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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_309/2009 
 
Urteil vom 23. September 2009 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard, 
Gerichtsschreiberin Berger Götz. 
 
Parteien 
W.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Felix Hunziker-Blum, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Arbeitslosenkasse des Kantons Thurgau, Zürcherstrasse 285, 8510 Frauenfeld, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung; Einstellung in der Anspruchsberechtigung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 25. Februar 2009. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der 1955 geborene W.________ war ab 20. September 1999 als Rayonleiter für die Firma X.________ tätig. Mit schriftlicher Vereinbarung vom 13. Dezember 2007 lösten die Arbeitgeberin und W.________ das Arbeitsverhältnis per sofort auf. W.________ stellte daraufhin Antrag auf Arbeitslosenentschädigung ab 14. Dezember 2007. 
A.a In der arbeitsrechtlichen Streitigkeit zwischen W.________ und der Firma X.________ hatte das Bezirksgericht Y.________ das Verfahren mit Beschluss vom 28. Mai 2008 als durch Vergleich erledigt abgeschrieben, nachdem die Parteien vereinbart hatten, dass die ehemalige Arbeitgeberin bis spätestens 25. Juni 2008 Fr. 15'500.- netto an W.________ auszubezahlen und die Sozialversicherungsbeiträge auf dem Nachzahlungsbetrag abzurechnen habe. Daraufhin stellte die Arbeitslosenkasse mit Verfügung Nr. 1109 vom 19. August 2008 fest, W.________ habe vom 14. Dezember 2007 bis 31. März 2008 keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung. Daran hielt sie auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 7. Oktober 2008). Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau wies die dagegen erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 25. Februar 2009). W.________ lässt beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen (Verfahren 8C_305/2009). 
A.b Die Arbeitslosenkasse des Kantons Thurgau stellte W.________ zufolge selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit wegen "fristloser Entlassung durch den Arbeitgeber" mit Verfügung Nr. 174 vom 5. Februar 2008 ab 14. Dezember 2007 für die Dauer von 54 Tagen in der Anspruchsberechtigung ein. In teilweiser Gutheissung der hiergegen geführten Einsprache reduzierte die Kasse die Einstelldauer auf 36 Tage (Einspracheentscheid vom 19. August 2008). 
 
B. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau wies die gegen den Einspracheentscheid vom 19. August 2008 erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 25. Februar 2009). 
 
C. 
W.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, es sei von einer Einstellung in der Anspruchsberechtigung abzusehen. In prozessualer Hinsicht wird die Vereinigung des vorliegenden Verfahrens mit dem Prozess 8C_305/2009 verlangt. 
 
Die Arbeitslosenkasse schliesst auf Abweisung der Beschwerde, während das Staatssekretariat für Wirtschaft auf eine Stellungnahme verzichtet. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG; Ausnahme: Beschwerden gemäss Art. 97 Abs. 2 BGG [Art. 105 Abs. 3 BGG]). Wie die Sachverhaltsfeststellung ist auch die vorinstanzliche Ermessensbetätigung im Verfahren vor Bundesgericht nur beschränkt überprüfbar. Eine Angemessenheitskontrolle (vgl. BGE 126 V 75 E. 6 S. 81 [zu Art. 132 lit. a OG]) ist dem Gericht verwehrt; es hat nur zu prüfen, ob die Vorinstanz ihr Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt, mithin überschritten, unterschritten oder missbraucht hat (vgl. BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399). 
 
2. 
Die Voraussetzungen für eine Verfahrensvereinigung (BGE 128 V 192 E. 1 S. 194, vgl. auch BGE 128 V 124 E. 1 S. 126) sind nicht erfüllt, betreffen die Rechtsmittel doch nicht den gleichen vorinstanzlichen Entscheid, und es stellen sich in den beiden Prozessen (zum grossen Teil) unterschiedliche Rechtsfragen. Deshalb besteht kein Anlass, dem Antrag des Beschwerdeführers auf Vereinigung des vorliegenden Prozesses mit dem Verfahren 8C_305/2009 stattzugeben. 
 
3. 
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen zu den Voraussetzungen der Einstellung in der Anspruchsberechtigung wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit (Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG in Verbindung mit Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV) und zur verschuldensabhängigen Dauer der Einstellung (Art. 30 Abs. 3 AVIG, Art. 45 Abs. 2 AVIV) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
4. 
4.1 Die Vorinstanz hat in pflichtgemässer Würdigung der gesamten Aktenlage mit nachvollziehbarer Begründung erkannt, der Versicherte sei in der Anspruchsberechtigung einzustellen, weil sein Verhalten zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Firma X.________ geführt habe. Dabei ging sie von der unbestrittenen Tatsache aus, dass der Beschwerdeführer im Betrieb der ehemaligen Arbeitgeberin Einkäufe für Drittpersonen vorgenommen hatte und dabei die (...) und die Personalpunkte seinem Konto gutschreiben liess. Zwar sei richtig, dass durch seine Käufe der Umsatz gesteigert worden sei. Eine Umsatzsteigerung wäre allerdings auch erfolgt, wenn er die Waren gekauft hätte, ohne sich die Punkte gutschreiben zu lassen. Es könne aber nicht angehen, dass er umfassend von den Personalpunkten profitiert habe, obwohl die Einkäufe nicht für ihn oder in seinem Haushalt lebende Personen bestimmt gewesen seien. Dies entspreche in keiner Weise einem korrekten Verhalten gegenüber der Arbeitgeberin. Auf der Rückseite der Personalrabattkarte sei ausdrücklich festgehalten, dass eine missbräuchliche Handhabung zum Entzug der Karte und zu weiteren Konsequenzen führen könne. Das Kassenreglement verlange denn auch nicht, dass die Personalrabattkarte ausnahmslos eingescannt werden müsse. Jedenfalls habe begründeter und vom Versicherten schuldhaft gesetzter Anlass zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses bestanden, weshalb die Einstellung in der Anspruchsberechtigung nicht zu beanstanden sei. Die im Einspracheentscheid von 54 auf 36 Tage reduzierte Einstellungsdauer erscheine rechtens. 
 
4.2 Die Vorbringen des Beschwerdeführers vermögen diese Betrachtungsweise nicht in Zweifel zu ziehen. Die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz sind nicht mangelhaft im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG und die rechtliche Würdigung ist bundesrechtskonform. Das kantonale Gericht gibt die Gründe an, welche zu seiner Feststellung führen, der Beschwerdeführer sei durch eigenes Verschulden arbeitslos geworden. Die diesbezüglichen Einwände in der Beschwerde sind nicht begründet. Soweit der Beschwerdeführer letztinstanzlich behauptet, er habe seine Personalrabattkarte in Befolgung des Kassenreglementes bei jedem Einkauf präsentieren müssen, kann er daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten. In Ziffer 5.4.1 des Kassenreglementes wird festgelegt, dass Mitarbeitende mit der gültigen Personalrabattkarte "automatisch vom Kassensystem berechnet" zusätzlich (...) oder Personalrabatte erhalten, wobei die Personalrabattkarte immer während des Kassiervorganges gescannt werden "muss". Daraus kann entgegen der Ansicht des Versicherten nicht abgeleitet werden, er sei verpflichtet gewesen, die Personalrabattkarte auch bei Einkäufen für Drittpersonen vorzuweisen. Dem steht bereits der ausdrückliche Vermerk auf der Rückseite der Personalrabattkarte entgegen, wonach die Karte (nur) den Karteninhaber und die im gleichen Haushalt lebenden Personen berechtigt, mit Rabatt einzukaufen. Die Formulierung, die Karte "muss" während des Kassiervorganges gescannt werden, statuiert keine Pflicht zur Vorweisung der Karte bei jedem Einkauf, sondern ruft lediglich in Erinnerung, dass bei späterer Vorweisung der Karte kein Rabatt mehr gewährt werden kann, wie dies im Personalrabatt-/Punkte-Reglement, gültig ab 1. Januar 2007, Ziffer 2.1, festgeschrieben wurde. In derselben Ziffer wird im Übrigen ausgeführt, dass die Personalrabattkarte an der Kasse jederzeit vor dem Zahlungsvorgang vorgewiesen werden "kann". Wenn die Vorinstanz auf dieser Grundlage in der Vorweisung der Personalrabattkarte für im Auftrag und auf Rechnung Dritter (welche nicht im gleichen Haushalt mit dem Versicherten leben) getätigte Einkäufe ein nicht einwandfreies Verhalten sieht, welches geeignet war, zur Kündigung der Anstellung durch die Arbeitgeberin zu führen, so lässt sich ihre Beweiswürdigung nicht als willkürlich qualifizieren (BGE 132 V 393 E. 4.1 S. 400). Von einer offensichtlich unrichtigen oder unvollständigen Sachverhaltsfeststellung kann ohnehin nicht gesprochen werden. Der Versicherte musste wissen, dass ihm bei nicht bestimmungsgemässem Einsatz seiner Personalrabattkarte die Kündigung drohte, ohne dass ihm diese Konsequenz ausdrücklich hätte angekündigt werden müssen. Ob sein Verhalten tatsächlich eine fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigte, kann an dieser Stelle offen bleiben. Die im Rahmen schweren Verschuldens, allerdings im unteren Bereich, auf 36 Tage festgelegte Einstellungsdauer, welche vom Bundesgericht nur auf Ermessensmissbrauch oder aber Ermessensüberschreitung oder -unterschreitung hin überprüft werden kann (E. 1 hiervor), ist nicht zu beanstanden, auch wenn der bestätigende kantonale Gerichtsentscheid in dieser Hinsicht keine weiteren Erörterungen enthält. 
 
5. 
5.1 Die Vorinstanz hat die Einstellung in der Anspruchsberechtigung ab Beginn der Rahmenfrist für den Leistungsbezug, somit ab 14. Dezember 2007, vollzogen. Nachdem sie im Parallelverfahren (vgl. 8C_305/2009) die Verschiebung des Beginns des Anspruchs auf Arbeitslosentaggelder zufolge fehlenden Lohnausfalls (in der Zeit vom 14. Dezember 2007 bis 31. März 2008) bestätigte, stellte sie vorliegend fest, dass dementsprechend die Einstellung in der Anspruchsberechtigung erst ab 1. April 2008 vollzogen werden könne. Sie hat damit die Entscheidbegründung auf eine Frage ausgedehnt, zu der sich die Parteien nicht vernehmen liessen. Der Beschwerdeführer begründet seine diesbezüglichen Einwendungen im Verfahren 8C_305/2009. Wie dem heutigen Urteil des Bundesgerichts im Prozess 8C_305/2009 zu entnehmen ist, bleibt es beim ursprünglichen Anspruchsbeginn (14. Dezember 2007), womit sich auch der Vollzug der Einstellung in der Anspruchsberechtigung ab 14. Dezember 2007 nicht ändert. 
5.2 
Mit Verfügung Nr. 1110 vom 19. August 2008 forderte die Arbeitslosenkasse vom Beschwerdeführer in der Zeit von Dezember 2007 bis Mai 2008 zu Unrecht bezogene Arbeitslosenentschädigung im Betrag von Fr. 7'008.60 zurück. Der Versicherte hat dagegen Einsprache erhoben. Das Einspracheverfahren wurde von der Kasse bis zur rechtskräftigen Erledigung des vorliegenden Verfahrens bezüglich Anspruchsberechtigung und des Prozesses 8C_309/2009 betreffend Einstellung in der Anspruchsberechtigung sistiert. Über die Höhe der gegenseitigen Forderungen der Parteien wird die Arbeitslosenkasse im Rahmen dieses zur Zeit noch sistierten Einspracheverfahrens befinden. Dabei wird sie zu beachten haben, dass sie bei der Ausrichtung der Arbeitslosenentschädigung die Reduktion der Einstellungsdauer von 54 auf 36 Tage noch nicht berücksichtigt hat. 
 
6. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten vom Beschwerdeführer als unterliegender Partei zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit, Abteilung Rechtsdienst und Entscheide, Frauenfeld, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 23. September 2009 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Ursprung Berger Götz