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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
2C_934/2017  
 
 
Urteil vom 23. März 2018  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Donzallaz, Stadelmann. 
Gerichtsschreiberin Petry. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Amt für Migration des Kantons Luzern, 
Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern. 
 
Gegenstand 
Ausländerrecht, Eingrenzung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern, 4. Abteilung, vom 27. September 2017 
(7H 17 271/7U 17 43). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
A.________ (geb. 1995), afghanischer Staatsbürger, reiste am 26. Dezember 2015 illegal in die Schweiz ein und stellte gleichentags ein Asylgesuch. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) lehnte das Gesuch mit Verfügung vom 10. April 2017 ab und wies ihn aus der Schweiz weg. Die dagegen erhobene Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht blieb erfolglos (Urteil vom 11. Juli 2017). Das Amt für Migration des Kantons Luzern (hiernach: Migrationsamt) setzte ihm in der Folge eine Ausreisefrist bis zum 10. August 2017. Am 27. Juli 2017 wurde A.________ sowohl vom Migrationsamt als auch vom SEM erneut zur Ausreise bis spätestens am 16. August 2017 aufgefordert. Seitens des Migrationsamtes wurde er zudem auf seine gesetzliche Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung der Reisepapiere sowie die möglichen Konsequenzen bei Verletzung derselben und Nichtbeachtung der Ausreisefrist hingewiesen. Bei Gesprächen mit dem Migrationsamt am 27. Juli und 9. August 2017 erklärte A.________ jeweils unmissverständlich, er wolle nicht in sein Heimatland zurückkehren. Zudem habe er nichts zur Beschaffung seiner Reisepapiere unternommen. 
Nach einer erneuten Befragung am 18. August 2017, bei welcher A.________ ausführte, bisher nichts zur Papierbeschaffung unternommen zu haben und nicht in sein Heimatland ausreisen zu wollen, erliess das Migrationsamt gleichentags eine auf zwei Jahre befristete Eingrenzungsverfügung auf das Gebiet der Gemeinde Luzern. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Luzern mit Urteil vom 27. September 2017 ab, wobei es das Migrationsamt anwies, A.________ einen korrekten Plan des Eingrenzungsgebiets auszuhändigen. 
 
2.  
Mit Beschwerde vom 31. Oktober 2017 (Postaufgabe) beantragt A.________ die Aufhebung der Eingrenzung. Zudem sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege für das Verfahren vor Bundesgericht zu gewähren. Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten beigezogen, jedoch auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
3.  
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1 und Art. 90 BGG), aber offensichtlich unbegründet und kann mit summarischer Begründung und im Übrigen durch Verweisung auf den angefochtenen Entscheid abgewiesen werden (Art. 109 Abs. 2 und 3 BGG). 
 
4.  
Gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. b AuG kann die zuständige Behörde einer Person die Auflage machen, ein ihr zugewiesenes Gebiet nicht zu verlassen (Eingrenzung), wenn ein rechtskräftiger Weg- oder Ausweisungsentscheid vorliegt und konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass die betroffene Person nicht innerhalb der Ausreisefrist ausreisen wird oder sie die ihr angesetzte Ausreisefrist nicht eingehalten hat. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers setzt Art. 74 Abs. 1 lit. b AuG weder eine Untertauchensgefahr voraus, noch ist erforderlich, dass der Betroffene eine konkrete Störung oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung von einer gewissen Intensität darstellt. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass gegen ihn ein rechtskräftiger Wegweisungsentscheid vorliegt und er die ihm angesetzte Ausreisefrist nicht eingehalten hat. Die Voraussetzungen für eine Eingrenzung nach Art. 74 Abs. 1 lit. b AuG sind insoweit erfüllt. 
 
5.  
Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, die Massnahme sei unverhältnismässig. Er sei weder straffällig noch renitent und stehe den Behörden stets zur Verfügung. Er habe genügend Kontrollkontakte, welche es ihm gar nicht ermöglichen würden, sich für längere Zeit weit weg von Luzern aufzuhalten. 
 
5.1. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers bezweckt die Eingrenzung nach Art. 74 Abs. 1 lit. b AuG nicht allein, dass sich der Betroffene den Behörden zur Verfügung hält. Vielmehr dient sie - als milderes Mittel gegenüber der Durchsetzungshaft - dazu, den Weggewiesenen zur Befolgung seiner Ausreiseverpflichtung zu veranlassen (vgl. BGE 142 II 1 E. 2.2 S. 4; Urteil 2C_287/2017 vom 13. November 2017 E. 4, zur Publikation vorgesehen), und muss zu diesem Zweck so einschneidend wirken, dass das angestrebte Ziel erreicht wird. Der Beschwerdeführer hat sich bis anhin nicht zur Respektierung seiner Ausreiseverpflichtung bewegen lassen, so dass eine einschneidendere Massnahme angezeigt ist.  
 
5.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er zu seinem eigenen Schutz nicht in sein Heimatland ausreisen und deshalb auch keine Papiere beschaffen könne. Soweit er damit die Rechtmässigkeit der Wegweisung in Frage stellen will, ist er nicht zu hören. Im Eingrenzungsverfahren ist die Rechtmässigkeit der Wegweisung grundsätzlich nicht zu überprüfen: Der Zwangsmassnahmenrichter kann Wegweisungsentscheide nur dann in Frage stellen, wenn sie augenfällig unzulässig bzw. derart offensichtlich falsch sind, dass sie sich letztlich als nichtig erweisen (vgl. zur Ausschaffungshaft BGE 130 II 56 E. 2 S. 58; 128 II 193 E. 2.2.2 S. 198; 125 II 217 E. 2 S. 220). Dies wird vorliegend vom Beschwerdeführer weder behauptet, noch ist es ersichtlich. Der Beschwerdeführer legt auch nicht dar, dass ihm eine Ausreise objektiv nicht möglich wäre. Er macht nicht geltend, sich vergeblich bei der zuständigen Vertretung um die Ausstellung von Reisepapieren bemüht zu haben. Im Gegenteil geht aus den für das Bundesgericht verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz hervor, dass er seiner Pflicht zur Papierbeschaffung nicht nachgekommen ist und auch weiterhin nicht bereit ist, freiwillig in sein Heimatland zurückzukehren. Unter diesen Umständen kann eine Eingrenzung verhängt werden (vgl. Urteil 2C_54/2015 vom 22. Juni 2015 E. 4.1), besteht doch deren Zweck gerade darin, den Betroffenen zu rechtskonformem Verhalten zu veranlassen (zit. Urteil 2C_287/2017 E. 4.7.2).  
 
5.3. Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, die Massnahme sei nicht geeignet, da das angestrebte Ziel dadurch nicht gefördert werden könne. Auch die Eingrenzung werde ihn nicht zur Ausreise bewegen, womit die Druckwirkung ihr Ziel verfehle.  
Diese Vorbringen gehen fehl. Ungeeignet zur Erreichung ihres Zwecks und damit unzulässig ist die Eingrenzung, wenn die Rückreise in das Heimatland objektiv unmöglich ist (vgl. zit. Urteil 2C_287/2017 E. 2.3 und 4.8). Hingegen erweist sie sich nicht deshalb als ungeeignet, weil der Betroffene sich nicht davon beeindrucken lässt. In einem Rechtsstaat kann es nicht in Frage kommen, von der Rechtsdurchsetzung abzusehen, weil der Betroffene erklärt, sich nicht an die Rechtsordnung halten zu wollen (vgl. BGE 136 IV 97 E. 6.3.3 S. 116). Sollte der Beschwerdeführer der Wegweisungsverfügung trotz der Eingrenzung nicht Folge leisten, so wäre diese entgegen seiner Ansicht nicht aufzuheben, sondern zu verschärfen, damit das angestrebte Ziel erreicht wird. 
 
5.4. Die kantonalen Behörden haben den Beschwerdeführer auf ein Gebiet eingegrenzt, welches immerhin rund 29 Quadratkilometer umfasst. Für die sozialen Kontakte darf von seinen Bekannten ausserhalb der Gemeinde Luzern erwartet werden, dass sie nötigenfalls zu ihm reisen. Auch die gesundheitlichen Probleme des Beschwerdeführers (posttraumatische Belastungsstörung) vermögen die Massnahme nicht in Frage zu stellen, räumt er doch selbst ein, weiterhin Zugang zu einer adäquaten medizinischen und psychotherapeutischen Behandlung zu haben. Die auf zwei Jahre beschränkte Massnahme entspricht auch in Bezug auf ihre Dauer dem überwiegenden öffentlichen Interesse, das schweizerische Asyl- und Ausländerrecht wirksam durchsetzen zu können. Die Massnahme erweist sich als verhältnismässig.  
 
5.5. Soweit sich der Beschwerdeführer auf Art. 5 Ziff. 1 EMRK beruft, begründet er nicht in einer den qualifizierten Anforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG genügenden Weise, inwiefern Art. 5 EMRK verletzt sein soll. Auf die Rüge ist deshalb nicht weiter einzugehen. Im Übrigen ist zu beachten, dass in den Schutzbereich von Art. 5 EMRK lediglich der Freiheitsentzug fällt, jedoch nicht jede Beschränkung der Bewegungsfreiheit (vgl. hierzu das Urteil 2C_830/2015 vom 1. April 2016 E. 3.2 mit Hinweisen).  
 
6.  
Der Beschwerdeführer bringt schliesslich vor, die ihm neu ausgehändigte Kopie des Eingrenzungsgebiets sei unklar. 
Im von ihm beigelegten Plan wurde das Gebiet der Gemeinde Luzern (inkl. das Gebiet der ehemaligen Gemeinde Littau) grün umrandet. Der Plan enthält den Vermerk "Grüner Bereich: Eingrenzungsgebiet. Ausgehändigt am 6.10.2017". Zwar trägt der Plan an anderer Stelle auch den Vermerk "Verbotenes Gebiet: Stadt Luzern, alle Stadtkreise, inkl. Littau", jedoch ist mit Blick auf die Verfügung des Migrationsamts offensichtlich, dass es sich dabei um ein Versehen handelt. Die Eingrenzung umfasst, wie die Vorinstanz zweifelsfrei festhält, das gesamte Gebiet der Gemeinde Luzern. Auf die entsprechenden Ausführungen der Vorinstanz kann verwiesen werden (E. 3.5 und 4 des angefochtenen Urteils). 
 
7.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Der Beschwerdeführer wird damit grundsätzlich kostenpflichtig. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Umständehalber wird auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonsgericht Luzern, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. März 2018 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Petry