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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_624/2017  
 
 
Urteil vom 23. Januar 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Glanzmann, 
Gerichtsschreiberin Oswald. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 Atupri Gesundheitsversicherung, Zieglerstrasse 29, 3007 Bern, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
 A.________, 
vertreten durch die Sozialen Dienste Bezirk Uster, Industriestrasse 27, 8604 Volketswil 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Krankenversicherung (Rückerstattung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 29. Juni 2017 (KV.2017.00037). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, geboren 1928, ist bei der Atupri Gesundheitsversicherung (fortan: Atupri) krankenversichert. Am 5. Juli 2016 musste er notfallmässig vom Alters- und Pflegezentrum B.________ ins Spital C.________ verlegt werden, wobei die Transportkosten von Atupri übernommen wurden. Am 14. Juli 2016 wurde der Versicherte aus dem Spital C.________ entlassen und durch die D.________ GmbH ins Alters- und Pflegezentrum B.________ zurücktransportiert. Mit Verfügung vom 27. September 2016 lehnte Atupri die Übernahme der Kosten (Fr. 157.15) für diesen Transport ab. Daran hielt sie auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 24. März 2017). 
 
B.   
Die von A.________ hiergegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 29. Juni 2017 gut. Es stellte fest, dass der Versicherte gegenüber Atupri Anspruch auf die anteilsmässige Übernahme der Kosten für den Transport vom 14. Juli 2016 habe. 
 
C.   
Atupri führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 29. Juni 2017 sei aufzuheben und das Leistungsbegehren des A.________ abzuweisen. 
 A.________ sowie das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Streitig ist einzig die Leistungspflicht von Atupri im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung.  
 
1.2. Die Leistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung umfassen u.a. im Falle der Krankheit (Art. 1a Abs. 2 lit. a KVG) die Kosten für die Leistungen gemäss den Art. 25-31 KVG. Dabei sind die in den Art. 32-34 KVG festgelegten Voraussetzungen zu beachten (Art. 24 KVG). Art. 25 Abs. 2 lit. g KVG sieht einen Beitrag an die medizinisch notwendigen Transportkosten vor. Der Bundesrat bezeichnet gemäss Art. 33 Abs. 2 KVG die nicht von Ärzten und Ärztinnen oder von Chiropraktoren und Chiropraktorinnen erbrachten Leistungen nach Art. 25 Absatz 2 näher. Diese Aufgabe kann er dem Departement oder dem Bundesamt übertragen (Art. 33 Abs. 5 KVG), was er in Art. 33 lit. g KVV getan hat. Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) erliess gestützt hierauf Art. 26 KLV. Gemäss dieser Bestimmung übernimmt die Versicherung 50 Prozent der Kosten von medizinisch indizierten Krankentransporten zu einem zugelassenen, für die Behandlung geeigneten und im Wahlrecht des Versicherten stehenden Leistungserbringer, wenn der Gesundheitszustand des Patienten oder der Patientin den Transport in einem anderen öffentlichen oder privaten Transportmittel nicht zulässt. Maximal wird pro Kalenderjahr ein Betrag von Fr. 500.- übernommen.  
 
2.   
Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, der Versicherte habe für den Rücktransport vom Spital C.________ ins Alters- und Pflegeheim B.________ zwar keinen Ambulanztransport benötigt, sei jedoch gesundheitsbedingt auf einen Rollstuhl angewiesen gewesen. Deshalb habe der Transport nicht mit einem gewöhnlichen Taxi durchgeführt werden können. Dass die übrigen Voraussetzungen gemäss Art. 26 KLV erfüllt gewesen seien, sei nicht bestritten worden. Auch aus den Akten hätten sich keine gegenteiligen Hinweise ergeben. Demnach habe der Versicherte gestützt auf Art. 26 KLV Anspruch auf die anteilsmässige Übernahme der Transportkosten durch die Versicherung. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin ist demgegenüber der Ansicht, gemäss Art. 26 Abs. 1 KLV reiche es nicht aus, dass ein Transport in Zusammenhang stehe mit einer medizinisch indizierten Behandlung durch einen anerkannten Leistungserbringer. Vielmehr müsse der Krankentransport selber medizinisch indiziert sein. Eine ärztliche Bescheinigung in diesem Sinne fehle in den Akten. Der strittige Transport sei nicht zum Zweck einer Behandlung erfolgt, sondern es handle sich um einen Rücktransport vom Spital zurück an den Wohnort, der von Art. 26 Abs. 1 KLV nicht erfasst sei. Unbewiesen sei zudem, dass der Gesundheitszustand des Versicherten die Benutzung eines anderen öffentlichen oder privaten Transportmittels nicht zugelassen hätte. Das kantonale Gericht habe den massgeblichen Sachverhalt unrichtig festgestellt und Art. 26 Abs. 1 KLV falsch angewendet, womit es eine Rechtsverletzung im Sinne von Art. 106 i.V.m. Art. 95 lit. a BGG begangen habe. Das angefochtene Urteil sei deshalb aufzuheben. 
 
4.  
 
4.1. Mit Blick auf Art. 26 Abs. 1 KLV (vgl. E. 1.2 in fine) ist zunächst zu klären, ob es dem Beschwerdegegner zumutbar war, den Rückweg vom Spital C.________ ins Alters- und Pflegezentrum B.________ selbständig mit öffentlichen oder privaten Transportmitteln zurückzulegen (vgl. hierzu auch GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Auflage 2016, S. 548 Rz. 466).  
 
4.2. Die Vorinstanz stellte fest, dass der Versicherte gesundheitsbedingt auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Hieraus schloss sie, dass der Transport mit einem gewöhnlichen Taxi nicht geeignet gewesen sei. Nähere Angaben zum Gesundheitszustand des Beschwerdegegners lassen sich der vorinstanzlichen Erkenntnis jedoch nicht entnehmen. Das kantonale Gericht stellte weder fest, an welchen gesundheitlichen Einschränkungen der Versicherte leidet, noch ob er im Alters- oder im Pflegeheim untergebracht ist; auch Angaben zur Art des verwendeten Rollstuhls (mit oder ohne Motor) fehlen. Insbesondere sind keinerlei ärztliche Angaben aktenkundig, aus denen sich die medizinische Notwendigkeit des streitigen Krankentransports ergäbe (BGE 124 V 338 E. 2c/bb S. 344). Dabei ist darauf hinzuweisen, dass zwischen dem Spital C.________ und dem Bahnhof C.________ sowie zwischen den Bahnhöfen C.________ und B.________ Busverbindungen bestehen, bei denen der Ein- und Ausstieg auch für Rollstuhlfahrer (mit Hilfestellung des Fahrpersonals) möglich ist.  
 
4.3. Aufgrund des von der Vorinstanz unvollständig festgestellten Sachverhalts lässt sich nicht sagen, dass dem Beschwerdegegner die Nutzung eines anderen öffentlichen oder privaten Verkehrsmittels mit dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. z.B. BGE 141 V 15 E. 3.1 S. 20; Urteil 9C_201/2017 vom 3. November 2017 E. 4.1; je mit Hinweisen) nicht möglich und zumutbar gewesen wäre. Ist nicht rechtsgenüglich erstellt, ob der Transport (medizinisch) notwendig war, erübrigen sich Weiterungen zu den übrigen Voraussetzungen des Art. 26 Abs. 1 KLV sowie zur Anwendbarkeit von Art. 56 KVV. Hiermit wird sich gegebenenfalls die Vorinstanz - je nach Ergebnis der noch vorzunehmenden Sachverhaltsabklärungen - in ihrem neuen Entscheid auseinanderzusetzen haben, unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorbringen der Beschwerdeführerin vor Bundesgericht. Damit bleibt dem Versicherten bezüglich der aufgeworfenen (Grundsatz-) Fragen auch der Instanzenzug gewahrt.  
 
5.   
Auf die Erhebung von Gerichtskosten wird umständehalber verzichtet (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Die Beschwerdeführerin hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG; Urteil 9C_698/2016 vom 4. Mai 2017 E. 4 mit Hinweisen). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 29. Juni 2017 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 23. Januar 2018 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Oswald