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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_506/2023  
 
 
Urteil vom 23. April 2024  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, Haag, Müller, Merz, 
Gerichtsschreiberin Gerber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Swisscom (Schweiz) AG, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Mischa Morgenbesser und/oder Rechtsanwalt Andreas Eichenberger, 
 
gegen  
 
Politische Gemeinde Wil, 
Stadtrat, Marktgasse 58, Postfach 1372, 9500 Wil, 
Bau- und Umweltdepartement des Kantons St. Gallen, Lämmlisbrunnenstrasse 54, 9001 St. Gallen. 
 
Gegenstand 
Benützungsverbot Mobilfunkanlagen 
(drei adaptive Antennen), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen, 
Abteilung I, vom 17. August 2023 (B 2023/11). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Swisscom (Schweiz) AG (nachfolgend: Swisscom), Bern, betreibt in der politischen Gemeinde Wil die adaptiven Mobilfunkantennen WIAB (Grundstück Nr. 2565W), WITZ (Grundstück Nr. 704W) und WIBR (Grundstück Nr. 2592W). Die Mobilfunkanlagen liegen in der Bauzone. Sie wurden 2019 mit adaptiven Antennen ausgerüstet, wobei die Beurteilung nach dem sog. Worst-Case-Szenario» erfolgte, ohne Berücksichtigung eines Korrekturfaktors (für die Anlage WIAB im Baubewilligungsverfahren, für die Anlagen WITZ und WIBR im sog. Bagatellverfahren). 
 
B.  
Am 2. und 3. Juni 2021 reichte die Swisscom für die Mobilfunkanlagen WIBR und WITZ aufgrund des neu unter Anwendung eines Korrekturfaktors erfolgenden Betriebs je ein Standortdatenblatt zum Projekt «Aktualisierung gemäss BAFU-Nachtrag zu adaptiven Antennen vom 23.02.2021» bei der politischen Gemeinde Wil ein. Die Gemeinde vertrat die Auffassung, es müsse ein ordentliches Baubewilligungsverfahren durchgeführt werden und ordnete mit Verfügungen vom 15. Dezember 2021 und 18. Januar 2022 die Einstellung des vom letzten aktiven Standortdatenblatt abweichenden Betriebs ein. 
Den Rekurs gegen die Verfügung vom 15. Dezember 2021 betreffend die Mobilfunkanlage WIBR zog die Swisscom am 9. Februar 2022 zurück. Gegen die Verfügung betreffend die Mobilfunkanlage WITZ wurde kein Rekurs erhoben. 
 
C.  
Mit Schreiben vom 4. Juli 2022 reichte die Swisscom bei der politischen Gemeinde Wil erneut die Standortdatenblätter vom 2. und 3. Juni 2021 betreffend die Mobilfunkanlagen WITZ und WIBR ein und beantragte den Erlass je einer anfechtbaren Verfügung, für den Fall, dass für die Anwendung des Korrekturfaktors die Einreichung eines ordentlichen Baugesuchs verlangt werde. Für die Mobilfunkanlage WIAB reichte die Swisscom am 5. Juli 2022 ein neues Standortdatenblatt vom 4. Mai 2022 unter Anwendung des Korrekturfaktors ein. 
Die politische Gemeinde Wil verfügte am 18. Juli 2022, der vom jeweils letzten aktiven Standortdatenblatt abweichende Betrieb der Mobilfunkanlagen WIAB, WITZ und WIBR sei einzustellen. Einem allfälligen Rekurs entzog sie die aufschiebende Wirkung. 
 
D.  
Dagegen rekurrierte die Swisscom am 25. Juli 2022 an das Bau- und Umweltdepartement des Kantons St. Gallen (nachfolgend: Departement). Dieses vereinigte die drei Verfahren und wies die Rekurse am 10. Januar 2023 ab. Einer allfälligen Beschwerde entzog es die aufschiebende Wirkung. 
 
E.  
Die dagegen erhobene Beschwerde der Swisscom wies das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen am 17. August 2023 ab. Das Verwaltungsgericht bejahte die Baubewilligungspflicht gestützt auf Art. 136 Abs. 1 und 2 des kantonalen Planungs- und Baugesetzes vom 5. Juli 2016 (PBG/SG; sGS 731.1). Ziff. 1b des Dispositivs des Rekursentscheids betreffend die Mobilfunkanlage WITZ änderte es dahin ab, dass auf das Gesuch vom 4. Juli 2022 nicht einzutreten sei. 
 
F.  
Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid hat Swisscom am 20. September 2023 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht erhoben. Sie beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben. Eventualiter sei die Beschwerde betreffend die Mobilfunkanlage WITZ an die Vorinstanz zur Behandlung zurückzuweisen. 
 
G.  
Das Verwaltungsgericht sowie das Departement schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Die Gemeinde Wil hat sich nicht vernehmen lassen. 
Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) legt in seiner Vernehmlassung dar, dass die Anwendung eines Korrekturfaktors bei bestehenden adaptiven Antennen insgesamt nicht zu einer Erhöhung der Strahlungsexposition in der Umgebung der Anlage führe und gemäss der Verordnung vom 23. Dezember 1999 über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV; SR 814.710) nicht als Änderung der Anlage gelte. Inwiefern trotzdem die Durchführung eines Baubewilligungsverfahrens notwendig sei, beurteile sich nach Art. 22 Abs. 1 RPG (SR 700) und der jeweiligen Konkretisierung der Kantone, welche die Bewilligungspflicht breiter fassen könnten. 
 
H.  
In ihrer Schlussbemerkung vom 27. Februar 2024 hält die Beschwerdeführerin an ihren Anträgen fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Gegen den kantonal letztinstanzlichen Endentscheid des Verwaltungsgerichts steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht offen (Art. 82 lit. a, 86 Abs. 1 lit. d und 90 BGG). Das Verwaltungsgericht hat die Verfügungen der Gemeinde bestätigt, welche der Beschwerdeführerin einen vom jeweils letzten aktiven Standortdatenblatt abweichenden Betrieb der Mobilfunkanlagen WIAB, WITZ und WIBR verbieten. Die Beschwerdeführerin ist davon unmittelbar betroffen und hat ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Abänderung dieser Anordnungen. Sie ist damit zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten befugt (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die rechtzeitig erhobene Beschwerde (Art. 100 Abs. 1 BGG) ist einzutreten. 
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Bundesrecht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Die Verletzung von Grundrechten (einschliesslich die willkürliche Anwendung von kantonalem Recht) prüft es dagegen nur insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und genügend begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit Hinweisen).  
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat, sofern dieser nicht offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 und Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel können nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). 
 
1.2. Im Folgenden ist zunächst ein kurzer Überblick über adaptive Antennen und die für sie vorgenommenen Änderungen der NISV zu geben (E. 2). Anschliessend werden die Rechtsstandpunkte der Beteiligten zusammengefasst (E. 3), bevor das Bundesgericht die Bewilligungspflicht nach Bundesrecht (E. 4) und - soweit noch erforderlich - nach kantonalem Recht (E. 5) prüft.  
 
2.  
Gemäss Art. 4 Abs. 1 NISV müssen Mobilfunkanlagen so erstellt und betrieben werden, dass sie die in Anh. 1 NISV festgelegten vorsorglichen Emissionsbegrenzungen einhalten. Ziff. 64 Anh. 1 NISV legt den jeweils geltenden Anlagegrenzwert (AGW) für den Effektivwert der elektrischen Feldstärke je nach Frequenzbereich fest. Dieser muss von sämtliche Anlagen im massgebenden Betriebszustand an Orten mit empfindlicher Nutzung (OMEN) eingehalten werden (Ziff. 65 Anh. 1 NISV). Als massgebender Betriebszustand gilt grundsätzlich der maximale Gesprächs- und Datenverkehr bei maximaler Sendeleistung (Ziff. 63 Abs. 1 Anh. 1 NISV). Ziff. 62 Abs. 5 Anh. 1 NISV definiert die Änderung einer Anlage. Als solche gilt die Änderung der Lage von Sendeantennen (lit. a), der Ersatz von Sendeantennen durch solche mit einem andern Antennendiagramm (lit. b), die Erweiterung mit zusätzlichen Sendeantennen (lit. c), die Erhöhung der ERP (äquivalente Strahlungsleistung [" effective radiated power "]; vgl. Art. 3 Abs. 9 NISV) über den bewilligten Höchstwert hinaus (lit. d) oder die Änderung von Senderichtungen über den bewilligten Winkelbereich hinaus (lit. e).  
 
2.1. Die bisher üblichen (konventionellen) Antennen weisen eine räumlich konstante Abstrahlcharakteristik auf, die nur innerhalb eines begrenzten Bereichs manuell oder ferngesteuert angepasst werden kann. Dagegen verändern sog. adaptive Antennen ihre Strahlung (Senderichtung und/oder Antennendiagramm) in kurzen zeitlichen Abständen, um die Strahlung bevorzugt in jene Richtungen zu übertragen, wo sie durch die Endgeräte angefordert wird (" beamforming "; vgl. Urteil 1C_100/2021 vom 14. Februar 2023 E. 4; 1C_481/2022 vom 13. November 2023 E. 2). Adaptive Antennen werden aus technischen Gründen insbesondere bei höheren Frequenzen eingesetzt, namentliche für die von der 5. Generation des Mobilfunks (5G) genutzten Frequenzbänder um 3.6 GHz.  
 
2.2. Am 17. April 2019 passte der Bundesrat Anh. 1 NISV im Hinblick auf die neue Antennentechnologie an: Er definierte adaptive Antennen in Ziff. 62 Abs. 6 und ergänzte Ziff. 63 NISV dahin, dass bei adaptiven Antennen für die Bestimmung des massgebenden Betriebszustands die Variabilität der Senderichtungen und der Antennendiagramme berücksichtigt werde. Die konkrete Ausgestaltung dieses Grundsatzes sollte auf Stufe Vollzugshilfe erfolgen (BAFU, Erläuterungen vom 17. April 2019 zur Änderung der NISV, Verordnungspaket Umwelt Frühling 2019, Ziff. 4.4). Bis dahin empfahl das BAFU den kantonalen und kommunalen NIS-Fachstellen, die Strahlung von adaptiven Antennen wie bei konventionellen Antennen zu berechnen, d.h. basierend auf einem Antennendiagramm, das für jede Senderichtung den maximal möglichen Antennengewinn berücksichtigt (sog. "Worst-Case-Szenario"). Damit sei sichergestellt, dass die Beurteilung für die betroffene Bevölkerung auf der sicheren Seite bleibe und die Langzeitbelastung in jedem Fall tief gehalten werde (Schreiben vom 17. April 2019 und 31. Januar 2020; vgl. dazu Urteile 1C_100/2021 vom 14. Februar 2023 E. 6.2; 1C_101/2021 vom 13. Juli 2023 E. 3.5 mit Hinweisen).  
 
2.3. Am 23. Februar 2021 publizierte das BAFU den Nachtrag "Adaptive Antennen" zur Vollzugsempfehlung NISV für Mobilfunk- und WLL-Basisstation (nachfolgend: Vollzugshilfe). Diese sieht für adaptive Antennen die Anwendung eines Korrekturfaktors vor. Das BAFU hielt fest, mit dem "Worst-Case-Szenario" werde die tatsächliche Strahlung in der Umgebung der Antenne zu hoch eingeschätzt, weil nicht in jede Richtung gleichzeitig die maximale Sendeleistung abgestrahlt werde. In einer "Übergangsregelung" wurde festgehalten, dass der Betrieb von bereits zuvor mittels «Worst-Case»-Betrachtung bewilligten adaptiven Antennen an den Nachtrag angepasst werden könne; dies gelte nicht als Änderung im Sinne von Ziff. 62 Abs. 5 Anh. 1 NISV, wenn die ERP unter Berücksichtigung des Korrekturfaktors nicht ändere. Der Behörde sei ein aktualisiertes Standortdatenblatt nachzureichen.  
 
2.4. Die Konferenz der Bau-, Planungs- und Umweltdirektoren (BPUK) kam, gestützt auf ein von ihr in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten (JEAN-BAPTISTE ZUFFEREY/MATTHIEU SEYDOUX, Les procédures cantonales applicables à la mise en place de la technologie 5G des antennes de téléphonie mobile, Freiburg, 7. Juni 2021), zum Ergebnis, dass die Vollzugshilfe den Kantonen zu wenig Rechtssicherheit für die Anpassung ihrer Bewilligungsverfahren biete.  
Daraufhin beschloss der Bundesrat am 17. Dezember 2021, die wesentlichen Elemente des Nachtrags "Adaptive Antennen" in Anh. 1 NISV aufzunehmen (AS 2021 901, in Kraft seit 1. Januar 2022). Dessen Ziff. 63 Abs. 2 sieht nunmehr für adaptive Sendeantennen mit 8 oder mehr separat ansteuerbaren Antenneneinheiten (Sub-Arrays) vor, dass auf die maximale ERP ein Korrekturfaktor KAA angewendet werden kann, wenn die Sendeantennen mit einer automatischen Leistungsbegrenzung ausgestattet werden. Diese muss sicherstellen, dass im Betrieb die über 6 Minuten gemittelte ERP die korrigierte ERP nicht überschreitet. Der Korrekturfaktor beträgt gemäss Ziff. 63 Abs. 3 ≥0.10 (bei 64 und mehr Sub-Arrays), ≥ 0.13 (32 bis 63 Sub-Arrays), ≥ 0.20 (16 - 31 Sub-Arrays) und ≥ 0.40 (8 bis 15 Sub-Arrays). Wird bei bestehenden adaptiven Sendeantennen ein Korrekturfaktor KAA angewendet, so reicht der Inhaber der Anlage der zuständigen Behörde ein aktualisiertes Standortdatenblatt ein (Ziff. 63 Abs. 4 Anh. 1 NISV). Die Anwendung eines Korrekturfaktors bei bestehenden adaptiven Sendeantennen gilt nicht als Änderung einer Anlage (Ziff. 62 Abs. 5bis Anh. 1 NISV). 
 
3.  
Streitig ist vorliegend, ob die Anwendung eines Korrekturfaktors auf die bisher nach dem "Worst-Case-Szenario" beurteilten adaptiven Antennen der Anlagen der Beschwerdeführerin eine Baubewilligung voraussetzt oder ob es genügt, der zuständigen Behörde ein aktualisiertes Standortdatenblatt einzureichen. 
 
3.1. Die Baubewilligungspflicht richtet sich nach Art. 22 Abs. 1 RPG. Danach dürfen Bauten und Anlagen nur mit behördlicher Bewilligung errichtet oder geändert werden. Massstab dafür, ob eine Massnahme erheblich genug ist, um sie dem Baubewilligungsverfahren zu unterwerfen, ist, ob damit im Allgemeinen, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, so wichtige Folgen für Raum und Umwelt verbunden sind, dass ein Interesse der Öffentlichkeit oder der Nachbarn an einer vorgängigen Kontrolle besteht (BGE 139 II 134 E. 5.2 S. 139 f. mit Hinweisen). Gewisse Vorhaben können wegen ihres Betriebs und weniger wegen ihrer konstruktiven Anlage baubewilligungspflichtig sein (vgl. z.B. BGE 119 Ib 222 E. 3b betr. Hängegleiterlandeplatz; Urteil 1C_431/2018 vom 16. Oktober 2019 E. 4.2-4.6: Betriebsintensivierung einer Schmiede; Urteil 1C_505/2017 vom 15. Mai 2018 E. 6, in: URP 2018 528 und ZBl 119/2018 650 betr. Schneeablagerungsplatz; vgl. zum Ganzen WALDMANN/HÄNNI, Handkommentar RPG, 2006, N. 17 zu Art. 22 RPG). Der bundesrechtliche Begriff der bewilligungspflichtigen Bauten und Anlagen kann von den Kantonen konkretisiert und erweitert, nicht aber enger gefasst werden (vgl. Urteile 1C_389/2019 vom 27. Januar 2021, in: URP, 2021 491 E. 3.1 mit Hinweisen; 1C_12/2022 vom 23. Januar 2023 E. 7.3).  
 
3.2. Die Gemeinde bejahte die Baubewilligungspflicht, weil die Anwendung des Korrekturfaktors zur Folge habe, dass nur noch ein über 6 Minuten gemittelter Wert eingehalten werden müsse. Dies könne an OMEN zu Leistungsspitzen führen, die deutlich über dem geltenden AGW liegen. Dies werde von der bestehenden Baubewilligung nicht abgedeckt. Die Umrüstung der Anlage mit adaptiven Antennen sei unter Berücksichtigung des "Worst-Case-Szenarios" erfolgt; nur aus diesem Grund habe sie im sog. Bagatellverfahren, ohne Einbezug potenziell einspracheberechtigter Personen, bewilligt werden können. Das Vertrauen der Bevölkerung in den Umweltschutz und die Vollzugsbehörden würde massgeblich erschüttert, wenn vor Anwendung des Korrekturfaktors kein Verfahren zur Wahrung ihres rechtlichen Gehörs durchgeführt würde.  
 
3.3. Diese Rechtsauffassung wurde vom Bau- und Umweltdepartement geteilt. Mit Einführung der Korrekturfaktoren habe ein Paradigmenwechsel stattgefunden: Während die AGW zuvor an einem OMEN in jedem Zeitpunkt eingehalten werden mussten, könnten nun Situationen auftreten, in denen die in Ziff. 64 Anh. 1 NISV definierten Grenzwerte kurzzeitig überschritten werden dürften. Dies bedeute eine Änderung der Strahlenbelastungen und begründe ein Interesse der Öffentlichkeit bzw. der Nachbarschaft an einer vorgängigen Kontrolle i.S.v. Art. 22 RPG. Eine Befreiung von der Baubewilligungspflicht bedürfe einer formell-gesetzlichen Grundlage (wie z.B. in Art. 18a RPG für Solaranlagen); eine Regelung auf Verordnungsstufe genüge nicht. Im Übrigen äussere sich Ziff. 62 Abs. 5bis Anh. 1 NISV auch gar nicht zur Baubewilligungspflicht.  
 
3.4. Das Verwaltungsgericht teilte diese Auffassung: Bei der Anwendung des Korrekturfaktors bestehe die Möglichkeit einer nicht mehr bloss ausgesprochen geringfügigen Zunahme der Immissionen in den von den Leistungsspitzen betroffenen Flächen (" Beam "). Vor diesem Hintergrund bestehe sowohl ein öffentliches als auch ein Interesse der Nachbarschaft an einer vorgängigen Beurteilung im Rahmen eines den grundrechtlichen Anforderungen genügenden Baubewilligungsverfahrens. Der kantonale Gesetzgeber habe im Nachgang zur NISV-Änderung vom 1. Januar 2022 die Bewilligungsvorschriften (Art. 136 ff. PBG/SG) nicht angepasst und insbesondere kein bewilligungsfreies Verfahren für die vorliegende Konstellation angeordnet.  
 
3.5. Die Beschwerdeführerin macht geltend, gemäss Ziff. 62 Abs. 5bis Anh. 1 NISV gelte die Anwendung eines Korrekturfaktors auf bestehende adaptive Sendeantennen nicht als Änderung der Anlage, und es sei lediglich ein modifiziertes Standortdatenblatt einzureichen (Ziff. 63 Abs. 4 Anh. 1 NISV). Sinn und Zweck dieser Regelung sei es gewesen, einheitlich und verbindlich festzulegen, dass für die Anwendung des Korrekturfaktors auf bestehende adaptive Antennen kein weiteres Baubewilligungsverfahren durchlaufen werden müsse. Dies ergebe sich auch aus Art. 11 NISV, der nur bei Änderungen i.S.v. Anh. 1 eine Meldepflicht vorsehe: Unterliege die Anpassung des Betriebs bestehender adaptiver Antennen schon keiner Meldepflicht, könne erst recht kein Baugesuch verlangt werden. Ziff. 62 Abs. 5bis Anh. 1 NISV konkretisiere Art. 22 RPG und stelle klar, dass die Einführung eines Korrekturfaktors nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht mit so wichtigen Folgen für die Umwelt verbunden sei, dass ein Interesse der Nachbarschaft oder der Öffentlichkeit an einer vorgängigen Kontrolle bestehe. Die Kantone seien somit nach dem Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 49 Abs. 1 BV) nicht befugt, aus immissionsschutzrechtlichen Gründen die Einleitung eines Baubewilligungsverfahrens zu verlangen.  
Die Anwendung des Korrekturfaktors führe nicht zu einer Erhöhung der Strahlungsexposition in der Umgebung der Antenne; im Gegenteil reduzierten adaptive Antennen die Exposition im Vergleich mit konventionell betriebenen Antennen, weil die Funksignale nur beim Empfänger und in seiner unmittelbaren Umgebung auftreten und sich die elektrische Feldstärke im übrigen Wirkbereich der adaptiven Antenne nicht erhöhe. Dies werde durch den Bericht des BAKOM vom 12. Dezember 2022 über die von ihm durchgeführten Messkampagnen im Wirkbereich adaptiver und konventioneller Antennen bestätigt: Bei der Gesamtbetrachtung der drei Mobilfunkanlagen seien die gemessenen Funksignale der adaptiven Antennen im Mittel deutlich kleiner gewesen als diejenigen der konventionellen Antennen (https://www.bakom.admin.ch/bakom/de/home/telekommunikation/technologie/5g/elektrische-feldstaerken.html). 
Unter diesen Umständen ergebe sich auch aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 BV) bzw. der Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) kein Anspruch auf Durchführung eines Baubewilligungsverfahrens. Das Erfordernis, ein Baugesuch einzureichen, sei unverhältnismässig und verletze die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) und die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) der Beschwerdeführerin. 
 
3.6. Das BAFU vertritt in seiner Vernehmlassung die Auffassung, Ziff. 62 Abs. 5bis Anh. 1 NISV regle einzig, welche Anpassungen umweltrechtlich als Änderung der Anlage i.S.d. Bundesumweltrechts gelten, und wann der Vollzugsbehörde ein aktualisiertes Standortdatenblatt einzureichen sei. Die NISV äussere sich dagegen nicht zur Frage, in welchen Fällen ein ordentliches Baubewilligungsverfahren durchzuführen sei. Diese Frage sei bundesrechtlich in Art. 22 RPG geregelt. Massgebend dafür sei nicht nur eine relevante Änderung der Strahlungsbelastung, sondern auch das Vorhandensein und das Ausmass anderer Auswirkungen auf Raum und Umwelt.  
Das BAFU erläutert, der Korrekturfaktor diene als Ausgleich dafür, dass die Strahlung adaptiver Antennen in bestimmte Richtungen fokussiert werde, während sie in anderen Richtungen zurückgehe, d.h. die maximale Sendeleistung im Unterschied zu konventionellen Antennen nicht gleichzeitig in alle Richtungen abgestrahlt werde. Der Korrekturfaktor werde so festgelegt, dass die Sendeleistung, mit welcher die adaptive Antenne im Betrieb tatsächlich strahle, nach statistischen Kriterien in 95 % der Fälle unter der bewilligten Sendeleistung liege. Nur seltene Strahlungsspitzen könnten darüber liegen, diese seien jedoch aufgrund der Leistungsbegrenzung nur von kurzer Dauer. Bei Anwendung des Korrekturfaktors mit der höchsten Korrekturwirkung von 0.1 (bei 64 und mehr Sub-Arrays) könne der Spitzenwert der Sendeleistung im Betrieb höchstens 10 mal höher sein als die im Standortdatenblatt deklarierte Sendeleistung. Dies bedeute, dass die für ein OMEN berechnete elektrische Feldstärke, die von einer (einzelnen) adaptiven Antenne erzeugt werde, kurzfristig höchstens um das 3.16-fache übertroffen werden könne. Da die meisten Mobilfunkanlagen mit adaptiven Antennen gleichzeitig mit konventionellen Antennen ausgerüstet seien, erhöhe sich die Feldstärke der gesamten Anlage kurzfristig um einen kleineren Faktor und liege nach wie vor deutlich unter dem (ebenfalls über 6 Minuten gemittelten) Immissionsgrenzwert (IGW) gemäss Anh. 2 NISV. 
 
4.  
 
4.1. Das Bundesgericht ist in verschiedenen Beschwerdeverfahren auf Rügen gegen den Korrekturfaktor nicht eingetreten, weil die streitigen adaptiven Antennen noch nach dem "Worst-Case-Szenario", ohne Anwendung eines Korrekturfaktors, bewilligt worden waren. Es hielt fest, die Auffassung der Vorinstanzen, wonach eine künftige Umstellung des Betriebs mit Korrekturfaktor in einem Baubewilligungsverfahren mit Einsprachemöglichkeiten bewilligt werden müsse, sei nicht zu beanstanden, d.h. es werde gegebenenfalls in einem späteren Baubewilligungsverfahren zu klären sein, ob für die streitbetroffene Anlage die Anwendung eines Korrekturfaktors gemäss Ziff. 63 Abs. 2 und 3 Anhang 1 NISV zuzulassen sei (Urteile 1C_100/2021 vom 14. Februar 2023 E. 6.3.2; 1C_527/2021 vom 13. Juli 2023 E. 3.5; 1C_542/2021 vom 21. September 2023 E. 3.5; 1C_196/2022 vom 13. Oktober 2023 E. 3.3; 1C_251/2022 vom 13. Oktober 2023 E. 3.3; 1C_45/2022 vom 9. Oktober 2023 E. 4.5; 1C_481/2022 vom 13. November 2023 E. 3.5).  
 
4.2. An dieser Auffassung ist festzuhalten. Die Anwendung des Korrekturfaktors auf bisher nach dem "Worst-Case-Szenario" bewilligte adaptive Antennen führt zu Leistungsspitzen, die deutlich (je nach Korrekturfaktor bis zu 10 mal) über der bisherigen maximalen Sendeleistung liegen können. Die bewilligte Sendeleistung muss nur noch im Mittelwert über 6 Minuten eingehalten werden. Dies hat zur Folge, dass die für ein OMEN berechnete elektrische Feldstärke kurzfristig um maximal einen Faktor 3 übertroffen werden kann. Diese faktische Änderung des Betriebs begründet regelmässig ein Interesse der Anwohnerschaft und der Öffentlichkeit an einer vorgängigen Kontrolle, ob die Bewilligungsvoraussetzungen erfüllt sind (so auch VG Zürich, Urteile VB.2021.00740 und 00743 vom 27. Oktober 2022 E. 3.3).  
Dies gilt auch dann, wenn die Strahlungsbelastung von adaptiven Antennen in der Umgebung der Anlage insgesamt tiefer liegt als bei konventionellen Antennen, da gerade die Strahlungsspitzen in breiten Teilen der Bevölkerung Besorgnis erregen. Im Übrigen können adaptive Antennen auch ohne Anwendung eines Korrekturfaktors adaptiv betrieben werden, mit den sich daraus ergebenden Vorteilen (geringere Strahlung in Richtungen, in denen sich keine Endgeräte befinden). Die Anwendung des Korrekturfaktors bedeutet insofern den Wegfall (bzw. die Abschwächung) einer bisher geltenden, vorsorglichen Emissionsbegrenzung ("Worst-Case-Szenario") im Sinne von Art. 11 Abs. 2 USG (vgl. Urteil 1C_101/2021 vom 13. Juli 2023 E. 3.5 mit Hinweisen). Dies muss von den zuständigen Behörden und Gerichten überprüft werden können. 
 
4.3. Die Durchführung eines ordentlichen Baubewilligungsverfahrens erscheint geboten, um das rechtliche Gehör und den Rechtsschutz der betroffenen Personen in zumutbarer Weise zu gewährleisten (Art. 29 und 29a BV).  
Die in Ziff. 63 Abs. 2 und 3 Anh. 1 NISV vom Bundesrat festgelegten Korrekturwerte können nicht unmittelbar angefochten werden (vgl. Art. 189 Abs. 4 BV), und eine vorfrageweise Überprüfung war bislang nicht möglich: Die Installation der adaptiven Antennen nach dem "Worst-Case"-Szenario erfolgte i.d.R. im sog. Bagatellverfahren, ohne Einsprachemöglichkeit der Anwohnerschaft. Wo ein Baubewilligungsverfahren stattfand, wurde die Anwendung der Korrekturfaktoren nicht geprüft und den betroffenen Personen versichert, sie könnten ihre diesbezüglichen Einwände noch bei der Umstellung des Betriebs mit Korrekturfaktor geltend machen (vgl. die oben E. 4 zitierten Urteile). 
Zwar können betroffene Personen eine behördliche Überprüfung von Immissionen im Einzelfall auch ohne Baubewilligungsverfahren verlangen (ZUFFEREY/SEYDOUX, a.a.O., Ziff. 4.1.3.3 S. 39; vgl. Urteil 1A.202/2006 vom 10. September 2007, in: URP 2008 621, E. 5.3-5.4 und BGE 140 II 33 zu Lichtimmissionen von nicht baubewilligungspflichtiger Weihnachtsbeleuchtung). Dies setzt jedoch voraus, dass die Betroffenen Kenntnis von den Immissionen bzw. ihrer Änderung haben. Dies ist ohne Publikation eines Baugesuchs nicht gewährleistet, weil nichtionisierende Strahlung im Allgemeinen nicht wahrnehmbar ist, im Gegensatz z.B. zu Lichtimmissionen. Im Übrigen würde es zu grosser Rechtsunsicherheit führen, wenn jederzeit mit einer Immissionsbeschwerde aus der Nachbarschaft gerechnet werden müsste. Insofern erscheint es auch aus Sicht der Mobilfunkbetreiberinnen vorteilhafter, alle potentiellen Einsprachen gegen die Anwendung des Korrekturfaktors in einem Baubewilligungsverfahren zu bündeln (vgl. ZUFFEREY/SEYDOUX, a.a.O., Ziff. 4.1.3.3 S. 40). 
 
4.4. Ziff. 62 Abs. 5bis Anh. 1 NISV steht dem nicht entgegen. Wie das BAFU in seiner Vernehmlassung darlegt, wird darin keine Aussage zur Baubewilligungspflicht gemacht. In den Erläuterungen zur Verordnungsänderung vom 17. Dezember 2021 wurde denn auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es Sache der Kantone sei, in welchem Verfahren sie die Vollzugshilfe anwendeten (S. 3). Aus dem Umstand, dass keine Änderung der Anlage i.S.d. NISV vorliegen soll, kann nicht geschlossen werden, dass in keinem Fall eine Baubewilligung erforderlich ist (ZUFFEREY/SEYDOUX, a.a.O., Ziff. 4.1.3 S. 36 ff. und Zwischenergebnis 4 S. 40; SHIRIN GRÜNIG/ISABELLE MAAG, Angepasste NISV-Bestimmungen für Mobilfunkantennen - Gewisse Fragen bleiben trotz Revision, BR 2022 S. 133 ff., S. 135; ALEXANDER REY, Mobilfunkanlagen: Verhältnis von Bundesumweltrecht, Raumplanungs- und Baurecht, insbes. Bauverfahrensrecht, URP 2021 S. 153 ff., S. 176 f.; MICHAEL PFLÜGER, Bemerkungen zum Urteil VGE 100.2020.305 des Berner Verwaltungsgerichts vom 31. Januar 2023, in: BVR 2023 S. 243 f.; a.A. ISABELLE HÄNER, Rechtsgutachten zum Nachtrag des BAFU vom 23. Februar 2021 zur Vollzugsempfehlung NISV für Mobilfunk und WWL-Basisstationen, BUWAL 2002: Adaptive Antennen, 24. Juni 2021, S. 45).  
 
5.  
Ist nach dem Gesagten eine Baubewilligung schon gestützt auf Art. 22 RPG erforderlich, braucht auf die Rügen der Beschwerdeführerin zur Auslegung und Anwendung des St. Galler Rechts nicht eingegangen zu werden. 
Es kann auch offenbleiben, ob das Departement auf den Rekurs betreffend die Mobilfunkanlage WITZ hätte eintreten müssen, denn diesfalls wäre der Rekurs abzuweisen gewesen. So oder so bleibt es bei dem von der Gemeinde Wil verfügten Verbot, die Mobilfunkanlage abweichend vom letzten aktiven Standortdatenblatt (d.h. mit Korrekturfakto) zu betreiben. 
 
6.  
Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Ausgangsgemäss sind die Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und es sind keine Parteientschädigungen zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 3 BGG). 
 
 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Politischen Gemeinde Wil, dem Bau- und Umweltdepartement des Kantons St. Gallen, dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Abteilung I, und dem Bundesamt für Umwelt schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. April 2024 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Gerber