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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 7} 
I 1000/06 
 
Urteil vom 24. April 2007 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Lustenberger, Seiler, 
Gerichtsschreiber Attinger. 
 
Parteien 
IV-Stelle Obwalden, Brünigstrasse 144, 
6060 Sarnen, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
K.________, 1966, Beschwerdegegner, 
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Scheuber, Bahnhofplatz 5, 6060 Sarnen. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den 
Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Obwalden vom 25. Oktober 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Verfügung vom 22. April 2005 und Einspracheentscheid vom 12. Juli 2005 verneinte die IV-Stelle Obwalden einen Anspruch des 1966 geborenen K.________ auf Eingliederungsmassnahmen und Rente mangels eines invalidisierenden Gesundheitsschadens. 
B. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden hiess die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 25. Oktober 2006 gut, hob den Einspracheentscheid vom 12. Juli 2005 auf (Dispositiv-Ziffer 1) und sprach K.________ rückwirkend ab 1. Juni 2003 eine ganze Invalidenrente zu (Dispositiv-Ziffer 2). 
C. 
Die IV-Stelle führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids. 
 
Während K.________ auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen lässt, beantragt das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) deren Gutheissung. 
Mit Eingabe vom 5. April 2007 hält der Versicherte an seinem Antrag fest. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395). 
2. 
2.1 Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Das Bundesgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 Abs. 2 OG [in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG, in Kraft ab 1. Juli 2006] in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
2.2 Mit Blick auf diese neue Kognitionsregelung für die Invalidenversicherung ist aufgrund der Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu prüfen, ob der angefochtene Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell- und beweisrechtlichen Grundlagen Bundesrecht verletzt (Art. 104 lit. a OG), einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften Tatsachenfeststellung (Art. 105 Abs. 2 OG). Hingegen hat eine freie Überprüfung des vorinstanzlichen Entscheides in tatsächlicher Hinsicht (aArt. 132 lit. b OG) ebenso zu unterbleiben wie eine Prüfung der Ermessensbetätigung (aArt. 132 lit. a OG) nach den Grundsätzen zur Angemessenheitskontrolle (BGE 126 V 81 E. 6 mit Hinweisen). Auch besteht (entgegen aArt. 132 lit. c OG) Bindung an die Parteianträge, handelt es sich doch nicht um eine Abgabestreitigkeit (Art. 114 Abs. 1 OG; zum Ganzen: BGE 132 V 393 E. 2.2 S. 396). 
3. 
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdegegner zu mindestens 70 % (bis Ende 2003: zu mindestens 662/3 %) invalid ist und somit Anspruch auf eine ganze Invalidenrente hat (Art. 28 Abs. 1 IVG [hier anwendbar sowohl in der bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen wie auch in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung]). Die für die diesbezügliche Beurteilung massgebenden Rechtsgrundlagen hat das kantonale Gericht richtig wiedergegeben. Darauf wird verwiesen. 
4. 
Die Vorinstanz hat im angefochtenen Entscheid unter Würdigung der gesamten medizinischen Aktenlage (namentlich des polydisziplinären Gutachtens der MEDAS X.________ vom 25. Juni 2004 sowie des ärztlichen Berichts der Medizinischen Poliklinik am Spital Y.________ vom 11. November 2003) festgestellt, dass der Beschwerdegegner seinen angestammten Beruf als Bauarbeiter und Lastwagen-Chauffeur wegen eines chronischen Müdigkeitssyndroms (oder eines chronic fatigue syndrome) nicht mehr ausüben kann und auch bei Verrichtung einer leichten, kognitiv wenig anspruchsvollen Erwerbstätigkeit zu 70 % arbeitsunfähig ist. Ergänzende medizinische Abklärungen würden zu keinen relevanten neuen Erkenntnissen führen, weshalb davon abzusehen sei. Aus der vorinstanzlich zugrunde gelegten geringen Restarbeitsfähigkeit resultiert (unbestrittenermassen) eine Erwerbseinbusse, welche zu einer ganzen Invalidenrente berechtigt. Die im angefochtenen Entscheid getroffene Feststellung über die verbliebene funktionelle Leistungsfähigkeit wie auch die antizipierte Beweiswürdigung des kantonalen Gerichts beschlagen Fragen tatsächlicher Natur und sind daher für das Bundesgericht verbindlich (E. 2 hievor), zumal von einer Rechtsfehlerhaftigkeit der streitigen Tatsachenfeststellungen im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG keine Rede sein kann. 
5. 
Es stellt sich indessen im Rahmen von Art. 104 lit. a OG die frei zu prüfende Rechtsfrage, ob die MEDAS-Gutachter bei ihrer ärztlich-medizinisch nicht zu beanstandenden Stellungnahme zur Arbeitsunfähigkeit den normativen Leitlinien gemäss der mit BGE 130 V 352 eingeleiteten Rechtsprechung hinreichend Rechnung getragen haben. Danach gelten anhaltende somatoforme Schmerzstörungen in der Regel als nicht in rentenbegründendem Ausmasse invalidisierend, sondern nur ausnahmsweise, bei Hinzutreten näher umschriebener qualifizierender Voraussetzungen (BGE a.a.O., S. 354 ff.). Nun ist das chronische Müdigkeitssyndrom sicherlich nicht einfach mit einer somatoformen Schmerzstörung gleichzusetzen (zum Erfordernis genauer Diagnosestellung vgl. BGE 130 V 396). Aber es weist mit ihm zumindest insofern Ähnlichkeiten auf, als es sich nicht um ein ätiologisch-pathogenetisch eindeutig erklärbares Krankheitsbild handelt, sondern um einen syndromalen Zustand, dessen Ursachen nach derzeitigem Wissensstand weithin im Dunkeln liegen. Es läge daher nahe, die erwähnte Rechtsprechung auf das chronische Müdigkeitssyndrom analog zur Anwendung zu bringen (vgl. Urteil I 486/05 des EVG vom 10. Oktober 2005), wie es das Eidgenössische Versicherungsgericht bezüglich der Fibromyalgie (BGE 132 V 65) getan hat (vgl. zur Dysthymie Urteil I 649/06 des Bundesgerichts vom 13. März 2007). Bevor dies in grundsätzlicher Weise geprüft wird, erscheint es angezeigt, bei den mit dem Beschwerdegegner befassten MEDAS-Ärzten Rücksprache zu nehmen und sie ihre gutachterlichen Ausführungen ergänzen zu lassen, namentlich zu der gemäss der erwähnten Rechtsprechung entscheidenden Frage, auf welche medizinisch-psychiatrischen Gegebenheiten sich die Expertenangabe der Unzumutbarkeit, eine angepasste Erwerbstätigkeit auszuüben, stützt und ob daran festgehalten werden kann. Es geht auch im Falle des Beschwerdegegners darum herauszufinden, ob er noch über die physisch-psychischen Ressourcen und Möglichkeiten verfügt, einer körperlich leichten Beschäftigung nachzugehen. In diesem Sinne geht die Sache an die Beschwerde führende IV-Stelle zurück, damit sie die Akten im beschriebenen Sinne vervollständige und hernach über den Rentenanspruch des Beschwerdegegners neu verfüge. 
6. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 zweiter Satz OG in der ab 1. Juli 2006 geltenden Fassung). Die Rückweisung der Sache an die Verwaltung zur Aktenergänzung und neuen Verfügung gilt praxisgemäss als volles Obsiegen der beschwerdeführenden IV-Stelle (BGE 132 V 215 E. 6.1 S. 235). Die Gerichtskosten sind daher dem unterliegenden Beschwerdegegner aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG). Aus demselben Grund steht dem Beschwerdegegner für das vorliegende Verfahren auch keine Parteientschädigung zu (Art. 159 in Verbindung mit Art. 135 OG). 
 
Hingegen ist die durch das kantonale Gericht zugesprochene Parteientschädigung an den heutigen Beschwerdegegner und damaligen Beschwerdeführer (Dispositiv-Ziffer 4 des angefochtenen Entscheids) trotz des letztinstanzlichen Prozessausgangs zu bestätigen, hätte doch der Versicherte seinerzeit unter dem Blickwinkel der Parteientschädigungsfrage nach Art. 61 lit. g ATSG auch dann obsiegt, wenn bereits die Vorinstanz eine Rückweisung der Streitsache zur Aktenergänzung angeordnet hätte (BGE 132 V 215 E. 6.2 S. 235). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass Dispositiv-Ziffer 2 des Entscheides des Verwaltungsgerichts des Kantons Obwalden vom 25. Oktober 2006 aufgehoben und die Sache an die IV-Stelle Obwalden zurückgewiesen wird, damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre. 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
3. 
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 500.- wird der IV-Stelle Obwalden zurückerstattet. 
4. 
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden, der Ausgleichskasse des Schweizerischen Baumeisterverbandes und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt. 
Luzern, 24. April 2007 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: