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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_517/2022  
 
 
Urteil vom 22. November 2022  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiber Hahn. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Julian Burkhalter, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau, 
Seetalplatz, Bahnhofstrasse 4, 5600 Lenzburg 1, vertreten durch die Oberstaatsanwaltschaft 
des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Kostenauflage / unentgeltliche Rechtspflege, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 25. August 2022 (SBK.2022.226 / va). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau führt gegen A.________ ein Strafverfahren wegen mehrfacher Drohung, Nötigung, mehrfacher Beschimpfung und übler Nachrede. A.________ wurde deshalb am 28. März 2022 festgenommen und mit Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons Aargau (ZMG) vom 30. März 2022 vorläufig bis zum 28. Juni 2022 in Untersuchungshaft versetzt. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht mit Entscheid vom 21. April 2022 ab, soweit es darauf eintrat. 
Am 19. Mai 2022 stellte A.________ ein Haftentlassungsgesuch, welches das ZMG mit Verfügung vom 31. Mai 2022 abwies. Die von A.________ hiergegen erhobene Beschwerde hiess das Obergericht mit Entscheid vom 23. Juni 2022 teilweise gut. Es entliess A.________ unter Anordnung von bis zum 28. Juni 2022 befristeten Ersatzmassnahmen aus der Untersuchungshaft. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom 20. Juni 2022 verlängerte das ZMG die Ersatzmassnahmen mit Verfügung vom 28. Juni 2022 bis zum 28. September 2022. Dagegen erhob A.________ am 11. Juli 2022 Beschwerde an das Obergericht. Dieses wies die Beschwerde mit Entscheid vom 25. August 2022 ab (Ziff. 1). Zudem wies es das Gesuch von A.________ um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Rechtsverbeiständung ab, soweit es darauf eintrat (Ziff. 2) und auferlegte ihm die Gerichtskosten von Fr. 1'070.-- (Ziff. 3). 
 
B.  
Gegen diesen Entscheid des Obergerichts gelangt A.________ mit Beschwerde in Strafsachen vom 30. September 2022 an das Bundesgericht. Er beantragt, unter Aufhebung von Dispositivziffer 2 und 3 sei ihm für das obergerichtliche Beschwerdeverfahren die unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung zu gewähren und seien die Verfahrenskosten von Fr. 1'070.-- einstweilen auf die Staatskasse zu nehmen. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung sei das obergerichtliche Dispositiv dahingehend zu ergänzen, dass das Honorar des eingesetzten amtlichen Verteidigers im Endentscheid festzusetzen sei. Eventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung der Kostenverteilung an das Obergericht zurückzuweisen. 
Die Oberstaatsanwaltschaft und das Obergericht haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen kantonal letztinstanzlichen Entscheid über die Verlängerung von Ersatzmassnahmen. Dagegen ist die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht grundsätzlich zulässig (Art. 78 ff. BGG i.V.m. Art. 237 Abs. 4 und Art. 227 StPO; Urteil 1B_101/2021 vom 21. Juni 2021 E. 1). Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen. Er ficht, wie sich aus der Begründung der Beschwerde ergibt, jedoch einzig den vorinstanzlichen Kostenentscheid an. Er rügt dabei die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege und die damit verbundene Auflage der Gerichtskosten durch die Vorinstanz als bundesrechtswidrig. Zu dieser Rüge ist er, da dies einer formellen Rechtsverweigerung gleichkäme, nach Art. 81 Abs. 1 BGG unabhängig von seiner Legitimation in der Sache berechtigt (146 IV 76 E. 2; 141 IV 1 E. 1.1; Urteile 1B_450/2021 vom 9. Februar 2022 E. 1.1; 1B_317/2021 vom 23. Dezember 2021 E. 1; je mit Hinweisen).  
 
1.2. Der angefochtene Entscheid schliesst das gegen den Beschwerdeführer geführte Strafverfahren indes nicht ab und betrifft weder die Zuständigkeit noch ein Ausstandsbegehren im Sinne von Art. 92 BGG. Es handelt sich somit um einen anderen selbstständig eröffneten Vor- und Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG. Als solcher ist er mit Beschwerde an das Bundesgericht nur unmittelbar anfechtbar, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). Es ist Sache der beschwerdeführenden Person, die Eintretensvoraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG darzulegen, sofern deren Vorhandensein nicht auf der Hand liegt (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 142 V 26 E. 1.2 mit Hinweisen; 141 IV 284 E. 2.3).  
 
1.3. Die Gutheissung der vorliegenden Beschwerde würde nicht sofort einen Endentscheid herbeiführen. Damit fällt die Variante gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG ausser Betracht. Zu prüfen ist damit, ob der angefochtene Zwischenentscheid betreffend die Kostenverlegung im Rahmen eines Zwangsmassnahmenverfahrens für den Beschwerdeführer einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur bewirken kann. Nicht wieder gutzumachend bedeutet, dass er auch mit einem für die beschwerdeführende Person günstigen Endentscheid nicht oder nicht vollständig behebbar ist (BGE 147 IV 188 E. 1.3.2; 143 IV 175 E. 2.3; 141 IV 289 E. 1.2; je mit Hinweisen).  
 
1.3.1. Zwischenentscheide, mit denen die unentgeltliche Rechtspflege verweigert wird, haben in der Regel einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil zur Folge (vgl. BGE 129 I 129 E. 1.1; Urteil 1B_162/2020 vom 21. Oktober 2020 E. 2.1; je mit Hinweisen). Dies ist namentlich der Fall, wenn dem Gericht oder der Anwältin bzw. dem Anwalt innert kurzer Frist ein Kostenvorschuss geleistet werden müsste. Wenn das Verfahren indessen bereits abgeschlossen ist, die Rechtsvertretung ihre Arbeit bereits getan hat und daher keine Gefahr droht, dass die beschwerdeführende Person infolge der Verweigerung der unentgeltlichen Verbeiständung bzw. der amtlichen Verteidigung ihre Rechte nicht wahrnehmen könnte, kann allein aus der Tatsache, dass ein Entscheid die amtliche Verteidigung bzw. die unentgeltliche Prozessführung betrifft, nicht auf die Gefahr eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils geschlossen werden (Urteile 1B_162/2020 vom 21. Oktober 2020 E. 2.1; 1B_9/2018 vom 29. Januar 2018 E. 1.2).  
Das Obergericht verlangte vom Beschwerdeführer - soweit ersichtlich - keinen Kostenvorschuss. Weiter gewährte es ihm für das obergerichtliche Beschwerdeverfahren betreffend die Verlängerung von Ersatzmassnahmen unbestrittenermassen die amtliche Verteidigung und ist das Zwangsmassnahmenverfahren abgeschlossen. Hinsichtlich der Kosten der amtlichen Verteidigung hielt das Obergericht fest, dass die Entschädigung an den Rechtsvertreter am Ende des Hauptverfahrens festzusetzen sei. Unter diesen Umstände erlitt der Beschwerdeführer gemäss der zitierten Rechtsprechung durch die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG, war er doch jederzeit wirksam verteidigt und wurden ihm für die amtliche Verteidigung auch (noch) keine Kosten auferlegt. 
 
1.3.2. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers erleidet er auch aufgrund der ihm von der Vorinstanz verweigerten unentgeltlichen Rechtspflege und der ihm dadurch auferlegten Gerichtskosten im Umfang von Fr. 1'070.-- keinen nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteil. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens haben die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens zu tragen (Art. 428 Abs. 1 Satz 1 StPO). Wie die Vorinstanz zu Recht festhielt, ergibt sich aus Art. 29 Abs. 3 BV kein Anspruch von (aktuell) mittellosen Beschwerdeführenden auf definitive Befreiung von Verfahrenskosten. Finanziell bedürftige Rechtsuchende, die nicht zum Vornherein aussichtslose Rechtsmittel erheben, haben im Rahmen der unentgeltlichen Prozessführung lediglich Anspruch auf Befreiung von der Kostenvorschussobliegenheit (vgl. BGE 122 I 322 E. 2c; 110 Ia 87 E. 4; Urteile 6B_923/2017 vom 27. Februar 2018 E. 2.4.2; 1B_31/2018 vom 19. Februar 2018 E. 3; 1B_185/2017 vom 21. August 2017 E. 5; 1B_372/2014 vom 8. April 2015 E. 4.6). Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, dass die Vorinstanz von ihm einen Kostenvorschuss verlangt hätte, weshalb ihm insoweit kein Nachteil erwuchs. Mit Blick auf die zitierte Rechtsprechung hätte ihm die Vorinstanz sodann, selbst wenn sie sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nach Abschluss der vorinstanzlichen Verfahrens bewilligt hätte, im Umfang seines Unterliegens die Gerichtskosten auferlegen dürfen (vgl. Urteil 6B_758/2013 vom 11. November 2013 E. 3.2). Die im Rahmen des vorliegenden strafprozessualen Zwischenentscheids erfolgte Kostenauflage stellt nach der Rechtsprechung zudem keinen definitiven Rechtsöffnungstitel im Sinne von Art. 80 Abs. 1 SchKG dar, weshalb dem Beschwerdeführer auch insoweit kein irreparabler Rechtsnachteil droht (vgl. BGE 131 III 404 E. 3, Urteile 1B_10/2009 vom 14. Mai 2009 E. 1.5, 6B_309/2007 vom 11. Oktober 2007 E. 1.2).  
 
1.4. Demnach erweist sich die Beschwerde mangels Vorliegens eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG als unzulässig und ist auf sie nicht einzutreten. Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege inklusive Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren ist abzuweisen, da die Beschwerde aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Umständehalber rechtfertigt es sich jedoch, ausnahmsweise auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. November 2022 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Hahn