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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1A.158/2003 /mks 
 
Urteil vom 22. Dezember 2003 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident, 
Bundesrichter Aeschlimann, Reeb, Féraud und Catenazzi, 
Gerichtsschreiberin Gerber. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Markus Schultz, 
 
gegen 
 
Y.________, 
Beschwerdegegner, 
Staat Thurgau, 8500 Frauenfeld, vertreten durch die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Staubeggstrasse 8, 8500 Frauenfeld, 
Obergericht des Kantons Thurgau, Promenadenstrasse 12, 8500 Frauenfeld. 
 
Gegenstand 
OHG, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 25. März 2003. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Am 6. Mai 2002 sprach die Bezirksgerichtliche Kommission Bischofszell Y.________ (im Folgenden: der Angeklagte) der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern und Abhängigen schuldig und verurteilte ihn zu einer Gefängnisstrafe von 12 Monaten. Der Angeklagte wurde verpflichtet, dem Opfer X.________ eine Genugtuung von Fr. 25'000.-- zu bezahlen, und es wurde festgestellt, dass er X.________ im Grundsatz schadenersatzpflichtig sei. Im Übrigen wurden die Forderungen von X.________ auf den Zivilweg verwiesen. Der Kanton Thurgau wurde verpflichtet, X.________ die entsprechenden Zahlungen auszurichten, soweit und sofern der Angeklagte diese nicht leiste (Disp.-Ziff. 4). 
B. 
Gegen dieses Urteil erhob X.________ Berufung an das Obergericht des Kantons Thurgau. Er beantragte, ihm sei ein Zins von 5% seit dem 30. November 1991 auf die Genugtuungssumme zuzusprechen und es sei festzustellen, dass der Angeklagte für den zugefügten Schaden im Grundsatz voll schadenersatzpflichtig sei; eventuell sei dieser unter Vorbehalt der Nachforderung des künftigen Schadens zu verpflichten, ihm für den bis am 6. Mai 2002 eingetretenen Schaden Fr. 164'826.60 zuzüglich 5% Zins seit 1. September 2000 zu bezahlen. 
 
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau erhob Anschlussberufung. Sie beantragte, Ersatzansprüche nach dem Opferhilfegesetz gegenüber dem Staat seien abzuweisen; eventuell sei die Genugtuung, sofern sich eine solche überhaupt rechtfertige, auf höchstens Fr. 5'000.-- bis 10'000.-- festzulegen. Der Angeklagte beteiligte sich nicht am Berufungsverfahren. 
C. 
Am 25. März 2003 hiess das Obergericht die Berufung teilweise gut und die Anschlussberufung gut. Es verpflichtete den Angeklagten, dem Opfer X.________ eine Genugtuung von Fr. 6'000 zuzüglich 5% Zins seit dem 30. November 1991 zu bezahlen und stellte fest, dass der Angeklagte dem Opfer zu 30% haftpflichtig sei. Im Übrigen verwies es die Forderungen des Opfers auf den Zivilweg. In seinen Erwägungen (E. 5 S. 13) hielt das Obergericht fest, dass die Bestimmungen des Opferhilfegesetzes (OHG; SR 312.5) über die Entschädigung und die Genugtuung nicht anwendbar seien, weil die letzte strafbare Handlung vor Inkrafttreten des OHG verübt worden sei. Ziff. 4 des Dispositivs des Urteils der Bezirksgerichtlichen Kommission sei deshalb aufzuheben. 
D. 
Gegen den obergerichtlichen Entscheid erhob X.________ am 31. Juli 2003 Nichtigkeitsbeschwerde und Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht. In seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt er: 
1. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 25. März 2003 sei festzustellen, dass das Opferhilfegesetz (SR 312.5) bezüglich der im Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau von 25. März 2003 festgestellten strafbaren Handlungen anwendbar sei und insbesondere gestützt auf Art. 11 ff. OHG Genugtuungs- und Schadenersatzansprüche bestehen können. 
2. Es sei festzustellen, dass die Vertretung des Kantons Thurgau durch den Staatsanwalt im Strafverfahren im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Ansprüchen gestützt auf das Opferhilfegesetz durch den Staatsanwalt (§ 4 Abs. 2 StPO/TG) Bundesrecht verletzt." 
Überdies ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und um unentgeltliche Verbeiständung. 
 
Die Staatsanwaltschaft und das Obergericht beantragen Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Justiz hat auf eine Vernehmlassung verzichtet, weil sich seines Erachtens keine opferhilferechtlichen Grundsatzfragen stellen. 
E. 
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird von der 1. Zivilabteilung des Bundesgerichts als Berufung entgegengenommen und unabhängig von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde behandelt. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid des Obergerichts Thurgau. Soweit darin Entschädigungs- und Genugtuungsansprüche des Opfers gemäss Art. 11 ff. OHG verneint werden, liegt ein auf Bundesverwaltungsrecht gestützter Entscheid vor, der mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vor Bundesgericht angefochten werden kann (Art. 97 Abs. 1 OG i.V.m. Art. 5 VwVG; BGE 129 IV 149 E. 1 S. 151 mit Hinweisen). 
1.2 Fraglich ist allerdings, ob auf die Feststellungsbegehren des Beschwerdeführers eingetreten werden kann. 
 
Wer ein schutzwürdiges rechtliches oder tatsächliches Interesse nachweist, kann den Erlass einer Feststellungsverfügung über den Bestand, den Nichtbestand oder den Umfang öffentlichrechtlicher Rechte oder Pflichten verlangen (Art. 25 VwVG). Ein solcher Anspruch besteht auch im bundesgerichtlichen Verfahren (Art. 25 BZP in Verbindung mit Art. 40 OG; BGE 126 II 300 E. 2c S. 303; 122 II 97 E. 3 S. 98). Indessen kann die Feststellungsverfügung nicht abstrakte, theoretische Rechtsfragen zum Gegenstand haben, sondern nur konkrete Rechte oder Pflichten (BGE 122 II 97 E. 3; 108 Ib 19 E. 1c S. 22 f.). Sie ist zudem nur zulässig, wenn das schutzwürdige Interesse nicht ebenso gut mit einer zur Leistung verpflichtenden oder rechtsgestaltenden Verfügung gewahrt werden kann (BGE 126 II 300 E. 2c S. 303, mit Hinweisen). 
1.2.1 In seinem ersten Antrag verlangt der Beschwerdeführer, es sei festzustellen, "dass das Opferhilfegesetz bezüglich der im Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 25. März 2003 festgestellten strafbaren Handlungen anwendbar sei und insbesondere gestützt auf Art. 11 ff. OHG Genugtuungs- und Schadenersatzansprüche bestehen können". Der Beschwerdeführer hat ein aktuelles und konkretes Interesse an der Anwendbarkeit der genannten OHG-Bestimmungen, um im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Angeklagten Entschädigungs- und Genugtuungsansprüche gegen den Kanton geltend zu machen. Allerdings könnte er dieses Interesse auch mit einem Antrag auf Erlass eines Verpflichtungs- oder eines rechtsgestaltenden Urteils wahren, z.B. mit dem Begehren, der Kanton Thurgau sei dem Grundsatz nach zu verpflichten, ihn für den aus den Straftaten des Angeklagten entstandenen materiellen und immateriellen Schaden gemäss Art. 11 ff. OHG zu entschädigen, oder das obergerichtlichen Urteil sei aufzuheben, soweit darin Ziff. 4 des Dispositivs des bezirksgerichtlichen Urteils aufgehoben werde. 
1.2.2 Mit seinem zweiten Antrag verlangt der Beschwerdeführer, es sei festzustellen, "dass die Vertretung des Kantons Thurgau durch den Staatsanwalt im Strafverfahren im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Ansprüchen gestützt auf das Opferhilfegesetz durch den Staatsanwalt (§ 4 Abs. 2 StPO TG) Bundesrecht verletzt". So formuliert handelt es sich um eine abstrakte, theoretische Rechtsfrage, die nicht Gegenstand eines bundesgerichtlichen Feststellungsurteils sein kann. Es ist nicht ersichtlich, welchen Rechtsvorteil diese Feststellung allein - ohne eine damit verbundene Aufhebung des angefochtenen Entscheids - dem Beschwerdeführer bringen könnte. 
1.2.3 Allerdings sind die Anträge des Beschwerdeführers im Lichte der Beschwerdebegründung auszulegen. Darin verlangt der Beschwerdeführer auch die Aufhebung des angefochtenen Entscheids (Beschwerdeschrift Ziff. IV.3 S. 11). Freilich legt er nicht dar, inwieweit der angefochtene Entscheid aufgehoben werden soll. Der Aufhebungsantrag kann jedoch nur soweit reichen, als das angefochtene Urteil Gegenstand der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist, d.h. soweit darin Entschädigungs- und Genugtuungsansprüche des Opfers gemäss OHG verneint werden (vgl. oben, E. 1.1). Die Anträge des Beschwerdeführers sind daher in dem Sinne auszulegen, dass die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils verlangt wird, soweit darin Ansprüche des Beschwerdeführers nach Art. 11 f. OHG verneint werden. 
1.3 Mit dieser Massgabe ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten. 
2. 
Das Opferhilfegesetz ist am 1. Januar 1993 in Kraft getreten. Die Übergangsbestimmungen sind in Art. 12 der Verordnung vom 18. November 1992 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (OHV; SR 312.51) geregelt. Danach gelten die Bestimmungen über den Schutz und die Rechte des Opfers im Strafverfahren (Art. 5-10 OHG) für alle Verfahrenshandlungen nach Inkrafttreten des Opferhilfegesetzes (Art. 12 Abs. 2 OHV). Die Bestimmungen über die Entschädigung und die Genugtuung (Art. 11-17 OHG) gelten dagegen nur für Straftaten, die nach Inkrafttreten des Opferhilfegesetzes begangen wurden (Art. 12 Abs. 3 OHV). 
2.1 In der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vom 19. Februar 2002 wurde dem Angeklagten vorgeworfen, er habe sich gegenüber dem Beschwerdeführer mehrfach der sexuellen Handlungen mit einem Kinde (Art. 187 StGB) schuldig gemacht, und zwar im Zeitraum 1990/1991 bis zu dessen 16. Altersjahr, d.h. bis zum 30. November 1992. Ausserdem wurde Anklage wegen sexuellen Handlungen mit einem Kinde und mit Abhängigen erhoben, begangen gegenüber A.________ im Zeitraum von 1996 bis Ende Sommer 2000. Bereits am 5. Dezember 2001 war das Strafverfahren wegen sexuellen Handlungen mit Abhängigen (Art. 188 StGB) zum Nachteil von X.________, begangen vom 30. November 1992 bis zum 30. November 1994, wegen Verjährung eingestellt worden. Diese Einstellungsverfügung bestätigte die Anklagekammer des Kantons Thurgau am 4. Juni 2002. 
Im angefochtenen Urteil (E. 4 S. 12 f.) räumte das Obergericht ein, dass das Bezirksgericht den Angeklagten offensichtlich - über die Anklage hinaus - auch wegen sexueller Handlungen mit Abhängigen zum Nachteil des Beschwerdeführers schuldig gesprochen habe. Es korrigierte diesen Fehler, indem es ausdrücklich feststellte, dass sich der Angeklagte zwar nicht gegenüber dem Berufungskläger, wohl aber gegenüber A.________ zusätzlich auch mehrfach nach Art. 188 StGB schuldig gemacht habe. Disp.-Ziff. 1 des obergerichtlichen Entscheids ist deshalb in diesem Sinne zu verstehen. 
 
Im Urteil des Obergerichts wurden somit zum Nachteil des Beschwerdeführers nur Straftaten gemäss Art. 187 StGB festgestellt, die bis zum 16. Geburtstag des Beschwerdeführers am 30. November 1992 begangen worden waren. Da das OHG erst danach, am 1. Januar 1993, in Kraft getreten ist, hat das Obergericht zu Recht entschieden, dass die Bestimmungen des OHG über die Entschädigung und die Genugtuung keine Anwendung finden. Dagegen hat es die Bestimmungen des OHG über den Schutz und die Rechte des Opfers im Strafverfahren (Art. 5-10 OHG) angewendet. Hierin ist kein Widerspruch zu sehen; vielmehr handelt es sich um die konsequente Anwendung von Art. 12 OHV, der unterschiedliche Übergangsbestimmungen für die Verfahrensrechte einerseits und für die Entschädigungs- und Genugtuungsansprüche andererseits enthält. 
2.2 Der Beschwerdeführer macht dagegen geltend, die jahrelangen sexuellen Übergriffe des Täters auf das Opfer stellten ungeachtet ihrer rechtlichen Qualifikation eine "Tateinheit" dar; massgeblich sei deshalb der letzte strafrechtlich relevante Zeitpunkt der Tathandlung im Jahre 1994. 
2.2.1 Soweit der Beschwerdeführer damit die Auffassung vertritt, dass auch Straftaten nach dem 30. November 1992 mitangeklagt und im Strafverfahren mitbeurteilt hätten werden müssen, ist auf diese Rüge nicht einzutreten: Sie richtet sich gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 5. Dezember 2001 und deren Bestätigung durch die Anklagekammer des Kantons Thurgau vom 4. Juni 2002, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind. 
2.2.2 Soweit der Beschwerdeführer aus der angeblichen "Tateinheit" ableitet, dass auch über Zivilansprüche wegen nicht angeklagter Straftaten hätten entschieden werden müssen, ist seine Rüge unbegründet: Der Strafrichter muss für die Frage, ob das Opfer Rechte gemäss OHG geltend machen kann, auf den Anklagesachverhalt abstellen (BGE 122 IV 71 E. 4a S. 78). Dieser umfasste hier - zu Lasten des Beschwerdeführers - nur Straftaten, die vor Inkrafttreten des OHG begangen worden waren. 
 
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus BGE 126 IV 38 (E. 3a S. 40 f.): Dort wurde entschieden, dass der Strafrichter gehalten ist, sich mit den unmittelbaren Folgen des angeklagten Täterverhaltens (im damaligen Fall: eine schwere Körperverletzung) in zivilrechtlicher Hinsicht auseinander zu setzen, auch wenn eine Deliktsfolge geltend gemacht wird (damals: der Tod des Opfers), der vom eingeklagten Tatbestand nicht erfasst wird. Auch in diesem Entscheid wird jedoch verlangt, dass die vom Opfer im Strafverfahren geltend gemachten Zivilansprüche im Zusammenhang mit der angeklagten Straftat stehen. 
2.3 Schliesslich rügt der Beschwerdeführer, das Obergericht habe Ziff. 4 des bezirksgerichtlichen Urteils nur in seinen Erwägungen, nicht aber im Dispositiv aufgehoben; dies sei mit der Rechtssicherheit nicht vereinbar. § 210 StPO/TG bestimmt jedoch, dass das Berufungsurteil als neues Urteil abzufassen ist und den angefochtenen Entscheid ersetzt. Dann aber genügte es, die Aufhebung von Ziff. 4 des bezirksgerichtlichen Dispositivs in den Erwägungen zu erwähnen und die entsprechende Anordnung nicht mehr ins Dispositiv des neuen Urteils des Obergerichts aufzunehmen. 
2.4 Das Obergericht hat somit kein Bundesrecht verletzt, als es die Bestimmungen des OHG über Entschädigung und Genugtuung in seinen Erwägungen für nicht anwendbar erklärte. 
3. 
Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, es widerspreche Sinn und Zweck des OHG, wenn der Staatsanwalt in einem Strafverfahren gleichzeitig die Anklage und die Interessen des Staates hinsichtlich der Opferhilfe vertrete, wie dies nach § 4 Abs. 2 StPO/TG der Fall sei. Gemäss Art. 1 OHG solle Opfern von Straftaten wirksam Hilfe geleistet und deren Rechtsstellung verbessert werden. Durch die im Kanton Thurgau vorgesehene Doppelrolle des Staatsanwalts werde die prozessuale Situation des Opfers geschwächt; die Staatsanwaltschaft sei versucht, zur Abwehr der OHG-Ansprüche das Verschulden beim Opfer zu suchen, wovon der Täter gleich doppelt profitiere: beim Strafmass und bezüglich der Zivilforderung. Diese Regelung verletze auch Art. 16 OHG, weil dem Opfer die unabhängige Instanz für die erste Beurteilung seiner Ansprüche genommen werde. Sei § 4 Abs. 2 StPO/TG somit bundesrechtswidrig, hätte das Obergericht auf die Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft nicht eintreten dürfen, und Ziff. 4 des erstinstanzlichen Entscheids wäre rechtskräftig geworden. 
3.1 Art. 16 OHG verpflichtet die Kantone, ein einfaches, rasches und kostenloses Verfahren vorzusehen, in dem das Opfer seine Entschädigungs- und Genugtuungsansprüche geltend machen kann. Damit hat der Bundesgesetzgeber den Kantonen die Organisation des Verfahrens frei überlassen (Gomm/Stein/Zehntner, Kommentar zum Opferhilfegesetz, Bern 1995, N 11 zu Art. 16 OHG). 
 
Die meisten Kantone haben die Bestimmung von Entschädigungs- und Genugtuungsansprüchen des Opfers einer Verwaltungsbehörde übertragen. Im Kanton Thurgau werden diese Ansprüche dagegen vom Strafrichter beurteilt, der die Vorschriften des beschleunigten Verfahrens gemäss Zivilprozessordnung sinngemäss anwendet (§ 10a StPO/TG). Die Staatsanwaltschaft vertritt den staatlichen Strafanspruch und wahrt die Interessen des Staates bei Entschädigungs- und Genugtuungsbegehren gemäss Opferhilfegesetz (§ 4 Abs. 2 StPO/TG). 
 
Diese Regelung hat den Vorteil, dass das Opfer sämtliche Ansprüche - die Zivilforderungen gegen den Täter wie auch Ansprüche nach Art. 11 ff. OHG gegen den Staat - in einem einzigen Verfahren - dem Strafverfahren - geltend machen kann. In erster Instanz entscheidet der Strafrichter und damit eine unabhängige Instanz über seine Ansprüche. Gegen den Entscheid des Strafrichters steht dem Opfer ein Rechtsmittel an das Obergericht als einzige kantonale Instanz i.S.v. Art. 17 OHG zur Verfügung. 
3.2 Fraglich ist allerdings, ob die Doppelrolle der Staatsanwaltschaft als Anklagevertreterin und als Vertreterin der finanziellen Interessen des Staates im Zusammenhang mit staatlichen OHG-Leistungen gemäss § 4 Abs. 2 StPO/TG mit Sinn und Zweck des OHG vereinbar ist. 
 
In BGE 129 II 312 E. 2.6 S. 316 hat das Bundesgericht zum Ausdruck gebracht, dass diese beiden Funktionen wohl nicht vereinbar seien, ohne die Frage indessen abschliessend zu entscheiden. Die zitierte Erwägung steht allerdings in einem anderen Kontext: In jenem Entscheid ging es um die Frage, ob die OHG-Behörde an die rechtlichen Erwägungen des Strafrichters gebunden ist, wenn dieser im Strafverfahren auch über die Zivilansprüche entscheidet. Zu beurteilen war die Situation im Kanton Waadt, in dem die Staatsanwaltschaft ausschliesslich die Anklage vertritt, ihr also keine Doppelrolle zukommt wie nach thurgauischem Recht. 
 
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist das obergerichtliche Urteil nur insoweit, als darin OHG-Ansprüche des Opfers verneint werden (vgl. oben, E. 1.1 und 1.2.3). Demgemäss ist nur zu untersuchen, ob es mit dem OHG vereinbar ist, die Staatsanwaltschaft und damit die Anklagebehörde im Verfahren zur Bestimmung dieser Ansprüche als Interessenvertreterin des Staates einzusetzen. Nicht zu beurteilen ist dagegen, ob und inwiefern die Doppelrolle der Staatsanwaltschaft die Wirksamkeit der Anklagevertretung im Strafverfahren beeinträchtigt und insofern allfällige Rechte des Opfers im Strafverfahren oder im Adhäsionsverfahren verletzt. 
 
Grundsätzlich lässt das OHG den Kantonen freie Hand bei der Organisation des Opferhilfeverfahrens (vgl. oben, E. 3.1). Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Verfahrenshoheit der Kantone so wenig wie möglich, d.h. nur so weit wie zur Erreichung der Ziele des OHG nötig, beschränkt werden (BGE 127 IV 215 E. 2d S. 217/218). Insofern ist es den Kantonen grundsätzlich freigestellt, ob sie das Entschädigungsverfahren erstinstanzlich als Verwaltungsverfahren oder als kontradiktorisches Gerichtsverfahren ausgestalten und ob sie einer Behörde Parteirechte zur Wahrung der finanziellen Interessen des Staates einräumen wollen. Es ist auch keine bundesrechtliche Norm ersichtlich, die es verbieten würde, eine Anklagebehörde mit dieser Aufgabe zu betrauen. 
4. 
Nach dem Gesagten ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzuweisen. Das Verfahren betreffend Entschädigung und Genugtuung nach Opferhilfegesetz ist kostenlos (Art. 16 OHG); dies gilt auch für das Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht (BGE 122 II 211 E. 4b S. 219). Der Beschwerdeführer hat um unentgeltliche Verbeiständung ersucht. Da die Voraussetzungen hierfür vorliegen (vgl. Art. 152 Abs. 1 und 2 OG), ist dem Gesuch stattzugeben. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
3. 
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Verbeiständung gewährt. Rechtsanwalt Markus Schultz, St. Gallen, wird als amtlicher Vertreter des Beschwerdeführers bestellt, und es wird ihm für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse ein Honorar von Fr. 2'000.-- ausgerichtet. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Staat Thurgau und dem Obergericht des Kantons Thurgau sowie dem Bundesamt für Justiz schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 22. Dezember 2003 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: