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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_134/2024  
 
 
Urteil vom 22. August 2024  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, Beusch, 
Gerichtsschreiber Businger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Prof. FH Dr. iur. Rolf Benz, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Kantonales Steueramt Zürich, 
Rechtsdienst, Bändliweg 21, 8090 Zürich, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Zürich und direkte Bundessteuer, Steuerperiode 2019, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 10. Januar 2024 (SB.2023.00101 / SB.2023.00102). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die A.________ AG mit vormaligem Sitz in U.________ (heute: V.________) wurde in den Steuerperioden 2017 und 2018 rechtskräftig nach pflichtgemässem Ermessen mit einem Reingewinn von Fr. 20'000.- bzw. Fr. 40'000.- veranlagt. Am 11. Oktober 2021 wurde sie für die direkte Bundessteuer sowie die Staats- und Gemeindesteuern 2019 mit einem steuerbaren Reingewinn von Fr. 587'000.- und einem steuerbaren Kapital von Fr. 1'742'000.- veranlagt. Dabei wurden ihre deklarierten Vorjahresverluste von Fr. 1'891'257.- nicht anerkannt, weil das kantonale Steueramt Zürich die Vorjahresverluste als verrechnet erachtete. 
 
B.  
Die gegen die Veranlagung erhobene Einsprache hiess das kantonale Steueramt Zürich am 26. Mai 2023 insoweit gut, als es Steuerrückstellungen in Höhe von Fr. 126'500.- berücksichtigte und den steuerbaren Gewinn auf Fr. 461'300.- sowie das steuerbare Kapital auf Fr. 1'616'000.- reduzierte. Die Vorjahresverluste liess es weiterhin nicht zum Abzug zu. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel wiesen das Steuerrekursgericht des Kantons Zürich am 31. August 2023 und das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich am 10. Januar 2024 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 26. Februar 2024 beantragt die A.________ AG dem Bundesgericht, sie sei mit einem Reingewinn von Fr. 0.- und einem steuerbaren Kapital von Fr. 1'742'000.- zu veranlagen. 
Das Verwaltungsgericht, das kantonale Steueramt und die Eidgenössische Steuerverwaltung (hinsichtlich der direkten Bundessteuer) schliessen auf Abweisung der Beschwerde. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde wurde form- und fristgerecht (Art. 42 und Art. 100 Abs. 1 BGG) eingereicht und richtet sich gegen einen Endentscheid einer letzten kantonalen Instanz in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG). Die Beschwerdeführerin ist als Steuerpflichtige gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG und Art. 73 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14) zur Beschwerde legitimiert.  
 
1.2. Die Vorinstanz hat ein einziges Urteil für die Staats- und Gemeindesteuern und die direkte Bundessteuer erlassen, was zulässig ist, soweit die zu entscheidenden Rechtsfragen im Bundesrecht und im harmonisierten kantonalen Recht gleich geregelt sind. Unter diesen Umständen ist der Beschwerdeführerin nicht vorzuwerfen, nicht zwei getrennte Beschwerden eingereicht zu haben; aus ihrer Eingabe geht deutlich hervor, dass Letztere beide Steuerarten betrifft (BGE 135 II 260 E. 1.3).  
 
I. Direkte Bundessteuer  
 
2.  
Streitig ist, ob die Beschwerdeführerin ihre deklarierten Vorjahresverluste von Fr. 1'891'257.- in der Steuerperiode 2019 zum Abzug bringen kann, obwohl sie in den Steuerperioden 2017 und 2018 mit einem Reingewinn von Fr. 20'000.- bzw. Fr. 40'000.- veranlagt wurde. 
 
2.1. Vom Reingewinn der Steuerperiode können Verluste aus sieben der Steuerperiode vorangegangenen Geschäftsjahren abgezogen werden, soweit sie bei der Berechnung des steuerbaren Reingewinnes dieser Jahre nicht berücksichtigt werden konnten (Art. 67 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG; SR 642.11]).  
Mit der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit zur Verlustverrechnung wird das im Steuerrecht geltende Periodizitätsprinzip (Art. 79 DBG) durchbrochen, um bis zu einem gewissen Grad dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 127 Abs. 2 BV) gerecht zu werden. Soll das Periodizitätsprinzip nicht ausgehöhlt werden, können die mit ihm verbundenen Härten aber nicht vollständig beseitigt werden. Das Gesetz beschränkt die Verrechnungsmöglichkeit daher in zweierlei Hinsicht: Zum einen können Verluste höchstens aus den sieben der Steuerperiode vorangegangenen Geschäftsjahren geltend gemacht werden; zum andern ist der Abzug nur zulässig, wenn er in vorausgehenden Jahren nicht berücksichtigt werden konnte. Hat es die steuerpflichtige Person versäumt, in einer früheren Steuerperiode einen Verlust bzw. einen Verlustvortrag vom Reingewinn abzuziehen, kann die Verlustverrechnung in einer späteren Steuerperiode nicht nachgeholt werden. Verluste sind stets im nächstmöglichen Jahr mit Gewinn zu verrechnen; Verzögerungen sind unzulässig (Gebot der ungesäumten Verlustverrechnung; vgl. Urteil 2C_696/2013 vom 29. April 2014 E. 3.1; 2A.587/2002 vom 11. März 2003 E. 1.1). 
 
2.2. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung folgt aus dem Gebot der ungesäumten Verlustverrechnung, dass eine spätere Berücksichtigung von Verlustüberschüssen generell ausgeschlossen ist, wenn eine rechtskräftige Veranlagung nicht auf Null gelautet hat (vgl. Urteile 2C_696/2013 vom 29. April 2014 E. 3.2 m.H.; 2A.587/2002 vom 11. März 2003 E. 1.1). Zuletzt hat sich das Bundesgericht im Urteil 2C_696/2013 vom 29. April 2014 vertieft mit dieser Rechtsprechung auseinandergesetzt und eine Praxisänderung abgelehnt. Es erwog, eine positive Gewinneinschätzung schliesse notwendigerweise die Feststellung mit ein, dass kein verrechenbarer Verlustvortrag (mehr) vorhanden sei. Dabei handle es sich um die Feststellung einer dauernden, von den besonderen Verhältnissen der einzelnen Steuerperiode unabhängigen Rechtslage; der Entscheid wirke daher periodenübergreifend und sei eine Ausnahme vom Grundsatz, dass sich die Rechtskraft eines Steuerentscheids nur auf das Dispositiv und zeitlich auf die jeweilige Steuerperiode erstrecke (vgl. dazu BGE 140 I 114 E. 2.4). Folglich schliesse eine nicht auf Null lautende rechtskräftige Gewinneinschätzung die spätere Berücksichtigung von Verlustüberschüssen generell aus, und zwar unabhängig davon, ob die frühere Einschätzung als solche nach pflichtgemässem Ermessen oder als ordentliche ergangen sei. Eine andere Lösung sei mit der Rechtssicherheit nicht vereinbar, weil frühere Beurteilungen der Steuerbehörden sonst in späteren Steuerperioden immer wieder infrage gestellt werden könnten (vgl. Urteil 2C_696/2013 vom 29. April 2014 E. 3.4.2).  
Eine Ausnahme besteht bei einer Nullveranlagung. In diesem Fall fehlt es der steuerpflichtigen Person an einem Feststellungs- oder andersartigen Rechtsschutzinteresse, das sie zur Anfechtung des Entscheids zwecks Feststellung des Verlustvortrags berechtigen könnte. Die Höhe des für die Nachfolgeperiode massgebenden verbleibenden Verlustvortrags ist folglich in der Nachfolgeperiode zu prüfen (BGE 143 II 674 E. 3.1; 140 I 114 E. 2.4.1; Urteil 2C_696/2013 vom 29. April 2014 E. 3.4.3). 
 
2.3. Die Vorinstanz erwog unter Hinweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, die Beschwerdeführerin sei in den Steuerperioden 2017 und 2018 jeweils nach pflichtgemässem Ermessen mit einem steuerbaren Reingewinn von Fr. 20'000.- bzw. Fr. 40'000.- veranlagt worden, wobei das kantonale Steueramt vermerkt habe, dass aktenkundige Vorjahresverluste mitberücksichtigt worden seien. Nachdem diese Ermessensveranlagungen in Rechtskraft erwachsen seien, sei davon auszugehen, dass allfällige Vorjahresverluste bereits verrechnet worden seien. Eine nachträgliche Verrechnung in der Steuerperiode 2019 sei damit ausgeschlossen. Es wäre an der Beschwerdeführerin gelegen, die Verrechnung der Vorjahresverluste in den Steuerperioden 2017 und 2018 geltend zu machen bzw. die Ermessensveranlagungen fristgerecht anzufechten. Nachdem sie dies nicht getan habe, könne nur im Rahmen einer Revision auf die Veranlagungen 2017 und 2018 zurückgekommen werden, welche die Beschwerdeführerin selber zu Recht als aussichtslos erachte (E. 2.4 f. des angefochtenen Urteils).  
 
2.4. Die Beschwerdeführerin stellt die bundesgerichtliche Rechtsprechung infrage und verlangt eine Praxisänderung, weil sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der Entstehungsgeschichte ableiten lasse, dass eine positive Gewinneinschätzung zur unwiderlegbaren Vermutung führe, dass kein verrechenbarer Verlustvortrag mehr bestehe.  
 
2.4.1. Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur ungesäumten Verlustverrechnung - namentlich im Bereich von Ermessensveranlagungen - (erneut) zu überprüfen. Denn entgegen der Auffassung in der Beschwerde kann keine Rede davon sein, dass alleine von den positiven Veranlagungen in den Steuerperioden 2017 und 2018 "unwiderlegbar" darauf geschlossen worden sei, dass kein verrechenbarer Verlust mehr bestehe. Das kantonale Steueramt hat in den Veranlagungsverfügungen 2017 und 2018 im Dispositiv ausdrücklich festgehalten, dass aktenkundige Vorjahresverluste bei der Schätzung mitberücksichtigt worden seien. Nachdem diese Veranlagungsverfügungen in Rechtskraft erwachsen sind, steht rechtskräftig fest, dass die Beschwerdeführerin in den Steuerperioden 2017 und 2018 über keine verrechenbaren Vorjahresverluste mehr verfügt hat. Vor diesem Hintergrund ist im vorliegenden Verfahren betreffend die Steuerperiode 2019 nicht zu prüfen, ob das kantonale Steueramt bei den Veranlagungen 2017 und 2018 effektiv eine Verlustverrechnung vorgenommen oder - wie die Beschwerdeführerin vorbringt - dies in den Veranlagungsverfügungen lediglich mittels eines Standardsatzes behauptet hat. Denn dadurch würden im Ergebnis die rechtskräftigen Veranlagungen 2017 und 2018 überprüft, was zugunsten der Beschwerdeführerin lediglich im Rahmen einer Revision möglich ist (Art. 147 ff. DBG) und von ihr zu Recht als aussichtslos erachtet wird.  
 
2.4.2. An diesem Ergebnis ändern auch die Überlegungen der Beschwerdeführerin zur Rechtskraftwirkung im Steuerrecht nichts. Wohl beschränkt sich die Rechtskraft von Steuerentscheiden grundsätzlich auf die entsprechende Steuerperiode, so dass die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse in einer späteren Periode abweichend beurteilt werden können (vgl. BGE 140 I 114 E. 2.4.3). Nachdem aber die Möglichkeit der Verlustverrechnung selber eine Abweichung vom Periodizitätsprinzip darstellt und periodenübergreifend wirkt, muss dies auch für entsprechende Entscheide gelten (vgl. vorne E. 2.1 und 2.2). Schliesslich können die Rechtskraftwirkungen auch nicht dadurch umgangen werden, dass die in der Veranlagung 2017 und 2018 getroffenen Feststellungen des kantonalen Steueramts zur Verlustverrechnung im Verfahren betreffend die Steuerperiode 2019 unter dem Titel einer offensichtlich unrichtigen Sachverhaltsfeststellung gerügt werden. Wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat, hätte die Beschwerdeführerin die Veranlagungen 2017 und 2018 anfechten und vorbringen müssen, dass ihrer Meinung nach aktenkundige Vorjahresverluste bei der Schätzung nicht mitberücksichtigt worden seien. Indem sie dies unterlassen bzw. ihre Einsprache verspätet erhoben hat, kann sie die Verlustverrechnung in der Steuerperiode 2019 nicht mehr infrage stellen. Anzufügen ist diesbezüglich noch, dass die Aussage der Beschwerdeführerin, das kantonale Steueramt habe "selbst nie geltend gemacht, den Verlustvortrag bei der Veranlagung 2017 berücksichtigt zu haben", angesichts der anderslautenden Formulierung in der Veranlagungsverfügung offensichtlich unzutreffend ist.  
 
2.5. Zusammenfassend sind die Vorinstanzen zu Recht davon ausgegangen, dass in der Steuerperiode 2019 keine verrechenbaren Verluste (mehr) vorliegen. Die Beschwerde betreffend direkte Bundessteuer ist abzuweisen.  
 
II. Staats- und Gemeindesteuern  
 
3.  
Die Sach- und Rechtslage bei den Staats- und Gemeindesteuern entspricht derjenigen bei der direkten Bundessteuer, und zwar sowohl hinsichtlich der Möglichkeit der Verlustverrechnung (§ 70 Abs. 1 des Steuergesetzes des Kantons Zürich vom 8. Juni 1997 [StG/ZH; LS 631.1] bzw. Art. 25 Abs. 2 StHG) als auch in Bezug auf den Umstand, dass das kantonale Steueramt bei den Einschätzungen 2017 und 2018 im Dispositiv zusammen mit den Steuerfaktoren ausdrücklich festgehalten hat, dass aktenkundige Vorjahresverluste bei der Schätzung mitberücksichtigt worden seien. Dies führt auch zur Abweisung der Beschwerde betreffend Staats- und Gemeindesteuern. 
 
4.  
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 1-3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde betreffend direkte Bundessteuer 2019 wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Beschwerde betreffend Staats- und Gemeindesteuern 2019 wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 8'000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 22. August 2024 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Businger