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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_120/2020  
 
 
Urteil vom 24. Februar 2020  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.A.________, 
2. B.A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, 
2. Vollzugs- und Bewährungsdienst des Kantons Luzern, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Besuchs- und Kontaktregelung, Wiederherstellung der aufschiebende Wirkung; Nichteintreten, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Kantonsgerichts Luzern, 2. Abteilung, vom 14. Januar 2020. 
 
 
Der Präsident zieht in Erwägung:  
 
1.   
Das Kriminalgericht des Kantons Luzern stellte am 8. Mai 2000 fest, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Mutter, der Beschwerdeführerin, seinen Vater getötet und damit den Tatbestand des Mordes erfüllt hat. Infolge Unzurechnungsfähigkeit sprach das Kriminalgericht den Beschwerdeführer von Schuld und Strafe frei und ordnete eine ambulante Massnahme an. Nachdem das kantonale Sicherheitsdepartement das Scheitern der Massnahme festgestellt hatte, ordnete das Kriminalgericht am 29. März 2004 eine stationäre Massnahme an. Am 26. Januar 2011 wurde der Beschwerdeführer aus der Massnahme bedingt entlassen; am 22. Oktober 2015 erfolgte eine Rückversetzung in den stationären Massnahmevollzug. Am 23. Dezember 2019 hob das Kantonsgericht Luzern die stationäre Massnahme auf. Der Beschwerdeführer wird auf den 4. März 2020 zuhanden der zuständigen zivilrechtlichen Behörden entlassen. 
 
2.   
Der Beschwerdeführer befindet sich im Pflegezentrum C.________. Am 9. Mai 2019 erliess dieses eine Besuchsregelung, wogegen sich der Beschwerdeführer und die Beschwerdeführerin wehrten. Daraufhin legte der Vollzugs- und Bewährungsdienst des Kantons Luzern (VBD) am 13. Dezember 2019 eine Besuchs- und Kontaktregelung (Anzahl der Besuche im Heim pro zwei Wochen, Anzahl der Telefonanrufe pro Woche) mit Verfügung fest. Einer allfälligen Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung entzogen. Die Beschwerdeführer wandten sich mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Kantonsgericht Luzern, welches deren Gesuch um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung mit Verfügung vom 14. Januar 2020 insofern guthiess, als der VBD die Besuchs- und Kontaktregelung generell auf alle Bezugspersonen und Telefonanrufe ausgeweitet hatte. Im Übrigen, d.h. bezogen auf die Regelung des persönlichen Verkehrs zwischen den Beschwerdeführern, wies es das Gesuch ab. 
Dagegen gelangen die Beschwerdeführer an das Bundesgericht. 
 
3.   
Der angefochtene vorinstanzliche Entscheid ist kein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG. Er schliesst das Verfahren nicht ab, sondern regelt ausschliesslich die Frage der aufschiebenden Wirkung des gegen die Verfügung des VBD erhobenen Rechtsmittels. Er ist mithin ein selbständig eröffneter Zwischenentscheid gemäss Art. 93 BGG. Nach Art. 93 BGG ("Andere Vor- und Zwischenentscheide") ist gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide die Beschwerde an das Bundesgericht unter anderem zulässig, wenn sie einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken können (Abs. 1 lit. a; vgl. dazu BGE 141 IV 289 E. 1.2; 139 IV 113 E. 1; je mit Hinweisen). Die Nichtwiederherstellung der aufschiebenden Wirkung führt vorliegend dazu, dass die Regelung des VBD sofort umgesetzt wird mit der Folge, dass die Beschwerdeführer untereinander im Rahmen ihres persönlichen Verkehrs Kontakt- und Besuchseinschränkungen hinzunehmen haben. Dies stellt für sie einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 BGG dar. 
Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg der Hauptsache. Eine Kontakt- und Besuchsregelung während des strafrechtlichen Massnahmenvollzugs ist im Sinne von Art. 78 Abs. 2 lit. b BGG ein Entscheid über den Vollzug von Massnahmen. Dagegen ist die Beschwerde in Strafsachen zulässig. Zu ihrer Beurteilung ist die Strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts zuständig (Urteile 6B_1126/2016 vom 10. Oktober 2016 E. 1.3; 6B_824/2015 vom 22. September 2015 E. 1.1) 
 
4.  
 
4.1. Verfahrensgegenstand bildet vor Bundesgericht einzig der angefochtene Zwischenentscheid der Vorinstanz betreffend die Nichtwiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Indessen bringen die Beschwerdeführer in ihrer Beschwerde Dinge zur Sprache, die mit dem Verfahrensgegenstand nichts zu tun haben, wie zum Beispiel die Recht- und Verhältnismässigkeit der Kontakt- und Besuchsregelung als solche, die Unterbringungen, die Medikation und die gesundheitliche Verfassung des Beschwerdeführers sowie das in diesem Zusammenhang stehende Vorgehen und die Entscheidungen der involvierten Behörden/Institutionen. Darauf ist von vornherein nicht einzutreten.  
 
4.2. Mit der beantragten Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde haben die Beschwerdeführer im vorinstanzlichen Verfahren den Erlass einer vorsorglichen Massnahme verlangt (Urteil 6B_1126/2016 vom 10. Oktober 2016 E. 2.1). Vorsorgliche Massnahmen ergehen aufgrund einer bloss provisorischen Prüfung der Sach- und Rechtslage. Erforderlich ist eine Abwägung der auf dem Spiel stehenden Interessen. Der zuständigen Behörde steht dabei ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu. Sie ist nicht gehalten, für ihren rein vorsorglichen Entscheid zeitraubende Abklärungen zu treffen, sondern kann sich mit einer summarischen Beurteilung aufgrund der ihr zur Verfügung stehenden Akten begnügen. Die Hauptsachenpro-gnose kann dabei berücksichtigt werden, wenn sie eindeutig ist (BGE 130 II 149 E. 2.2). Das Bundesgericht kann einen Zwischenentscheid betreffend vorsorgliche Massnahmen nur aufheben, wenn darin wesentliche Interessen und wichtige Gesichtspunkte ausser Acht gelassen oder offensichtlich falsch bewertet worden sind und die darin vorgenommene Interessenabwägung jeglicher vernünftiger Grundlage entbehrt (Urteil 6B_1305/2016 vom 29. November 2016 E. 2.1 mit Hinweisen).  
 
4.3. Die Vorinstanz erwägt im angefochtenen Zwischenentscheid, der Kontakt des Strafgefangenen könne nach Art. 84 Abs. 2 StGB kontrolliert und zum Schutz der Ordnung und Sicherheit der Strafanstalt beschränkt oder untersagt werden. Alleine eine paternalistische Begründung, wonach der Kontakt mit einer bestimmten Person nicht in dessen wohlverstandenen Interesse liege, genüge für eine Einschränkung indessen nicht. In jedem Fall unterlägen Kontaktbeschränkungen dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Aus den beigezogenen Akten des Verfahrens betreffend Massnahmeaufhebung würden sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Beziehung zwischen den Beschwerdeführern die Ordnung im Pflegezentrum C.________ störe. Die Interventionen der Beschwerdeführerin stellten gemäss Entscheid vom 13. Dezember 2019 ein immer grösser werdendes Problem dar, das die betrieblichen Abläufe innerhalb der Institution vermehrt an die Grenzen gebracht habe. Demgegenüber vermöchten die Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen, inwiefern ihre persönlichen Interessen durch den Entzug der aufschiebenden Wirkung höher zu gewichten seien. Die von ihnen geltend gemachten Gründe reichten hierfür nicht aus, zumal der Kontakt nicht gänzlich untersagt, sondern nur eingeschränkt werde. Damit sei das Gesuch um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bezüglich des Kontakts zwischen den Beschwerdeführern abzuweisen.  
 
4.4. Der guten Ordnung halber ist vorab darauf hinzuweisen, dass es sich beim Beschwerdeführer nicht um einen Strafgefangenen handelt und er sich nicht im Strafvollzug, sondern im Vollzug einer Massnahme befindet. Gestützt auf Art. 90 Abs. 4 StGB gilt für die Beziehungen eines Eingewiesenen zur Aussenwelt Artikel 84 StGB sinngemäss, sofern nicht Gründe der stationären Behandlung weiter gehende Einschränkungen gebieten.  
 
4.5. Was an den Erwägungen im angefochtenen Zwischenentscheid gegen das Recht im Sinne von Art. 95 BGG verstossen könnte, ergibt sich aus der Beschwerde nicht. Die Beschwerdeführer setzen sich damit nicht bzw. nicht hinreichend auseinander (Art. 42 Abs. 2 BGG, Art. 106 Abs. 2 BGG). Dass durch die Nichtwiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihre persönlichen Interessen tangiert werden, ist evident. Vor Bundesgericht sprechen die Beschwerdeführer von "geraubter Kontaktzeit", "Stress" und "Erschütterung" und schildern wortreich die eigene subjektive Sicht der Dinge. Indessen legen sie in der Beschwerde nicht dar, inwiefern beim Entscheid über die Nichtwiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht die von der Vorinstanz genannten Grundsätze massgebend sein sollen, der angefochtene Zwischenentscheid bei Beachtung dieser Grundsätze in summarischer Prüfung Recht verletzen und die darin vorgenommene Interessenabwägung jeglicher vernünftiger Grundlage entbehren könnte. Aus der Beschwerde geht somit nicht hervor, dass und inwiefern der angefochtene Zwischenentscheid rechts- und/oder ermessensfehlerhaft sein könnte. Soweit die Beschwerdeführer rügen, der für den Zwischenentscheid verantwortlich zeichnende Richter (inklusive Gerichtsschreiberin) sei befangen, zeigen sie zudem nicht auf, dass sie diesen Vorwurf bereits im kantonalen Verfahren erhoben hätten, und legen auch nicht dar, dass sie von dessen angeblicher Parteilichkeit erst nach Zustellung des angefochtenen Entscheids Kenntnis erhalten haben. Dass und inwiefern der erhobene Vorwurf zutreffen könnte, begründen sie ebenfalls nicht hinreichend. Dasselbe gilt für den als verletzt gerügten Gehörsanspruch. Im Übrigen verkennen sie, dass die ihnen angeblich zu Unrecht nicht vor Erlass des angefochtenen Zwischenentscheids zugestellten Stellungnahmen der Beiständin und des Anwalts des Beschwerdeführers nicht die Frage der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung betreffen und sich die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid auch nicht darauf stützt.  
 
4.6. Die Beschwerde enthält nach dem Gesagten keine Begründung, die den Anforderungen von Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG genügen würde. Darauf ist im Verfahren nach Art. 108 BGG nicht einzutreten.  
Ausnahmsweise werden keine Kosten erhoben (Art. 66 Abs. 1 BGG) Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird gegenstandslos. 
 
 
 Demnach erkennt der Präsident:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 24. Februar 2020 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill