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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_892/2017  
 
 
Urteil vom 23. August 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch Advokat Stefan Kunz, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Basel-Stadt, 
Lange Gasse 7, 4052 Basel, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 2. Oktober 2017 (IV.2017.105). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, geboren 1954, Barpianist, meldete sich am 5. Januar 2015 unter Hinweis auf eine Epilepsie bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Gemäss den Angaben der behandelnden Ärztin Dr. med. B.________, Neurologie FMH, vom 16. Januar 2015 bestand das Leiden seit der Kindheit. Grand-mal-Anfälle seien seit dem Jahr 2002 aufgetreten. Die IV-Stelle Basel-Stadt holte ein Gutachten des Universitätsspitals Basel, asim, vom 31. Mai (richtig:) 2016 ein. Gestützt auf die dort bescheinigte Arbeitsfähigkeit von 80 % lehnte sie den Anspruch auf eine Invalidenrente mit Verfügung vom 21. April 2017 ab. 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 2. Oktober 2017 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihm eine Invalidenrente zuzusprechen, eventualiter sei die Sache zu ergänzenden Abklärungen zurückzuweisen. 
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
D.   
Das Bundesgericht hat am 23. August 2018 eine öffentliche Beratung durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Eine - für den Ausgang des Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) - vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann das Bundesgericht nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob die vorinstanzlich bestätigte Rentenablehnung durch die IV-Stelle vor Bundesrecht standhält. Umstritten ist dabei, ob der Versicherte angesichts seines fortgeschrittenen Alters seine Restarbeitsfähigkeit erwerblich noch zu verwerten vermag. 
 
3.  
 
3.1. Anspruch auf eine Rente haben Versicherte, die ihre Erwerbsfähigkeit oder die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, nicht durch zumutbare Eingliederungsmassnahmen wieder herstellen, erhalten oder verbessern können, während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens 40 % arbeitsunfähig (Art. 6 ATSG) gewesen und nach Ablauf dieses Jahres zu mindestens 40 % invalid (Art. 8 ATSG) sind (Art. 28 Abs. 1 IVG). Für die Bestimmung des Invaliditätsgrades wird das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (Art. 16 ATSG).  
 
3.2. Das fortgeschrittene Alter wird in der Rechtsprechung, obgleich an sich ein invaliditätsfremder Faktor, als Kriterium anerkannt, welches zusammen mit weiteren persönlichen und beruflichen Gegebenheiten dazu führen kann, dass die einer versicherten Person verbliebene Resterwerbsfähigkeit auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt realistischerweise nicht mehr nachgefragt wird und dass ihr deren Verwertung auch gestützt auf die Selbsteingliederungslast nicht mehr zumutbar ist. Der Einfluss des Lebensalters auf die Möglichkeit, das verbliebene Leistungsvermögen auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt zu verwerten, lässt sich nicht nach einer allgemeinen Regel bemessen, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Massgebend können die Art und Beschaffenheit des Gesundheitsschadens und seiner Folgen, der absehbare Umstellungs- und Einarbeitungsaufwand und in diesem Zusammenhang auch Persönlichkeitsstruktur, vorhandene Begabungen und Fertigkeiten, Ausbildung, beruflicher Werdegang oder Anwendbarkeit von Berufserfahrung aus dem angestammten Bereich sein (BGE 138 V 457 E. 3.1 S. 459 f.; 107 V 17 E. 2c S. 21; SVR 2016 IV Nr. 58 S. 190, 8C_910/2015 E. 4.2.2; SVR 2003 IV Nr. 35 S. 107, I 462/02 E. 2.3; Urteile 8C_645/2017 vom 23. Januar 2018 E. 3.1; 8C_28/2017 vom 19. Juni 2017 E. 3.2 und 3.3; I 392/02 vom 23. Oktober 2003 E. 2.3; I 401/01 vom 4. April 2002 E. 4b). Fehlt es an einer wirtschaftlich verwertbaren Resterwerbsfähigkeit, liegt eine vollständige Erwerbsunfähigkeit vor, die einen Anspruch auf eine ganze Invalidenrente begründet (BGE 138 V 457 E. 3.1 S. 460).  
 
3.3. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand einer versicherten Person und der daraus resultierenden Arbeits (un) fähigkeit, die das Sozialversicherungsgericht gestützt auf medizinische Untersuchungen trifft, sind tatsächlicher Natur und vom Bundesgericht nur beschränkt überprüfbar (oben E. 1). Soweit die Beurteilung der Zumutbarkeit von Arbeitsleistungen auf die allgemeine Lebenserfahrung gestützt wird, geht es um eine Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.; Urteil 9C_133/2011 vom 29. April 2011 E. 1). Vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage ist auch, ob dem Versicherten die Verwertung seiner Restarbeitsfähigkeit auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nach allgemeiner Lebenserfahrung noch zumutbar war (BGE 140 V 267 E. 2.4 S. 270; Urteil 8C_28/2017 vom 19. Juni 2017 E. 1.3).  
 
4.   
Das kantonale Gericht stellte gestützt auf das asim-Gutachten vom 31. Mai 2016 fest, dass der Beschwerdeführer wegen Epilepsie (ICD-10 G40.2), chronischer Spannungskopfschmerzen (ICD-10 G44.2), eines Status nach disseminierter Varizelleninfektion mit Beteiligung des Zentralnervensystems (ICD-10 G02.0) sowie eines schweren obstruktiven Schlafapnoesyndroms in seiner bisherigen Tätigkeit als (Bar-) Pianist seit August 2014 nicht mehr arbeitsfähig sei. In einer leidensangepassten leichten bis mittelschweren Tätigkeit bestehe eine Restarbeitsfähigkeit von 80 %. Dabei seien das Besteigen von Leitern und Gerüsten und das Bedienen von Maschinen zu vermeiden. Es seien geregelte Arbeitszeiten einzuhalten, insbesondere keine Nachtarbeit zu verrichten. Medizinisch-theoretisch möglich sei unter Beachtung dieser Rahmenbedingungen auch die Tätigkeit als Pianist. Zum Zeitpunkt der Begutachtung sei dem Beschwerdeführer bis zum Eintritt ins AHV-Alter noch eine Aktivitätsdauer von zwei Jahren und zehn Monaten verblieben. Im Rahmen des 80 %-Pensums sei es ihm zuzumuten, seine Restarbeitsfähigkeit als Pianist mit Engagements tagsüber, als Klavierlehrer oder aber mit einer anderen den Leiden angepassten leichten bis mittelschweren Tätigkeit zu verwerten. Damit vermöchte er im Vergleich mit seinem bisherigen bescheidenen Verdienst (von 18'009 Franken pro Jahr) ein rentenausschliessendes Einkommen zu erzielen. 
 
5.   
Bezüglich der hier streitigen Frage der Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit stellte die Vorinstanz - nicht offensichtlich unrichtig und damit für das Bundesgericht verbindlich - insbesondere fest, dass der Beschwerdeführer noch zu 80 % arbeitsfähig sei. Gemäss gutachtlicher Einschätzung könne er - unter Beachtung geregelter Arbeitszeiten und unter Ausschluss von Nachtarbeit und längerer Engagements - weiterhin als Pianist arbeiten oder einer leichten bis mittelschweren Tätigkeit - ohne Leitern und Gerüste zu besteigen oder Maschinen zu bedienen - nachgehen. Damit verbleibt dem Beschwerdeführer noch eine erhebliche Restarbeitsfähigkeit. Dementsprechend steht ihm ein breites Spektrum an Verweistätigkeiten offen. Mit dem kantonalen Gericht ist deshalb trotz des Alters des gut 62-jährigen Beschwerdeführers nicht von einem invalidenversicherungsrechtlich erschwerten Zugang zum Arbeitsmarkt auszugehen. Die vom Bundesgericht frei überprüfbare (oben E. 3.3) Schlussfolgerung des kantonalen Gerichts, dass dem Versicherten die Verwertung seiner Restarbeitsfähigkeit auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt (vgl. Art. 16 ATSG) trotz seines fortgeschrittenen Alters zuzumuten sei, lässt sich mit Blick auf die diesbezüglich restriktive Praxis nicht als bundesrechtswidrig beanstanden. Für das Bundesgericht verbindlich, weil nicht offensichtlich unrichtig, sind auch die vorinstanzlichen Feststellungen in erwerblicher Hinsicht. Das kantonale Gericht hielt dazu fest, dass der Beschwerdeführer mit einer der geschilderten Verweistätigkeiten imstande sei, ebenso viel zu verdienen wie als Gesunder, damit also ein rentenausschliessendes Erwerbseinkommen zu erzielen vermöchte. 
 
6.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege (im Sinne der vorläufigen Befreiung von den Gerichtskosten und der unentgeltlichen Verbeiständung, Art. 64 Abs. 1 und Abs. 2 BGG) kann gewährt werden. Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Advokat Stefan Kunz wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.   
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 23. August 2018 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo