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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2F_1/2023  
 
 
Urteil vom 23. März 2023  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Bundesrichterin Hänni, 
Gerichtsschreiberin Ivanov. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Gesuchsteller, 
 
gegen  
 
Amt für Militär und Zivilschutz, 
Abteilung Wehrpflichtersatzabgabe, 
Burgstrasse 50, 9000 St. Gallen, 
Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen, 
Oberer Graben 32, 9001 St. Gallen, 
Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, 
Abteilung II, 
Webergasse 8, 9001 St. Gallen. 
 
Gegenstand 
Vorsorgliche Abnahme der persönlichen Waffe, 
aufschiebende Wirkung, 
 
Revisionsgesuch gegen das Urteil des Schweizerischen 
Bundesgerichts vom 20. Januar 2023 (2C_29/2023). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Am 14. September 2022 meldete sich A.________ (geb. 1998) bei der Kantonalen Notrufzentrale St. Gallen und teilte mit, dass er einen körperlichen Zwang melden wolle bzw. Schwierigkeiten mit seinem Vater habe. Die ausgerückten Polizeibeamten beurteilten ihn als problematische, leicht reizbare und sehr emotionale Person.  
Am 4. Oktober 2022 teilte die Kantonspolizei St. Gallen dem Militär-Kreiskommando St. Gallen mit, die zuständige Fachstelle sei zur Ansicht gelangt, dass ein möglicher Missbrauch der persönlichen Waffe durch A.________ nicht auszuschliessen sei. 
Am 6. Oktober 2022 verfügte das Kreiskommando, Amt für Militär und Zivilschutz, den vorläufigen Entzug der persönlichen Dienstwaffe und der Leihwaffe von A.________, verbunden mit der Aufforderung, diese beiden Armeewaffen bis spätestens 14. Oktober 2022 in der Retablierungsstelle St. Gallen oder bei der Kantonspolizei St. Gallen abzugeben. Zudem verfügte es für den Unterlassungsfall den polizeilichen Einzug der Waffen und ordnete die sofortige Vollstreckbarkeit der Verfügung an. 
 
1.2. Dagegen erhob A.________ Rekurs an das Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen und beantragte unter anderem sinngemäss die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.  
Mit Verfügung vom 13. Oktober 2022 lehnte das Sicherheits- und Justizdepartement den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ab, mit der Begründung, dass konkrete Anzeichen einer Selbst- oder Drittgefährdung mit der persönlichen Waffe oder deren Missbrauch bestünden. 
Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Abteilung II, mit Verfügung der Abteilungspräsidentin vom 7. Dezember 2022 ab. 
 
1.3. Mit Urteil vom 20. Januar 2023 trat das Bundesgericht auf eine gegen diese Verfügung gerichtete Beschwerde von A.________ vom 16. Januar 2023 - mangels Vorliegens eines nicht wiedergutzumachenden Nachteils i.S.v. Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG - nicht ein (Urteil 2C_29/2023). Das Urteil erging im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 BGG.  
 
1.4. Mit Eingabe vom 1. März 2023 (Postaufgabe) reicht A.________ ein "Gesuch um Wiedererwägung oder Revision des Urteils des Bundesgerichts 2C_29/2023 vom 20. Januar 2023" ein. Prozessual ersucht er um aufschiebende Wirkung sowie um Befreiung von der Leistung eines Kostenvorschusses.  
Es wurde kein Schriftenwechsel durchgeführt. 
 
2.  
Urteile des Bundesgerichts erwachsen am Tag ihrer Ausfällung in Rechtskraft (Art. 61 BGG). Eine nochmalige Überprüfung der einem Urteil des Bundesgerichts zu Grunde liegenden Streitsache ist grundsätzlich ausgeschlossen. Das Gericht kann auf seine Urteile nur zurückkommen, wenn einer der in den Art. 121 ff. BGG abschliessend aufgeführten Revisionsgründe vorliegt. Die um Revision eines bundesgerichtlichen Urteils ersuchende Person hat gemäss Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG namentlich einen vom Gesetz vorgesehenen Revisionsgrund zu nennen und aufzuzeigen, weshalb das revisionsbetroffene Urteil an einem revisionserheblichen Mangel leidet; fehlt eine entsprechende Begründung, wird auf das Gesuch nicht eingetreten (vgl. Urteile 2F_37/2021 vom 11. Januar 2022 E. 3; 2F_35/2021 vom 9. Dezember 2021 E. 2.1; 2F_30/2021 vom 12. November 2021 E. 2). Das Revisionsgesuch ist unter Beachtung der gesetzlichen Fristen gemäss Art. 124 BGG einzureichen. 
 
3.  
Der Gesuchsteller nennt als Revisionsgründe Art. 121 lit. b, c und d sowie Art. 122 BGG. Die Art. 97 und 99 BGG, auf welche er sich ebenfalls beruft, stellen keine Revisionsgründe dar. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, das Bundesgericht habe verschiedene von ihm behauptete Verletzungen der EMRK sowie eine geltend gemachte Rechtsverweigerung seitens des Sicherheits- und Justizdepartements nicht behandelt. 
 
3.1. Nach Art. 121 lit. b BGG kann die Revision eines Entscheids verlangt werden, wenn das Gericht einer Partei mehr oder, ohne dass das Gesetz es erlaubt, anderes zugesprochen hat, als sie selber verlangt hat, oder weniger als die Gegenpartei anerkannt hat. Art. 121 lit. c BGG sieht seinerseits vor, dass die Revision eines Entscheids des Bundesgerichts verlangt werden kann, wenn einzelne Anträge unbeurteilt geblieben sind (Art. 121 lit. c BGG). Anträge im Beschwerdeverfahren sind Begehren, mit denen die Aufhebung oder Änderung des Rechtsverhältnisses, wie es die (jeweilige) Vorinstanz festgelegt hat, angestrebt wird. Rügen dienen der Begründung der Anträge; sie sind Teil der Begründung und stellen keine Anträge dar (Urteile 8F_8/2020 vom 7. Juli 2020 E. 3.3.1; 2F_17/2017 vom 4. September 2018 E. 3.1).  
Das Bundesgericht ist im zu revidierenden Urteil auf die gegen einen Zwischenentscheid gerichtete Beschwerde nicht eingetreten, weil die Voraussetzung des nicht wiedergutzumachenden Nachteils gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht erfüllt war (vgl. E. 2.2 des beanstandeten Urteils). 
Wird auf ein Rechtsmittel nicht eingetreten, werden die mit der Eingabe gestellten Anträge zwangsläufig nicht materiell beurteilt. In solchen Konstellationen liegt weder ein Anwendungsfall von Art. 121 lit. b BGG (vgl. Urteile 6F_6/2022 vom 17. März 2022 E. 3; 8F_14/2017 vom 9. Februar 2018 E. 4) noch von Art. 121 lit. c BGG vor (vgl. Urteile 2F_26/2020 vom 10. Februar 2021 E. 2.2.1 mit Hinweisen; 6F_7/2019 vom 21. März 2019 E. 1; 6F_11/2016 vom 19. April 2016 E. 2.4). Damit scheidet eine Verletzung von Verfahrensvorschriften i.S.v. Art. 121 lit. b und c BGG, die ein Eintreten auf die Beschwerde voraussetzen, aus. Die Revision kann sich nur auf die Eintretensfrage beziehen (Urteile 6F_6/2022 vom 17. März 2022 E. 3; 2F_26/2020 vom 10. Februar 2021 E. 2.2.1). 
 
3.2.  
Sollte der Gesuchsteller behaupten wollen, er habe mit seiner Eingabe vom 16. Januar 2023 auch beabsichtigt, Rechtsverweigerungsbeschwerde gegen das Sicherheits- und Justizdepartement zu erheben, weil dieses seinen Rekurs materiell nicht behandelt habe, ist er der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass eine solche - mangels Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs - nicht direkt beim Bundesgericht eingereicht werden könnte (Art. 94 i.V.m. Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). 
 
3.3. Der Revisionsgrund von Art. 121 lit. d BGG liegt vor, wenn das Gericht in den Akten liegende erhebliche Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigt hat. Der entsprechende Revisionsgrund kann zudem nur angerufen werden, wenn die unberücksichtigten Tatsachen als erheblich zu bezeichnen sind. Davon ist auszugehen, wenn deren Berücksichtigung zugunsten des Gesuchstellers zu einer anderen Entscheidung hätte führen müssen (Urteile 2F_10/2022 vom 15. März 2022 E. 3.5; 2F_26/2019 vom 14. November 2019 E. 3.1; jeweils mit Hinweisen).  
Der Gesuchsteller beschränkt sich im Wesentlichen darauf, darzulegen, weshalb der im Verfahren 2C_29/2023 angefochtene Zwischenentscheid aus seiner Sicht Recht verletzt. Zudem bestreitet er, dass von ihm ein Sicherheitsrisiko ausgehe und ersucht erneut um Rückgabe seiner Waffen. Seine Vorbringen zielen auf eine materielle Beurteilung seiner Beschwerde vom 16. Januar 2023 ab, was im Rahmen des vorliegenden Revisionsverfahrens unzulässig ist. Im Übrigen tut er nicht substanziiert dar (Art. 42 Abs. 2 BGG), dass und inwiefern der Revisionsgrund von Art. 121 lit. d BGG erfüllt sein soll. 
 
3.4. Sodann ist festzuhalten, dass der Revisionsgrund von Art. 122 BGG nicht zur Rüge der Verletzung der EMRK offen steht, sondern nur in Betracht kommt, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil eine derartige Verletzung festgestellt hat (Art. 122 lit. a BGG), was vorliegend nicht der Fall ist (vgl. Urteile 2F_13/2022 vom 17. März 2022 E. 2.4; 6F_9/2021 vom 8. Juni 2021 E. 4; 4F_2/2020 vom 13. Mai 2020 E. 2.2).  
 
3.5. Soweit der Gesuchsteller schliesslich beanstandet, dass seine Beschwerde durch die Abteilungspräsidentin als Einzelrichterin abgewiesen wurde, ist Folgendes festzuhalten: Die Wahl des vereinfachten Verfahrens nach Art. 108 BGG ist Ausfluss der rechtlichen Würdigung der Beschwerde in formeller Hinsicht, die nicht der Revision unterliegt (vgl. BGE 122 II 17 E. 3; Urteil 2F_34/2022 vom 13. Dezember 2022 E. 4.4). Kommt die Einzelrichterin zum Schluss, auf die Beschwerde sei infolge offensichtlicher Unzulässigkeit oder wegen offensichtlich unzureichender Begründung nicht einzutreten (Art. 108 Abs. 1 lit. a und b BGG) bzw. weil sie querulatorisch oder rechtsmissbräuchlich ist (Art. 108 Abs. 1 lit. c BGG), kann diese rechtliche Beurteilung nicht mit einem Revisionsgesuch in Frage gestellt werden (vgl. Urteile 2F_34/2022 vom 13. Dezember 2022 E. 4.4; 4F_16/2018 vom 31. August 2018 E. 2.2 mit Hinweisen).  
 
3.6. Im Ergebnis tut der Gesuchsteller nicht rechtsgenüglich dar (Art. 42 Abs. 2 BGG), dass einer der Revisionsgründe von Art. 121 ff. BGG erfüllt ist. Auf das Revisionsgesuch ist daher ohne Schriftenwechsel oder andere Instruktionsmassnahmen nicht einzutreten (Art. 127 BGG). Damit wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung für das vorliegende Verfahren (Art. 126 BGG) gegenstandslos.  
 
4.  
Das Gesuch um Befreiung vom Kostenvorschuss bzw. um unentgeltliche Rechtspflege ist zufolge offensichtlicher Aussichtslosigkeit des Revisionsgesuchs abzuweisen (Art. 64 BGG). Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem Gesuchsteller aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf das Revisionsgesuch wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Gesuchsteller auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Abteilung II, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. März 2023 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Die Gerichtsschreiberin: D. Ivanov