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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_118/2011 
 
Urteil vom 23. März 2011 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin, 
Bundesrichterin Escher, 
Bundesrichter von Werdt, 
Gerichtsschreiber V. Monn. 
 
1. Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
2. Y.________, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Steiner, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
1. A.________, 
2. BZ.________, 
3. CZ.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Stockwerkeigentum, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts 
des Kantons Aargau, Zivilgericht, 1. Kammer, vom 11. Januar 2011. 
Sachverhalt: 
 
A. 
Auf dem Grundstück GB D.________ Nr. xxx, Plan 34, an der E.________ in D.________ steht ein Mehrfamilienhaus, das in insgesamt 28 Stockwerkeinheiten aufgeteilt ist. X.________ gehören die Einheiten Nr. xxx und Nr. xxx, Y.________ die Einheit Nr. xxx, A.________ die Einheit Nr. xxx, BZ.________ und CZ.________ als Gesamteigentümer die Einheit Nr. xxx. An einer ausserordentlichen Versammlung der Stockwerkeigentümer vom 2. Mai 2007, an welcher die Parteien des vorliegenden Prozesses anwesend waren, wurde A.________ sowie Ehepaar Z.________ mit Mehrheitsentscheid (675 der 828 anwesenden bzw. vertretenen Wertquoten) bewilligt, auf dem Dach der Liegenschaft je ein Gartenzimmer zu erstellen, das über eine von ihren jeweiligen Stockwerkeinheiten im sechsten Obergeschoss ausgehende neue Treppe betreten und genutzt werden kann. Am 23. Juli 2007 bewilligte der Gemeinderat D.________ das entsprechende Baugesuch und wies die von X.________ und Y.________ dagegen erhobenen Einsprachen ab. Das Baubewilligungsverfahren ist derzeit beim aargauischen Verwaltungsgericht hängig. 
 
X.________ und Y.________ (nachfolgend Beschwerdeführer) klagten am 30. Januar 2008 beim Bezirksgericht Baden gegen A.________ sowie Ehepaar Z.________ (nachfolgend Beschwerdegegner). Sie beantragten, es sei den Beschwerdegegnern unter Strafdrohung zu verbieten, auf dem Dach des Mehrfamilienhauses E.________ in D.________ ohne Zustimmung der Beschwerdeführer im Sinne eines ausschliesslichen Nutzungsrechts einen Dachaufbau (Gartenzimmer) zu erstellen. Zudem sei festzustellen, dass die Beschwerdegegner ohne Zustimmung der Beschwerdeführer kein ausschliessliches Nutzungsrecht am Dach des im Eigentum der Stockwerkeigentümer E.________ in D.________ stehenden Mehrfamilienhauses erlangen können. Ferner seien die Beschwerdegegner zu verpflichten, den Beschwerdeführern die Kosten aus dem Baubewilligungsverfahren, inkl. Beschwerdeverfahren, zu ersetzen. Die Beschwerdeführer stützten ihre Begehren ausdrücklich auf Art. 641 Abs. 2 ZGB i.V.m. Art. 712a Abs. 2 ZGB. Mit Urteil vom 21. Oktober 2009 wies das Bezirksgericht Baden die Klage vollumfänglich ab. 
 
B. 
Das Obergericht wies die von den Beschwerdeführern dagegen erhobene Appellation mit Urteil vom 11. Januar 2011 ab. 
 
C. 
Mit Beschwerde vom 11. Februar 2011 wenden sich die Beschwerdeführer an das Bundesgericht und wiederholen die vor dem Bezirksgericht gestellten Begehren. Sie rügen Willkür in der Sachverhaltsfeststellung sowie Verletzung von Bundesrecht. 
 
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid in einer vermögensrechtlichen Zivilsache, deren Streitwert das Obergericht auf über Fr. 30'000.-- beziffert (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen ist grundsätzlich gegeben. 
 
1.2 Nach Art. 42 Abs. 1 BGG sind die Begehren zu begründen. Von vornherein nicht einzutreten ist auf das Begehren um Ersatz der aus dem Baubewilligungsverfahren entstandenen Kosten, denn die Beschwerde enthält hierzu keine Ausführungen. 
 
1.3 Mit Beschwerde in Zivilsachen kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht, Völkerrecht und kantonalen verfassungsmässigen Rechten geltend gemacht werden (Art. 95 BGG). Kantonales Recht ist - unter Vorbehalt von Art. 95 lit. c BGG - demgegenüber nicht bzw. nur im Zusammenhang mit der Verletzung verfassungsmässiger Rechte überprüfbar (BGE 135 III 578 E. 6.1 S. 580). Hiefür gilt das strenge Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG). Das heisst, dass das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene Rügen prüft, die soweit möglich zu belegen sind, während es auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid nicht eintritt (BGE 125 I 492 E. 1b S. 495; 130 I 258 E. 1.3 S. 262; 133 III 393 E. 7.1 S. 398). 
 
2. 
Zusammengefasst erwog das Obergericht, die Stockwerkeigentümerversammlung vom 2. Mai 2007 habe mit einem Quorum vom 81.52 % den Beschwerdegegnern das Dach des Mehrfamilienhauses 'zur ausschliesslichen Benützung überlassen, wie wenn sie daran ein Sonderrecht besässen (analog Garten gemäss Reglement C.14)', und diese zur Vornahme von geplanten baulichen Massnahmen ermächtigt. Wohl wäre nach Ziffer 38 des Stockwerkeigentümerreglements sowohl für die Einräumung eines ausschliesslichen Benützungsrechts wie auch für die Befugnis zur Erstellung von der Verschönerung und Bequemlichkeit dienenden Bauten auf gemeinschaftlichem Eigentum (Art. 647e Abs. 1 ZGB) Einstimmigkeit erforderlich gewesen, wobei für Letzteres die Mehrheit aller Miteigentümer genüge, die zugleich die Mehrheit der Sache vertritt, sofern die nicht zustimmenden Miteigentümer durch die Bauten in ihren Nutzungs- und Gebrauchsrechten nicht dauernd beeinträchtigt werden und diesen keine Kosten anfallen, was hier zutreffe. Das Obergericht kam zum Schluss, der Beschluss sei auf jeden Fall nicht angefochten worden. Soweit die Beschwerdeführer behaupteten, ihre Einsprache im Baubewilligungsverfahren sei als Anfechtung des fraglichen Beschlusses zu werten, handle es sich erstens um unzulässige neue Tatsachenvorbringen und zweitens sei der Einwand auch bei materieller Prüfung unbehelflich, weil für die Anfechtung nur die Stockwerkeigentümergemeinschaft passivlegitimiert sei, nicht aber einzelne Stockwerkeigentümer; die Baueinsprache habe sich aber lediglich gegen das Gesuch der Beschwerdegegner gerichtet. Schliesslich verwarf das Obergericht den Einwand, der fragliche Beschluss sei nichtig. 
 
3. 
Was die Beschwerdeführer mehr oder weniger unstrukturiert mal als willkürliche Sachverhaltsfeststellung, mal als willkürliche oder bundesrechtswidrige Rechtsanwendung gegen das oberinstanzliche Urteil vorbringen, ist unbehelflich: 
 
3.1 Auf den Vorwurf, das Obergericht habe den Einwand der Anfechtung im Baueinspracheverfahren zu Unrecht als neues Tatsachenvorbringen qualifiziert, ist nicht einzutreten, denn die Beschwerdeführer bezeichnen keine einzige gesetzliche Norm, die dadurch verletzt bzw., soweit es sich um kantonales Prozessrecht handelt, willkürlich angewendet worden sein könnte. Insofern kommen sie ihrer Begründungspflicht nicht nach (E. 1.3). Selbst wenn das Obergericht in diesem Punkt Unrecht gehabt hätte, könnte auf den Einwand, wonach die Beschwerdeführer den fraglichen Beschluss mangels Rechtsmittelbelehrung rechtzeitig bei der Baubewilligungsbehörde angefochten hätten, aber nicht eingetreten werden. Denn auch in diesem Zusammenhang führen die Beschwerdeführer keine Gesetzesbestimmung an, aus der sie einen Anspruch auf eine Rechtsmittelbelehrung durch die Stockwerkeigentümerversammlung, auf Weiterleitung einer offensichtlich unzuständigenorts eingereichten Anfechtungsklage an das zuständige Gericht oder auf Ergänzung der Prozessparteien bzw. Präzisierung der Anfechtungsklage von Amtes wegen ableiten wollen und die willkürlich angewendet worden sein könnten. Mithin bleibt es bei der Schlussfolgerung des Obergerichts, wonach die Beschwerdeführer den Beschluss der Stockwerkeigentümerversammlung vom 2. Mai 2007 nicht angefochten haben. 
 
3.2 Als falsch bezeichnen die Beschwerdeführer weiter die Schlussfolgerung des Obergerichts, wonach die Beschwerdegegner mit dem Beschluss der Stockwerkeigentümerversammlung vom 2. Mai 2007 zur alleinigen Nutzung des Daches und zur Erstellung eines Gartenzimmers auf diesem ermächtigt worden seien, ohne dass sie eines weiteren Beschlusses der Stockwerkeigentümergemeinschaft oder der Zustimmung der Beschwerdeführer bedürfen. Zur Begründung führen sie aus, im Nachgang zum fraglichen Beschluss bedürfe es einer Änderung des Stockwerkeigentümerreglements. Diese müsse im Hinblick auf die Anmerkung im Grundbuch öffentlich beurkundet und von allen Stockwerkeigentümern unterzeichnet werden. Sie, die Beschwerdeführer, würden einer solchen Anmeldung nie und nimmer zustimmen, weshalb das Grundbuchamt eine Anmeldung des geänderten Reglements "mit absoluter Sicherheit" abweisen würde. All dies habe das Obergericht unbeachtet gelassen. 
 
Die Anmeldung eines geänderten Stockwerkeigentümerreglements zur Anmerkung im Grundbuch erfordert entweder das von allen Stockwerkeigentümern unterzeichnete Reglement oder die Beilage eines beglaubigten Auszuges aus dem Protokoll über seine Annahme durch Beschluss der Stockwerkeigentümergemeinschaft (Art. 79 Abs. 5 der Verordnung betreffend das Grundbuch vom 22. Februar 1910, SR 211.432.1). Nach den Feststellungen des Obergerichts hat die Stockwerkeigentümerversammlung vom 2. Mai 2007 den Beschwerdegegnern mit einem Quorum vom 81.52 % das Dach des Mehrfamilienhauses 'zur ausschliesslichen Benützung überlassen, wie wenn sie daran ein Sonderrecht besässen (analog Garten gemäss Reglement C.14)'. Diesen Beschluss haben die Beschwerdeführer nicht angefochten. Sie legen auch nicht dar, weshalb damit das Stockwerkeigentümerreglement nicht gültig geändert worden sein soll. Diese Frage braucht hier nicht beantwortet zu werden, denn das (geänderte) Reglement wurde den Ausführungen der Beschwerdeführer zufolge bisher noch gar nicht zur Anmerkung angemeldet. Folglich kann das Bundesgericht auch nicht beurteilen, ob die Eintragungsvoraussetzungen erfüllt sind. Soweit überhaupt auf die Einwendungen eingetreten werden kann, erweisen sie sich als unbegründet. 
 
3.3 Schliesslich erachten die Beschwerdeführer die Beurteilung des Obergerichts als willkürlich, wonach der Beschluss der Stockwerkeigentümergemeinschaft vom 2. Mai 2007 trotz Verletzung der Quorumsvorschriften nicht nichtig sei. Das Obergericht verwarf diese Einrede hauptsächlich mit dem Argument, Nichtigkeit setze die Unvereinbarkeit eines Beschlusses mit Normen voraus, die dem Schutz Dritter oder der Wahrung öffentlicher Interessen dienten; solche stünden nicht zur Diskussion. Sodann seien nach in der Lehre überwiegend vertretener Auffassung Beschlüsse einer Versammlung, die in Verletzung eines (qualifizierten) Beschlussquorums zustandegekommen seien, nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar. 
 
Mit diesen Erwägungen setzen sich die Beschwerdeführer nicht auseinander. Sie wenden vielmehr ein, das Gebäude sei bereits im heutigen Zustand nicht zonenkonform und die zusätzlichen Bauten würden diese Gesetzwidrigkeit noch verstärken. Diese tatsächlichen Vorbringen finden im angefochtenen Urteil keine Grundlage; sie sind neu und daher unzulässig (Art. 99 Abs. 1 BGG). Abgesehen davon könnte daraus keine Nichtigkeit abgeleitet werden, denn es obliegt den Baubewilligungsbehörden, die Zonenkonformität der Baute zu beurteilen; das diesbezügliche Verfahren ist noch hängig (Bst. A). Auch auf diese Rüge kann nicht eingetreten werden. 
 
4. 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Beschwerdeführer unterliegen und sind solidarisch kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG). Den Beschwerdegegnern ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 23. März 2011 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber: 
 
Hohl V. Monn