Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_797/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 23. Dezember 2014  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichter Oberholzer, 
Gerichtsschreiber Moses. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Steiner, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,  
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Grobe Verletzung von Verkehrsregeln; willkürliche Beweiswürdigung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts 
des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, 
vom 27. Mai 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
 X.________ fuhr am 19. September 2011 gegen 21.45 Uhr mit einem Auto von Wohlen in Richtung Windisch. Ihm folgte A.________. In Brunegg kam es zu einer Auffahrkollision. X.________ wird vorgeworfen, plötzlich gebremst zu haben. 
 
B.  
 
 Das Bezirksgericht Lenzburg erklärte X.________ am 23. Januar 2013 der groben Verletzung der Verkehrsregeln schuldig. Es bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 90.-- und einer Busse von Fr. 1'000.--. Die von X.________ dagegen gerichtete Berufung wies das Obergericht des Kantons Aargau am 27. Mai 2014 ab. 
 
C.  
 
 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau sei aufzuheben und er sei von Schuld und Strafe freizusprechen. 
 
D.  
 
 Die Oberstaatsanwaltschaft und das Obergericht des Kantons Aargau verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Vorinstanz stellt fest, dass beide Fahrzeuge mit ca. 60 km/h fuhren und A.________ dem Beschwerdeführer mit einem Abstand von fünf bis zehn Metern folgte. Der Beschwerdeführer habe die Bremse seines Fahrzeuges angetippt und damit bezweckt, dass A.________ den Abstand vergrössere. Ein kräftiges Bremsen sei auszuschliessen. Es sei davon auszugehen, dass das Fahrzeug bereits dadurch, dass der Beschwerdeführer seinen Fuss vom Gaspedal wegnahm und die Motorbremse ihre Wirkung entfaltete, spürbar an Geschwindigkeit verlor. Durch seine nicht unwesentliche Geschwindigkeitsreduktion habe der Beschwerdeführer gegen Art. 37 Abs. 1 SVG und Art. 12 Abs. 2 VRV verstossen. Dieses Bremsen sei als brüsk im Sinne der erwähnten Bestimmungen zu qualifizieren (Urteil, S. 18 ff).  
Der Beschwerdeführer bestreitet, Verkehrsregeln verletzt zu haben 
 
1.2. Nach Art. 12 Abs. 2 VRV sind brüskes Bremsen und Halten nur gestattet, wenn kein Fahrzeug folgt und im Notfall. Ein Notfall liegt immer dann vor, wenn wegen eines plötzlich auftauchenden Hindernisses sofort gebremst werden muss; erforderlich ist dabei kein zwingender Grund, da lediglich das unnötigerweise plötzlich erfolgende Anhalten untersagt ist. Die Frage, ob das plötzliche Bremsen unnötigerweise erfolgt sei, kann dabei nicht generell, sondern nur im konkreten Fall unter Würdigung der Umstände entschieden werden (BGE 115 IV 248 E. 4c; 137 IV 326 E. 3.3.3; je mit Hinweisen). Nach BGE 99 IV 100 E. 2 verletzt die in Art. 12 Abs. 2 VRV festgelegte Verkehrsregel, wer aus Böswilligkeit grundlos scharf bremst mit dem Zweck, den nachfolgenden Automobilisten zu erschrecken oder gar eine Auffahrkollision zu provozieren. In BGE 117 IV 504 E. 1a erwog das Bundesgericht, dass die hohen Geschwindigkeiten, welche auf Autobahnen gefahren werden können, dazu führen, dass schon ein Abbremsen des Fahrzeugs, welches nicht als "brüsk" im Sinne eines "scharfen" oder "einigermassen kräftigen" Bremsens bezeichnet werden kann, die Verkehrssicherheit beeinträchtigt, denn je höher die gefahrene Geschwindigkeit und je knapper der zwischen dem bremsenden und dem nachfolgenden Fahrzeug bestehende Abstand, um so gefährlicher kann auch ein geringfügiges Bremsen für die Verkehrsteilnehmer sein. Daher bremst brüsk im Sinne von Art. 12 Abs. 2 VRV auch wer - wenn ein anderes Fahrzeug folgt - auf Autobahnen sein Fahrzeug durch Bremsen mehr als nur unwesentlich verzögert. Nicht als brüskes Bremsen gilt das blosse Antippen der Bremse, um den zu nahe folgenden Fahrzeuglenker auf sein gefährliches Verhalten aufmerksam zu machen, wodurch das Fahrzeug nicht oder nur unwesentlich verzögert wird (BGE 99 IV 100 E. 2; BGE 137 IV 326 E. 3.3.3; FIOLKA, in: Basler Kommentar, Strassenverkehrsgesetz, 2014, N. 13 zu Art. 37 SVG; anders WEISSENBERGER, Kommentar zum Strassenverkehrsgesetz, 2011, N. 59 zu Art. 34 SVG und N. 4 zu Art. 37 SVG).  
 
1.3. Die Geschwindigkeit des vom Beschwerdeführer gelenkten Fahrzeugs reduzierte sich nach den Feststellungen der Vorinstanz bereits dadurch, dass dieser den Fuss vom Gaspedal wegnahm. Art. 12 Abs. 2 VRV verbietet das brüske Bremsen, wenn kein Notfall vorliegt. Dies setzt voraus, dass der Lenker die Bremse seines Fahrzeugs betätigt. Der Beschwerdeführer verlangsamte sein Fahrzeug, ohne die Bremse zu betätigen, weshalb ein brüskes Bremsen im Sinne von Art. 12 Abs. 2 VRV von vornherein nicht gegeben ist. Zudem durfte der Beschwerdeführer nach der erwähnten Rechtsprechung die Bremse kurz antippen, um A.________ - dessen Abstand von fünf bis zehn Metern bei einer Geschwindigkeit von ca. 60 km/h viel zu kurz war - auf sein gefährliches Verhalten aufmerksam machen. Um die Bremse antippen zu können, musste der Beschwerdeführer aber den Fuss vom Gaspedal wegnehmen, was ebenfalls zulässig ist. Den hinterher fahrenden Automobilisten trifft alleine die Verantwortung, einen ausreichenden Abstand nach vorn zu wahren (BGE 115 IV 248 E. 3a). Der Beschwerdeführer verletzte keine Verkehrsregeln. Es erübrigt sich, auf seine weiteren Rügen einzugehen.  
 
2.  
 
 Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. Für das bundesgerichtliche Verfahren sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Der Kanton Aargau hat dem Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
 
 Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 27. Mai 2014 wird aufgehoben und die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
 
 Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.  
 
 Der Kanton Aargau hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- zu bezahlen. 
 
4.  
 
 Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. Dezember 2014 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Moses