Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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6B_127/2017
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Urteil vom 23. Juni 2017
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Rüedi,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber M. Widmer.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Advokat Daniel Levy,
Beschwerdeführer,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Grobe Verletzung der Verkehrsregeln; Willkür,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, vom 13. Dezember 2016.
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft Baden verurteilte X.________ mit Strafbefehl vom 26. Juni 2014 wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln zu einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 80.-- sowie zu einer Busse von Fr. 500.--.
Ihm wird vorgeworfen, am 1. Juni 2014, um 21.33 Uhr, als Lenker eines Personenwagens in Wettingen auf dem 1. Überholstreifen der Autobahn A1 in Richtung Zürich gefahren zu sein. Ca. bei Km 98.500 habe er ein auf dem 2. Überholstreifen fahrendes ziviles Polizeifahrzeug rechts vorbeifahrend überholt. Kurze Zeit später habe er auf den Normalstreifen gewechselt und sechs Fahrzeuge, welche sich zum Teil auf dem 1. sowie dem 2. Überholstreifen befunden hätten, rechts vorbeifahrend überholt, ehe er auf den 1. Überholstreifen zurückgeschwenkt sei.
B.
X.________ erhob Einsprache gegen den Strafbefehl. Die Staatsanwaltschaft hielt daran fest und überwies die Akten ans Gericht. Der Präsident des Bezirkgerichts Baden bestätigte am 12. November 2015 die Verurteilung gemäss Strafbefehl, ging aber aufgrund der Videoaufnahmen von insgesamt bloss sechs rechts überholten Fahrzeugen (inklusive Polizeiauto) aus.
Die von X.________ dagegen geführte Berufung wies das Obergericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 13. Dezember 2016 ab.
C.
X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, der obergerichtliche Entscheid sei aufzuheben und er sei freizusprechen.
Erwägungen:
1.
1.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, die Videoaufnahme der seiner Verurteilung zugrunde liegenden Fahrt weise zahlreiche Ungereimtheiten auf. Indem sich die Vorinstanz darauf abstütze, stelle sie den Sachverhalt offensichtlich unrichtig fest.
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1 S. 253 mit Hinweis; vgl. zum Begriff der Willkür: BGE 141 IV 305 E. 1.2 S. 308 f.; 140 III 16 E. 2.1 S. 18 f.; je mit Hinweisen).
Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdebegründung in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt, wobei für die Anfechtung des Sachverhalts qualifizierte Begründungsanforderungen gelten (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG ). Die beschwerdeführende Partei hat mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz anzusetzen. Sie kann sich nicht darauf beschränken, einen von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten und die Rechtsstandpunkte, die sie im kantonalen Verfahren eingenommen hat, erneut zu bekräftigen (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116; Urteil 6B_3/2016 vom 28. Oktober 2016 E. 2.2; je mit Hinweisen). Auf ungenügend begründete Rügen oder bloss allgemein gehaltene appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1 S. 253 mit Hinweis).
1.3. Was der Beschwerdeführer gegen den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt vorbringt, ist nicht geeignet, Willkür aufzuzeigen. Er beschränkt sich grösstenteils darauf, ohne Bezugnahme auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid oder die Angabe konkreter Aktenstellen einen teilweise davon abweichenden Sachverhalt zu behaupten. Dies genügt den Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 106 Abs. 2 BGG nicht, weshalb darauf nicht einzugehen ist. Dass im Strafbefehl fälschlicherweise von sieben rechts überholten Fahrzeugen die Rede ist, hat bereits das erstinstanzliche Gericht festgestellt. Wie die Vorinstanz zu Recht festhält, bestehen keinerlei Anzeichen dafür, dass die Videoaufzeichnung nicht mit dem tatsächlichen Geschehen übereinstimmen würde. Dass darauf zu hören ist, wie einer der Polizisten sagt, "er [der Beschwerdeführer] blinkt jetzt wieder", obwohl auf den Bildern kein vorgängiges Blinken zu sehen ist, trifft zu. Gestützt darauf zu schliessen, "dass mit dem Video etwas nicht stimmen kann", ist allerdings abwegig. Auch wenn der Erklärungsversuch der Vorinstanz, wonach sich das Wort "wieder" nicht auf die Anzahl Blinkvorgänge, sondern umgangssprachlich auf die Tatsache, dass der Beschwerdeführer beim letzten aufgezeichneten Überholmanöver geblinkt habe, nicht über jeden Zweifel erhaben sein mag, stimmt das Bildmaterial jedenfalls mit dem Anklagevorwurf überein. Dass der Beschwerdeführer ausgesagt hat, bei sämtlichen Spurwechseln geblinkt zu haben, mag zutreffen, ist aber mit Blick auf die Videoaufnahmen offensichtlich unrichtig. Der Beschwerdeführer findet sodann merkwürdig bzw. schwer verständlich, dass der sich auf dem Beifahrersitz befindliche Polizist gemäss der Tonspur sein Nummernschild nicht habe ablesen können und zu hören sei wie er sage "Appenzell Innerhoden, Nummer kann ich nicht lesen". Aus der Videoaufzeichnung ergibt sich indessen, dass es sich bei der fraglichen Kontrollschildnummer nicht um diejenige des Fahrzeugs des Beschwerdeführers handelt, sondern um die eines überholten Fahrzeugs. Der betreffende Polizist hat dies bei seiner Befragung vor dem erstinstanzlichen Gericht denn auch so bestätigt (vgl. bezirksgerichtliche Akten, act. 25). Die Vorinstanz wertet schliesslich zu Recht als unerheblich, wo der Beschwerdeführer durch die Polizei angehalten worden ist. Ob es allenfalls bereits früher eine Ausfahrt gegeben hat, wo man ihn hätte kontrollieren können, tut nichts zur Sache.
Soweit der Beschwerdeführer anzweifelt, dass die Videoaufzeichnung formell korrekt zustande gekommen ist, nennt er keine konkrete Norm, die verletzt worden sein soll. Er unterlässt es auch auszuführen, gestützt auf welche Bestimmung das fragliche Video unverwertbar bzw. aus den Akten zu entfernen sein soll und setzt sich wiederum nicht mit den diesbezüglichen vorinstanzlichen Erwägungen auseinander. Darauf ist folglich nicht einzugehen.
1.4. Der Beschwerdeführer begründet seine Rüge, wonach das vorinstanzliche Urteil gegen die Unschuldsvermutung verstosse, einzig mit dem angeblich unverwertbaren Video. Ausführungen dazu erübrigen sich demnach.
2.
2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, es liege kein Rechtsüberholen im Sinne der neueren Rechtsprechung vor. Die Vorinstanz wende Art. 35 Abs. 1 SVG und Art. 36 Abs. 5 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11) falsch an.
2.2. Gemäss Art. 35 Abs. 1 SVG ist links zu überholen. Eine Ausnahme von dem daraus abgeleiteten Verbot des Rechtsüberholens sieht Art. 8 Abs. 3 Satz 1 VRV allgemein und Art. 36 Abs. 5 lit. a VRV für Autobahnen "beim Fahren in parallelen Kolonnen" vor. Gestattet ist, rechts an anderen Fahrzeugen unter Wechsel des Fahrstreifens vorbeizufahren (sog. Vorfahren), wenn dies ohne Behinderung des übrigen Verkehrs möglich ist (vgl. Art. 44 Abs. 1 SVG). Das Rechtsüberholen durch Ausschwenken und Wiedereinbiegen ist hingegen gemäss Art. 8 Abs. 3 Satz 2 VRV ausdrücklich untersagt. Beim Fahren in parallelen Kolonnen auf Autobahnen darf deshalb in keinem Falle durch Ausschwenken und Wiedereinbiegen rechts überholt werden. Dies ist namentlich der Fall, wenn ein Fahrzeuglenker die Lücken in den parallelen Kolonnen ausnützt, um auf der rechten Fahrbahn zu überholen (BGE 142 IV 93 E. 3.3 S. 97 mit Hinweisen).
2.3. Die Vorinstanz erwägt, dass die Verkehrssituation am 1. Juni 2014 auf der A1 nicht derart verdichtet gewesen sei, dass Kolonnenverkehr vorgelegen habe. Im Zeitpunkt des Überholmanövers des Beschwerdeführers hätten sich auf der 1. und 2. Überholspur jeweils zwei Fahrzeuge und auf der Normalspur ein Auto befunden, wobei letzteres langsamer unterwegs gewesen sei, als die anderen Fahrzeuge. Der Beschwerdeführer habe zu den vor ihm fahrenden Autos aufgeschlossen, weil er relativ kurz nach dem Passieren des Signals "Freie Fahrt " (vgl. Art. 32 Abs. 2 der Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 [SSV; SR 741.21]) schneller beschleunigt habe als diese. Angesichts der wenigen Fahrzeuge, die unterwegs gewesen seien, könne nicht von einem parallelen Kolonnenverkehr gesprochen werden.
2.4. Die Erwägungen der Vorinstanz sind in allen Teilen zutreffend und stimmen mit der Situation, wie sie sich aus der Videoaufzeichnung ergibt, überein. Daraus ist klar ersichtlich, dass kein dichter Verkehr herrschte und nicht gesagt werden kann, die Fahrzeuge auf den beiden Überholspuren seien faktisch nicht mehr schneller vorankommen als diejenigen auf der Normalspur. Es herrschte mithin kein Kolonnenverkehr (vgl. BGE 142 IV 93 E. 4.2.1 S. 99 ff.). Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass aufgrund des Ausschwenkens und Wiedereinbiegens des Beschwerdeführers auch dann ein verbotenes Rechtsüberholen vorliegen würde (vgl. vorne E. 2.2), wenn man von parallelem Kolonnenverkehr ausginge.
3.
3.1. Der Beschwerdeführer stellt sich schliesslich auf den Standpunkt, dass nur eine einfache Verkehrsregelverletzung vorliege, falls wider Erwarten ein verbotenes Rechtsüberholen bejaht werden sollte. Indem die Vorinstanz eine objektiv wie subjektiv schwere Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG bejahe, verletze sie Bundesrecht.
3.2. Nach Art. 90 Abs. 2 SVG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt. In objektiver Hinsicht setzt die Annahme einer schweren Widerhandlung bzw. einer groben Verkehrsregelverletzung voraus, dass die Verkehrssicherheit ernsthaft gefährdet wurde. Dabei genügt eine erhöhte abstrakte Gefährdung. Wesentliches Kriterium für die Annahme einer erhöhten abstrakten Gefahr ist die Nähe der Verwirklichung. Die allgemeine Möglichkeit der Verwirklichung einer Gefahr genügt demnach nur zur Erfüllung des Tatbestands von Art. 90 Abs. 2 SVG, wenn in Anbetracht der Umstände der Eintritt einer konkreten Gefährdung oder gar einer Verletzung nahe liegt (BGE 142 IV 93 E. 3.1 S. 96; 131 IV 133 E. 3.2 S. 136; je mit Hinweisen).
Subjektiv erfordert der Tatbestand ein rücksichtsloses oder sonst schwerwiegend verkehrsregelwidriges Verhalten, d.h. ein schweres Verschulden, bei fahrlässiger Begehung grobe Fahrlässigkeit. Je schwerer die Verkehrsregelverletzung objektiv wiegt, desto eher wird Rücksichtslosigkeit subjektiv zu bejahen sein, sofern keine besonderen Gegenindizien vorliegen. Die Annahme von Rücksichtslosigkeit i.S.v. Art. 90 Abs. 2 SVG ist restriktiv zu handhaben, weshalb nicht unbesehen von einer objektiven auf eine subjektiv schwere Verkehrsregelverletzung geschlossen werden darf. Nicht jede Unaufmerksamkeit, die wegen der Schwere des Erfolgs objektiv als gravierende Verletzung der Vorsichtspflicht zu betrachten ist, wiegt auch subjektiv schwer (BGE 142 IV 93 E. 3.1 S. 96; vgl. auch BGE 131 IV 133 E. 3.2 S. 136; je mit Hinweisen).
3.3. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz vorliegend von einer erhöhten abstrakten Gefahr für die anderen Verkehrsteilnehmer ausgeht, da diese nicht mit einem solchen Überholmanöver des Beschwerdeführers hätten rechnen müssen. Daran ändert auch die vom Beschwerdeführer angeführte Präzisierung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in Bezug auf das passive Rechtsvorbeifahren bei Kolonnenverkehr nichts. Vorliegend ist gerade keine solche Verkehrssituation zu beurteilen, sondern vielmehr ein klassisches verbotenes Rechtsüberholen, da der Beschwerdeführer zunächst auf dem 1. Überholstreifen fahrend das zivile Polizeifahrzeug rechts überholte, danach auf den Normalstreifen wechselte, weitere auf dem 1. und 2. Überholstreifen fahrende Fahrzeuge überholte und anschliessend auf den 1. Überholstreifen zurückschwenkte, um ein auf dem Normalstreifen fahrendes Auto zu überholen (vgl. dazu auch BGE 142 IV 93 E. 5.1 S. 102).
3.4. Schliesslich durfte die Vorinstanz ohne Bundesrecht zu verletzen davon ausgehen, dass sich der Beschwerdeführer rücksichtslos verhalten und auch subjektiv eine schwere Verkehrsregelverletzung begangen hat. Wie sie zutreffend ausführt, hätte er sich dem Verkehrsfluss ohne Weiteres anpassen und einige wenige Sekunden warten können, bis die Fahrzeuge auf der 2. Überholspur nach dem Passieren des Signals "Freie Fahrt" ebenfalls auf die zulässige Höchstgeschwindigkeit beschleunigen, um sodann auf diese Spur zu wechseln. Indem er sich trotz Kenntnis des Verbots des Rechtsüberholens durch Ausschwenken und Wiedereinbiegen freie Fahrt verschaffte, verhielt er sich grob verkehrsregelwidrig.
4.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Kosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 23. Juni 2017
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Der Gerichtsschreiber: M. Widmer