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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_421/2022  
 
 
Urteil vom 23. Juni 2022  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichterin Hänni, 
Bundesrichter Hartmann, 
Gerichtsschreiber Zollinger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwältin Lea Hungerbühler, 
und diese substituiert durch 
Rechtsanwältin Sonja Comte, 
 
gegen  
 
Zwangsmassnahmengericht des Kantons Luzern, 
Villastrasse 1, 6010 Kriens, 
 
Amt für Migration des Kantons Luzern, 
Fruttstrasse 15, 6002 Luzern. 
 
Gegenstand 
Anordnung der Ausschaffungshaft im Rahmen des Dublin-Verfahrens, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 4. Abteilung, vom 17. Mai 2022 (7H 22 99/7U 22 14). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der afghanische Staatsangehörige A.________ reiste am 11. November 2021 von Italien herkommend rechtswidrig in die Schweiz ein und ersuchte gleichentags um Asyl. Mit Entscheid vom 17. Januar 2022 trat das Staatssekretariat für Migration (SEM) auf das Asylgesuch nicht ein und wies A.________ nach Italien weg. Der Entscheid erwuchs in Rechtskraft. 
Am 21. Februar 2022 verfügte das Amt für Migration des Kantons Luzern die Dublin-Ausschaffungshaft gegen A.________ für längstens 96 Stunden. In der Folge verweigerte A.________ am 22. Februar 2022 die Rückführung per Flugzeug nach Italien. Am 23. Februar 2022 wurde die Rückversetzung in die Dublin-Ausschaffungshaft für die Dauer von sechs Wochen seit dem 21. Februar 2022 verfügt. Am 22. März 2022 wurde A.________ in Polizeibegleitung per Landüberstellung nach Italien zurückgeführt, wobei gegen ihn vorgängig ein Einreiseverbot mit Gültigkeit bis zum 21. Februar 2025 verfügt und eröffnet worden war. 
Am 28. März 2022 reiste A.________ erneut illegal in die Schweiz ein und wurde gleichentags festgenommen. Am 31. März 2022 verfügte das Amt für Migration die Dublin-Vorbereitsungshaft gegen A.________ für die Dauer von sieben Wochen ab dem 28. März 2022. Am 11. April 2022 stimmte Italien im Rahmen des Dublin-Verfahrens der Rückübernahme von A.________ zu. Noch am selben Tag wies das SEM A.________ mit Verfügung vom 11. April 2022 aus der Schweiz weg und trat auf sein Asylgesuch nicht ein. Die gegen den Nichteintretensentscheid und die Wegweisungsverfügung des SEM vom 11. April 2022 von A.________ erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 23. Mai 2022 ab, soweit es darauf eintrat. 
 
B.  
Mit Eingabe vom 14. April 2022, aufgegeben am 18. April 2022, stellte A.________ beim Zwangsmassnahmengericht des Kantons Luzern ein Haftüberprüfungsgesuch und beantragte die Aufhebung der Haftanordnung des Amts für Migration vom 31. März 2022 und die sofortige Haftentlassung. Mit Entscheid vom 21. April 2022 bestätigte das Zwangsmassnahmengericht die am 31. März 2022 verfügte Dublin-Vorbereitungshaft ab dem 28. März 2022 bis zum 15. Mai 2022 als rechtmässig und angemessen. 
Mit Verfügung vom 25. April 2022 ordnete das Amt für Migration die Dublin-Ausschaffungshaft gegen A.________ für die Dauer von sechs Wochen ab dem 25. April 2022 an. Ebenfalls am 25. April 2022 erhob A.________ gegen den Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts vom 21. April 2022 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Kantonsgericht des Kantons Luzern. Er beantragte im Wesentlichen die Aufhebung des Entscheids vom 21. April 2022 und die unverzügliche Haftentlassung. 
Mit Urteil vom 17. Mai 2022 wies das Kantonsgericht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab. Es erwog im Wesentlichen, für die Überprüfung der Haftvoraussetzungen sei nicht massgebend, dass A.________ zwischenzeitlich von der Dublin-Vorbereitsungshaft in die Dublin-Ausschaffungshaft versetzt worden sei. Die Voraussetzungen seien weitestgehend dieselben. Das Kantonsgericht kam zum Schluss, dass die Haftgründe aufgrund des Verhaltens von A.________ nicht nur abstrakt, sondern konkret erfüllt seien. Die Anordnung der Haft erweise sich überdies als verhältnismässig. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 27. Mai 2022 gelangt A.________ an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung der Ziffer 1 (Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde) und Ziffer 2 (Kostenverlegung) des Urteils vom 17. Mai 2022. Er sei unverzüglich aus der Haft zu entlassen. Es sei festzustellen, dass die Administrativhaft seit dem 31. März 2022 rechtswidrig sei. Es sei festzustellen, dass das Kantonsgericht das Beschleunigungsgebot verletzt habe. Eventualiter sei die Angelegenheit zur vertieften Abklärung und Neubeurteilung an das Kantonsgericht zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht verlangt er die unentgeltliche Rechtspflege unter Verbeiständung durch Rechtsanwältin Lea Hungerbühler, substituiert durch Rechtsanwältin Sonja Comte. 
Mit Verfügung vom 27. Mai 2022 hat die Abteilungspräsidentin das Gesuch um sofortige Haftentlassung abgewiesen. 
Während die Vorinstanz die Abweisung der Beschwerde beantragt, verzichten das Zwangsmassnahmengericht und das SEM auf eine Vernehmlassung. Der Beschwerdeführer hält mit Eingabe vom 21. Juni 2022 an den gestellten Anträgen fest und teilt mit, dass er mit Verfügung des Amts für Migration vom 15. Juni 2022 aus der Haft entlassen worden sei. Als Begründung weise das Amt für Migration darauf hin, dass die Rückführung nach Italien aufgrund von Kapazitätsbegrenzungen momentan nicht möglich sei. Im Weiteren halte das Amt für Migration aber fest, die erneute Haftanordnung sei ausdrücklich vorgesehen, sobald die Rückführung nach Italien möglich werde. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier Kognition (vgl. BGE 146 II 276 E. 1; 141 II 113 E. 1). 
 
1.1. Die frist- (Art. 100 Abs. 1 BGG) und formgerecht (Art. 42 BGG) eingereichte Eingabe betrifft eine Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG) und richtet sich gegen das kantonal letztinstanzliche (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG), verfahrensabschliessende (Art. 90 BGG) Urteil eines oberen Gerichts (Art. 86 Abs. 2 BGG), in welchem die am 31. März 2022 verfügte Dublin-Vorbereitungshaft bestätigt wird. Gegen einen solchen Entscheid über eine Zwangsmassnahme im Ausländerrecht ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (vgl. BGE 147 II 49 E. 1.1; vgl. auch Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG).  
 
1.2. Der Beschwerdeführer wurde ab dem 28. März 2022 zunächst in Dublin-Vorbereitungshaft genommen, bevor das Amt für Migration am 25. April 2022 die Dublin-Ausschaffungshaft anordnete. Mit Verfügung vom 15. Juni 2022 wurde der Beschwerdeführer alsdann aus der Haft entlassen.  
 
1.2.1. Das Bundesgericht tritt - trotz Haftentlassung oder eines Verlängerungsentscheids, der den ursprünglich angefochtenen Haftentscheid ablöst (vgl. BGE 139 I 206 E. 1.2) - auf Beschwerden gegen die Genehmigung der ausländerrechtlichen Festhaltung durch den Haftrichter oder gegen den entsprechenden kantonalen Rechtsmittelentscheid ein, wenn die betroffene Person rechtsgenügend begründet (vgl. Art. 42 BGG) und in vertretbarer Weise ("griefs défendables") die Verletzung einer Garantie der EMRK rügt (vgl. BGE 147 II 49 E. 1.2.1).  
 
1.2.2. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Überdies hat das Amt für Migration eine erneute Haftanordnung bereits ausdrücklich in Aussicht gestellt, sobald die Rückführung nach Italien möglich werde (vgl. Bst. C i.f. hiervor). Der Beschwerdeführer, der bereits im kantonalen Verfahren als Partei beteiligt gewesen und dort mit seinen Anträgen nicht durchgedrungen ist, ist somit zur Erhebung des Rechtsmittels legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG).  
 
1.3. Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist einzutreten, wobei der Antrag um Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung aufgrund der am 15. Juni 2022 verfügten Haftentlassung an die Stelle des Hauptantrags tritt, mit dem der Beschwerdeführer seine Entlassung aus der Haft beantragt hat.  
 
2.  
Mit der Beschwerde kann namentlich die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und lit. b BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), wobei es - unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG) - grundsätzlich nur die geltend gemachten Vorbringen prüft, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (vgl. BGE 142 I 135 E. 1.5; 133 II 249 E. 1.4.1). Der Verletzung von Grundrechten geht das Bundesgericht nur nach, falls eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und ausreichend begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 147 II 44 E. 1.2; 143 II 283 E. 1.2.2). Diese qualifizierte Rüge- und Begründungsobliegenheit nach Art. 106 Abs. 2 BGG verlangt, dass in der Beschwerde klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids dargelegt wird, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (vgl. BGE 143 I 1 E. 1.4; 133 II 249 E. 1.4.2). Seinem Urteil legt das Bundesgericht den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). 
 
3.  
Gemäss Art. 76a Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG; SR 142.20) kann die zuständige Behörde die betroffene ausländische Person zur Sicherstellung der Wegweisung in den für das Asylverfahren zuständigen Dublin-Staat in Haft nehmen, wenn im Einzelfall konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass die Person sich der Durchführung der Wegweisung entziehen will (lit. a), die Haft verhältnismässig ist (lit. b) und sich weniger einschneidende Massnahmen nicht wirksam anwenden lassen (lit. c). 
 
3.1. Die Inhaftierung einer Person im Rahmen eines Dublin-Verfahrens ist erlaubt, wenn sie die Sicherstellung des Überstellungsverfahrens in den zuständigen Dublin-Staat bezweckt (vgl. Art. 28 Abs. 2 der Verordnung [EU] Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist [ABl. L 180 vom 29. Juni 2013, S. 31 ff.; Dublin-III-Verordnung] i.V.m. dem Bundesbeschluss vom 26. September 2014 über die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustausches zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Verordnung [EU] Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist [AS 2015 1841 ff.]). Die Voraussetzungen dazu bestimmen sich im Rahmen von Art. 28 der Dublin-III-Verordnung nach Art. 76a AIG (vgl. Urteil 2C_610/2021 vom 11. März 2022 E. 2.1, zur Publikation vorgesehen; 2C_199/2018 vom 9. Juli 2018 E. 3.1).  
 
3.2. Die Schweiz hat die Haftregeln im Rahmen des Dublin-Verfahrens in Art. 76a AIG (materielles Recht) und Art. 80a AIG (Verfahren) umgesetzt. Art. 76a Abs. 3 AIG konkretisiert die zeitlichen Vorgaben von Art. 28 Abs. 3 der Dublin-III-Verordnung (vgl. auch E. 4.2 hiernach). Daneben sieht Art. 76a Abs. 4 AIG eine Haft für renitente Personen vor, welche bis zu drei Monaten dauern kann (vgl. auch Urteile 2C_610/2021 vom 11. März 2022 E. 3.1, zur Publikation vorgesehen; 2C_199/2018 vom 9. Juli 2018 E. 4.3). Die Dublin-Haft hat - wie jeder Freiheitsentzug (vgl. Art. 31 BV i.V.m. Art. 10 Abs. 2 BV und Art. 36 BV) - so kurz wie möglich zu sein. Sie darf nicht länger dauern, als dies bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt im Hinblick auf die Dublin-Überstellung abschliessen zu können (vgl. Art. 28 Abs. 3 der Dublin-III-Verordnung; vgl. auch Urteile 2C_610/2021 vom 11. März 2022 E. 2.3.1, zur Publikation vorgesehen; 2C_199/2018 vom 9. Juli 2018 E. 3.3). Gemäss Art. 80a Abs. 7 lit. a AIG wird die Haft beendet, wenn der Haftgrund entfällt oder sich erweist, dass der Vollzug der Weg- oder Ausweisung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen undurchführbar ist.  
 
4.  
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 76a Abs. 3 lit. c AIG
 
4.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Haft sei rechtswidrig, da das Amt für Migration nach Vorliegen der Wegweisungsverfügung des SEM vom 11. April 2022 bereits am 25. April 2022 die Dublin-Ausschaffungshaft angeordnet habe. Die Wegweisungsverfügung sei jedoch noch nicht in Rechtskraft erwachsen, da der Beschwerdeführer diese beim Bundesverwaltungsgericht angefochten habe. Letzteres habe am 3. Mai 2022 superprovisorisch einen Vollzugsstopp verfügt. Die Voraussetzungen von Art. 76a Abs. 3 lit. c AIG seien nicht erfüllt.  
 
4.2. Gemäss Art. 76a Abs. 3 lit. c AIG kann die betroffene Person in Haft belassen oder in Haft genommen werden ab Haftanordnung für die Dauer von höchstens sechs Wochen zur Sicherstellung des Vollzugs zwischen der Eröffnung des Weg- oder Ausweisungsentscheides beziehungsweise nach Beendigung der aufschiebenden Wirkung eines allfällig eingereichten Rechtsmittels gegen einen erstinstanzlich ergangenen Weg- oder Ausweisungsentscheid und der Überstellung der betroffenen Person an den zuständigen Dublin-Staat.  
 
4.3. Der Gehalt von Art. 76a Abs. 3 lit. c AIG muss - wie aus den nachfolgenden Ausführungen hervorgehen wird - vorliegend nicht abschliessend geklärt werden.  
 
4.3.1. Zunächst galt die Wegweisungsverfügung des SEM vom 11. April 2022 im Zeitpunkt der Anordnung der sechswöchigen Dublin-Ausschaffungshaft am 25. April 2022 als dem Beschwerdeführer eröffnet. Die Rechtskraft der Wegweisungsverfügung vom 11. April 2022 stellt entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keine Voraussetzung für die Anordnung der Dublin-Ausschaffungshaft dar (vgl. auch Urteil 2C_490/2019 vom 18. Juni 2019 E. 3).  
 
4.3.2. Die vom Beschwerdeführer am 2. Mai 2022 beim Bundesverwaltungsgericht erhobene Beschwerde gegen das Nichteintreten auf sein Asylgesuch und die Wegweisung hat sodann keine aufschiebende Wirkung (vgl. Art. 107a Abs. 1 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG; SR 142.31]). Den superprovisorisch angeordneten Vollzugsstopp verfügte der Instruktionsrichter des Bundesverwaltungsgerichts am 3. Mai 2022 gestützt auf Art. 56 VwVG (SR 172.021). Somit stand der Dublin-Ausschaffungshaft im Zeitpunkt ihrer Anordnung am 25. April 2022 keine "aufschiebende Wirkung eines allfällig eingereichten Rechtsmittels" (Art. 76a Abs. 3 lit. a AIG) entgegen.  
 
4.4. Nach dem Dargelegten liegen entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine Anhaltspunkte für eine rechtsfehlerhafte Anwendung von Art. 76a Abs. 3 lit. c AIG bei der Haftanordnung vor. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht zu prüfen, ob der Beschwerdeführer ursprünglich unter dem richtigen Hafttitel (Dublin-Vorbereitungshaft oder Dublin-Ausschaffungshaft) inhaftiert worden ist (vgl. auch E. 1.2 hiervor). Der Vollständigkeit halber und unbeachtlich novenrechtlicher Schranken ist ferner darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen die Wegweisungsverfügung mit Urteil vom 23. Mai 2022 abwies (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG; vgl. auch BGE 147 II 49 E. 3.3; Urteil 2C_955/2020 vom 10. Dezember 2020 E. 2.3). Entsprechend wäre auch im bundesgerichtlichen Verfahren davon auszugehen, dass keine aufschiebende Wirkung gegen den erstinstanzlichen Wegweisungsentscheid des SEM vom 11. April 2022 besteht.  
 
5.  
Der Beschwerdeführer beanstandet eine Verletzung von Art. 76a Abs. 1 lit. a AIG sowie des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit nach Art. 5 Abs. 2 BV
 
5.1. Nach Auffassung des Beschwerdeführers besteht keine Fluchtgefahr. Er bringt vor, er sei nach Italien zurückgeschafft worden, wo er auf der Strasse gelebt habe. Obwohl er sich jeden Tag bei den Behörden gemeldet habe, um einen Platz in einem Asylzentrum zu erhalten, sei er stets abgewiesen worden. Er habe in Italien keinen Aufenthaltsstatus, obwohl er als Afghane in Anbetracht der Situation in seinem Heimatland mindestens einen subsidiären Schutzstatus erhalten müsste. Da sein Asylgesuch aber in Italien nicht an die Hand genommen werde, bleibe ihm dies verwehrt. Er habe damit auch keine Möglichkeit sich in Italien selbstständig auf legale und in einer mit der Menschenwürde vereinbaren Weise um seine Grundbedürfnisse zu kümmern. Sodann habe er sich nach seiner Wiedereinreise in die Schweiz den Behörden umgehend und immer zur Verfügung gestellt.  
 
5.2. Gemäss Art. 76a Abs. 1 lit. a AIG kann die zuständige Behörde die betroffene ausländische Person zur Sicherstellung der Wegweisung in den für das Asylverfahren zuständigen Dublin-Staat in Haft nehmen, wenn im Einzelfall konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass die Person sich der Durchführung der Wegweisung entziehen will. Davon ist unter anderem auszugehen, wenn die betroffene Person sich behördlichen Anordnungen widersetzt (vgl. Art. 76a Abs. 2 lit. b AIG).  
 
5.2.1. Die Vorinstanz stellt fest, dass es beim Beschwerdeführer nicht bei einer bloss passiven Weigerung, die Schweiz zu verlassen, geblieben sei. Vielmehr habe er seiner ablehnenden Haltung auch Taten folgen lassen und die Ausschaffung per Flugzeug am 22. Februar 2022 vereitelt. Er habe erst am 22. März 2022 unter Polizeibegleitung auf dem Landweg nach ltalien zurückgeführt werden können. Mit seiner illegalen Wiedereinreise in die Schweiz am 28. März 2022 habe er sodann das gegen ihn ausgesprochene Einreiseverbot missachtet (vgl. E. 2.3 des angefochtenen Urteils).  
 
5.2.2. Die Weigerung des Beschwerdeführers, die Schweiz am 22. Februar 2022 per Flugzeug zu verlassen, und die erforderliche Rückführung auf dem Landweg unter Polizeibegleitung fällt für die Beurteilung, ob konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass er sich der Durchführung der Wegweisung entziehen will, erheblich ins Gewicht. Die Vorinstanz kommt angesichts seines Verhaltens bei der ersten Ausschaffung zu Recht zum Schluss, dass hinreichend konkrete Anzeichen dies nahelegen. Davon ist vorliegend auch auszugehen, da sich der Beschwerdeführer bereits am 28. März 2022 wieder in die Schweiz begab, obwohl er erst wenige Tage zuvor - am 22. März 2022 - nach Italien rückgeführt worden war. Er verstiess damit gegen das kurz vor seiner Rückführung gegen ihn verfügte Einreiseverbot, womit er sich erneut einer behördlichen Anordnung im Sinne von Art. 76a Abs. 2 lit. b AIG widersetzte.  
 
5.2.3. An dieser Beurteilung vermag nichts zu ändern, dass sich der Beschwerdeführer nach der erneuten Ankunft in der Schweiz umgehend bei der Polizei gemeldet habe. Dies relativiert den Gesamteindruck aufgrund seines erheblich unkooperativen Verhaltens bei der ersten Ausschaffung nicht, zumal er bei der darauffolgenden Polizeibefragung wiederum angegeben hat, er sei nicht bereit, freiwillig nach Italien zurückzukehren. Sodann hat sich der Beschwerdeführer nach dem für das Bundesgericht verbindlich festgestellten Sachverhalt lediglich während sechs Tagen in Italien aufgehalten. Seine Vorbringen zu den Bedingungen in Italien sind daher nicht zielführend und stehen den festgestellten und hinreichend konkreten Anzeichen, dass sich der Beschwerdeführer der Durchführung der Wegweisung entziehen will, ebenfalls nicht entgegen.  
 
5.2.4. Insgesamt erweist sich der Haftgrund von Art. 76a Abs. 1 lit. a AIG in Verbindung mit Art. 76a Abs. 2 lit. b AIG im Lichte der Weigerung des Beschwerdeführers, die Schweiz zu verlassen, und seiner rechtswidrigen Wiedereinreise unmittelbar nach der (ersten) Ausschaffung als erfüllt.  
 
5.3. Die Anordnung der Dublin-Ausschaffungshaft stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die persönliche Freiheit gemäss Art. 10 Abs. 2 BV dar (vgl. Urteile 2C_490/2019 vom 18. Juni 2019 E. 5; 2C_1106/2018 vom 4. Januar 2019 E. 3; vgl. auch Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK). Neben dem Bestehen einer hinreichend bestimmten, formell-gesetzlichen Grundlage (vgl. Art. 76a AIG) muss die Haftanordnung daher im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein (vgl. Art. 31 Abs. 1 BV; Art. 36 BV; Art. 76a Abs. 1 lit. b und lit. c AIG; BGE 142 I 135 E. 4.1).  
 
5.3.1. Nach Auffassung des Beschwerdeführers ist die Haftanordnung unverhältnismässig. Die alternativ zur Verfügung stehenden und weniger einschneidenden Massnahmen wie die Eingrenzung im Sinne von Art. 74 AIG wären ausreichend. Dem Beschwerdeführer ist nicht zu folgen: Aufgrund seines bisherigen Verhaltens und insbesondere seiner Weigerung, den Anordnungen der Behörden freiwillig Folge zu leisten, erscheint die Verfügung einer Eingrenzung - wie von ihm gefordert - als nicht zweckmässig und ungeeignet, um seine Rückführung nach Italien sicherzustellen. Vielmehr lässt sich die Haftanordnung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit aufgrund seines unkooperativen Verhaltens bei der ersten Ausschaffung sowie des Verstosses gegen das verfügte Einreiseverbot wenige Tage später ohne Weiteres rechtfertigen. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz erwägt, bei der Anordnung einer milderen Massnahme müsste mit seinem Untertauchen gerechnet werden, habe er doch ausdrücklich seinen Willen, nicht nach Italien zurückzukehren, bekundet und sich bereits aktiv Anordnungen der Behörden widersetzt (vgl. E. 3.2 des angefochtenen Urteils).  
 
5.3.2. Die Vorinstanz weist ferner darauf hin, dass ein Untertauchen aktuell umso wahrscheinlicher erscheine, nachdem sich der Beschwerdeführer am 11. April 2022, dem Tag, an dem Italien seine erneute Rückübernahme bestätigt habe und er aus der Schweiz weggewiesen worden sei, in der Haft selber verletzt habe (vgl. E. 3.2 des angefochtenen Urteils). Diese Würdigung ist nicht zu beanstanden: Der Beschwerdeführer erweckt mit seiner Selbstverletzung den Eindruck, eine Wegweisung nach Italien verhindern zu wollen. In Kombination mit seinem bisherigen, erheblich unkooperativen Verhalten ist die Dub-lin-Ausschaffungshaft somit geeignet, erforderlich und zumutbar, um seine Rückführung nach Italien sicherzustellen (vgl. Art. 76a Abs. 1 lit. b und lit. c AIG). In der Haftanordnung ist keine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit zu erkennen.  
 
5.4. Soweit der Beschwerdeführer ferner vorbringt, es bestehe mit dem superprovisorisch verfügten Vollzugsstopp vom 3. Mai 2022 ein rechtliches Vollzugshindernis im Sinne von Art. 80a Abs. 7 lit. a AIG, ist ihm nicht zu folgen. Er legt nicht dar, weshalb der Vollzug der Wegweisung vor Bekanntwerden der neuen Umstände, die zur Haftentlassung am 15. Juni 2022 führten, in absehbarer Zeit undurchführbar gewesen wäre. Mit Urteil vom 23. Mai 2022 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen die Wegweisungsverfügung vom 11. April 2022 im Übrigen ab (vgl. Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch E. 4.4 hiervor; Art. 99 Abs. 1 BGG). Der Vollzug der Wegweisung war bis zum Eintritt der neuen Umstände, die zur Entlassung des Beschwerdeführers aus der Haft am 15. Juni 2022 führten, somit absehbar.  
 
5.5. Nach dem Dargelegten erweist sich die Anordnung der Dublin-Ausschaffungshaft als rechtmässig. Das vorinstanzliche Urteil ist nicht zu beanstanden.  
 
6.  
Der Beschwerdeführer beantragt überdies, es sei festzustellen, dass die Vorinstanz das Beschleunigungsgebot im Sinne von Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 5 Ziff. 4 EMRK verletzt habe. Die Vorinstanz habe rund zwei Wochen mit der Zustellung der Stellungnahmen des Amts für Migration vom 27. April 2022 und des Zwangsmassnahmengerichts vom 29. April 2022 zugewartet. Die Vorinstanz räumt im Rahmen der bundesgerichtlichen Vernehmlassung ein, dass diese beiden Eingaben dem Beschwerdeführer aufgrund eines Versehens erst am 13. Mai 2022 zur Kenntnis gebracht worden seien. Indessen sei das Urteil vom 17. Mai 2022 im Anschluss an die Replik des Beschwerdeführers vom 16. Mai 2022 rasch gefällt worden. 
Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf Beurteilung innert angemessener Frist. Den Behörden ist eine Rechtsverzögerung insbesondere dann vorzuwerfen, wenn sie ohne ersichtlichen Grund und ohne ausgleichende Aktivität während längerer Perioden untätig geblieben sind (vgl. Urteil 2C_469/2020 vom 9. Oktober 2020 E. 2.4). Das Beschleunigungsgebot gilt - ausserhalb der erstmaligen richterliche Prüfung der Haft (vgl. BGE 142 I 135 E. 3) - in der Regel als verletzt, wenn von den Behörden während mehr als zwei Monaten keine zielgerichteten Massnahmen getroffen werden (vgl. BGE 139 I 206 E. 2). Eine solche Verzögerung steht vorliegend indes nicht zur Diskussion. Die Zustellung der Stellungnahmen erfolgte zwar unnötigerweise verspätet. Eine Verletzung des Beschleunigungsgebots lässt sich jedoch noch nicht erkennen. 
 
7.  
Im Ergebnis erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie abzuweisen ist. Der Beschwerdeführer beantragt für den Fall seines Unterliegens, ihm die unentgeltliche Rechtspflege unter Verbeiständung durch Rechtsanwältin Lea Hungerbühler, substituiert durch Rechtsanwältin Sonja Comte, zu gewähren. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist gutzuheissen, da das Rechtsmittel nicht von vornherein als aussichtslos bezeichnet werden kann und die weiteren Voraussetzungen gegeben sind (Art. 64 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen. 
 
2.1. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.  
 
2.2. Dem Beschwerdeführer wird Rechtsanwältin Lea Hungerbühler, substituiert durch Rechtsanwältin Sonja Comte, als unentgeltliche Rechtsbeiständin beigegeben und dieser aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- ausgerichtet.  
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Kantonsgericht Luzern, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. Juni 2022 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: M. Zollinger