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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4C.322/2005 /ast 
 
Urteil vom 23. November 2005 
I. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Corboz, Präsident, 
Bundesrichterin Klett, Bundesrichter Favre, 
Gerichtsschreiber Arroyo. 
 
Parteien 
A.________ GmbH, 
Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Markus Joos, 
 
gegen 
 
X.________, 
Kläger und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Damian Keel. 
 
Gegenstand 
Aktienkaufvertrag, 
 
Berufung gegen den Entscheid der III. Zivilkammer des Kantonsgerichts St. Gallen vom 31. Mai 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Am 8. April 1999 schlossen X.________ (Kläger und Berufungsbeklagter) und die A.________ GmbH (Beklagte und Berufungsklägerin) einen Kaufvertrag über (sämtliche) 100 Namenaktien à nominal Fr. 1'000.-- der B.________ AG zu einem Kaufpreis von Fr. 2'100'000.--. Die Käuferin (Beklagte) hatte Fr. 100'000.-- bei Unterzeichnung des Vertrags, die restlichen Fr. 2'000'000.-- am 1. Juli 1999 gegen Aushändigung der Titel zu bezahlen. Die Parteien vereinbarten weiter, dass der Verkäufer (Kläger) der Käuferin für einen Teil des Kaufpreises ein mit 5 % verzinsliches Darlehen von Fr. 600'000.-- gewähre, das in sechs Raten à Fr. 100'000.-- zu amortisieren sei, wobei der Fälligkeitstermin für die zweitletzte Rate am 31. Dezember 2001 und für die letzte Rate am 30. Juni 2002 festgesetzt wurde. Für den Fall, dass die Beklagte mit der Bezahlung einer Rate in Verzug geraten sollte, vereinbarten die Parteien die Fälligkeit des gesamten noch offenen Darlehensrestbetrages, sofern die ausstehende Rate nicht innert 30 Tagen nach eingeschriebener Mahnung bezahlt werde. 
Die ersten vier Amortisationsraten des Darlehens bezahlte die Beklagte mit zum Teil leichter Verspätung, woraus dem Kläger unbestrittenermassen eine Zinsforderung von Fr. 246.60 zusteht. Vor der Fälligkeit der zweitletzten Rate erhob die Beklagte gegenüber dem Kläger verschiedene Einwendungen. Unter anderem machte sie geltend, eine Drittfirma (die C.________ AG) mache Eigentumsansprüche an Spritzgussformen geltend. Der Kläger forderte mit eingeschriebener Mahnung vom 4. Januar 2002 die Bezahlung der ausstehenden Rate unter der Androhung, dass andernfalls der Restbetrag zur Zahlung fällig werde. Da die Beklagte die ausstehende Rate nicht bezahlte, setzte der Kläger die beiden ausstehenden Raten von Fr. 200'000.-- sowie den Zinsanspruch von Fr. 246.60 nebst Zins in Betreibung. Die Beklagte erhob Rechtsvorschlag. Der Kläger gelangte darauf an das Bezirksgericht Wil mit den Begehren, die Beklagte sei zur Bezahlung der Forderung nebst Zins zu verpflichten und es sei deren Rechtsvorschlag aufzuheben. 
Mit Entscheid vom 24. Oktober 2002 verpflichtete das Bezirksgericht Wil die Beklagte, dem Kläger den Betrag von Fr. 200'000.-- nebst 5 % Zins seit dem 1. Juli 2001, 5 % Zins auf Fr. 5'000.-- seit dem 15. Februar 2002 sowie Fr. 246.60 nebst 5 % Zins seit 1. Februar 2002 zu bezahlen. Der Rechtsvorschlag wurde in diesem Umfang sowie für Fr. 241.90 Betreibungskosten aufgehoben. 
B. 
Mit Entscheid vom 31. Mai 2005 wies das Kantonsgericht St. Gallen die Berufung der Beklagten gegen den Entscheid des Bezirksgerichts Wil vom 24. Oktober 2002 ab. Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte die Forderung des Klägers im Grundsatz wie schon vor erster Instanz nicht bestritt, dass sie aber einredeweise eine den eingeklagten Betrag übersteigende Kaufpreisminderung von Fr. 393'254.-- geltend mache, die sie hauptsächlich auf Sachgewährleistung und eventuell auf Teilnichtigkeit des Vertrages wegen Grundlagenirrtums stütze. Das Kantonsgericht gelangte übereinstimmend mit dem Bezirksgericht Wil im Wesentlichen zum Schluss, dass der Beklagten der Beweis nicht gelungen sei, dass die C.________ AG zu Recht die unentgeltliche Herausgabe der Spritzgussformen verweigere. Das Gericht verwarf sodann die Ansicht der Beklagten, der Kläger hätte die Forderung der C.________ AG auch dann bilanzieren müssen, wenn er diese Forderung als unberechtigt erachtete in der Erwägung, es ergebe sich weder aus den Parteivorbringen noch aus den übrigen Akten, dass die Forderung der C.________ AG schon vor der Übernahme der B.________ AG durch die Beklagte zur Diskussion gestanden wäre. Vielmehr sei davon auszugehen, dass sie erstmals gestellt wurde, als die B.________ AG im Jahre 2001 die Herausgabe der Spritzgussformen verlangte. 
C. 
Mit eidgenössischer Berufung vom 15. September 2005 stellt die Beklagte den Antrag, das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen vom 31. Mai 2005 sei aufzuheben und die Klage sei vollumfänglich abzuweisen; eventualiter sei die Streitsache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie rügt, die Vorinstanz habe Art. 23 und 24 OR verletzt und die gesetzlichen Bestimmungen über die ordnungsgemässe Rechnungslegung (Art. 957 ff., 662a OR) missachtet. 
D. 
Der Kläger stellt in der Antwort das Rechtsbegehren, die Berufung sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Im Berufungsverfahren ist das Bundesgericht an die tatsächlichen Feststellungen der letzten kantonalen Instanz gebunden, wenn sie nicht offensichtlich auf Versehen beruhen, unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen (Art. 63 Abs. 2 OG) oder im Hinblick auf den Tatbestand einer anwendbaren Sachnorm ergänzungsbedürftig sind (Art. 64 OG). Werden solche Ausnahmen geltend gemacht, so hat die Partei, welche den Sachverhalt berichtigt oder ergänzt wissen will, darüber genaue Angaben mit Aktenhinweisen zu machen (Art. 55 Abs. 1 lit. c und d OG; BGE 130 III 102 E. 2.2 S. 106 mit Hinweisen). Blosse Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung ist im Berufungsverfahren unzulässig (BGE 127 III 73 E. 6a). 
1.1 Die Beklagte macht keine Ausnahmen im Sinne von Art. 63 Abs. 2 OG geltend; soweit sie sinngemäss beanstandet, ihr Beweisantrag einer Expertise sei von der Vorinstanz nicht abgenommen worden, begründet sie nicht, zu welchen rechtserheblichen Tatsachen sie diesen Beweisantrag form- und fristgerecht gestellt hat. Es genügt insofern nicht, einfach für den Fall, dass generell irgendwelche Bewertungsvorschriften umstritten sein sollten, im Berufungsverfahren auf einen Beweisantrag vor der Vorinstanz zu verweisen. Selbst wenn sinngemäss eine Verletzung von Art. 8 ZGB als gerügt anzusehen wäre, so ist der Begründung der Berufung nicht einmal ansatzweise zu entnehmen, welche Behauptungen die Beklagte hätte beweisen wollen und inwiefern die Vorinstanz bundesrechtswidrig trotz des offenen Beweisantrags zu Unrecht Beweislosigkeit angenommen und ihr die Beweislast auferlegt hätte (vgl. BGE 130 III 591 E. 5.4). 
1.2 Soweit die Beklagte ihre Rügen im Übrigen mindestens sinngemäss auf einen Sachverhalt stützt, der von den Feststellungen im angefochtenen Entscheid abweicht, ist sie nicht zu hören. Dies gilt insbesondere für die Feststellung der Vorinstanz, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die hier interessierende Forderung der C.________ AG schon vor der Übernahme der B.________ AG durch die Beklagte zur Diskussion gestanden hätte. Die Vorinstanz ist vielmehr davon ausgegangen, dass diese Forderung erstmals gestellt wurde, als die B.________ AG 2001 von der C.________ AG die Herausgabe der Formen verlangte. Sie ging damit in Würdigung der Parteivorbringen davon aus, dass dem Kläger die Forderung überhaupt nicht bekannt war, wie die Beklagte zutreffend bemerkt. Dieser Schluss ist für das Bundesgericht im vorliegenden Verfahren verbindlich. 
2. 
Die Beklagte rügt, die Vorinstanz habe den behaupteten Grundlagenirrtum bundesrechtswidrig verneint und Art. 23 in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR verletzt, indem sie als Voraussetzung für einen Irrtum verlangt habe, dass die Forderung der C.________ AG tatsächlich bestehe; die Beklagte hält für ihren behaupteten Irrtum über die finanzielle Lage der Gesellschaft (vgl. BGE 107 II 419 E. 3c) als entscheidend, dass die C.________ AG überhaupt eine Forderung gegenüber der B.________ AG geltend mache und von deren Begleichung die Herausgabe der unter den Aktiven der Bilanz vom 31. 12. 1998 aufgeführten Spritzgussformen abhängig mache. 
2.1 Die Aktiven sind nach ihrem Wert zu bilanzieren, der ihnen im Zeitpunkt des Bilanzstichtages zukommt (Art. 960 Abs. 2 OR). Ereignisse, die nach dem Stichtag eintreten, sind im Rahmen der Bilanzierung dann zu berücksichtigen, wenn ihre Ursache vor dem Bilanzstichtag lag (Neuhaus/Binz, Basler Kommentar, N 25 zu Art. 960 OR; Käfer, Berner Kommentar, N 311 ff./327 ff. zu Art. 960 OR; vgl. auch Böckli, Schweizer Aktienrecht, 3. Aufl., 2004, § 8 N 169 f., 223 ff., 424 ff.). Die Weigerung der C.________ AG, die als Aktivum der B.________ AG per Ende 1998 bilanzierten Spritzgussformen unbelastet herauszugeben, ist nach dem Bilanzstichtag erfolgt. Die Ursache für diese Weigerung ist dann als vor dem Bilanzstichtag eingetreten zu erachten, wenn die B.________ AG vor diesem Stichtag tatsächlich keinen Anspruch auf unbelastete Herausgabe der Formen gegenüber der C.________ AG hatte. Ob die C.________ AG - wie die Beklagte mutmasst - schon vor dem Bilanzstichtag auf entsprechende Aufforderung die Herausgabe der Formen verweigert hätte, spielt - da dies tatsächlich nicht geschehen ist - für die Bilanzierung am Stichtag vom 31. 12. 1998 keine Rolle. 
2.2 Die Vorinstanz hat tatsächlich nicht als erwiesen angesehen, dass die (vorbehaltlose) Aktivierung der umstrittenen Spritzgussformen unrichtig war. Dass sie der Beklagten den Beweis für das fehlende unbelastete Eigentum der B.________ AG an diesen Formen auferlegt hat, rügt die Beklagte für den Fall nicht, dass die tatsächlichen Verhältnisse massgebend sein sollten. Die Vorinstanz hat die bundesrechtlichen Grundsätze der Bilanzierung nicht verkannt, wenn sie die vorbehaltlose Aktivierung der umstrittenen Spritzgussformen per 31.12.1998 - da nach ihren verbindlichen Feststellungen am Bilanzstichtag keine Anhaltspunkte für eine Bestreitung der Herausgabe durch die Werkherstellerin bestanden - nur unter der Voraussetzung als unrichtig ansah, dass die C.________ AG tatsächlich vorher schon Ansprüche gegenüber der B.________ AG erworben hatte, die den Wert dieser Aktiven minderten oder die (mindestens als bestrittene) Kreditoren hätten verbucht werden müssen. Fehlt es aber bereits am Nachweis der Unrichtigkeit der Bilanzierung, entfällt die tatsächliche Grundlage für den behaupteten Irrtum der Beklagten. Die Vorinstanz hat bundesrechtskonform allfällige Einreden oder Gegenforderungen der Beklagten als unbegründet erachtet und die Klage auf Rückzahlung der ausstehenden Darlehensforderung geschützt. Die Rüge der Verletzung bundesrechtlicher Bilanzierungs- bzw. Rechnungslegungsbestimmungen ist unbegründet. 
3. 
Die Berufung ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Die Gerichtsgebühr ist bei diesem Verfahrensausgang der Beklagten zu auferlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Sie hat dem anwaltlich vertretenen Kläger die Parteikosten zu ersetzen (Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 6'000.-- wird der Beklagten auferlegt. 
3. 
Die Beklagte hat den Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 7'000.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und der III. Zivilkammer des Kantonsgerichts St. Gallen schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 23. November 2005 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: