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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5P.431/2006 /blb 
 
Urteil vom 22. Dezember 2006 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Parteien 
1. X.________, 
2. Y.________, 
Beschwerdeführerinnen, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christian Widmer, 
 
gegen 
 
Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Abteilung V, Unterstrasse 28, 9001 St. Gallen. 
 
Gegenstand 
Art. 9, 29 Abs. 2 und Art. 30 Abs. 1 BV 
(Fürsorgerische Freiheitsentziehung), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Abteilung V, vom 31. August 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
A.a Z.________ ist 1991 als Tochter der damals minderjährigen X.________ und von V.________ in R.________ geboren worden. Der allein stehenden Mutter wurde am 15. März 1993 die Obhut über das Kind entzogen. Dieses lebte fortan in B.________ bei seinen Pflegeeltern, der Grossmutter väterlicherseits, Y.________, und deren Ehemann, M.________. 
A.b Am 23. November 2005 wies der Vizepräsident II der Vormundschaftsbehörde B.________ das Kind Z.________ zur Einschulung und Erziehung in das Jugendheim J.________ in S.________ ein und entzog gleichzeitig den Pflegeeltern Y.________ und M.________ die Obhut. 
B. 
Am 19. Mai 2006 beantragten die Pflegeeltern sowie die Eltern die Entlassung von Z.________ aus dem Jugendheim, welchem Begehren die Vizepräsidentin III der Vormundschaftsbehörde B.________ am 13. Juli 2006 nicht entsprach. Dagegen klagten die Mutter, X.________, und Y.________ am 28. Juli 2006 bei der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, welche die Klage am 31. August 2006 abwies. 
C. 
Gegen diesen Entscheid hat Z.________, vertreten durch X.________ und Y.________ staatsrechtliche Beschwerde und eidgenössische Berufung eingereicht. Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt sie, den Entscheid der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen vom 31. August 2006 aufzuheben und ihr für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. Es ist keine Vernehmlassung eingeholt worden. 
D. 
Mit Beschluss der II. Zivilabteilung des Bundesgerichts vom 30. Oktober 2006 wurden X.________ und Y.________ als Parteien des Verfahrens der staatsrechtlichen Beschwerde übernommen; die Parteibezeichnung wurde in diesem Sinne geändert. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Wird in der gleichen Sache sowohl Berufung als auch staatsrechtliche Beschwerde erhoben, so ist in der Regel zuerst über die staatsrechtliche Beschwerde zu befinden, und der Entscheid über die Berufung ist auszusetzen (Art. 57 Abs. 5 OG). Im vorliegenden Fall besteht kein Anlass, anders zu verfahren. 
2. 
Gegen den letztinstanzlichen Entscheid, das Kind nicht aus der Anstalt zu entlassen, steht die eidgenössische Berufung wegen Verletzung von Bundesrecht offen (Art. 43 Abs. 1 und Art. 44 lit. d OG). Die Beschwerdeführerinnen rügen den Anspruch des Kindes auf Protokollierung der Verhandlung als verletzt und berufen sich in dieser Hinsicht auf Art. 29 Abs. 2 BV. Art. 314 Ziff. 1 ZGB gewährt dem betroffenen Kind einen Anspruch darauf, dass die Verhandlung protokolliert wird (Breitschmid, Basler Kommentar ZGB I, 3. Aufl. 2006, N. 2 zu Art. 314/314a ZGB). Im vorliegenden Fall hätte eine Verletzung dieses Anspruchs als Verletzung von Bundesrecht mit eidgenössischer Berufung angefochten werden können (Art. 44 lit. d OG), weshalb auf die insoweit subsidiäre staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden kann (Art. 84 Abs. 2 OG). Gleich verhält es sich, soweit die Beschwerdeführerinnen die im Bundesrecht begründete Offizial- bzw. Untersuchungsmaxime als verletzt rügen (Breitschmid, Basler Kommentar ZGB I, 3. Aufl. 2006, N. 5 zu Art. 314/314a ZGB.) oder geltend machen, die Anstalt sei nicht geeignet. 
3. 
Die Beschwerdeführerinnen machen als Verletzung ihres persönlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) geltend, die Verwaltungsrekurskommission habe anlässlich der Sitzung vom 31. August 2006 auf die Erstellung eines Sitzungsprotokolls verzichtet, weshalb heute das von den Parteien Gesagte inhaltlich nicht mehr überprüft werden könne. Die angerufene Verfassungsbestimmung (Art. 29 Abs. 2 BV) gewährt den Beschwerdeführerinnen zwar einen Anspruch auf Protokollierung ihrer Aussagen (BGE 130 II 473 E. 4.2 S. 478; 131 II 670 E. 4.3 S. 679). Diese wurden aber im angefochtenen Entscheid (S. 7 f.) wiedergegeben. Die Beschwerdeführerinnen legen nicht substanziiert dar, inwiefern diese Wiedergabe unvollständig sei. Eine Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV ist damit nicht ersichtlich. 
4. 
Die Beschwerdeführerinnen hatten im kantonalen Verfahren eine berufliche Verbindung zwischen der beigezogenen Fachrichterin und der Vormundschaftsbehörde moniert und deshalb ein Austandsbegehren gegen die betreffende Fachrichterin gestellt, welches der Präsident der Verwaltungsrekurskommission mit Entscheid vom 7. September 2006 abwies. Diesbezüglich rügen sie im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde gegen den nach dem Entscheid über das Ausstandsbegehren eröffneten Entscheid der Verwaltungsrekurskommission vom 31. August 2006 eine Verletzung ihres Anspruchs auf ein unabghängiges unparteiisches Gericht (Art. 30 Abs. 1 BV). Sie räumen aber selbst ein, den Präsidialentscheid vom 7. September 2006 nicht - wie in der Rechtsmittelbelehrung angegeben - beim Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen angefochten zu haben. Insoweit liegt demnach kein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid über das Ausstandsbegehren vor, so dass auf die entsprechende Rüge nicht eingetreten werden kann (Art. 87 Abs. 1 OG). 
5. 
Die Beschwerdeführerinnen bezeichnen den Entscheid der Verwaltungsrekurskommission schliesslich in verschiedener Hinsicht als willkürlich. Willkür liegt indes nach ständiger Rechtsprechung nicht schon vor, wenn eine andere Lösung vertretbar oder gar vorzuziehen wäre; das Bundesgericht hebt einen Entscheid vielmehr nur auf, wenn dieser mit der tatsächlichen Situation in offensichtlichem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Dabei rechtfertigt sich die Aufhebung des angefochtenen Entscheides nur, wenn er sich auch im Ergebnis als verfassungswidrig herausstellt (BGE 132 III 209 E. 2.1 S. 211; 129 I 49 E. 4 S. 58, je mit Verweisen). 
Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss die Beschwerdeschrift die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darstellung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (Rügeprinzip; vgl. BGE 125 I 71 E. 1c S. 76; 129 I 185 E. 1.6 S. 189; 130 I 258 E. 1.3 S. 262). Allgemeine Vorwürfe ohne eingehende Begründung dafür, inwiefern welches verfassungsmässige Recht verletzt sein soll, genügen den gesetzlichen Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht (BGE 117 Ia 10 E. 4b). Ebenso wenig tritt es auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid ein (BGE 125 I 492 E. 1b S. 495; 130 I 258 E. 1.3 S. 262). 
5.1 Die Ausführungen der Beschwerdeführerinnen, wonach das Verhalten von Z.________, nämlich das Schwänzen der Schule, Kiffen sowie ihr sexualisiertes Verhalten in der Aktennotiz nicht vorhanden seien, aber auch die Erörterungen zur Schlägerei von Z.________ mit anderen Mädchen setzen sich nicht den vorgenannten Anforderungen entsprechend mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheides auseinander; es handelt sich dabei vielmehr um unzulässige appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid; darauf ist nicht einzutreten. 
5.2 Was die Kritik am angeblich sexualisierten Verhalten von Z.________ anbelangt, so lassen die entsprechenden Ausführungen der Beschwerdeführerinnen eine genügende Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Entscheid vermissen. Dem Anwalt scheint offenbar entgangen zu sein, dass die Verwaltungsrekurskommission damit lediglich entsprechende Äusserungen von Z.________ aufgegriffen hat. Darauf ist nicht einzutreten. 
5.3 Als willkürlich beanstandet wird sodann die Äusserung der Vormundschaftsbehörde, es sei bekannt, dass beim nicht sorgeberechtigten Vater weiche Drogen bezogen werden könnten. Die Verwaltungsrekurskommission hat diesbezüglich allerdings keine Feststellungen getroffen. Sie hat zwar die Gefährdung von Z.________ auch bezüglich ihres nachgewiesenen Cannabiskonsums angenommen und erwogen, sie wäre bei einer Rückkehr in den Haushalt ihrer Mutter gefährdet, zumal sie am letzten Wochenende zuhause Cannabis konsumiert habe. Die Verwaltungsrekurskommission erklärte aber die Gefährdung - entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerinnen - nicht damit, dass der Vater im selben Haus wohne wie die Pflegeeltern. Der Willkürvorwurf ist somit unbegründet. 
5.4 Die weiteren Ausführungen zum Cannabiskonsum erschöpfen sich in appellatorischer Kritik, ganz abgesehen davon, dass die Verwaltungsrekurskommission nicht von einem anhaltenden Konsum spricht. 
5.5 Was den Willkürvorwurf im Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum anbelangt, so geht dieser insoweit an der Sache vorbei, als die Stellungnahme der Vormundschaftsbehörde wiedergegeben wird, ohne daraus Schlüsse zu ziehen. Darauf ist nicht einzutreten. 
5.6 Die Beschwerdeführerinnen kritisieren als willkürlich, dass eine Gefährdung durch eine Beziehung von Z.________ zu einem "älteren" Mann bestehe. Im angefochtenen Entscheid findet sich die Darlegung der Vormundschaftsbehörde, dass Z.________ spätestens seit 2005 eine intime Beziehung zu einem "volljährigen" jungen Mann unterhalte, welche Beziehung von der Pflegemutter geduldet werde. Sodann wird im Entscheid festgestellt, dass Z.________ auch durch ihr sexualisiertes Verhalten gefährdet sei. Die Willkürrüge geht schon deshalb fehl, weil die Verwaltungsrekurskommission nicht von einem "älteren Mann" gesprochen hat; im Übrigen bestreiten die Beschwerdeführerinnen auch nicht, dass der Mann volljährig ist und das fragliche Verhalten eine strafbare Handlung darstellt, woran der fakultative Strafbefreiungsgrund nichts ändert. 
5.7 Die Beschwerdeführerinnen behaupten, im angefochtenen Entscheid seien die in den verschiedenen Berichten aufgeführten positiven Äusserungen nicht explizit erwähnt worden. Soweit solches überhaupt zutrifft, heisst dies noch nicht, dass die positiven Äusserungen von der Verwaltungsrekurskommission nicht zur Kenntnis genommen worden sind, bzw. dass der Schluss auf eine Gefährdung willkürlich sein soll. 
5.8 Mit Bezug auf den Bericht vom 5. Juni 2006 wird Willkür damit begründet, dieser sei von einem "internen Psychologen" verfasst worden und sei daher zurückhaltend zu würdigen und punkto Neutralität in Frage zu stellen. Mit dieser allgemeinen appellatorischen Kritik lässt sich Willkür nicht rechtsgenügend begründen. Darauf ist nicht einzutreten. 
5.9 Die Beschwerdeführerinnen beanstanden ferner den Fachbericht als willkürlich abgefasst, auf den die Verwaltungsrekurskommission unter anderem abstellt, ohne ihn aber im Einzelnen zu zitieren. Willkür lässt sich allerdings nicht damit aufzeigen, dass einzelne, vorwiegend als Würdigung zu qualifizierende Passagen (Z.________ habe keinen dem Alter entsprechenden Realitätsbezug, versuche die Erwachsenen zu manipulieren und sei in ihrer Persönlichkeit nicht gefestigt) herausgegriffen und als "ziemlich realitätsfremd" als "schwierig nachvollziehbar" bezeichnet werden. Auf diese appellatorische Kritik ist nicht einzutreten. 
5.10 Die Beschwerdeführerinnen bezeichnen den Fachbericht auch deshalb als willkürlich, weil die darin aufgeführten Erkenntnisse ihrer Auffassung nach nicht nur aus der Einvernahme von Z.________, sondern auch aus andern Quellen gewonnen worden seien. Diese Kritik ist nicht nachvollziehbar, werden doch die verschiedenen Erkenntnisquellen offen gelegt (Berichte des Schulpsychologen vom 4. Juni 2003 und vom 5. Juni 2006; Berichte der Vormundschaftsbehörde). Inwieweit der Fachbericht dadurch willkürlich sein soll, dass er sich nicht nur auf die Einvernahme von Z.________, sondern auch auf andere Erkenntnisquellen stützt, wird nicht substanziiert dargetan. Darauf ist nicht einzutreten. 
5.11 Nicht einzutreten ist schliesslich auf die tatbeständlichen Ausführungen, die mit keiner konkreten Rüge verbunden sind. 
6. 
Damit ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdeführerinnen kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG), wobei sie für die ihnen auferlegten Kosten solidarisch haften (Art. 156 Abs. 7 OG). 
7. 
Die Beschwerdeführerinnen haben zwar ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt, ihre Bedürftigkeit als eine der kumulativen Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege aber nicht dargetan. Vielmehr haben sie den ihnen auferlegten Kostenvorschuss geleistet, weshalb das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen ist (Art. 152 Abs. 1 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Das Gesuch der Beschwerdeführerinnen um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird den Beschwerdeführerinnen unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt. 
4. 
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführerinnen und der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Abteilung V, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 22. Dezember 2006 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: