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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1B_160/2009 
 
Urteil vom 23. Juni 2009 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Reeb, 
Gerichtsschreiberin Schoder. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Lisa Zaugg, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, 4001 Basel. 
 
Gegenstand 
Haftentlassung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 3. Juni 2009 
des Strafgerichts Basel-Stadt, Strafgerichtspräsident. 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ wird vorgeworfen, im Zeitraum vom 28. November 2008 bis am 16. Februar 2009 in zahlreichen Schweizer Städten gewerbs- und bandenmässigen Diebstahl (Art. 139 Ziff. 1, 2 und 3 StGB) begangen zu haben. Am 19. Februar 2009 wurde er vom Haftrichter Basel-Stadt in Untersuchungshaft versetzt. Am 5. Mai 2009 erhob die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt gegen ihn Anklage. 
Am 12. Mai 2009 stellte X.________ ein Haftentlassungsgesuch. Dieses wurde mit Verfügung vom 3. Juni 2009 durch den Präsidenten des Strafgerichts Basel-Stadt abgewiesen. 
 
B. 
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, die Verfügung des Strafgerichtspräsidenten sei aufzuheben, er sei unverzüglich aus der Haft zu entlassen, und es sei festzustellen, dass Art. 5 Abs. 4 EMRK mehrfach verletzt worden sei. Ferner ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege im bundesgerichtlichen Verfahren. 
 
C. 
Der Strafgerichtspräsident und die Staatsanwaltschaft schliessen auf Beschwerdeabweisung. Der Beschwerdeführer hat repliziert. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Aus Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG folgt, dass Entscheide, die der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen, klar den massgeblichen Sachverhalt und die rechtlichen Schlüsse, die daraus gezogen werden, angeben müssen. Dies ist von Bedeutung im Hinblick auf die unterschiedliche Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts bei Sachverhalts- und Rechtsfragen (Art. 95 und 97 BGG). Genügt der angefochtene Entscheid diesen Anforderungen nicht und ist deshalb das Bundesgericht nicht in der Lage, über die Sache zu befinden, ist er nach Art. 112 Abs. 3 BGG aufzuheben und die Angelegenheit an die kantonale Behörde zurückzuweisen, damit diese einen Entscheid treffe, der Art. 112 Abs. 1 BGG entspricht (Urteil 1B_61/2008 vom 3. April 2008 E. 2.2 mit weiteren Hinweisen). 
 
1.2 Die angefochtene Verfügung des Strafgerichtspräsidenten erfüllt die Anforderungen von Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG kaum. In Anbetracht dessen, dass der Strafgerichtspräsident eine ausführliche Stellungnahme einreichte und das Beschleunigungsgebot (Art. 31 Abs. 3 BV, Art. 5 Ziff. 3 EMRK) eingehalten werden muss, wird von einer Rückweisung an ihn ausnahmsweise abgesehen und die Beschwerde vom Bundesgericht behandelt. 
 
2. 
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, da ihm im Haftprüfungsverfahren die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft nicht zugestellt worden sei. Er beantragt deswegen aber nicht die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Rückweisung der Sache zu neuem Entscheid, sondern beschränkt sich ausdrücklich darauf, diesen Punkt zu rügen (vgl. Beschwerde S. 7). In Ermangelung eines Rechtsschutzinteresses ist in diesem Punkt auf die Beschwerde nicht einzutreten. 
Im Übrigen sind die Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. 
 
3. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, der dringende Tatverdacht bestehe nur bezüglich vier in Basel begangener Diebstähle zu einem Deliktsbetrag von CHF 7'000.--, jedoch nicht bezüglich weiterer Diebstähle in anderen Schweizer Städten. Die Aufrechterhaltung der strafprozessualen Haft sei unverhältnismässig, da Überhaft drohe. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung der persönlichen Freiheit. Ausserdem beanstandet er eine Verletzung des Beschleunigungsgebots. 
 
4. 
Nach § 69 der Strafprozessordnung vom 8. Januar 1997 des Kantons Basel-Stadt (StPO; SG 257.100) darf gegen eine angeschuldigte Person Untersuchungshaft angeordnet werden, wenn sie eines Verbrechens, eines Vergehens oder einer wiederholten Tätlichkeit dringend verdächtigt ist und überdies konkrete Umstände vorliegen, die befürchten lassen, sie werde die Freiheit zur Flucht (Fluchtgefahr), zur Vereitelung der Untersuchung (Kollusionsgefahr) oder zur Begehung von Verbrechen, Vergehen oder wiederholten Tätlichkeiten (Fortsetzungsgefahr) benützen. 
Sind die Voraussetzungen von § 69 StPO erfüllt, steht der Anordnung und Aufrechterhaltung strafprozessualer Haft (Untersuchungs- und Sicherheitshaft) unter dem Blickwinkel der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2, Art. 31 Abs. 1 BV, Art. 5 Ziff. 1 lit. c EMRK) nichts entgegen. 
 
5. 
Ist gegen einen in Haft befindlichen Angeschuldigten Anklage erhoben worden, so kann der Haftrichter in der Regel davon ausgehen, der dringende Tatverdacht sei gegeben. Eine Ausnahme wäre dann zu machen, wenn der Angeschuldigte im Haftprüfungs- oder im Haftbeschwerdeverfahren darzutun vermöchte, dass die Annahme eines dringenden Tatverdachts unhaltbar sei (Urteil des Bundesgerichts 1B_129/2009 vom 9. Juni 2009 E. 4). 
Vorliegend zeigt der Beschwerdeführer nicht rechtsgenüglich auf, inwiefern die Annahme eines dringenden Tatverdachts bezüglich des ihm zur Last gelegten gewerbs- und bandenmässigen Diebstahls nicht vertretbar sein sollte, sondern beschränkt sich in diesem Punkt auf die Äusserung seiner eigenen Auffassung. Die allgemeine Haftvoraussetzung des dringenden Tatverdachts kann demzufolge ohne Verletzung der Verfassung bejaht werden. 
 
6. 
Eine übermässige Dauer der strafprozessualen Haft stellt eine unverhältnismässige Beschränkung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 31 Abs. 3 BV, Art. 5 Ziff. 3 EMRK) dar. Sie liegt dann vor, wenn die Haftfrist die mutmassliche Dauer der zu erwartenden freiheitsentziehenden Sanktion übersteigt. Der Haftrichter darf die strafprozessuale Haft deshalb nur so lange erstrecken, als sie nicht in grosse zeitliche Nähe der konkret zu erwartenden Freiheitsstrafe rückt. Im Weiteren kann eine Haft die zulässige Dauer auch dann überschreiten, wenn das Strafverfahren nicht genügend vorangetrieben und damit das Beschleunigungsgebot verletzt wird (BGE 133 I 270 E. 3.4.2 S. 281, mit Hinweisen). 
Die Staatsanwaltschaft hat aufgrund der professionellen Vorgehensweise, der Häufigkeit der Delikte und der Höhe des Deliktbetrages (CHF 153'687.70) eine unbedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten beantragt. Im jetzigen Zeitpunkt besteht keine Gefahr der Überhaft. Die erstandene Untersuchungshaft hat lediglich 4 Monate angedauert und die Hauptverhandlung ist bereits auf den 21./22. September 2009 angesetzt. Für gewerbs- und bandenmässigen Diebstahl kann Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren angesetzt werden (vgl. Art. 139 Ziff. 2 und Ziff. 3 Abs. 1). 
An dieser Rechtslage ändert nichts, wenn der Beschwerdeführer geltend macht, es könne nach Art. 49 Abs. 2 StGB höchstens eine Zusatzstrafe ausgesprochen werden. Gemäss dieser Vorschrift hat das Gericht, wenn es eine Tat zu beurteilen hat, die der Täter begangen hat, bevor er wegen einer andern Tat verurteilt worden ist, eine Zusatzstrafe in der Weise zu bestimmen, dass der Täter nicht schwerer bestraft wird, als wenn die strafbaren Handlungen gleichzeitig beurteilt worden wären. Die dem Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren vorgeworfenen Delikte sind schwerwiegender als diejenigen, für die er mit Urteil vom 3. April 2009 des Bezirksgerichts Zürich bereits verurteilt wurde (mehrfacher Diebstahl, Art. 139 Ziff. 1 StGB; Sachbeschädigung, Art. 144 Abs. 1 StGB). 
Der Strafgerichtspräsident benötigte zur Beurteilung des vom 12. Mai 2009 datierenden Haftentlassungsgesuchs eine Zeitspanne bis zum 3. Juni 2009. Obwohl eine raschere Beurteilung der nicht sehr komplexen Haftangelegenheit nahe gelegen hätte, kann nicht von einer Verletzung des Beschleunigungsgebots gesprochen werden. Die Rechtmässigkeit der Haft ist jedenfalls nicht in Frage gestellt (vgl. BGE 128 I 149 E. 2.2 S. 151 f.). 
 
7. 
Nach dem Gesagten fällt eine Verletzung der persönlichen Freiheit nicht in Betracht. Ebenso wenig ist ersichtlich, inwiefern ein anderes Grundrecht verletzt sein soll. Die Beschwerde ist demnach abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
Der Beschwerdeführer hat ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im bundesgerichtlichen Verfahren gestellt. Diesem Antrag kann entsprochen werden (vgl. Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird bewilligt: 
 
2.1 Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
2.2 Rechtsanwältin Lisa Zaugg wird zur unentgeltlichen Rechtsbeiständin ernannt und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit einem Honorar von CHF 1'500.-- entschädigt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft und dem Strafgericht Basel-Stadt, Strafgerichtspräsident, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 23. Juni 2009 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Féraud Schoder