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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_448/2022  
 
 
Urteil vom 23. November 2022  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Abrecht, 
Gerichtsschreiber Wüest. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Schultz, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Rechtsabteilung, Fluhmattstrasse 1, 6002 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Rückfall), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 11. Mai 2022 (VV.2021.244/E). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________, geboren 1988, arbeitete als Bodenleger für das Einzelunternehmen B.________ und war dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 11. Dezember 2015 erlitt er ein Quetschtrauma der rechten Hand. Die Suva anerkannte ihre Leistungspflicht für die Unfallfolgen. Ende Februar 2017 musste A.________ die Schweiz verlassen, nachdem er wegen Fahrens ohne Führerausweis einen befristeten Landesverweis von zwei Jahren erhalten hatte. Am 2. März 2017 teilte die Suva ihm mit, dass sie ihre Leistungen per 28. Februar 2017 einstelle. Mit Verfügung vom 9. November 2017 verneinte sie einen Rentenanspruch und sprach A.________ eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 7,5 % zu. Auf die dagegen erhobene Einsprache trat die Suva wegen verpasster Frist nicht ein (Nichteintretensentscheid vom 2. Februar 2018), was letztinstanzlich vom Bundesgericht mit Urteil 8C_784/2018 vom 5. März 2019 geschützt wurde.  
 
A.b. Am 18. Februar 2021 meldete sich der Rechtsvertreter von A.________ bei der Suva und machte geltend, A.________ benötige aufgrund des aus dem Unfall entstandenen Gesundheitsschadens erneut ärztliche Behandlung. Eine komplexe stationäre Schmerztherapie sei angezeigt. Nach Einholung von kreisärztlichen Stellungnahmen verneinte die Suva mit Verfügung vom 7. April 2021 einen Anspruch des A.________ auf weitere Versicherungsleistungen. Daran hielt sie - nach erneuter Konsultation eines Kreisarztes - mit Einspracheentscheid vom 22. September 2021 fest.  
 
B.  
Die dagegen erhobene Beschwerde des A.________ wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 11. Mai 2022 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, es seien der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 11. Mai 2022 und der Einspracheentscheid der Suva vom 22. September 2021 aufzuheben, und er sei zu einer stationären Schmerzkomplextherapie aufzubieten. Eventualiter sei eine polydisziplinäre Begutachtung anzuordnen. Subeventualiter sei die Sache zu weiteren Abklärungen und neuem Entscheid an die Suva zurückzuweisen. 
Die Vorinstanz und die Suva schliessen auf Abweisung der Beschwerde, erstere unter Verweis auf den angefochtenen Entscheid. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) verzichtet auf eine Stellungnahme. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 mit Hinweisen). Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Streitig ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, indem es eine Leistungspflicht der Suva für den im Februar 2021 gemeldeten Rückfall des im Dezember 2015 erlittenen Unfalls verneinte.  
 
2.2. Die Vorinstanz legte das Anspruchserfordernis eines natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (BGE 142 V 435 E. 1 mit Hinweisen), insbesondere bei Rückfällen und Spätfolgen (BGE 118 V 293 E. 2c; SVR 2016 UV Nr. 15 S. 46, 8C_934/2014 E. 3.1), zutreffend dar. Gleiches gilt für ihre Ausführungen zur Beweiswürdigung medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 143 V 124 E. 2.2.2; 142 V 58 E. 5.1; 134 V 231 E. 5.1; je mit Hinweisen), insbesondere von versicherungsinternen Ärztinnen und Ärzten (BGE 135 V 465 E. 4.4). Darauf wird verwiesen.  
 
2.3. Zu betonen ist, dass der Unfallversicherer bei der Leistungspflicht gemäss Art. 11 UVV für Rückfälle und Spätfolgen nicht auf der Anerkennung des natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhangs beim Grundfall oder bei früheren Rückfällen behaftet werden kann, weil die unfallkausalen Faktoren durch Zeitablauf wegfallen können. Es obliegt dem Leistungsansprecher, das Vorliegen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem als Rückfall oder Spätfolge geltend gemachten Beschwerdebild und dem Unfall nachzuweisen. Nur wenn die Unfallkausalität mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt ist, entsteht eine erneute Leistungspflicht des Unfallversicherers; dabei sind an den Wahrscheinlichkeitsbeweis umso strengere Anforderungen zu stellen, je grösser der zeitliche Abstand zwischen dem Unfall und dem Auftreten der gesundheitlichen Beeinträchtigung ist (SVR 2016 UV Nr. 18 S. 55, 8C_331/2015 E. 2.2.2; Urteile 8C_85/2021 vom 23. Juli 2021 E. 3.2; 8C_143/2021 vom 7. Juni 2021 E. 2.3; je mit Hinweisen).  
 
3.  
Die Vorinstanz erwog, die Suva habe den Fall mit Verfügung vom 9. November 2017 infolge Erreichens des medizinischen Endzustands bezüglich des Arbeitsunfalls vom 11. Dezember 2015 abgeschlossen und einen Rentenanspruch verneint. Gleichzeitig habe sie dem Beschwerdeführer eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 7,5 % zugesprochen. Dieser Entscheid sei rechtskräftig geworden, nachdem die Suva auf eine Einsprache des Beschwerdeführers zufolge verpasster Frist nicht eingetreten sei, was das Bundesgericht letztinstanzlich geschützt habe. Die Vorinstanz verneinte sodann einen prozessualen Revisionsgrund nach Art. 53 Abs. 1 ATSG. Eine Wiedererwägung im Sinne von Art. 53 Abs. 2 ATSG habe die Suva nicht vorgenommen, was in ihrem Ermessen liege und nicht zu beanstanden sei. Ferner lasse sich ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für Heilbehandlung auch nicht aus Art. 21 UVG ableiten, da ein Rentenanspruch rechtskräftig verneint worden sei. Schliesslich prüfte das kantonale Gericht, ob sich ein Leistungsanspruch des Beschwerdeführers aus einem Rückfall oder aufgrund von Spätfolgen ergibt. Es kam dabei nach Würdigung der medizinischen Berichte zum Schluss, dass sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers seit der rechtskräftigen Leistungsablehnung nicht massgeblich verändert habe. Dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, einen Rückfall oder Spätfolgen mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachzuweisen. 
 
4.  
 
4.1.  
 
4.1.1. Der Beschwerdeführer rügt zunächst eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Er macht geltend, die Vorinstanz habe zu Unrecht einen Anspruch auf zweckmässige Heilbehandlung nach Art. 10 UVG nicht geprüft.  
 
4.1.2. Diese Rüge ist unbegründet. Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass weder ein Rückfall noch Spätfolgen gemäss Art. 11 UVV nachgewiesen sind. Entsprechend verneinte sie einen Anspruch des Beschwerdeführers auf Versicherungsleistungen, womit sie selbstredend auch einen Anspruch auf Heilbehandlung nach Art. 10 UVG ausschloss. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt damit nicht vor.  
 
4.2.  
 
4.2.1. Weiter macht der Beschwerdeführer eine unrichtige Anwendung von Art. 10 UVG geltend. Der Anspruch auf Heilbehandlung ende zwar gemäss Art. 19 Abs. 1 UVG bei Zusprechung einer Rente. Dies könne aber nur dann gelten, wenn der Fall medizinisch auch tatsächlich abgeschlossen sei, was vorliegend gerade nicht zutreffe.  
 
4.2.2. Auch damit dringt der Beschwerdeführer nicht durch. Er übersieht, dass der Fall mit Verfügung vom 9. November 2017 wegen Erreichens des medizinischen Endzustands rechtskräftig abgeschlossen wurde. Dass die Rechtskraft aufgrund der verpassten Einsprachefrist eingetreten ist, ändert nichts daran, dass er sich den Fallabschluss entgegenzuhalten hat. Da die Vorinstanz einen prozessualen Revisionsgrund nach Art. 53 Abs. 1 ATSG zu Recht verneinte - was auch der Beschwerdeführer nicht in Frage stellt - und die Vornahme einer Wiedererwägung nach Art. 53 Abs. 2 ATSG im Ermessen der Suva liegt, ist ein neuerlicher Leistungsanspruch des Beschwerdeführers lediglich unter dem Gesichtspunkt eines Rückfalls oder von Spätfolgen im Sinne von Art. 11 UVV zu prüfen.  
 
4.3.  
 
4.3.1. Schliesslich rügt der Beschwerdeführer eine unrichtige Beweiswürdigung sowie eine Verletzung von Art. 11 UVV. Er macht insbesondere geltend, aus den Berichten der behandelnden Ärzte ergebe sich klarerweise eine Verschlechterung der Schmerzkomponente.  
 
4.3.2. Die Vorinstanz hat richtig erkannt, dass die Anerkennung eines Rückfalls oder von Spätfolgen eine nachträgliche Änderung der anspruchsrelevanten Verhältnisse voraussetzt (vgl. BGE 144 V 245 E. 6.2 mit Hinweisen). Allein der Umstand, dass der behandelnde Arzt Dr. med. C.________, Oberarzt am Institut für Anästhesiologie (Schmerzambulatorium, Spital D.________), die Schmerzsymptomatik nach ICD-11 klassifiziert (MG 30.2: chronische postoperative oder posttraumatische Schmerzen), belegt - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - noch keine massgebliche Veränderung des Gesundheitszustands. Die Vorinstanz ist vielmehr nach sorgfältiger Prüfung der medizinischen Akten zum Schluss gelangt, dass eine massgebliche Veränderung der anspruchsrelevanten Verhältnisse nicht erstellt sei. Auch die Beurteilungen der behandelnden Ärzte vermöchten keine auch nur geringen Zweifel an den kreisärztlichen Einschätzungen zu begründen. Diesen zufolge ist seit 2017 von einem stabilen unfallbedingten Gesundheitszustand auszugehen. Kreisarzt Dr. med. E.________, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie, legte zudem nachvollziehbar dar, dass von der vom Beschwerdeführer gewünschten stationären komplexen Schmerztherapie angesichts des chronifizierten Zustandsbilds keine nennenswerte Verbesserung zu erwarten ist. Weitere operative Massnahmen lehnte er dringend ab (vgl. Beurteilung vom 25. Februar 2021). Diese Einschätzung bestätigte der Kreisarzt Dr. med. F.________, Facharzt für Orthopädische Chirurgie, in seiner Stellungnahme vom 24. März 2021.  
 
4.3.3. Mit seinen Vorbringen vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen, dass und inwiefern die vorinstanzliche Beweiswürdigung Bundesrecht verletzen soll. Soweit er geltend macht, die Kreisärzte hätten ihn nicht persönlich untersucht, ist zu erwidern, dass auch reine Aktenbeurteilungen beweiskräftig sind, sofern ein lückenloser Befund vorliegt und es im Wesentlichen nur um die fachärztliche Beurteilung eines an sich feststehenden medizinischen Sachverhalts geht, mithin die direkte ärztliche Befassung mit der versicherten Person in den Hintergrund rückt (Urteil 8C_629/2021 vom 24. März 2022 E. 4.2 mit Hinweis). Dass diese Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt wären, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf und ist auch nicht anderweitig ersichtlich. Angesichts dessen durfte die Vorinstanz auf die kreisärztlichen Beurteilungen abstellen und von weiterführenden Abklärungen absehen (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 144 V 361 E. 6.5; 141 I 60 E. 3.3; 136 I 229 E. 5.3 mit Hinweisen).  
 
4.3.4. Demnach hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, wenn sie im Wesentlichen gestützt auf die kreisärztlichen Beurteilungen einen Rückfall oder Spätfolgen im Sinne von Art. 11 UVV und damit einen Leistungsanspruch des Beschwerdeführers verneinte.  
 
5.  
Nach dem Gesagten hat es beim angefochtenen Urteil sein Bewenden. 
 
6.  
Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 23. November 2022 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Wüest