass sich im Rahmen der laufenden psychotherapeutischen Behandlung zunehmend die Verdachtsdiagnose einer komplexen Traumafolgestörung (ICD-10 F43.1) mit Hinweisen auf dissoziative Amnesie (ICD-10 F44.0) erhärtet habe. Diese sei in Bezug auf die Arbeitsfähigkeit als Hauptfaktor zu gewichten. Es trifft zu, dass die Sachverständigen der Klinik D.________ diese Diagnose der komplexen Traumafolgestörung in ihrem Bericht vom 8. Dezember 2022 als einleuchtend erachteten, wie die Beschwerdeführerin vorbringt. Allerdings setzten sie den Fokus auf die ängstlich (vermeidende) Persönlichkeitsstörung, da ihnen diese als vordergründig und zentraler erschien und führten entsprechend auch nur die Persönlichkeitsstörung bei den Diagnosen auf. Insofern ist die vorinstanzliche Feststellung, wonach Dr. med. E.________ mit dieser Diagnose alleine dastehe, zumindest nicht willkürlich.
Am 6. Januar 2023 äusserte sich auch Dr. med. F.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD), zu der von Dr. med. E.________ diagnostizierten Traumafolgestörung (zum Beweiswert von versicherungsinternen medizinischen Fachpersonen vgl. BGE 139 V 225 E. 5.2). Er hielt fest, dass bereits im Gutachten des Dr. med. C.________ vom 21. Mai 2004die sexuellen und anderweitigen Traumatisierungen in der Anamnese in angemessener Genauigkeit beschrieben worden und bei der Beurteilung des Gesundheitszustands sowie der Arbeitsfähigkeitsschätzung berücksichtigt worden seien. Nichts anderes hat auch für die Expertise des Dr. med. C.________ vom 25. Mai 2018 zu gelten. Auch dort befasste er sich mit diesem Thema und berichtete, dass sich bei der Beschwerdeführerin keine typischen Intrusionen nachweisen liessen. Sie könne zudem während der aktuellen Untersuchung ohne äusserlich sichtbare psychovegetative Mitbeteiligung über den sexuellen Missbrauch in der Kindheit sprechen, auch wenn sie diese Traumatisierung bis heute noch nicht adäquat habe verarbeiten können. Unter Berücksichtigung aller Faktoren könne er die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung jedoch nicht stellen, so Dr. med. C.________ weiter.
Vor dem Hintergrund des Gesagten steht zwar mit der komplexen Traumafolgestörung eine neue Diagnose im Raum. Allerdings ergeben sich keine Hinweise auf eine Verschlechterung des Gesundheitszustands in diesem Bereich. Somit hat die Vorinstanz willkürfrei davon ausgehen dürfen, dass es sich bei der Einschätzung des Dr. med. E.________ um eine abweichende Würdigung eines im Wesentlichen gleich gebliebenen medizinischen Sachverhaltes handelt, was für die Glaubhaftmachung einer Verschlechterung nicht genügt, wie sie zutreffend erwogen hat (vgl. Urteile 9C_552/2022 vom 20. März 2023 E. 4.2; 9C_24/2019 vom 14. Mai 2019 E. 4.2).
4.2. Die Beschwerdeführerin rügt im Weiteren, die Vorinstanz habe sich nicht rechtsgenüglich mit der von den behandelnden Ärzten berichteten Chronifizierung des Gesundheitszustands auseinandergesetzt, was eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts darstelle. Dabei verweist sie auf eine im Beschwerdeverfahren eingereichte E-Mail des Dr. med. E.________ vom 26. Januar 2023 sowie auf den Austrittsbericht der Klinik D.________ vom 8. Dezember 2022.
Es ist festzuhalten, dass für die beschwerdeweise Überprüfung einer Nichteintretensverfügung der Sachverhalt massgebend ist, wie er sich der Verwaltung im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung darstellte. Mithin kann die besagte E-Mail des Dr. med. E.________ nicht berücksichtigt werden (BGE 130 V 64 E. 5.2.5; Urteil 8C_247/2023 vom 8. September 2023 E. 3.2).
Das kantonale Gericht hat dargelegt, dass sich weder anhand der Beschwerden noch der objektiven psychopathologischen Befunde eine Verschlechterung ausmachen liesse. Soweit die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, gemäss Bericht der Klinik D.________ vom 8. Dezember 2022 sei die Rede von einer Verschlechterung der psychischen Situation und der Alltagsbewältigung seit dem letzten Aufenthalt im Jahr 2019 im Sinne einer Chronifizierung, kann sie daraus nichts zu ihren Gunsten ableiten. Einerseits hielt der RAD-Arzt Dr. med. F.________ am 6. Januar 2023 dazu fest, dass in den Akten zwar eine Chronifizierung beschrieben werde. Allerdings sei bei eingehender Analyse des bisherigen Verlaufs davon auszugehen, dass dabei die seit 2004 mit leichten Fluktuationen stets beschriebene gleiche rezidivierende depressive Störung sowie die ängstlichen und dependenten Persönlichkeitszüge vorherrschen würden und diese im Ausmass weitgehend unverändert geblieben seien. Anderseits scheinen sich die Sachverständigen der Klinik D.________ bei der genannten Chronifizierung auf die Angaben der Beschwerdeführerin gestützt zu haben, wonach sie insbesondere Mühe mit der Alltagsbewältigung habe.
4.3. Bei dieser Sachlage ist die vorinstanzliche Feststellung, wonach eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands im massgeblichen Vergleichszeitraum nicht glaubhaft dargelegt sei, weder offensichtlich unrichtig noch sonstwie bundesrechtswidrig. Daran vermag letztlich auch die Rüge der Beschwerdeführerin nichts zu ändern, wonach ihre Medikation entgegen den vorinstanzlichen Feststellungen nicht sistiert worden sei.
4.4. Das kantonale Gericht hat mithin kein Bundesrecht verletzt, indem es das Nichteintreten der IV-Stelle auf die Neuanmeldung der Beschwerdeführerin vom 24. September 2021 bestätigt hat. Die Beschwerde ist unbegründet.
5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Ihrem Gesuch um unentgeltliche Prozessführung (im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten) kann jedoch entsprochen werden, da die Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 64 Abs. 1 BGG). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG hingewiesen, wonach sie der Gerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn sie später dazu in der Lage ist.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 22. August 2024
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Maillard
Die Gerichtsschreiberin: Huber